Zweitens: Das beste Instrument, um Abwanderungen zu begegnen, sind zukunftsfähige Arbeitsplätze hier im Land. Unser Politikschwerpunkt, die Schaffung einer leistungsfähigen Wirtschaftsstruktur in unserem Lande zu unterstützen, bleibt damit der wichtigste Ansatzpunkt zur Bekämpfung der Landflucht.
Ohne es detailliert ausführen zu wollen, stelle ich fest, dass für die CDU-Fraktion deswegen die Förderung des Mittelstandes genauso prioritär ist wie die Ausgründung von innovativen Unternehmen aus unseren Hochschulen und die Realisierung von Großprojekten - Herr Prof. Bisky, hören Sie mit Ihrer Fraktion einmal zu - wie der Flughafen Schönefeld und die Chipfabrik Frankfurt (Oder).
Meine Damen und Herren, ich erlaube mir an dieser Stelle, einige zentrale Handlungsfelder der Politik der nächsten Jahre zu umreißen. Sie sind nur schlaglichtartig aufgeführt und müssten zum Beispiel noch durch viele Aspekte der Arbeits-, der Familien- und der Kommunalpolitik ergänzt werden. Dies ist auch schon angeklungen.
Erstens: Wir müssen klare Prioritäten setzen: Was können wir finanzieren? Vor allem: Was sollten wir finanzieren? Dazu zählt, dass wir uns ehrlich die Frage beantworten, was die entscheidenden Faktoren sind, die zusätzliche Investitionen anziehen, und wie unsere Instrumente darauf ausgerichtet sind. Ist die dezentrale Konzentration das Leitbild, das uns in den letzten Jahren geholfen hat, der Abwanderung im gewünschten Maße zu begegnen? Mit einem klaren Ja wird das mit Sicherheit keiner von uns beantworten. Die Stärkung zentraler Orte hat es in der Gesamtschau der vergangenen Jahre nicht vermocht, in ausreichendem Maße neue Investitionen für die berlinfernen Regionen anzuwerben, übrigens auch nicht differenzierte Fördersätze; das füge ich noch hinzu.
Wirtschaftspolitik in Brandenburg muss auf Wachstumsregionen, auf Wachstumsbranchen und auf den Mittelstand ausgerichtet bleiben. Das ist unsere einzige Chance im internationen Wettbewerb der Regionen.
Zweitens: Die hohe Arbeitslosigkeit in Brandenburg bleibt unser Hauptproblem. Vor diesem Hintergrund eine Diskussion über das Anwerben ausländischer Fachkräfte zu führen halte ich für nicht vordringlich. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, die Arbeitslosen in Brandenburg auch mithilfe der Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes - das sage ich ausdrücklich auch als
Gegenwärtig müssen wir feststellen, dass der zweite Arbeitsmarkt seine Brückenfunktion nicht in dem notwendigen Maß erfüllt. Es muss uns gelingen, Wirtschaft und Arbeitsförderung enger zu verzahnen sowie Weiterbildungsmaßnahmen und Änliches stärker auf die Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes auszurichten.
Drittens: Wir müssen die Infrastruktur nicht nur der berlinfernen Teile unseres Landes entwickeln. Ich beziehe mich jetzt nur auf die Verkehrsinfrastruktur. In dem Maße, in dem es uns gelingt, einerseits die sturkturschwachen Regionen lebenswert zu gestalten, ihre Entwicklungspotenziale, etwa was den Tourismus betrifft, auszuschöpfen und andererseits die Mobilität der Menschen in unserem Lande zu erhöhen, wird Landflucht unnötig. So ist es beispielsweise nötig, wachstumsschwache Regionen durch eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur gewissermaßen näher an den Speckgürtel Berlins heranzubringen. Dafür brauchen wir natürlich auch den Rückenwind der Bundespolitik. Doch auf die dringend nötige Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans warten wir noch immer.
Viertens: Schließlich sollte das Land Brandenburg den Mut und die Energie aufbringen, auf Bundesebene und auch in Brüssel dafür zu werben, dass Zahlungen, die unser Land erhält, zukünftig in geringerem Maße an die Bevölkerungszahl gebunden werden. Genau dies gilt übrigens auch in Bezug auf die kommunale Ebene bei uns im Lande. Ich hoffe, dass mit dem in Vorbereitung befindlichen Finanzausgleichsgesetz den Kommunen, die unter einer starken negativen Bevölkerungsentwicklung leiden, wirksam geholfen wird.
