Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen? Meine Herren! Ein Lebensmittelskandal nach dem anderen erschüttert seit Jahren die Republik. Mit der Nitrofenkrise ist längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, das wissen Sie genauso gut wie ich. Kaum ist die BSE-Krise fast überwunden. werden wir erneut von höchst belastetem Tierfutter überrascht.
Diesmal ist es das Herbizid Nitrofen. das aus einer Lagerhalle in Malchin stammt und sowohl Biogetreide wie auch anderem Getreide beigemischt wurde. Aus Ökoweizen wurde Nitrufenweizen, Der Schaden für den gesamten Ökolandbau ist noch gar nicht abzuschätzen.
Man könnte sich beruhigt zurücklehnen, wenn es der Presse nur darum ginge, ein Sommerloch auszufüllen. Doch das Thema ist
viel zu ernst, wenn es um unsere Gesundheit geht. Gesundheit, meine Damen und Herren, ist schließlich das höchste Gut.
Die Belastung unserer Nahrungsmittel mit Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden und anderen Stoffen ist kaum noch zu überbieten. Selbst die EU-Kommission musste in einem Bericht feststellen, dass es in Europa rund 800 verschiedene in der Landwirtschaft eingesetzte Pestizide gibt. Für 73 davon gibt es gemeinsame Grenzwerte auf EU-Ebene.
Bei einem Großversuch wurden 41 000 Lebensmittelproben auf Pestizidrückstände analysiert. In 40 % der Proben ließen sich Rückstände nachweisen und 3 % lagen über dein EU-Grenzwert. Aber nur weniger als 10 % der eingesetzten Pestizide wurden festgestellt.
Ich frage mich: Sehen die Untersuchungsergebnisse bei den Herbiziden und Fungiziden ähnlich aus? Die Möglichkeit besteht, wie gerade geschildert wurde.
Nitrofen ist ein Herbizid. das nach Presseberichten 1964 in den USA entwickelt wurde. Das gesundheitsschädliche Unkrautvernichtungsmittel wurde in der Bundesrepublik Deutschland bereits vor 22 Jahren und auf dem Gebiet der DDR nach der Wende verboten. Für Lebensmittel gilt eine tolerierbare Höchstmenge von 0,01 mg pro Kilogramm,
Wie gefährlich Nitrofen etwa in der Schwangerschaft ist, kann zurzeit noch gar nicht abgeschätzt werden. Untersucht wird außerdem, oh ein erhöhtes Krebsrisiko vorliegt, wenn nitrofenhalü ge Produkte verzehrt werden.
Fest steht, dass Nitrofen in die Nahrungskette gelangt ist und Mutterkühe. Puten und Eier Rückstände aufwiesen. Das verbotene Unkrautvernichtungsmittel kontaminierte Hunderte Tonnen von Futterweizen. Die Entdeckung erfolgte wie oft rein zufällig.
Der Nitrofenkrimi offenhart die Nachlässigkeit der Behörden und insbesondere des Verbraucherschutzministeriwns in Berlin. Die Affäre beweist. dass die Lebensmittelkontrolle in Deutschland nur unzureichend funktioniert.
Jeder landwirtschaftliche Betrieb. der behördlicherseits geschlossen wird, sei es auch nur für wenige Tage, erleidet immensen Schaden. Die betroffenen Betriebe dürfen wir nicht im Regen stehen lassen, meine Damen und Herren. Ich weiß, dass die Haushaltslage angespannt ist. Aber dennoch muss alles versucht werden, um möglichen Schaden staatlicherseits abzudecken. Schließlich haben Behörden und Vertreter des Staates durch mangelhafte oder fahrlässigerweise unterlassene Kontrollen den Schaden mit verursacht.
