Protocol of the Session on November 13, 2002

Meine Damen und Herren, auf der einen Seite ist man nicht in der Lage, Schülern durch eine solide Schulbildung eine Berufsausbildung überhaupt erst zu ermöglichen; auf der anderen Seite beklagt man, dass Fachkräfte fehlen. Man glaubte, für letzteres Problem eine Lösung in Form der Green Card gefunden zu haben. Mithilfe ausländischer Fachkräfte will man den selbst verschuldeten Fachkräftemangel kompensieren. Unsere Fraktion, die Fraktion der Deutschen Volksunion, fordert, dass die Bildung unserer Kinder Vorrang vor der Abwerbung von Spezialisten aus Entwicklungsländern haben sollte.

Meine Damen und Herren, es ist nichts Neues, dass die Zahl der Sozialhilfeempfänger hier im Land Brandenburg in erschreckendem Maße zugenommen hat, ebenso nicht, dass überproportional viele Jugendliche ohne Schul- und Berufsabschluss von der Sozialhilfe abhängig sind. Im Jahr 1996 lag die Zahl der 18- bis 25jährigen Sozialhilfeempfänger, die nicht über den Abschluss einer beruflichen Ausbildung verfügten und sich auch nicht in einer beruflichen Ausbildung befanden, bei etwas über 40 %. Mittlerweile liegt sie bei weit über 50 %. Das bedeutet, dass Jugendliche ohne Schul- oder Berufsabschluss perspektivisch gesehen wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Sie sind potenzielle Sozialhilfeempfänger. Ich denke, dass dies den meisten der hier Anwesenden klar ist.

Doch warum gibt es so viele Schul- und Ausbildungsabbrecher? Sind vielleicht die schulischen Anforderungen zu hoch? Doch was wird erst sein, wenn wie vorgesehen die obligatorischen Abschlussprüfungen am Ende der 10. Klasse erfolgen? Fühlen sich unsere Jugendlichen vielleicht nicht genug gefordert? Vielleicht brechen aber auch gar nicht so viele Jugendliche wegen schlechter Leistungen die Lehre ab; vielleicht nehmen sie vielmehr ein Studium auf, gehen zur Armee oder beginnen eine andere Ausbildung. Wie viele Jugendliche brechen ihre Ausbildung ab, weil sie keine Perspektiven mehr sehen?

All das sind Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, eine Analyse der Ursachen der hohen Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher anzufertigen. Ich gehe davon aus, dass es unser aller Ziel ist, die Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher zu reduzieren. Wie will man dies erreichen, wenn man noch nicht einmal die Ursachen dafür kennt?

Des Weiteren fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur die Ursachen zu analysieren, sondern auch ein Maßnahmenpaket zur deutlichen Reduzierung der Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher zu erstellen. Sicherlich werden diese Analysen und die geforderten Maßnahmen den Landeshaushalt belasten. In welch desolater Lage er sich befindet, dürfte jedem bekannt sein. Es geht dem Land sogar so schlecht, dass man zwar viel Geld für ein Landesprogramm gegen Sucht zur Verfügung stellt, jedoch kein Geld hat, um Datenmaterial für das Land Brandenburg hinsichtlich des Konsums aller Arten von Drogen durch Kinder und Jugendliche zu erheben. Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie man dem Drogenmissbrauch Einhalt gebieten will, wenn man noch nicht einmal weiß, welches Ausmaß dessen man bekämpfen möchte. Laut Aussage des Bildungsministeriums hätten sich die Ausgaben dafür auf 100 000 Euro belaufen. Welche Kosten mit der Erstellung der von unserer Fraktion geforderten Analyse über die Ursachen der großen Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher verbunden sein werden, vermag ich noch nicht zu sagen. Aber ich gebe zu bedenken, dass die Folgekosten der Schulabbrecher nicht nur bezüglich der späteren Sozialhilfeleistungen enorm sein werden.

In der Hoffnung, dass ich Ihnen die Problematik eindeutig darstellen konnte, bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Für die Koalitionsfraktionen gebe ich jetzt dem Abgeordneten Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Lande Brandenburg gibt es zu viele Schul- und Ausbildungsabbrecher; das ist unbestritten. Um dieses Problem zu erkennen und zu lösen, bedarf es aber keines Antrages der DVU-Fraktion. Ich werde das anhand der Maßnahmen, die die Landesregierung bereits eingeleitet hat, deutlich machen. Dazu nenne ich fünf Punkte.

