Protocol of the Session on November 13, 2002

Aber Schule im ländlichen Raum, also Schule im Dorf, ist doch nicht nur Schule, in der gebildet und erzogen wird, sondern Schule im Dorf - und das ist ja der „ländliche Raum” - ist auch kulturelles und soziales Zentrum der Gemeinschaft des Dorfes. An diesen Schulen ist in der Regel die Welt noch in Ordnung oder zumindest eher in Ordnung als anderswo. Diese Schule - nicht nur die Schüler, sondern das gesamte Umfeld - wird von der Gesellschaft auch sehr gut wahrgenommen und überprüft. Das heißt, nicht nur die Schüler stehen ständig in einem Prüfungsmechanismus, sondern auch Eltern, aber auch Lehrer und Schule an sich. Das macht die Schule im Dorf sehr sympathisch. Deshalb machen wir uns besonders Gedanken darum, wie wir möglichst viele Schulstandorte erhalten können.

Schule ist aber auch noch mehr im ländlichen Raum, aber nicht nur dort. Schule ist Wirtschaftsstandort. Unternehmen gehen dahin, wo Schulen vorhanden sind, Grundschulen, weiterführende Schulen, und sie gehen besonders dahin, wo es ihrer Meinung nach gute Schulen gibt. Also siedelt sich auch Wirtschaft dort an und wir führen so Strukturentwicklung durch.

Schule ist aber auch ein gerade im ländlichen Raum bevölkerungspolitischer Aspekt. In den Orten, in denen sich Schulen

befinden, die noch dazu einen guten Ruf haben, bleiben junge Leute eher und gehen nicht woanders hin, obwohl es leichter ist, in einer anderen Region einen Arbeitsplatz zu finden. Das heißt, Schule im ländlichen Raum ist ein wesentlicher Faktor für die Stärkung der ländlichen Räume. Deshalb gibt es auch über Jahre hinweg das Bemühen, hier gute Dinge zu tun.

Es gibt sieben Empfehlungen der Kommission für die „Entwicklung der Schulen der Sekundarstufe I im ländlichen Raum”. Die Empfehlungen 1 bis 4 trägt die CDU-Fraktion unumwunden mit. Ich möchte an dieser Stelle nicht verhehlen, dass wir vor vier Jahren beispielsweise zur Frage der Zügigkeit von Schulen im ländlichen Raum noch eine andere Meinung hatten. Wir haben einmal gesagt: Es wäre gut, eine einzügige Schule zu haben, die genau das, was ich am Anfang beschrieben habe, auch wirklich berücksichtigt. In der Kommission musste ich mich von sehr vielen klugen Leuten auch dahin gehend beraten lassen, dass wir gerade mit unseren Lehrern und mit der Tatsache, wie sie ausgebildet sind, mit einzügigen Schulen den Fachunterricht nicht werden absichern können. Sie sind in ihren Fachkombinationen so ausgebildet, dass wir den Fachunterricht an einzügigen Schulen durch Fachlehrer nicht absichern können. Deshalb haben wir uns damals entschlossen zu sagen: Die Zweizügigkeit auch für den ländlichen Raum ist Voraussetzung für die Qualität ländlicher Schulen.

Über die Zügigkeit der Gymnasien muss ich hier nicht viel sagen. Zur Empfehlung 4 allerdings, zur möglichen Absenkung der Mindestklassenfrequenz, noch einen Satz: Es war nicht nur ein hartes Ringen um die 15 Schüler pro Klasse; denn das ist eine sehr wesentliche Entscheidung, nicht nur eine Entscheidung, die man im ländlichen Raum an sich als positiv bewerten muss, sondern ich muss die Entscheidung der Absenkung der Klassenfrequenz auf 15 Schüler natürlich im ganzen Land vermitteln und immer sagen, auf welcher Grundlage dann die Finanzausstattung in diese ländlichen Regionen gegeben werden soll. Wir haben es getan. Wir stehen ohne Wenn und Aber zu dieser Entscheidung.

Die Empfehlung 5, die zu einer fast dreijährigen Diskussion auch innerhalb der Koalition geführt hat und sehr umstritten war, kann ich heute gemeinsam mit den Empfehlungen und der Reaktion der Landesregierung mittragen. Hier gab es eine ganze Reihe von sehr kontroversen und, wie ich finde, manchmal sehr unfairen Diskussionen. Beispielsweise wurde so argumentiert, dass wir, wenn wir eine neue Schulform einführen, mehr Schulstandorte erhalten können.

Es war schwierig zu vermitteln, dass eine neue Schulform kein schülerschöpfender Vorgang ist und dass wir dadurch, dass wir mehr Standorte erhalten, nicht mehr Schüler haben.

