Die Fraktion der PDS hat mir Redeverzicht angezeigt. Auch die Landesregierung wünscht das Rederecht nicht in Anspruch zu nehmen.
Damit kann ich feststellen, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 41, Drucksache 3/4284, abschließend zur Kenntnis genommen haben.
Des Weiteren liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU in der Drucksache 3/4389 vor.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Domres, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Begriff der Funktionalreform hat in der 3. Legislaturperiode des Landtages bisher kaum eine Rolle gespielt. So darf es nicht bleiben und dafür wollen wir mit unserem Antrag heute den Auftakt geben. Ich hoffe dabei auf Ihr Interesse und auf Ihre Unterstützung.
Gestatten Sie mir zuerst einen Ausflug in die Vergangenheit. Mit einer vom damaligen Innenminister Alwin Ziel gegebenen Regierungserklärung wurde im Juni 1993 der Auftakt für die Funktionalreform im Land Brandenburg gegeben. Das geschah nach dem Zusammenschluss der Gemeinden zu Ämtern und parallel zur Kreisgebietsreform, die im Dezember 1993 ihren Abschluss fand.
Herr Ziel beschrieb die Absicht der Landesregierung - ich zitiere -, “im gesamten Land eine bürgernahe und bürgerfreundliche Verwaltung sicherzustellen”. Das sei, so der damalige Innenminister, insbesondere durch eine möglichst weitgehende Verlagerung öffentlicher Aufgaben auf die Landkreise, kreisfreien
Städte, Ämter und Gemeinden zu erreichen. Die Landesregierung kündigte an, alle öffentlichen Aufgaben einer Überprüfung zu unterziehen und danach über die Neuverteilung zwischen den staatlichen und kommunalen Verwaltungsträgern zu entscheiden. Bei der Verteilung der öffentlichen Aufgaben ist eine orts- und bürgernahe Aufgabenwahrnehmung anzustreben, legte die Landesregierung als Grundsatz fest.
Ursprünglich bestand die Absicht darin, die vom Land wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben weitgehend auf die kommunale Ebene zu übertragen. Regierungen sollen regieren und Verwaltungen sollen verwalten - so Herr Ziel im März 1994 vor dem Landtag.
Im Juni 1994 wurde mit dem Ersten Funktionalreformgesetz auch das Funktionalreformgrundsätzegesetz beschlossen.
Bei der Diskussion über dieses Gesetz zeichneten sich die Knackpunkte der Reform bereits ab. Im Entwurf der Landesregierung hieß es in § 1 Abs. 2 noch:
“Die den obersten Landesbehörden, den Landesoberbehörden und den unteren Landesbehörden durch Landesrecht zugewiesenen Verwaltungsaufgaben sind spätestens bis zum 1. Januar 1997 durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes auf die Landkreise und kreisfreien Städte zu übertragen, wenn dort eine sachgerechte, wirtschaftliche und effektive Aufgabenerledigung erreicht werden kann.”
Bei der Beratung im Innenausschuss wurde die Befürchtung geäußert, dass damit die Beweislast für die Fähigkeit zur Ausübung zu übertragender Aufgaben bei den Kommunen liegen würde. Deshalb wurde in Umkehrung dem Land die Nachweispflicht zugeordnet, dass eine sachgerechte, wirtschaftliche und effektive Aufgabenerledigung bei der Kommune nicht erreicht werden kann.
Nächster Knackpunkt war die Finanzierungsregelung, die ursprünglich im Entwurf gar nicht vorgesehen war. Um den Grundsatz “Das Geld folgt der Aufgabe” festzuschreiben, wurde ausdrücklich auf die entsprechenden Regelungen in der Gemeinde- und Landkreisordnung Bezug genommen.
Dritter Punkt waren möglichst klare Festlegungen zur Personalüberleitung, die den mit der Aufgabenübertragung verbundenen Personalübergang vom Land auf die Kommunen erleichtern sollten, sowie Regelungen zum Vermögensübergang.
Die Reform, die ursprünglich bis Anfang 1997 abgeschlossen sein sollte, war in ihrer praktischen Umsetzung vor allem vom Beharrungsvermögen der Landesbehörden gekennzeichnet. Durch eine Reihe von Initiativen ist vom Landtag Druck gemacht worden, um die Funktionalreform voranzutreiben. Die Landesregierung musste in kurzen Zeitabständen Rechenschaft über den Stand der Umsetzung des Reformvorhabens ablegen. Dadurch befassten sich der Landtag und der Innenausschuss intensiv mit diesen Fragen.