Erstens: Das MBJS hat im Rundschreiben 31/01 die Schulen aufgefordert, jeweils bezogen auf die konkrete Situation vor Ort abgestimmte Handlungskonzepte gegen Schulschwänzen und Schulverweigerung zu erarbeiten.

Zweitens: Zur Vermeidung von Schulabbrüchen werden im Land Brandenburg verschiedene Projekte durchgeführt. Dazu gehört zum Beispiel „Schule des Lebens”, ein seit 1996 zwischen den Bereichen Jugendhilfe und Schule laufendes Kooperationsprojekt. Dieses Projekt stellt ein adäquates Bildungs- und Betreuungsangebot für jugendliche Schulverweigerer dar, in dem Jugendliche ihre Schulpflicht qualifiziert erfüllen, den Abschluss Berufsbildungsreife erwerben und auf eine spätere berufliche Laufbahn vorbereitet werden.

Drittens: Im Rahmen einer bundesweiten Initiative nehmen Schulen der Sekundarstufe I am Projekt „Flexibilisierung der Übergangsphase und Berufswahlpass” teil. Ziel dieses Projektes ist es, die Übergangsphase von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt für sozial benachteiligte und abschlussgefährdete Schülerinnen und Schüler angemessen zu gestalten.

Viertens: Im Rahmen der durch das MBJS genehmigten abweichenden Organisationsformen an Schulen des Landes werden an zehn Schulen der Sekundarstufe I schulmüde und schulverweigernde Jugendliche in kleinen Lerngruppen gezielt gefördert. Dabei werden die Betroffenen an regelmäßiges individuelles und gemeinsames Leben und Arbeiten herangeführt.

Herr Abgeordneter Klein, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Fünftens: Im Schuljahr 2002/03 startete an sieben Schulen des Landes das Projekt „Produktives Lernen”. Auch hier handelt es sich um ein schulisches Angebot für abschlussgefährdete Jugendliche. In anderen Bundesländern ist es bereits erfolgreich erprobt worden. Praktische berufliche Vorbereitung und schulische Qualifizierung sind die Zielstellungen dieses Projektes.

Meine Damen und Herren, die Aufzählung dieser fünf Punkte zeigt, dass wir das Problem erkannt haben und an seiner Lösung arbeiten. Wir lehnen den Antrag der DVU-Fraktion ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Klein. - Die Fraktion der PDS hat mir Redeverzicht angezeigt, ebenso die Landesregierung. Somit

stelle ich fest, dass wir am Ende der Aussprache angelangt sind. Wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung der Drucksache 3/5037 - Neudruck - an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die beantragte Überweisung mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag auf Drucksache 3/5037 - Neudruck - der Fraktion der DVU seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 11 und rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Gemeinsamer Bericht „Brandenburg - weltoffen und sicher”

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/5043

Wir beginnen die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag des Abgeordneten Schippel. Er ist aber zurzeit nicht anwesend. - Dann erteile ich das Wort der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im März 1993 hat der erste Brandenburger Landtag einen Grundsatzbeschluss „Zur Stärkung des inneren Friedens und der inneren Sicherheit” gefasst. Dieser Beschluss ist fraktionsübergreifend im Landtag erarbeitet und beschlossen worden - unter heutigen Bedingungen unvorstellbar.

Eine wichtige Feststellung dieses Beschlusses bestand darin, dass die Landesregierung jährlich über seine Umsetzung berichten sollte. Erst Innenminister Schönbohm hatte seine Schwierigkeiten mit diesem Beschluss. Auf Nachfrage und Drängen der PDS wurde im Jahr 2000 ein solcher Bericht vorgelegt. Für 2001 steht er immer noch aus.

Mit dem jetzt vorliegenden Koalitionsantrag will man sich offensichtlich dieser klaren Berichtspflicht entziehen, will noch einige Monate herausschinden und das gleich mit dem Bericht zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg” verbinden, der auch noch in diesem Jahr fällig wäre. Ich darf Sie daran erinnern, dass nach dem Beschluss „Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt - für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg” vom September 2000 eine halbjährliche Befassung mit den Ergebnissen der Umsetzung des Konzepts vorgesehen ist.

