Protocol of the Session on June 26, 2002

Damit habe ich eigentlich die wesentlichen Punkte beantwortet. Nein, etwas Schönes noch. Herr Vietze, Sie hatten geäußert, dass in allen Ressorts nach dem Prinzip strengster Sparsamkeit zu arbeiten ist. Für diesen Appell danke ich Ihnen ganz besonders, man kann ihn nämlich nicht oft genug wiederholen. Er entspricht im Übrigen der geltenden Gesetzeslage in § 7 und § 34 der Landeshaushaltsordnung.

(Vietze [PDS]: Ich habe Sie zitiert!)

- So viel Einvernehmen! Ich freue mich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Frau Blechin- ger [CDU])

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Ziegler. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS. Herr Vietze, Sie haben noch drei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Ihre Aufmerksamkeit auf einen Sachverhalt zu lenken und um Sie zu bitten, vielleicht mit darüber nachzudenken.

Ihnen allen ist in Erinnerung, dass das Landesverfassungsgericht im Zusammenhang mit einer Klage einer Volksinitiative zu den Kita-Entscheidungen gesagt hat, dass eine Initiative, die 24 Millionen Euro zum Inhalt hat - damals waren es 48 Millionen DM -, in einem entscheidenden Maße in die Budgethoheit des Parlaments eingreift. Also, eine Volksinitiative, der Souverän, greift ein in die Budgethoheit des Parlaments in dieser Größenordnung.

Nun will ich einfach mit Ihnen gemeinsam darüber nachdenken, inwieweit die Regierung in die Budgethoheit eingreift, wenn das Mittel der Haushaltssperre nicht nur in einer besonderen Situation einmal angebracht und deswegen auch verfassungsrechtlich zugebilligtes Recht ist, sondern wenn es zur Norm wird, dass mit globalen Minderausgaben und ständig nachfolgenden Haushaltssperren die Situation eintritt, dass eine Mehrheit des Parlaments von Anfang an die Budgethoheit an die Regierung delegiert mit dem Argument: Die wissen am besten, wo sie sparen können bzw. wo sie das Geld wie einsetzen können. Welche Hoheit hat dann noch dieses Parlament?

Für den Fall, dass das kein politischer Klamauk, wie man mir möglicherweise unterstellen will, sondern einfach ein Sachverhalt ist, über den man einmal nachdenken sollte, um die Rechte dieses Parlaments zu wahren, wäre ich Ihnen sehr dankbar für eine Antwort.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Vietze. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS, der Ihnen in der Drucksache 3/4504 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Gesunde Nahrungsmittel und unbelastete Futtermittel garantieren

Antrag der Fraktion der PDS

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion und gebe der Abgeordneten Wehlan das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Nitrofenskandal wurde wieder einmal bestätigt, dass die Kontroll- und Schutzmechanismen, die die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln und der Tierbestände mit schadstofffreien Futtermitteln gewährleisten sollen, unzureichend bis untauglich sind.

Wieder sind die Bauern - diesmal vorwiegend die Ökobauern und die Verbraucher die Leidtragenden, denn sie haben sich auf die Sorgfaltspflicht aller am Herstellungsprozess Beteiligten, auf die Kontrolltätigkeit und die Verbraucherschutzpolitik in den Ländern verlassen und sind nun verlassen.

Ich frage mich, wie vieler Skandale es noch bedarf, um die Chance für mehr Verbraucherschutz und Schutz der Landwirte

zu ergreifen. Jeder Skandal führt nicht nur dazu, dass die Landwirtschaft am Pranger steht und der anspruchsvolle Verbraucher sensibel reagiert, sondern kostet den Steuerzahler immense Summen.

Der Gesamtschaden aus dem Nitrofenskandal für die betroffenen Landwirte wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Darin eingeschlossen sind Kosten für das serienweise Töten von Tieren, das Durchforsten und Kontrollieren gesamter Warenströme, das Vernichten von Futter- und Lebensmitteln und nicht zuletzt für die Untersuchungen der Staatsanwaltschaften und der Landeskriminalämter.

Angesichts der von der Finanzministerin über alle Ministerien verfügten Haushaltskürzungen gehört auch zur Wahrheit, dass Lebensmittelsicherheit ihren Preis hat. Das erfordert stabile Haushaltsansätze und nicht die Ideologie von einem schlanken Staat.

