Protocol of the Session on December 19, 2002

Meine Damen und Herren, bevor auch nur noch ein Cent aus öffentlichen Töpfen in dieses Projekt fließt, brauchen wir endlich lückenlose Transparenz und Aufklärung. Das ist heute oft betont, aber seit einem Jahr nicht realisiert worden. Unter welchen Bedingungen ist es tatsächlich zum Verkauf des IHPKnow-hows gekommen? Wie war es möglich, dass Transparenz und Kontrolle auch im Kabinett des Landes ausgeschaltet werden konnten? Wer trägt dafür die Verantwortung? Handelt es sich bei der Millionenzahlung an Ex-Minister Fürniß tatsächlich nur um einen Kredit ohne Zusammenhang mit den gewährten Vorteilen? Wie groß ist der Schaden, der dem Land Brandenburg durch die IHP-Communicant-Verträge mit Intel und Dubai bis heute entstanden ist?

Deshalb halte ich in diesem Zusammenhang mittlerweile die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für angebracht und unausweichlich, ebenso die Einschaltung der unabhängigen Organisation Transparency International zur Korruptionsbekämpfung. Vor allem aber fordere ich, im Januar einen schonungslosen, offenen und ehrlichen Bericht der Landesregierung an den Landtag vorzulegen, der sich mit eigenen Fehlern und Versäumnissen in dieser Angelegenheit konsequent auseinander setzt.

Wir haben heute vom Wirtschaftsminister gehört, dass er - anders als sein Vorgänger - dieses Recht auf Berichterstattung und Transparenz begrüßt. Anfang des Jahres soll es neue Informationen geben. Ich bitte Sie, diese auch den Abgeordneten umgehend zur Verfügung zu stellen. Aus den genannten Gründen bitte ich um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.

Die Koalitionsfraktionen haben eben Redeverzicht signalisiert. Somit erhält für die Fraktion der PDS der Abgeordnete Thiel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Bemerkungen zum vorliegenden Antrag:

Erstens: Die Aktuelle Stunde zu Beginn der heutigen Landtagssitzung war inhaltlich darauf ausgerichtet, eine umfassende mündliche Berichterstattung der Landesregierung über den Stand der Finanzierung und Errichtung einer Chipfabrik in

Frankfurt (Oder) und über die damit verbundenen weiter gehenden Probleme gegenüber diesem hohen Hause und der breiten Öffentlichkeit zu ermöglichen. Die Punkte 1 und 2 des vorliegenden Antrags waren heute also bereits Gegenstand der Debatte.

Unabhängig davon, ob die Antworten der Landesregierung auf die aufgeworfenen Fragestellungen in der Aktuellen Stunde für die einzelnen Fraktionen oder Mitglieder dieses Landtags befriedigend, allumfassend oder gar überzeugend waren, gilt jedoch: In den zuständigen Ausschüssen werden wir weiterhin unsere sachlich-kritischen Fragen zu stellen haben; wir werden diesen unseren Oppositionsauftrag ernst nehmen. Wir werden die uns heute übergebenen schriftlichen Antworten der Landesregierung auf die von uns gestellten 19 Fragen sehr eingehend zu prüfen haben.

Zweitens: Zur geforderten unabhängigen Prüfung des Projektes Chipfabrik durch Transparency International in Punkt 3 dieses Antrags merke ich an, dass diese Organisation eine gemeinnützige, parteipolitisch unabhängige internationale Bewegung von gleichgesinnten Menschen aus aller Welt ist, die sich dem globalen Kampf gegen die Korruption verschrieben haben, übrigens für jedermann in der Homepage www.transparency.de nachzulesen. Sie, die Organisation, begreift sich selbst am allerwenigsten als ein weltweit agierendes Prüforgan. Es kostet nur ein wenig Mühe, um im Statut von Transparency International Auskunft über deren tatsächliche Anliegen zu finden. Ich zitiere auszugsweise:

„Der Verein unterstützt die ökonomische und soziale Entwicklung in den Entwicklungsländern durch die Bekämpfung der Korruption in den nationalen und internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Das Ziel des Vereins ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit bilateral und multilateral finanzierte Entwicklungshilfeprogramme sowie internationaler Handel und Investitionen in Entwicklungsländern korruptionsfrei und effektiv durchgeführt werden.“

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion wird dessen ungeachtet auch weiterhin wirkungsvolle Instrumente parlamentarischer und außerparlamentarischer Kontrolle prüfen und gegebenenfalls zur Anwendung bringen, wenn es die politische Situation erfordert. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält die DVU. Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt. - Er verzichtet. Dann kommen wir zur Landesregierung. - Die Landesregierung verzichtet auch.

Damit sind wir am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schröder, Drucksache 3/5104, folgen möchte, möge die Hand aufheben. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Einsetzung einer Enquetekommission „Zukunftschancen für Arbeit, Wirtschaft und Finanzen im Land Brandenburg“

Antrag der Abgeordneten Dr. Schröder

Drucksache 3/5116

Ich eröffne die Aussprache und erteile der antragstellenden Abgeordneten das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission vor, die Konzepte zur Verbesserung von Zukunftschancen für Arbeit, Wirtschaft und Finanzen im Land Brandenburg entwickeln soll.