Wir sind mit der Formulierung, dass wir aus Verantwortung für alle Schüler im ländlichen Raum unter Umständen auch eine Realschule schließen müssen, im Kompromiss mit der Landesregierung und wir begrüßen vor allen Dingen, dass die Landesregierung sich dafür entschieden hat, dem Unterricht im Klassenverband aus sozialer Sicht verstärkte Bedeutung beizumessen.

Frau Abgeordnete, die letzten Empfehlungen können Sie wahrscheinlich nicht mehr kommentieren.

Zu den „Schnellläuferklassen”, Empfehlung 7, sage ich nichts mehr, dieses Thema ist erledigt. Die Bewertung der Landesregierung ist korrekt.

Zur Frage der Beschränkung der Gymnasialquote einen Satz. Frau Große, hierzu bin ich überhaupt nicht Ihrer Auffassung. Ich glaube nicht, dass wir mit einer Gymnasialquote von 60/70 % Schülern etwas Gutes tun. Deshalb glaube ich, dass die Empfehlung 6 und die Begründung der Landesregierung noch zu kurz gegriffen sind. Ich bin der Überzeugung, dass wir nicht nur die Schulentwicklungsplanung im Auge haben, sondern auch fragen müssen, wie wir den Leistungsgedanken am Gymnasium über Leistungseingangskriterien noch verstärken können. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen. - Bei Lehrern muss man wahrscheinlich nicht mit Lichtsignalen, sondern mit Pausenklingeln arbeiten. Vielleicht wirkt das ein bisschen intensiver.

Wir sind eigentlich am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Aber ich gebe noch einmal Minister Reiche das Wort, da er es ausdrücklich gewünscht hat. Wenn die Fraktionen dann Ambitionen haben, können sie die gleiche Redezeit für sich in Anspruch nehmen. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Große, wenn Sie den Blick so hoch erheben, dass er erst wieder in Finnland die Wirklichkeit wahrnimmt, dann bitte ich Sie, nicht so „hohen Mutes” zu sein und den Blick schon früher wieder etwas auf die Erde zu nehmen und sich zum Beispiel die Situation in Mecklenburg-Vorpommern, wo Ihre Partei mit Verantwortung trägt, anzusehen oder, wenn Sie es noch näher haben wollen, die in Berlin. Für Situationen, die nur halb so dramatisch sind, werden dort Antworten gefunden, die, so sagen mir auch Beteiligte vor Ort, keinesfalls besser sind.

Sie haben hier heute die Rede einer Oppositionsvertreterin gehalten, ohne uns zu sagen, wie Sie es machen würden, wenn Sie in der Verantwortung stünden. Dort, wo Sie als Partei in der Verantwortung stehen, sehen wir keine anderen, vor allen Dingen keine besseren Antworten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Reiche, und frage die Fraktionen, ob sie jeweils die eine Minute Redezeit in Anspruch nehmen möchten. - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 6 und schließe ihn.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Jahresberichte 2001 der Interventionen der EU-Strukturfonds im Land Brandenburg

Unterrichtung durch die Landesregierung

Drucksache 3/4919

Es wurde hierzu vereinbart, keine Debatte zu führen. Damit kann ich feststellen, dass Sie die Unterrichtung laut Drucksache 3/4919 zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht zum 31. Dezember 2001

Drucksache 3/4020

in Verbindung damit:

Stellungnahme der Landesregierung zum Tätigkeitsbericht 2001 des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht nach § 27 Satz 2 BbgDSG

Zehnter Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich zuständigen Aufsichtsbehörde an den Landtag Brandenburg

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 3/4983

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der PDS-Fraktion und gebe der Abgeordneten Kaiser-Nicht das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass es zum vorliegenden Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht diesmal nur eine formale Stellungnahme des Innenausschusses gibt. Bisher war es immer so, dass der Innenausschuss im Ergebnis einer inhaltlichen Befassung konkrete Vorgaben für die Landesregierung und den Landesbeauftragten entwickelt hat. Die PDS-Fraktion hat dazu stets Vorschläge eingebracht und dieses Herangehen unterstützt, da der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung so entsprochen war. Mit diesem Tätigkeitsbericht hatten wir jedoch gar keine Chance, den Vorschlag für eine inhaltliche Stellungnahme des Ausschusses vorzulegen.

Nach den bisher üblichen und zweckmäßigen Verfahren hatten die Mitglieder des Ausschusses die Möglichkeit, nach einer inhaltlichen Verständigung über den Tätigkeitsbericht in einer folgenden Sitzung, ausgehend von den Kritikpunkten des Berichtes, konkrete Vorschläge für die Stellungnahme zu unterbreiten. Das war dieses Mal anders; denn der Vorsitzende des Ausschusses drängte auf den Abschluss der Beratungen in der gleichen Sitzung, in der die inhaltliche Verständigung stattgefunden hat. Ich weiß bis heute nicht, was der tiefere Sinn des Vorgehens von Herrn Schulze war.

