Wir müssen die Diskussion um die europäische Agrarpolitik ehrlich führen und dürfen nicht so tun, als würde dies alles spur- und folgenlos an uns vorübergehen. Wir müssen das Für und Wider sowie die Interessenkonflikte im Vorfeld klar benennen, damit die Ergebnisse der Halbzeitbewertung der Agenda 2000 zu klaren Regelungen führen, die von den Menschen unseres Landes auch getragen werden können.
Tatsache ist doch, dass den Landwirten 1992 die Agrarreform übergestülpt worden ist. Dieser Berufsstand hat sich gerade wegen der immer größer werdenden Abhängigkeit von öffentlichen Transferleistungen bis zuletzt gewehrt. Nun erklärt die EU-Kommission, dass die gemeinsame Agrarpolitik zu teuer sei.
Mitten im laufenden Agendazeitraum soll eine Reform der Reform in Gang gesetzt werden, weil Brüssel ganz einfach das Geld fehlt. Wie dies den Steuerzahlern vermittelt werden soll, bleibt ein Geheimnis der Europäischen Union bzw. der Kommission.
Eine grundsätzliche Reform im laufenden Agendazeitraum wird von der DVU-Fraktion ohne Wenn und Aber abgelehnt. Es ist doch klar abzusehen, dass einmal wieder unsere Landwirte in Brandenburg auf der Strecke bleiben sollen. Die meisten von ihnen haben, im Vertrauen auf die bis 2006 geltenden Agendabeschlüsse, ihre Betriebskonzepte entwickelt und Kredite aufgenommen.
Die Regierungschefs der EU hatten sich 1997 in Luxemburg für eine Weiterentwicklung des europäischen Landwirtschaftsmodells und die Stärkung der internen und externen Wettbewerbsfähigkeit ausgesprochen. Die Vorschläge der Kommission führten aber in fast allen Punkten zu gegenteiligen Ergebnissen. Sie sind fantasielos und bewirken Einkommensverluste von je nach Betriebsart bis zu 20 %.
Die Agendavorschläge zur Stützpreissenkung konnten nicht zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft beitragen. Das haben wir heute schon mehrfach gehört, auch vom Abgeordneten Dr. Woidke.
Wie wir alle wissen, wurde im Frühjahr 1999 die Agenda 2000 beschlossen. Aber entscheidend sind immer die Rahmenbedingungen, die es den Betrieben ermöglichen, durch Steigerung der Produktivität und Effizienz kostengünstiger zu produzieren. Deshalb ist es für unsere Landwirte wichtig, dass der im Jahre 2007 beginnende Entwicklungsabschnitt mit ihnen gründlich vorbereitet wird.
Bei der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik ist nicht nur das Wann wichtig, sondern vor allem das Wie. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Claus und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Helm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hätte es der vorliegenden Anträge nicht bedurft; denn
die Landesregierung hat in Übereinstimmung mit dem Berufsstand gehandelt. Die Standpunkte sind bekannt und die Positionen der neuen Bundesländer, die gemeinsam mit dem Berufsstand formuliert wurden, sind eine gute Basis für notwendige Verhandlungen und Entscheidungen, sodass wir eigentlich die Landesregierung nicht beauftragen müssten, hier noch einmal zu handeln und aktiv zu werden.
Ich bin der Meinung, die Landesregierung sollte unsere Diskussion und Beschlussfassung eher als Rückendeckung für ihr Handeln verstehen, aber auch so, wie es in unserem Antrag steht, dass sie uns im Fachausschuss über den gegenwärtigen Stand laufend unterrichtet, damit wir gegebenenfalls entsprechend handeln können. Ich befürchte nur, dass die ganzen Probleme, die wir hier diskutieren, in Europa niemanden interessieren.
Zum PDS-Antrag, Frau Wehlan: Vom Prinzip her sind wir uns einig. Ich habe nur Probleme mit dem ersten Punkt. Es wäre ja gut, wenn die vielen Ideale, die Sie aufführen, zu verwirklichen wären. Aber aus meiner Sicht, aus der Sicht eines praktizierenden Landwirts, sind sie Utopie.
Ich frage klar und deutlich: Wie und was stellen Sie sich unter dem Erhalt des kulturellen Erbes vor? Wie formulieren Sie soziale Ausgewogenheit und Gerechtigkeit? Was sind denn stabile landwirtschaftliche Einkommen oder die Verbesserung aller Qualitätskriterien auf dem Feld, im Stall und in der Landschaft? Ich bin der Meinung, es hätte dazu gehört, das man auch den Preis formuliert, den die Gesellschaft dafür bezahlen müsste, den sie aber nicht zu zahlen bereit ist.