Daher soll die Landesregierung den von uns geforderten Bericht schnellstmöglich vorlegen und den betroffenen Betrieben unbürokratisch Hilfe leisten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der DVU Vizepräsident Habermann: Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus. - Ich gehe jetzt das Wort für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU an Herrn Abgeordneten Klein. 3988 l_nuiliag Brandenburg - Wahlperiodo - Plonarprolokell 3150 - 27, Juni 2002 Klein (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass ich seit der letzten Sitzungsperiode des Landtages den Versuch unternehme, immer die Anträge der DVU-Fraktion mit einem Wort zu charakterisieren. Dieser Antra g ist der Versuch. eine offene Tür einzurennen. Außerdem wäre er ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Mitglieder der Landesregierung, Da werden wir nicht mitmachen. Damit wird schon deutlich, wie wir am Ende der Debatte entscheiden werden,
- Ja. das kann man auch zurückziehen. Im Übrigen. Herr Kollege Klein, ist es richtig, dass Sie zum Teil zu unseren Anträgen Stellung nehmen. Sie sind Lehrer und der Nitrofenskandal und die anderen Skandale, die es bis jetzt gegeben hat, sind viel zu wichtig, als dass Sie als Lehrer dazu sprechen sollten. Ich hätte eher erwartet, dass ein Mitglied des Landwirtschaftsausschusses der Koalition dazu sprechen würde. Sie, Hen' Klein, haben von diesem Thema genauso viel Ahnung, wie Luis Trenker vom Tiefseetauchen.
(Beifall bei der DVU) Die DVU-Fraktion beabsichtigt, etwas zu fordern, was längst geschehen ist. Sie will per Landtagsbeschluss zur Berichterstattung über die Auswirkun gen der Nitrofenkrise auf die Brandenburger Landwirtschaft auffordern, vergisst aber, dass der M inister für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung bereits am 19. Juni im zuständigen Fachausschuss über die Auswirkungen umfassend und ausführlich berichtet hat. Der Ausschuss hat vereinbart, dass das Ministerium dem Ausschuss fortlaufend berichten soll. Ich frage mich, welche weitere Information für die Abgeordneten erfolgen sollte. Besser geht es doch eigentlich gar nicht. Auch gestern hat der Landtag ausführlich über dieses Thema debattiert. Danach noch einen Bericht anzufordern erübrigt sich meiner Ansicht nach. Die Koalition empfiehlt deshalb die Ablehnung und wird diese auch mit ihrer Mehrheit durchsetzen. Vielen Dank. (Beifall hei SPD und CDU)
Ich danke Herrn Abgeordneten Klein. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Frau Abgeordnete Wehfan.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass die DVU-Fraktion bis heute noch nicht mitbekommen hat, dass diese Thematik zum einen im Fachausschuss und zum anderen gestern hier im Landtag Brandenburg schon diskutiert wurde, kennzeichnet die Schlichtheit im Sinn. Meine PDS-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen.
ich danke Ihnen. Frau Ab geordnete Wehlau. - Die Landesregierung wünscht nicht das Wort, - Dann gehe ich das Wort noch einmal an die Fraktion der DVU. an Herrn Abgeordneten Claus.
Herr Präsident? Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wohlan, Ihnen ist anscheinend entgangen, dass Anträge, Gesetzentwürfe und weitere Initiativen zumindest eine Woche vorher eingereicht werden müssen. Aus diesem Grunde konnten wir das. was Sie gesagt haben, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen.
Der :jüngste Nitrofenskandal sollte für Politiker Veranlassung sein, eine Grundsatzdebatte darüber zu führen, oh sich die bisherige Landespolitik nicht uni 180 Grad wenden muss. _Auch hei BSE ist es noch einmal gut gegangen", denkt die Landesregierung, „und es wird uns auch diesmal nicht betreffen".
Doch haben wir alle Produkte. die aus dem EU-Raum stammen und aus Drittstaaten kommen und hier nach Brandenburg gelangen, wirklich unter Kontrolle? Denken Sie zum Beispiel an das Insektenvernichtungsmittel Lindan, das bei einem spanischen Hersteller in der Babykost gefunden wurde, In Olivenöl wurden Verunreinigungen mit Lösungsmitteln entdeckt. Aus den USA kamen Fleischklopse in unsere Ladentheken, die, wie sieh herausstellte, mit Kolibakterien verseucht waren. In Belgien wurde das Krebs auslösende Ultragift Dioxin in Hühnern, in Eiern und in Eierprodukten entdeckt. Die Ursache war verseuchtes Tierfutter.