Ich habe in der vergangenen Landtagssitzung diese parlamentarische Initiative bereits im Zusammenhang mit der Beratung über die Große Anfrage zur Lage von Arbeit und Wirtschaft angekündigt, weil es eben nicht ausreicht, ein Zahlenwerk zur Kenntnis zu nehmen und in einigen wenigen Minuten zu debattieren, um es danach ad acta zu legen. Mit dem Zahlenmaterial ist umzugehen: Es muss analysiert, aufgearbeitet und am Ende zur Konzeptentwicklung genutzt werden.

In Zeiten wie diesen, in denen die statistische Kurve, die das Wirtschaftswachstum Brandenburgs beschreibt, weiter einem abnehmenden Trend unterliegt, die Kurven zur Entwicklung von Landesschulden, Unternehmensinsolvenzen, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe dagegen unaufhaltsam nach oben zeigen, sollte es eine gemeinsame Kraftanstrengung aller demokratischen Parteien im Landtag geben. Dazu gehört, dass sich Politik - ich meine hier ausdrücklich Exekutive und Legislative - im Interesse einer positiven Entwicklung des Landes maßgeblich von Fachleuten aus Praxis und Wissenschaft beraten lässt.

Mir geht es mit meiner Initiative zur Einsetzung einer Enquetekommission nicht ausschließlich darum, den zurückgelegten Weg zu skizzieren und gescheiterte Industrieansiedlungen zu brandmarken. Nein, wir müssen in gemeinsamer Kraftanstrengung nach vorn schauen und im Hinterkopf die Einsicht in und die Erkenntnis über fehlgeschlagene Beschäftigungs- und Finanzpolitik haben.

Ich behaupte, niemand in diesem Plenum ist in der Lage, eine exakte Skizze davon zu entwerfen, wie dieses Land in den kommenden Jahren die auch in der jüngsten Regierungserklärung thematisierten hohen Hürden überwinden kann. Wir brauchen langfristig angelegte Konzepte, um kurzfristig die daran orientierten richtigen und wegweisenden politischen Entscheidungen treffen zu können.

Wem der Mut dazu fehlt, schaue in das Bundesland Thüringen. Auf Antrag der CDU - wohlgemerkt - und unter Vorsitz der PDS hat der Thüringer Landtag im Jahr 2001 eine Enquetekommission eingesetzt, die die dortige Wirtschaftsförderung in den Jahren nach der Wende untersucht hat. Es wurden auf der Grundlage der Erkenntnisse Rückschlüsse darauf gezogen, inwieweit Förderziele und Förderinstrumente einer Neubestimmung bedürfen.

Meine Damen und Herren, ich bin sehr dafür, dass auch die Abgeordneten des Landes Brandenburg sämtliche Förderinstrumente mithilfe wissenschaftlicher Gutachten auf den Prüfstand stellen. Hier fängt eine Enquetekommission ja nicht bei null an,

sondern eröffnet die Chance, vorhandene Studien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie auch in aller Breite und Tiefe zu diskutieren.

Das vom Finanzministerium in Auftrag gegebene aktuelle Gutachten ist ein - wie ich meine - richtiger, aber eben kein hinreichender Schritt in Richtung Zukunftsgestaltung. Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist das Denken in komplexen Zusammenhängen unter Beachtung der gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Politikfeldern Arbeit, Wirtschaft und Finanzen zur Bestimmung von geeigneten Förderzielen, Förderinstrumenten und Förderkriterien.

Meine Damen und Herren, ich meine, wissenschaftlicher Sachverstand hat der Politik noch nie geschadet, es sei denn, er wurde verdrängt, verschwand in Schubladen oder wurde nie in den Rang einer echten Politikberatung gehoben. Ich bitte Sie, meinen Antrag zu unterstützen und sich den Erfordernissen der Zeit zu stellen.

Das Wort erhalten die Koalitionsfraktionen. Für sie wollte der Abgeordnete Klein sprechen; er verzichtet. Damit sind wir bei der PDS. Herr Abgeordneter Thiel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bekanntermaßen hat die PDS-Fraktion im Landtag Brandenburg nach dem ablehnenden Votum der Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger im Volksentscheid 1996 über den Staatsvertrag BerlinBrandenburg immer wieder Initiativen ergriffen, um Grundfragen der Entwicklung dieser Region unter breiter Nutzung von zum Beispiel wissenschaftlichem Potenzial und anderem Sachverstand qualifiziert zu diskutieren.

Ich erinnere an unsere Forderungen nach einer Enquetekommission „Zukunft für Brandenburg“ im Mai 1996 unmittelbar nach dem Volksentscheid, einer Enquetekommission zur nachhaltigen Entwicklung im September 1998 und einer Enquetekommission „Nachhaltige Entwicklung Berlin-Brandenburg und Reform des Föderalismus“ im November 2000. Immer hatten wir dabei den regionalen Ansatz im Blick, haben Berlin und Brandenburg als Ganzes aufgefasst. Das unterscheidet uns übrigens im Grundansatz von den Thüringer Kolleginnen und Kollegen und ihrer Aufgabenstellung.