Was will uns nun dieser Koalitionsantrag sagen? Oder was wollen Sie auf diese Art und Weise verschweigen? Da wir die materiell stets nachvollziehbare Abstimmung zwischen dem Innenministerium und den Koalitionsfraktionen voraussetzen, kann es sich hier nur um einen Beitrag zur Steigerung der Verwirrung im Berichtsunwesen oder um einen politischen Offenbarungseid handeln. Ich vermute Letzteres. Denn noch im Juni dieses Jahres antwortete mir Herr Schönbohm auf eine mündliche Anfrage:

„Die Landesregierung beabsichtigt, den aktuellen Bericht zur Stärkung des inneren Friedens und der inneren Sicher

heit zur ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause dem Landtag vorzulegen.”

Angeblich hält ja Herr Schönbohm alle seine Zusagen, aber wahrscheinlich ist auch das ein Gerücht; denn die ersten Sitzungen des Landtages nach der Sommerpause sind vorbei. Den Bericht haben wir bis heute nicht. Wir wollten nicht kleinlich sein, es gab ja auch viel Stress. Aber die Nichtvorlage dieses überfälligen Berichts entgegen der Beschlusslage des Landtages plus der Absicht, ihn nun gar nicht erst vorzulegen, und die explizite halbjährliche Berichterstattung zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg” von der Tagesordnung des Landtages zu nehmen, sprechen für sich.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das ist unerhört!)

Herr Minister, Sie wollen und können den Bericht offensichtlich nicht vorlegen. Sie wollen die Spuren der Innenpolitik aus der 1. und 2. Wahlperiode des brandenburgischen Landtages und die Ihres Amtsvorgängers tilgen.

(Beifall bei der PDS)

Warum die SPD das ermöglichen will, ist mir unverständlich.

(Beifall bei der PDS)

Offensichtlich können Sie nicht genug Erfolge vermelden. Polizeistrukturreform, Terrorismusbekämpfung, Rasterfahndung, Verfassungsschutzskandal, Defizite im Brand- und Katastrophenschutz, Unruhen in den Kommunen, wo viele Aufgaben der Prävention oft nur noch ehrenamtlich geleistet werden können - überall knirscht es im innenpolitischen Getriebe.

(Beifall bei der PDS)

Zu ressortübergreifender Arbeit, die die Verzahnung von Prävention und Ordnungspolitik, ja die ein erweitertes Verständnis von innerer Sicherheit erfordert, das sich mit Sicherheit von der schönbohmschen Sicht unterscheidet, will und kann die Landesregierung offensichtlich nichts berichten. Der Bericht zum inneren Frieden im Land wird einem trügerischen Koalitionsfrieden geopfert. Abgesehen davon sind Sie dem Parlament immer noch den Nachweis schuldig, wie wirksam und wie effektiv die von Ihnen getroffenen und geforderten Haushaltsentscheidungen zugunsten des Innenministeriums nun wirklich waren.

Die PDS-Fraktion jedenfalls besteht auf der Einhaltung und der Beibehaltung der bisherigen Beschlüsse und lehnt den vorliegenden Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU. Frau Abgeordnete Schulz, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bislang gab es zwei Berichte, und ich meine, dass es ein Ausdruck zunehmender Zusammenarbeit und Abstimmung sein kann und im Sinne der Sache sehr vernünftig ist, wenn wir jetzt beide Berichte zu einem zusammenfügen und uns ein Gesamtbild machen.

Der Argumentation der PDS, wir würden Verwirrung stiften und einen Offenbarungseid leisten, kann ich überhaupt nicht folgen. Ich weiß nicht, wo wir Verwirrung stiften, wenn wir zwei Berichte

zu einem zusammenfügen und dann, so meine ich, eine vernünftige Diskussionsgrundlage haben - ein für mich ganz normaler Vorgang.

Ich meine, es ist ein Ausdruck der zunehmenden Zusammenarbeit von SPD- und CDU-Fraktion, dass wir diesen gemeinsamen Antrag vorgetragen haben. Ich halte es für äußerst vernünftig, so vorzugehen. - In diesem Sinne bedanke ich mich fürs Zuhören.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Schulz. - Ich gebe das Wort der Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte von den Koalitionsfraktionen erwartet, dass uns ein Konzept vorgelegt wird, wie Brandenburg aus der Schuldenfalle kommt und wie neue Beschäftigungsimpulse gesetzt werden. Die Verschuldungsgrenze ist bereits übersprungen. Brüssel droht mit Konsequenzen. In dieser Lage fordern Sie einen Bericht „Brandenburg - weltoffen und sicher”. Über die Finanzierung sagen Sie kein Wort.