Aufgrund personeller und finanzieller Engpässe werden nur circa 80 % der in allen Tierbetrieben einmal im Jahr durchzuführenden Futtermittelkontrollen in Brandenburg tatsächlich durchgeführt - so in der „Märkischen Oderzeitung” vom 31. Mai dieses Jahres der Leiter des Kreislandwirtschaftsamtes in Seelow. Laboruntersuchungen werden ohnehin nur in Verdachtsfällen veranlasst. Ansonsten beschränkt sich die Kontrolle darauf, zu schauen, welche Futtermittel entsprechend der Deklaration verwendet wurden.

Genau hier soll unser Antrag greifen und das Engagement der Landesregierung, ja, auch der Bundesregierung herausfordern, um bei Futtermittel produzierenden bzw. mit Futtermitteln handelnden Unternehmen eine Garantieerklärung zu erwirken. Diese soll gegenüber den Landwirten die Korrektheit der Rezeptur und damit die Unbedenklichkeit der angebotenen Futtermittel bescheinigen und versichern, dass das betreffende Futtermittel frei von einer Kontamination mit Schadstoffen ist, die über die gesetzlich zulässige Höhe hinausgeht.

Unternehmen bzw. Handelsfirmen, die eine solche Garantieerklärung abgeben, sind den Landwirten und der Öffentlichkeit in einer Liste zugänglich zu machen; denn nach Änderung der Gewährleistungshaftung in der Bundesrepublik Deutschland verlangt auch die Landwirtschaft als Verbraucher bzw. Nutzer von Futtermitteln eine Positivliste von den Futtermittelherstellern und vom Futtermittelhandel.

Ich weiß nicht, wer für die Koalition reden wird, ob es Herr Dr. Woidke oder Herr Helm ist. Aber sicherlich werden Sie mir sagen, dass es auch mit unserem Antrag keine hundertprozentige Sicherheit geben wird. Das stimmt. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es niemals geben. Aber warum sollte das, was für niedersächsische Futtermittelhersteller und -händler gilt und durch die dortige Kammer begleitet wird, nicht auch in Brandenburg möglich sein?

Der letzte Punkt unseres Antrages soll als deutliches Signal gegen Haushalts- und Personalkürzungen im staatlichen, sprich Brandenburger Kontrollnetz zur Überprüfung von Lebens- und Futtermitteln verstanden werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die aktuellen Vorfälle haben die Notwendigkeit eines Verbraucherinformationsgeset

zes deutlich unterstrichen. Es muss schon als schwarzer Tag gewertet werden, dass die unionsgeführten Länder gegen das Gesetz gestimmt haben. Gerade jetzt wäre es ein richtiges Signal gewesen, um deutlich zu machen, dass die Verbraucher mit dem Gesetzgeber rechnen können.

Selbstkontrollen führen eben nicht automatisch zur Selbstanzeige, sondern auch zur Vertuschung. Selbst das in der Europäischen Lebensmittelagentur aufzubauende Schnell- und Frühwarnsystem kann nicht funktionieren, wenn in einer Nation, in einer Region oder nur in einem Unternehmen Informationen zurückgehalten werden.

Letztendlich muss es darum gehen, dass Bund und Länder gemeinsam Voraussetzungen für mehr Vorsorge schaffen. Auch diesem Anliegen gilt unser Antrag. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Wehlan. - Ich gebe jetzt das Wort für die Koalitionsfraktionen an Herrn Abgeordneten Helm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt gebe ich Ihnen, Frau Wehlan, Recht: Die Leidtragenden sind die Bauern, obwohl sie nichts dafür können. Aber nur in diesem Punkt. Ansonsten bin ich etwas erstaunt über Ihren Antrag, da er keine Logik hat.

Erstens sind Sie über alles informiert, was die Landesregierung im Land unternommen hat und wie die Situation ist. Laufend wurde im Ausschuss über alle Maßnahmen und Ergebnisse berichtet.

Zweitens unterstellen Sie, dass die Kontroll- und Schutzmechanismen unzureichend und untauglich sind. Frau Wehlan, wenn das so wäre, würden wir uns über dieses Problem überhaupt nicht unterhalten; dann wüssten wir gar nichts davon. Das heißt also, dass die Maßnahmen, die vorgeschrieben sind, funktionieren, ansonsten hätte man die Sache nicht aufgedeckt.