Im Januar 1997 legte die Landesregierung den Abschlussbericht zur Funktionalreform vor, in dem ein erfolgreicher Verlauf der Reform festgestellt wurde. Gemessen an der ursprünglichen Zielstellung nahm sich das Ergebnis jedoch recht bescheiden aus.
Die Prüfaufträge zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf die Kommunen sind in der großen Mehrheit abschlägig beschieden worden. Das gilt auch bezüglich der Reduzierung von Landesbehörden. 1994 hatte Minister Ziel noch stolz verkündet, dass circa 900 Mitarbeiter im Bereich des Kataster- und Vermessungswesens an die Kreise und kreisfreien Städte übergeben werden. Im Abschlussbericht wurde festgestellt, dass insgesamt circa 1 200 Stellen auf die kommunale Ebene übergegangen sind. Das Vorbild des Innenministeriums hatte also keine große Wirkung.
Große Probleme bereitete auch die Sicherung der Einheit von Aufgabenübertragung und finanzieller Sicherstellung der Aufgabenerfüllung. Einigkeit bestand darüber, dass die Wahrnehmung der vom Land übertragenen Aufgaben nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Kommunen führen sollte. Die Streitereien zwischen der Landesregierung und den Kommunen um die Finanzierung der Aufgaben nach dem Zweiten und Dritten Funktionalreformgesetz oder im Rahmen des Wassergesetzes erweckten jedoch den Eindruck, als ob die Kostenregelung vom Land zunehmend als Bremse eingesetzt würde.
Im Abschlussbericht formulierte die Landesregierung als Maxime, dass die Aufgabenübertragung weder insgesamt noch im Einzelfall zu einer Erhöhung der Kosten führen darf, wodurch die Bezugsebene gewechselt und weitere Aufgabenübertragungen zusätzlich erschwert wurden.
Anfang 1997 war eine ganze Reihe der angekündigten Vorhaben noch nicht realisiert. Zum Teil waren noch nicht einmal die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufgabenübertragung geschaffen worden, worüber sich der Bericht allerdings ausschweigt.
Die bescheidene Bilanz der Reform, die ohne den Druck aus dem Landtag noch “übersichtlicher” ausgefallen wäre, wurde durch Hinzunahme der bereits vor 1993 vorgenommenen Aufgabenverlagerungen verbessert, sodass sich im Nachhinein herausstellte, dass die eigentliche Funktionalreform bereits vor der Regierungserklärung zur Einleitung der Funktionalreform stattgefunden hatte.
Sehr geehrte Damen und Herren, die PDS-Fraktion schätzte 1997 ein, dass die Funktionalreform wie in den alten Bundesländern auch im Verhältnis zu den ursprünglichen Zielstellungen praktisch gescheitert war. Mit der Vorlage des Abschlussberichtes endete auch das straffe Berichtssystem gegenüber dem Landtag.
Jetzt ist es an der Zeit, sich wieder mit diesem Thema zu beschäftigen. Dafür sprechen insbesondere folgende Gründe:
Erstens steht die bereits 1993 angekündigte zweite Phase der Funktionalreform noch aus. Dabei geht es um die Übertragung von Aufgaben von den Kreisen auf die Ämter und kreisangehörigen Gemeinden. § 6 des Funktionalreformgrundsätzegesetzes von 1994 ist bisher kaum zur Anwendung gekommen. Dort heißt es in Absatz 1:
“Die den Landkreisen übertragenen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheiten sind auf die Ämter und amtsfreien Gemeinden durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu übertragen.”
Als Voraussetzung für die Übertragung werden eine besondere Publikumsintensität oder eine besondere Eignung für eine ortsund bürgernahe Wahrnehmung, das Erfordernis besonderer Orts- und Objektkenntnisse, ein enger Zusammenhang zu bereits wahrgenommenen Aufgaben oder die Erarbeitung bzw. Vorbereitung wesentlicher Grundlagen für die Erfüllung der Aufgaben durch die Ämter und Gemeinden genannt.