Meine Herren aus SPD und CDU, gegen diese Verfahrensweise kann ich hier nur protestieren. Sie haben damit den Tätigkeitsbericht zum Datenschutz in seiner Bedeutung entwertet. Auch wenn Sie das mit Ihrer Mehrheit in der Koalition beschlossen haben, müssen Sie lange nicht Recht haben. Leider ist ein solches Vorgehen im Innenausschuss fast zur Regel geworden. Ich erinnere an die Debatte zur Gemeindegebietsreform.

Lassen Sie mich einige Punkte des Tätigkeitsberichtes vor dem Landtagsplenum ansprechen, da der Innenausschuss nicht zu einem Ende gekommen ist.

Herr Dix kritisiert in seinem Bericht unter der Überschrift „Das Grundrecht auf Datenschutz in der Bewährung” die Auswirkungen der Aktivitäten auf dem Gebiet der inneren Sicherheit nach dem 11. September 2001 auf den Datenschutz. Ich teile die Auffassung, dass mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz bereits vor dem 11. September vorgetragene Forderungen nach Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden umgesetzt wurden. Insofern wurde der terroristische Anschlag in den USA zum Anlass genommen, bereits vorher vorhandene Ansätze umzusetzen. Vom Land Brandenburg ist dabei nicht der Ruf nach Mäßigung, sondern eher nach einer Verschärfung der Rechtsvorschriften ausgegangen. Diese Entwicklung, die nach Auffassung des brandenburgischen Innenministers offensichtlich verstetigt werden soll und das Land Brandenburg in einer permanenten Bedrohungssituation sieht, darf nicht unwidersprochen bleiben.

Das gilt auch für das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten, das sehr wohl durch dieses Vorgehen infrage gestellt wird. Die Übergänge sind dabei fließend und ich verweise hier nur auf die Überlegungen, den Verfassungsschutz auch für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität einzusetzen.

Ausdrücklich unterstützte ich die kritischen Anmerkungen des Landesbeauftragten zur Anwendung der Rasterfahndung im Land Brandenburg. Die Tatsache, dass nach wie vor 19 500 Datensätze vorgehalten werden, ohne sich auf einen Löschungstermin festzulegen, unterstreicht die Fragwürdigkeit des Vorgehens.

Im Übrigen möchte ich Sie an die groß angelegte Aktion in Cottbus erinnern, mit der gegen eine vermeintliche Terrorzelle vorgegangen worden ist.

Ein weiterer Kritikpunkt, zu dem sich der Landesbeauftragte und das Innenministerium nicht einigen konnten, ist die Bekanntgabe von Prüfungsergebnissen über das Internet. Durch dieses übliche Verfahren ist der Schutz der Persönlichkeit von Studierenden nur unzureichend gesichert. Zum Vorschlag des Landesbeauftragten, durch nummerierte Klausuren teilweise Abhilfe zu schaffen, gibt es eine ablehnende Stellungnahme der Landesregierung.

Diese Differenz ist auch bei dem Problem zu verzeichnen, ob die Befragung von Minderjährigen im Rahmen soziologischer Studien ohne Einwilligung der Eltern möglich ist. Während der Landesbeauftragte eine solche Einwilligung für erforderlich hält, ist die Landesregierung der entgegengesetzten Auffassung. Auch hier sehe ich weiteren Diskussionsbedarf, ebenso wie bei der unter Punkt 10.1 des Berichtes angesprochenen Möglichkeit der Einsichtnahme in die eigene Steuerakte.

Die vom Landesbeauftragten angeführten Regelungen in der EUDatenschutzrichtlinie und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Verweis auf das Grundrecht in Artikel 11 Abs. 1 der Landesverfassung sollten von der Landesregierung noch einmal geprüft werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Herrn Dix für seine couragierte Arbeit als Landesbeauftragter zu

danken. Er kommt damit seiner Verpflichtung nach, in kritischer Auseinandersetzung mit der Landesregierung über die Einhaltung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wachen. Ich bedauere sehr, dass die Stellungnahme des Ausschusses dem Inhalt des Tätigkeitsberichtes nicht gerecht wird.

Um in der Debatte - ich komme zum Schluss, Herr Präsident weiterzukommen und weil die Landesregierung auf mehrere Positionen des Landesdatenschutzbeauftragten mit harscher Kritik reagierte und viele der im Bericht enthaltenen Vorschläge überging, bitte ich darum, Herr Präsident, Herrn Dix die Möglichkeit zu geben, vor dem Parlament Stellung zu nehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an Herrn Abgeordneten Schippel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich mich mit dem Bericht befasst habe, ist mir aufgefallen - das war während des Besuches der Bremer Parlamentarier -, dass noch etwas offen ist. Es gibt einen Landtagsbeschluss, der die Landesregierung auffordert, Änderungen betreffs des Informationszugangsgesetzes zu erarbeiten. Termin war der 31. August. Ich möchte an dieser Stelle die Erfüllung dieses Landtagsauftrages anmahnen.