Meine Damen und Herren, Sie erkennen, dass viele meiner Forderungen bereits Gegenstand der Politik der Landesregierung sind. Deswegen möchte ich Ihnen, Herr Prof. Bisky, ausdrücklich widersprechen. Wir als Koalitionspartner stehen hinter dieser Politik, wissen aber gleichzeitig, dass wir einen sehr langen Weg beschreiten und dass wir auch nicht kurzfristig mit Lösungen rechnen können. Lassen Sie uns aber diesen Weg gemeinsam gehen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Habermann, wenn die Politik nicht den Rahmen schafft, um die Investitionstätigkeit wachsen zu lassen - das tut sie in Brandenburg nicht -, dann werden Sie damit leben müssen, dass Brandenburg weiter ausblutet, und zwar einerseits finanziell und andererseits demographisch.
Letzteres ist sogar schon bei der SPD-Fraktion angekommen. Herzlichen Glückwunsch, Herr Fritsch, für diese späte Erkenntnis.
Doch zum Thema. Zunehmende Abwanderung und eine niedrige Geburtenrate lassen die Bevölkerung in Brandenburg weiter schrumpfen. Der Grund für den Negativtrend: Immer weniger Berliner ziehen ins Umland, aber immer mehr Brandenburger wandern vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit in gut situierte Bundesländer wie Baden-Württemberg und Bayern ab. So betrugen die Wanderungsverluste im Zeitraum von 1992 bis 2000 gegenüber den alten Bundesländern insgesamt ca. 91 000 Personen. Die Regionen des äußeren Entwicklungsraumes wie die Lausitz, die Prignitz oder die Uckermark verloren von 1992 bis 2000 über 27 000 Einwohner. Bemerkenswert ist hier der radikale Anstieg der Abwanderung der vergangenen drei Jahre. Dieser Trend setzt sich beängstigend fort. Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Hintergrund dieses selbst von den Landesstatistikern so bezeichneten Ausblutens ist eine wachsende Wohlstandsmauer, wie die Jahresstatistik krass belegt. Nicht nur, dass in berlinfernen Gegenden die Arbeitslosigkeit am höchsten ist - mit der Entfernung von Berlin sinken auch die Einkommen.
Genauso oder noch mehr beunruhigt die weiter sinkende Geburtenrate im Land. Im Jahr 2000 sind über 7 000 Menschen mehr gestorben, als geboren wurden. Auch dieser Negativtrend hält nun bereits seit Gründung des Landes Brandenburg an.
Was sind die Folgen dieser Bevölkerungskatastrophe? Die ländlichen Gegenden Brandenburgs samt ihrer Infrastruktur veröden zusehends. Wohnungspolitik, Herr Minister Meyer, wird jetzt mit der Abrissbirne betrieben. Trotz Massenarbeitslosigkeit wandern immer mehr Betriebe aus dem äußeren Entwicklungsraum ab. Sie werden komplett geschlossen, weil keine qualifizierten Arbeitskräfte mehr zu bekommen sind.
Mir liegt ein sehr treffendes Zitat des Leiters des VDI/VDETechnologiezentrums Informationstechnik GmbH, Michael Astor, gegenüber der Presse vor:
“Ich befürchte, dass zukünftig industrielle Produktion in Brandenburg nur noch in wenigen Großbetrieben stattfindet und die Kleinbetriebe auf mittlere Sicht nicht konkurrenzfähig sind, weil sie es weder schaffen, ihr Knowhow zu sichern noch ihre Mitarbeiter zu akquirieren.”
Das Ergebnis sei, so Astor, ein weiteres Betriebssterben und damit eine drastische Verschärfung der Massenarbeitslosigkeit.
Laut Aussage Ihres Ministeriums, Herr Minister Reiche, wird es darüber hinaus in 15 Jahren in Brandenburg nur noch halb so viele Lehrlinge wie heute geben. Durch das Ausbluten des Landes ist inzwischen auch die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Bedingt durch die demographische Entwicklung und das altersbedingte Ausscheiden zahlreicher Ärzte droht in Brandenburg ein erheblicher Mangel an niedergelassenen Ärzten.
Anfrage bezüglich der Einführung eines monatlichen Familiengeldes antwortete das Bildungsministerium klipp und klar, dass es dagegen sei, und Minister Ziel, heute nicht anwesend, beantwortete eine mündliche Anfrage meiner Fraktionskollegin Birgit Fechner dergestalt, dass das demographische Problem Brandenburgs insbesondere auch durch eine geregelte Einwanderungspolitik und Integration gelöst werden solle. - Na, danke! Und wo bleiben Ihre Anstrengungen zur Integration der hier lebenden Ausländer?