- Doch, ich habe zugehört und beziehe mich auf Ihre Formulierungen im Antrag. - So gesehen ist die Halbzeitbewertung der Agenda für mich und auch für viele Betriebe keine diskussionswerte Grundlage; denn wenn sie so kommt, wie sie vorliegt, dann bedeutet es für viele das Aus. Das ist für mich keine Basis. An diesem letzten Satz in Punkt 1 Ihres Antrags störe ich mich besonders. Ansonsten gehen wir konform.
Auf der anderen Seite deckt sich natürlich auch viel mit der öffentlichen Meinung. Ich musste in diesem Jahr während der Ernte erleben, dass uns, als wir die Produkte regelrecht vom Acker klauben mussten, da das Wetter noch nicht stabil war, von vorbeifahrenden Leuten gesagt wurde: Was erntet ihr überhaupt, das braucht ihr doch gar nicht, ihr bekommt ja euer Geld sowieso. - Das ist die öffentliche Meinung, die vorherrscht. In der Öffentlichkeit gibt es kein Verständnis für die Probleme, die wir in der Landwirtschaft haben.
Ich möchte das Problem auf eine Frage begrenzen, die da heißt: Will die Gesellschaft noch eine intakte Landwirtschaft oder nicht? Wenn ja, auf welcher Grundlage und zu welchen Bedingungen? Der Landwirt entscheidet dann, ob die Bedingungen die Existenz sichern. Ich befürchte, er entscheidet sich für die
Aufgabe; denn die Forderungen und Vorstellungen dieser Spaßgesellschaft in Sachen ordnungsgemäßer Landbewirtschaftung lassen sich nicht mit unternehmerischer Tätigkeit in Übereinstimmung bringen, da die Gesellschaft nicht bereit ist, den dafür notwendigen Preis zu zahlen. Das Ideal des Gänseblümchen pflückenden, einkaufenden Verbrauchers auf dem Bauernhof ist für mich irreales Wunschdenken.
Das andere ist, dass die ständig sinkenden Agrarpreise bei ständig steigenden Qualitätsansprüchen für die Betriebe nicht mehr zu bewältigen sind. Wie reagieren die Betriebe darauf? Einerseits durch Resignation und Aufgabe, wobei es auch immer schwieriger wird, diese Betriebe aufzusaugen wegen der ominösen Grenze von 300 000 Euro, die bei etwa 1 000 ha erreicht ist. Andererseits werden Betriebe die Produktion extensivieren. Das heißt, sie lassen einfach notwendige Maßnahmen im Rahmen der guten fachlichen Praxis weg und versuchen so, noch einen Euro aus den Beihilfen zu erwirtschaften, aber nicht mehr aus der Produktion. Andere treten die Flucht nach vorn an, indem sie ihre Betriebe durch Steigerung der Arbeitsproduktivität intensivieren, aber nicht einen Arbeitsplatz mehr schaffen. Das ist der gleiche Trend, der in der Industrie zu erkennen ist. Wir vergessen dabei auch, dass es eigentlich nur intensiv weitergeht, wenn wir uns im Rahmen der Landwirtschaft dem globalen Wettbewerb stellen wollen. Wir sind aber dabei, genau das Gegenteil zu tun.
Man muss sich die Frage stellen: Warum haben wir eigentlich Mangel im Berufsnachwuchs, warum ganz besonders im Managementbereich? Eindeutig dadurch, dass die Landwirtschaft für die Jugend nicht mehr attraktiv ist, dass Unsicherheiten für die Investitionen und die unternehmerische Freiheit bestehen. Damit begeistern wir natürlich auch keine jungen Menschen, die wir in der Landwirtschaft brauchen.
Zu den einzelnen Punkten, die hier angesprochen wurden: Zunächst zur Modulation. Es ist klar und deutlich, dass sich, wenn zu den bereits jetzt vorhandenen Preisreduzierungen noch einmal 20 % in sieben Jahren hinzukommen, bei einem Preis von vielleicht 6 Euro/dt Getreide in Brandenburg flächendeckend keine rentable Getreideproduktion mehr ins Feld stellen lässt. Das muss man wissen. Alle Betriebe über 1 000 ha, die dann mit 300 000 Euro als Höchstgrenze auskommen müssen, müssen ohne Zuschuss mit diesen 6 oder 7 Euro Getreide produzieren, ohne einen Cent mehr. Diesen Betrieb gibt es in Brandenburg nicht.