Zweitens muss die Landesregierung im Zusammenhang mit der Gemeindegebietsreform endlich konkrete Aussagen dazu machen, wie sie auf die prognostizierte Erhöhung der Verwaltungskraft der zusammengeschlossenen Gemeinden durch die Übertragung neuer Aufgaben reagieren will. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben die Leitlinien zur Gemeindegebietsreform als tragfähige Basis für die Schaffung leistungsfähiger Strukturen, für bürgernahe, professionelle und effiziente Kommunalverwaltungen angesehen. Sich jetzt der Diskussion zu verweigern wird nicht gehen; denn Leistungsfähigkeit heißt auch, Leistung zu übernehmen und Leistung zu übergeben. Sonst bleibt die Gemeindegebietsreform nur ein Steckenpferd des Innenministers.
Drittens muss im Zusammenhang mit der Verwaltungsoptimierung auf Landesebene auch der Aspekt der Kommunalisierung von Verwaltungsaufgaben eine größere Rolle spielen, als es bisher der Fall ist.
Viertens fordern nicht nur die kreisfreien Städte, dass mit dem Finanzausgleichsgesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die originären Selbstverwaltungsaufgaben einschließlich der aufgrund des zweistufigen Verwaltungsaufbaus dem Land zugeordneten und bereits übertragenen Aufgaben erfüllt werden können.
Eine kritische Bilanz der bisherigen Funktionalreform, bezogen auf Kosten- und Finanzausgleich, Qualitätsstandards und Aufgabendefinition, ist ganz sicher nötig. Ich darf Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, daran erinnern, dass Sie sich in Ihrer Koalitionsvereinbarung auch zu diesem Thema Ziele gestellt haben. Da heißt es:
“Die Koalition bekennt sich nachhaltig zu einer Aufgabenkritik staatlicher Aufgaben. Um die Verwaltung zukunftsfähig zu machen, werden staatliche Aufgaben, wo möglich, kommunalisiert oder privatisiert, sofern die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Brandenburg gewahrt bleibt.”
Mit der Privatisierung sollten Sie vorsichtig umgehen. Aber bei der Kommunalisierung wünschen wir uns schon ein deutliches Signal. Viel Zeit haben Sie dafür in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Deshalb fordern wir Sie mit diesem unserem Antrag auf, ein Konzept zur Weiterführung der Funktionalreform im Land Brandenburg zu erarbeiten und dem Landtag noch in diesem Jahr vorzulegen.
Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entschließungsantrag weist darauf hin, dass sie dem von uns formulierten Anliegen nicht ausweichen können. Ich stelle weitgehend inhaltliche Übereinstimmung fest, die das Mittel der Entschließung eigentlich lächerlich macht; aber das ist Ihre Sache. Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich, dass wir mit der von Ihnen vorgeschlagenen Verschiebung um ein halbes Jahr auf den Juli
2003 nicht einverstanden sind. Sie können nicht alles auf die lange Bank schieben. Ich denke zum Beispiel an das längst überfällige Finanzausgleichsgesetz. - Danke schön.
Ich danke dem Abgeordneten Domres. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der SPD, den Abgeordneten Schippel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Domres, Sie selber haben auf die Komponenten hingewiesen, die zu beachten sind, wenn man denn die Funktionalreform fortsetzen will. Sie selber haben auf das Finanzausgleichsgesetz, auf die Gemeindegebietsreform und Ähnliches hingewiesen. Nun verstehe ich Ihre Eile an der Stelle nicht, denn wir könnten vielleicht mit der Gemeindegebietsreform schon weiter sein, wenn Sie sich nicht immer quer legen würden.
Es gibt noch einen anderen Punkt, der mich bei Ihrem Antrag stutzig macht: Wir befinden uns zurzeit mitten in der Anhörung zur Empfehlung des Innenministeriums. Das heißt, wenn wir diese Empfehlung ernst nehmen - und das tun wir -, dann werden wir im Laufe des Herbstes etwa wissen, wie die zukünftige Gemeindestruktur im Land Brandenburg aussieht. Das sollten wir doch abwarten, sonst führen wir die Anhörung ad absurdum.
Aus diesem Grund ist unser Entschließungsantrag, vielleicht nicht vom Inhalt her so sehr abweichend, der zielführende. Erst muss man die Grundlagen schaffen, dann kann man entscheiden.