Die DVU-Fraktion war es, die bereits während der beiden Plenarsitzungen im Januar dieses Jahres die Demographie in einer von uns beantragten Aktuellen Stunde zur Entwicklung der Lebensperspektiven junger Menschen in Brandenburg und in einer Großen Anfrage zur Abwanderung von Arbeitsplatz Suchenden aus Brandenburg in westliche Bundesländer thematisierte. Während der Aktuellen Stunde erklärten Sie, Herr Klein, dass Sie die Abwanderung junger Menschen aus Brandenburg begrüßten, und warfen uns gleichzeitig Schwarzmalerei vor. Zur Großen Anfrage unserer Fraktion bemerkten Sie lediglich, dass sich die Landesregierung der Auswirkungen von Beschäftigungs- und Bevölkerungsentwicklung wohl bewusst sei. Passiert ist seitdem allerdings nicht das Geringste.
Insofern verwundert es uns als DVU-Fraktion heute umso mehr, dass gerade Sie, Herr Klein, und Ihre Fraktion das Thema durch eine Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung bringen. Doch besser spät als nie. Aber Sie sollten immer daran denken: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Herr Habermann, handeln und nicht reden! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich erteile das Wort der Landesregierung, Herrn Minister Birthler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlass für die heutige Befassung mit diesem aus meiner Sicht sehr wichtigen Thema ist die Tatsache, dass für das Land Brandenburg erstmals seit 1994 wieder ein Bevölkerungsrückgang konstatiert werden muss. Diese Entwicklung war zu erwarten und wird sich fortsetzen. Laut der neuesten Prognose wird die Bevölkerungszahl in Brandenburg bis zum Jahr 2015 um etwa 1 % im Vergleich mit 1999 sinken.
Lassen Sie mich zunächst einige maßgebliche Tendenzen dieses vielschichtigen Problems näher beleuchten. Der Bevölkerungsrückgang infolge der natürlichen demographischen Entwicklung, also des Geburtendefizits, ist ein Problem aller europäischen Länder und keine brandenburgische Besonderheit. Diese Feststellung ist zwar wenig tröstlich, aber der Trend zu weniger Kindern ist ein gesellschaftliches Problem. Verschärfend kommt hinzu, dass die natürliche Bevölkerungsentwicklung durch die in den letzten Jahrzehnten mehrfach deformierte Alterspyramide weitgehend vorbestimmt und kurzfristig nicht zu ändern ist.
verhalten. Gewinner der Bevölkerungsentwicklung sind die Ballungsräume zulasten der strukturschwachen peripheren Räume. Richtige Antwortstrategien müssen daher von den qualitativen Unterschieden zwischen dem Umland von Berlin und dem äußeren Entwicklungsraum ausgehen. Der Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes partizipiert von erheblichen Wanderungsgewinnen aus der Hauptstadt. Im Maximum waren das im Jahr 1998 fast 30 000 Personen. Seitdem ist eine abnehmende Tendenz auf dem Wege zur Normalisierung zu verzeichnen. Heute ziehen noch etwa 12 000 Personen mehr von Berlin nach Brandenburg als umgekehrt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zuwanderung in die Hauptstadtregion aus ganz Deutschland und Europa anhalten wird. Die Prognose für 2015 geht von einem Zuwachs um etwa 16 % gegenüber dem Jahr 1999 aus.
Im äußeren Entwicklungsraum führen erhebliche Geburtendefizite und die in den letzten Jahren zunehmende Abwanderung in die alten Bundesländer zu einem Bevölkerungsschwund. Bei den Abwandernden handelt es sich zum großen Teil um junge Leute aus den geburtenstarken Jahrgängen, die in Brandenburg keinen Arbeitsplatz oder keinen Ausbildungsplatz finden. Bis zum Jahr 2015 wird dieser Raum 10 % seiner Einwohner verlieren.
Eine besondere Problemlage ist in den Städten des äußeren Entwicklungsraumes zu verzeichnen. Hier überlagern sich Abwanderungen von einkommensstärkeren Schichten in das jeweilige Umland der Städte, also als Binnenproblem, mit den Abwanderungen in die alten Bundesländer. Seit 1990 verloren die Städte ab 20 000 Einwohner jährlich über 12 000 Bewohner. Das sind insgesamt etwa 15 %.