Damit ist auch klar und deutlich gesagt, welche Konsequenzen das hat. Für mich - Frau Wehlan, da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung - ist es eigentlich ein Treppenwitz, wenn wir im Rahmen der Modulation oder Umverteilung in die zweite Säule den Betrieben erst das Geld wegnehmen und dann bedingt, vielleicht zu erschwerten Bedingungen, wiedergeben. Das hat nichts damit zu tun, dass wir wettbewerbsfähige Betriebe schaffen bzw. diese wettbewerbsfähiger machen. Diese Mittel umzuverteilen, um einen Strukturwandel zugunsten kleiner Betriebe für die Wiederherstellung musealer Zustände zu schaffen, ist für mich als Leitbild für die Entwicklung der Landwirtschaft äußerst zweifelhaft.
denkt, dass in den neuen Bundesländern 50 % der Fläche von Betrieben mit einer Fläche von über 1 000 ha bewirtschaftet werden - in den alten Ländern sind es 0,3 % - dann heißt das, dass die Strukturmittel, die wir erhalten, eindeutig in diesen Betrieben eingesammelt werden sollen, um zweifelhafte Ideale österreichischer oder anderer Bergbauern durchzusetzen.
Zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit: Sie haben das schon angesprochen. Es ist vielleicht nicht bekannt, aber Deutschland gehört im Bereich der Landwirtschaft zu den Billiglohnländern. Es gibt Analysen, die besagen, dass die Saisonkräfte - das ist eine Vielzahl der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, da sehr viele im Frühjahr eingestellt und im Herbst wieder entlassen werden - in Deutschland im Schnitt bei 6,15 Euro an viertletzter Stelle vor Portugal mit 3,63 Euro, Spanien und Griechenland liegen. Die Spitze hat Dänemark mit 16,69 Euro. Das hört sich schon anders an. So gesehen sind wir weit entfernt von sozialer Gerechtigkeit. Nicht umsonst liegt die Landwirtschaft im Einkommen etwa 30 % unter dem Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft. Inwieweit wir das noch lange aufrechterhalten können, weiß ich nicht. Aber auch das ist ein Kriterium, das die Landwirtschaft nicht interessant für den Nachwuchs macht.
Es nützt auch sehr wenig, den Betrieben im Rahmen der Modulation Zuschläge für Arbeitsplätze zu geben. 3 000 oder 5 000 Euro pro Arbeitskraft reichen bei weitem nicht aus, um das auszugleichen. Herr Baaske - er ist nicht hier -, wenn das so weitergeht, wenn das so durchkommt, werden sich aus dem Bereich der Landwirtschaft vielleicht 10 000 in das Heer der Arbeitslosen einreihen. Es ist nämlich eine völlig irrige Annahme, durch diese Umstrukturierung eventuell mehr Arbeit schaffen zu können. Die Summe der Arbeit auf der Fläche wird nicht mehr. Es können sich höchstens mehr Arbeitskräfte in die gleiche Arbeit und das gleiche Einkommen teilen. Das heißt, es wird reduziert. Das ist das entscheidende Problem.
Zum Problem Roggen noch einige Sätze. Es ist klar und deutlich, dass wir hier ein Problem haben und als Landwirtschaft gegen den Markt produzieren. Das heißt, wir sind zuerst gefordert, selbst etwas zu tun. Aber in Kombination mit den Kürzungen im Interventionsbereich und mit der Erhöhung der Qualitätsparameter im Aufkaufbereich haben wir nicht nur in diesem Jahr eine Preisreduzierung von 20 % beim Getreide zu verzeichnen. Es kommen je nach den Qualitätskriterien, die wir in diesem Jahr wetterbedingt hatten, noch bis zu 30 % Preisabschlag hinzu. Wenn das in Zukunft noch weitergeführt wird, weiß ich nicht mehr, welche Alternativen wir in Brandenburg haben.
Aber das sind alles Themen, die wir im Fachausschuss noch ausführlich diskutieren können. Man könnte noch sehr viel sagen zur Umweltrelevanz, zum Hunger auf der Welt, zur Brandrodung der Regenwälder in einem Umfang von 11 Millionen ha pro Jahr. Das alles würde sicherlich zu weit führen. Was jetzt vorliegt, ist für uns so nicht akzeptabel und die Haltung der Landesregierung können wir voll unterstützen. Ich denke, dass wir auch hier versuchen müssen, Änderungen zu erreichen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß überhaupt nicht, was Sie haben. Ich war das schon einmal vier Wochen lang. In dieser Zeit sind keine Fehler passiert. Es war Dauerfrost.