Meine Damen und Herren, die rechtzeitige Einsetzung dieser Gremien hätte wesentlich zu einer zukunftsfähigen Entwicklung beider Bundesländer beitragen können, so zum Beispiel bei der Ausarbeitung eines tragfähigen Fusionsansatzes, der sich nicht auf die Verwaltungsneugliederung beschränkte, sondern Wegbereiter für die gemeinsame Region gewesen wäre. Ähnlich war es mit unseren Versuchen, die wichtigen Ergebnisse des Forums „Zukunft Brandenburg“ in die parlamentarische Diskussion einzuführen.

Dennoch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hindert uns das auch künftig nicht daran, folgenden auf die Region bezogenen Diskussionsansatz weiter zu favorisieren: Berlin und Brandenburg sind ein gemeinsamer Wirtschafts- und Sozialraum, auch wenn die Ländergrenze diesen formal - noch - trennt. Demzufolge müssen Politikansätze in dem einen Land auch immer

das Pendant beim Nachbarn finden, wenn man ernsthaft will, dass die Region als Ganzes gewinnt.

Noch sind wir zwar von einer Fusion weit entfernt, aber die PDS-Fraktion ist auch weiterhin bereit, den Prozess in Richtung einer gemeinsamen Region mit geeigneten Ideen und auch in Form entsprechender parlamentarischer Anträge und Instrumente zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat der Vorschlag der PDS Zustimmung im Hauptausschuss dieses hohen Hauses gefunden, in einer gemeinsamen Sitzung der für die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg zuständigen Ausschüsse über die bisherigen Arbeitsergebnisse des Forums „Zukunft Brandenburg“ der Enquetekommission des Abgeordnetenhauses von Berlin zur Zukunft der Stadt und des Agendaforums Berlin wenigstens zu diskutieren. Ein Neuanfang ist also gemacht. Nun liegt es an den Mitgliedern auch unseres Parlaments, davon ausgehend die wesentlichen Fragen der Landespolitik in der Region in den Mittelpunkt der weiteren Arbeit zu stellen.

Unter diesem Gesichtswinkel erscheint meiner Fraktion der vorliegende Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission ausschließlich zu dem Thema „Zukunftschancen für Arbeit, Wirtschaft und Finanzen im Land Brandenburg“ zu kurz gesprungen, abgesehen davon, dass er auch eine fachliche Unkorrektheit enthält. So müssen laut Brandenburger Gesetzgebung mindestens 50 % der durch die Fraktion zu benennenden Kommissionsmitglieder dem Landtag angehören. Diese Zukunftschancen aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind nach meiner Auffassung nur im Kontext aller zukünftigen Entwicklungsbedingungen erfassbar, die sowohl durch die EU und ihre bevorstehende Erweiterung, den Bund, die Situation in den neuen Bundesländern als auch durch die Notwendigkeit regionaler Entwicklungsansätze determiniert werden.

Der sich nun, wenn auch erst in Anfängen, abzeichnende Weg der weiteren Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin auf der Grundlage einer ernsthaften Analyse der bisherigen Entwicklung in der gemeinsamen Region wird von uns auch weiterhin kritisch und konstruktiv unterstützt. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Dr. Schröder, es ehrt Sie, dass Sie sich des Themas Arbeitslosigkeit annehmen wollen. Warum tun Sie es dann nicht? Warum haben Sie bis jetzt Anträge abgelehnt, die eine Voraussetzung für die Verbesserung der Wirtschaftslage in unserem Lande gewesen wären? Warum haben Sie Anträge für die Wirtschaft nicht unterstützt, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen und um Arbeitsplätze zu schaffen? Warum haben Sie zum Beispiel nicht in der Haushaltsdebatte zugestimmt, als unsere Fraktion gerade für Existenzgründer und Meisterseminare mehr Mittel einforderte? Jetzt fordern Sie die Gründung einer Enquetekommission mit 20 Mitgliedern, womöglich hoch dotierten.

Ich würde Ihrem Antrag gern zustimmen, wenn Sie einen solchen einbrächten, Frau Kollegin Dr. Schröder, der die Regierung zwingt, schnellstmöglich eine Lösung dafür aufzuzeigen, wie Arbeitsplätze geschaffen werden können und wie die Wirtschaft in diesem Land angekurbelt werden kann. Ihr Antrag ist sicherlich gut gemeint, aber handwerklich schlecht umgesetzt worden. Kollegin Schröder, wenn Sie es wirklich ernst meinen und hier Anträge einbringen, die der Wirtschaft nutzen und Arbeitsplätze schaffen, reiche ich Ihnen die Hand und werde mit Ihnen gemeinsam diese Anträge hier durchsetzen. Bis dahin bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind bei der Landesregierung. - Sie verzichtet.

Wir sind damit am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schröder, Drucksache 3/5116, folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Stärkung und Erhaltung der plattdeutschen Sprache in Brandenburg

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/5203