Dagegen haben die ländlichen Gemeinden unter 5 000 Einwohnern in den letzten Jahren einen erfreulichen Zuwanderungsüberschuss von jährlich 7 000 Personen und mehr erfahren. Derzeit ist ähnlich der Wanderung im Berliner Umland auch hier ein rückläufiger, sich normalisierender Trend zu verzeichnen, der sich im Jahr 2000 auf weniger als 1 000 Personen reduziert hat.
Was können wir tun? Die Strukturpolitik der Landesregierung auf der Basis des Leitbildes der dezentralen Konzentration, die auf die Stabilisierung regionaler Entwicklungszentren setzt, ist heute wichtiger denn je. Ich erinnere an die Aktuelle Stunde vor zwei Jahren, in der wir um die Möglichkeiten und Grenzen eines Leitbildes für die Landesentwicklungspolitik gestritten haben. Die Landesregierung hat sehr deutlich gemacht, dass die Städte gerade im äußeren Entwicklungsraum eine wichtige Stabilisierungsfunktion haben und erster Anlaufpunkt für die ländliche Bevölkerung sind. Sie zu stärken bleibt eine Notwendigkeit.
So problematisch die Randwanderungen im Umland der größeren Städte auch sind, sie zeugen davon, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben wollen. Sie zeugen auch von der hohen Lebensqualität im ländlichen Raum. Was wir brauchen - darauf hat Herr Habermann hingewiesen -, ist ein finanzieller Ausgleich auf der kommunalen Ebene, zwischen den Städten und ihrem Umland.
Der Abwanderung junger Menschen wird mit Förderpräferenzen für die strukturschwachen Räume begegnet. Es gilt, durch eine Schwerpunktsetzung die kleinen Orte mit entsprechenden Funktionen in den ländlichen Räumen, also die Grundzentren, gezielt zu stabilisieren und zu entwickeln. Maßnahmen
der Entwicklung der ländlichen Infrastruktur, insbesondere der Dorfentwicklung, des ländlichen Wegebaus, und auch das Sonderprogramm meines Hauses tragen entscheidend dazu bei.
Durch die Ämter für Flurneuordnung und ländliche Entwicklung wurden gemeinsam mit den Landkreisen und den Kommunen Leitlinien für die ländliche Entwicklung, für eine abgestimmte Umsetzung der Maßnahmen erarbeitet. An vielen Stellen wirken sich Tourismus und die Vermarktung von Produkten aus der Region direkt auf die Einkommenssituation aus. Deutlich wird: Dort, wo die Brandenburgerinnen und Brandenburger gern zu Hause sind, gibt es ein gutes Klima und sind Gäste willkommen.
Allerdings ist klar: Diese Maßnahmen allein reichen nicht aus. Wir müssen gemeinsam überlegen, welche Perspektiven jungen Menschen im Osten geboten werden können. Ein Beispiel für solche Perspektiven sind die gemeinsamen Anstrengungen, die wir im Rahmen der IBA "Fürst-Pückler-Land" und in der Braunkohlesanierung unternehmen. Höhepunkte wie die Eröffnung der Förderbrücke F 60 strahlen Optimismus und Zukunftssicherheit in der Region aus, die sich auch auf die Investitionsbereitschaft auswirken. Die Einweihung der Anlagen des Vestas-Windenergieproduzenten in Lauchhammer vorige Woche belegt das.
Wir müssen gemeinsam weiter nach neuen Wegen und Modellen zur dezentralen Versorgung der Bevölkerung suchen - auch das ist angesprochen worden -, zum Beispiel im Bereich Abwasser oder bei den erneuerbaren Energien oder aber durch die Nutzung moderner Informationstechnik.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem Problem verlangt aber auch, dass auf allen Ebenen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich Strategien zur Anpassung an die unvermeidlichen Schrumpfungs- und Alterungsprozesse der Bevölkerung entwickelt und umgesetzt werden.
Ich sehe einen weiteren wichtigen Punkt - da wende ich mich nicht nur an den Landtag, sondern auch an die Öffentlichkeit -: Wir müssen aufhören, diese Prozesse ständig als Katastrophe zu beschreiben und herunterzureden. Wir müssen aufhören, durch ständiges Jammern das Image des ländlichen Raumes noch zusätzlich zu verschlechtern und damit diese Anpassungsstrategien zu erschweren. Die ländlichen Räume in Brandenburg haben eine hohe Lebensqualität und auch eine gute Zukunft.