Aber es fällt mir natürlich schon schwer, nach einem so gestandenen Bauern wie Herrn Helm hier noch eine persönliche Rede zu halten. So werde ich mich darauf beschränken, die Position der Landesregierung in Vertretung meines Kollegen Birthler vorzulesen.
Die Landesregierung hat die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der mit der Agenda 2000 definierten gemeinsamen Agrarpolitik nie infrage gestellt. Sie hat sich jedoch im Konsens mit der überwiegenden Mehrzahl der Bundesländer stets klar gegen eine Reform der Reform vor 2006 ausgesprochen. Eine weitergehende Entkoppelung der Direktzahlungen oder eine Rückführung der Intervention im Interesse einer stärkeren Marktorientierung sind zweifellos diskussionswerte Vorstellungen für eine Fortführung der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. Sie sind jedoch so gravierend, dass sie nicht im Schnellverfahren umgesetzt, sondern einer sorgfältigen Abwägung im Hinblick auf ihre konkrete Ausgestaltung unterzogen werden sollten.
Ganz wesentlich scheint mir dabei auch zu sein, dass den landwirtschaftlichen Unternehmen hinreichend Zeit für eine Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen gegeben wird. Einmal getätigte Investitionen müssen ihr Geld auch verdienen können.
Nicht zuletzt steht es meiner Ansicht nach außer Frage, dass ein abrupter Politikwechsel in immer kürzeren Zeitabständen zu einem Vertrauensverlust der Landwirte in die Politik führt. Das gilt übrigens nicht nur in der Landwirtschaft. Die Politik sollte dabei nicht vergessen, dass Vertrauensverlust nicht nur bei lediglich 2,5 % der Erwerbstätigen entsteht, sondern beachten, dass in Deutschland jeder neunte Arbeitsplatz, jeder achte in Brandenburg, immer noch direkt oder indirekt mit der Landwirtschaft verbunden ist.
Meine Damen und Herren, Veränderung der Getreidemarktordnung und die Modulation von Direktzahlungen sind zunächst Sachverhalte, die durch den Evaluierungsauftrag von Berlin abgedeckt sind. Hier geht es nicht um das Ob, sondern um das Wie. Bei den Kommissionsvorschlägen zum Getreidemarkt ist die beabsichtigte Abschaffung der Roggenintervention mit dem Wirtschaftsjahr 2004/2005, also mit der Ernte des Jahres 2004, für die Landesregierung absolut inakzeptabel. Fakt ist, dass die bedrohlich gewachsenen Interventionsbestände an Getreide zu etwa zwei Dritteln aus Roggen bestehen und dass ein erheblicher Teil der Roggenproduktion, für Brandenburg immerhin knapp die Hälfte der Gesamternte bzw. 70 % der Roggenverkäufe, in die Intervention geht. Daraus ergibt sich unbestritten ein Handlungsbedarf. Bei Ihrem Vorschlag ver
nachlässigt die Kommission jedoch, dass der Roggenanbau in Brandenburg aufgrund natürlicher Standortbedingungen auf einer Fläche von etwa 180 000 ha - das sind gut drei Viertel der derzeitigen Anbaufläche - unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen weitgehend alternativlos ist. Das bedeutet im Klartext: Eine ersatzlose Streichung der Roggenintervention hätte erhebliche Einkommensverluste für die Landwirte zur Folge und gefährdete eine flächendeckende Landnutzung in Brandenburg. Das kann und wird die Landesregierung nicht hinnehmen.
Vertretbar könnte ein zeitlich gestaffelter Abbau, gekoppelt mit Kompensationsmaßnahmen, sein. Zu Letzterem sollte auch die Forderung alternativer Verwertungsmöglichkeiten gehören, wobei der Schwerpunkt wohl im verstärkten Einsatz von Roggen in der Tierfütterung liegen muss.
Was die Kommissionsvorschläge zur Modulation betrifft, besteht aus der Sicht der Landesregierung an folgenden Sachverhalten Änderungsbedarf:
Erstens: Die beabsichtigte Zentralisation der durch Modulation gewonnenen Mittel auf EU-Ebene und deren Verteilung nach Kohäsionskriterien hat eine Umverteilung von EU-Mitteln zugunsten der ärmeren und extensive Landwirtschaft betreibenden Mitgliedsstaaten zur Folge. Das bedeutet im Klartext: Ein großer Teil der in Brandenburg eingesammelten EU-Mittel wird weder den Landwirten dieses Landes noch seinen ländlichen Räumen zugute kommen. Das ist für uns inakzeptabel. Die Mittel müssen in den Regionen verbleiben, in denen sie anfallen.