Es funktioniert auch der Nachweis über das In-Verkehr-Bringen; ansonsten wäre nicht festgestellt worden, wohin dieses kontaminierte Futter gegangen ist.

Das heißt, wir haben hier keine Defizite. Nun kann man natürlich auch irgendetwas herbeireden. Ich bin der Meinung: Es sind unwahre Unterstellungen, die Sie hier äußern, und das haben die handelnden Personen im Land einfach nicht verdient.

Zum anderen fordern Sie Garantieerklärungen hinsichtlich Korrektheit der Rezepturen und Unbedenklichkeit. Es ist völlig richtig, dass das notwendig ist. Aber, Frau Wehlan, das ist jetzt auch per Gesetz vorgeschrieben. Die Futtermitteldeklaration schreibt das klar und deutlich vor.

Sicherlich gibt es hier einiges zu verbessern, da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber kontaminierte Stoffe oder Futtermittelersatzstoffe sind auch jetzt verboten. Und kriminelles

Handeln können Sie nie verhindern. Dass es aufgedeckt werden muss, ist richtig. Das ist doch das Problem.

Wenn Sie hier die Garantieerklärung fordern, dann können wir das in Brandenburg oder Deutschland allein überhaupt nicht leisten. Wir brauchen allgemeine Regelungen in Europa, auch gleiche Maßstäbe für Importe, für die Substitute, also Futterergänzungsstoffe, die eingesetzt werden, damit wir solche Vorkommnisse ausschließen.

Ein Alleingang Deutschlands würde ein Modifizierungsverfahren bei der EU bedeuten, das wiederum eine Diskussion und mögliche Benachteiligungen der Futtermittelindustrie in Deutschland zur Folge hätte.

Das heißt, wir in Brandenburg können auf keinen Fall etwas machen, in Deutschland kann man es auch nur begrenzt tun. Und der Futtermittelhandel ist europaweit und global zu sehen und lässt sich nicht auf ein Land begrenzen. Wir brauchen keine zusätzliche Regelung.

Wenn Sie einmal in einem Mischfutterwerk sind - ich war da -, dann sehen Sie, dass eindeutig vorgeschrieben ist, welche Rückstellproben zu nehmen sind. Die Mischvorgänge werden computergesteuert überwacht und sind zu dokumentieren und zu archivieren. Da das vollautomatisch abläuft, ist hier kriminelles Handeln ohne Nachweis äußerst schwierig. Sicherlich ist es nicht auszuschließen.

Dann fordern Sie auch noch, das staatliche Kontrollnetz zu erweitern. Brandenburg hat bereits mehr gemacht als das, wozu es verpflichtet ist. In Brandenburg wird auf Nitrofen, Dioxine, Lindan und Trizilin kontrolliert, obwohl diese Stoffe nicht mehr eingesetzt werden und in anderen Ländern nicht mehr daraufhin untersucht wird. Aber Brandenburg trifft hier Vorsorge, weil wir an Länder grenzen, wo der Einsatz dieser Mittel als Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln zugelassen ist, sodass aus dieser Richtung immer wieder Ernteprodukte zu uns hereinkommen können, die kontaminiert sind.

Es ist richtig, die Personal- und Finanzproblematik und die Laborkapazitäten zu sehen. Eine Nitrofenprobe kostet 50 bis 60 Euro. Das können wir natürlich nach Belieben fortführen, bis zur Unendlichkeit ausdehnen. Aber man muss die Sinnhaftigkeit sehen.

Hier ist es auch wichtig, noch einmal zu Fragen der Informationspolitik Stellung zu nehmen. Aufklärung ist richtig, aber nicht Panikmache. Man muss auf die tatsächliche Gefahr hinweisen. Meine Damen und Herren, wenn Sie von dem kontaminierten Putenfleisch eine Portion verzehren, hat diese einen Schadstoffgehalt an Krebs erregenden Stoffen, der etwa dem Genuss einer Zigarette entspricht. Ich möchte sehen, wie viele von Ihnen, meine Damen und Herren, sich heute Abend am Grill bedienen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Wiebke [SPD) und von Arnim [CDU])

Dann können wir hier noch einmal über Krebs erregende Stoffe sprechen!