Greenpeace fand vor zwei Jahren das hochgefährliche Gift TBT bei Flundern in der Nordsee. TBT befand sich auch in Fischkonserven, die überall in den Handel gelangten, wie die Zeitschrift „Öko-Test" feststellte. TBT schädigt das Immun- und Hormonsystem der Menschen.
Butter aus Süditalien war mit Rindertalg und Chemikalien versetzt worden. Tierfutter aus Belgien war mit hochgefährlichem. Krebs erregendein PCP verunreinigt.
Ich will deutlich machen, meine Damen und Herren: Malchin ist kein Einzelfall, sondern ein Glied in einer langen Kette. Die Hauptursache dafür - das sage ich in allein Ernst und in aller Deutlichkeit - liegt in der Zerstörung der traditionellen bäuerlichen Familienbetriebe. In der DDR geschah dies durch Zwangskollektivierung und in der Bundesrepublik Deutschland durch die Europäische Union.
Einen wesentlich verbesserten Tierschutz, Artenschutz und Umweltschutz, wie von der DVU-Fraktion gefordert, haben Sie, meine Damen und Herren, abgelehnt.
Oh der Nitrofenskandal aufgeklärt ist oder nicht, daran scheiden sich die Geister. Aber schon droht dem Bundesbürger eine neue Gefahr durch Geflügelfleisch aus Brasilien und Thailand. Bereits vor zehn Jahren hatte die EU-Kommission die Krebs erregende Substanz Nitrofon verboten. Nitrofene sind Reste von Antibiotika, die Geflügelmuster lange Zeit gegen Parasitenbefall hei Tieren eingesetzt hatten. In Asien und Brasilien wird dieses Mittel immer
noch dem Futter beigemischt. Im vorigen Jahr gelangten rund 80 000 Tonnen des belasteten Geflü gelfleisches nach Deutschland.
Meine Damen und Herren, der so genannte Strukturwandel in der Landwirtschaft, voran getrieben durch Brüssel, zeigt eine negative Seite. Mal ist es die Schweinepest. mal ist es 13SE, mal sind es die Antibiotika. mal Hormonpräparate, mal ist es Dioxin. Immer wieder fragen sich die Bürger. wie schwer ihr tägliches Essen eigentlich belastet ist.
Turbokühe stehen nicht mehr auf der Weide. sondern ganztägig im Stall, gefüttert mit Maissilage. Hühner werden in engen Käfigen gehalten. Das liebe Vieh wird über Tausende und mehr Kilometer transportiert. Das Schächten wird gestattet. Wie viel Qualen müssen unsere Mitgeschöpfe eigentlich ertragen?
Nitrofen ist kein Einzelfall, sondern passt ins ganze System. ein System, das die Profitgier wesentlich höher bewertet als die Gesundheit der Menschen und Tiere. I)ie von Künast versprochene Agrarwende hat nicht stattgefunden. Das müssen wir hier bedauerlicherweise feststellen. - Ich danke Ihnen erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.
I)ie Fraktion der DVU beantragte, den Antrag in der Drucksache 3/4494 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Landwirtschaft_ Umweltschutz und Raumordnung sowie an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgen möchte. den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich rufe damit zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 3/4494 der Fraktion der DVU in der Sache auf. Wer diesein Antrag seine Zustimmung gehen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen'? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 50. Jahrestag des mitteldeutschen Volksaufstandes ist für cin
demokratisches Parlament Anlass und Verpflichtung, in würdiger Form der Opfer des 17. Juni 1953 zu gedenken.
Dieser Tag des Volksaufstandes hat zu gleich bewiesen, dass die kommunistischen Zwingherren der SEI) keinen Rückhalt im deutschen Volk hatten.