Protocol of the Session on December 31, 2000

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln heute die verschiedenen Berichte, die bereits genannt worden sind.

Ich möchte auf einige Angriffe der Kollegin Kaiser-Nicht eingehen. Die späte Behandlung ist mittlerweile zum regelmäßigen Ereignis in diesem Hause geworden. Ich kann allerdings nicht feststellen, dass sich die PDS-Fraktion im Innenausschuss dadurch ausgezeichnet hat, in der Frage der frühzeitigen Behandlung dieser Unterlagen Eigeninitiativen zu ergreifen. Es bedurfte der Initiative des Ausschussvorsitzenden, der immer wieder darauf gedrängt hat, dass endlich abschließend beraten wird.

(Beifall bei der CDU sowie des Abgeordneten Schippel [SPD] - Zurufe von der PDS)

Im Übrigen möchten wir von der SPD-Fraktion hier einen anderen Zungenschlag hineinbringen. Aus diesem Grunde habe ich mich auch entschlossen, nicht wie in den vergangenen Jahren, wie in den Reden ab 1998, die ich habe Revue passieren lassen, noch einmal darauf einzugehen, welche besondere Rolle Datenschutz in der Landesverfassung, in unserer Rechtsordnung spielt etc. etc. etc. Ich denke, das sind Gemeinplätze. Stattdessen möchte ich hier noch einmal ausführen, wie sich die Zusammenarbeit mit Dr. Dix und seinem Ausschuss und zwischen Dr. Dix und seiner Behörde und der Landesregierung entwickelt hat.

Vielleicht hat der eine oder andere noch in Erinnerung, dass es mit dem Vorgänger von Herrn Dr. Dix regelmäßig zu spannungsgeladenen Situationen gekommen ist. Wir haben uns bei der Neuwahl nicht für eine Verlängerung der Amtszeit seines Vorgängers entschieden, sondern für Herrn Dr. Dix.

Ich kann jetzt, nachdem dreieinhalb Jahre ins Land gegangen sind, feststellen: Es war eine gute Wahl, es war eine richtige Entscheidung. Wir können uns alle beglückwünschen, dass wir Herrn Dr. Dix als Landesbeauftragten für den Datenschutz bestellt haben.

(Beifall des Abgeordneten Gemmel [SPD])

Es ist so, wie Frau Kaiser-Nicht gesagt hat: Es gibt ein natürliches Spannungsfeld zwischen demjenigen, der kontrollierend und kritisierend auf Fehler aufmerksam machen soll, und denjenigen, die durch Arbeitsüberlastung, im Eifer des Gefechts oder aufgrund anderer Rechtspositionen Dinge vielleicht in einer Weise gehandhabt haben, wie sie dann kritisiert worden ist.

Dem besonderen Fingerspitzengefühl von Herrn Dr. Dix war es zu verdanken, dass diese Dinge in überwiegendem Maße einvernehmlich geregelt werden konnten. Das ist, finde ich, bemer

kenswert, da es zur Entspannung beigetragen und zu einer wesentlich besseren Zusammenarbeit geführt hat, was letztendlich dem Datenschutz zugute kommt und im Interesse derjenigen liegt, deren Daten geschützt werden sollen.

Wenn man sich den Bericht von 1999 ansieht, der am 24. Januar 2000 im Plenum behandelt worden ist, stellt man fest, dass darin vorrangig zwei Sachverhalte behandelt worden sind. Zum Ersten handelte es sich um die personenbezogenen Daten von Asylbewerbern, was auch zu dem Beschluss des Innenausschusses führte, dass der Landesbeauftragte frühzeitig einzubinden ist; denn das steht im Gesetz und kann uns allen nur nutzen. Insofern sind hier Diskussionsgegenstände aus den vergangenen Jahren aufgegriffen und durch den Innenausschuss positiv umgesetzt worden.

Der zweite Punkt war die Kritik am Umgang des Landesbeauftragten bzw. seiner Behörde, die sich, wie einige sagen, vorschnell oder aber, wie andere meinen, berechtigterweise geäußert hat. Diesbezüglich möchte ich für die Öffentlichkeit noch einmal feststellen, dass es eben nicht Herr Dr. Dix in persona, sondern eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter seiner Behörde war. Ich sage dies, weil durch den dabei entstandenen Streit der Eindruck entstanden ist, dass es zwischen dem Innenministerium und Herrn Dr. Dix in persona Differenzen gebe. Herr Dr. Dix hat sich in dieser Angelegenheit - das gehört zu seinem Persönlichkeitsprofil und zu dem, was man hier ebenfalls lobend erwähnen muss - vor seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt.

Aber der Innenausschuss und die Koalition wollten im Rahmen der vorliegenden Beschlussempfehlung und des Berichtes sicherstellen, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde wissen, dass dies politisch nicht gewollt ist. Dies ist also keine Auseinandersetzung mit Herrn Dr. Dix und ist auch nicht zu kritisieren, sondern ist eine politische Willensbildung, die in diesem Hause stattgefunden hat, die ein politisches Signal an einige Personen beinhaltet, die aber nicht mit der Person von Herrn Dr. Dix identisch sind.

Last, but not least darf ich festhalten, dass der Datenschutz in diesem Lande eine herausgehobene Stellung nicht nur in der Verfassung, sondern auch in der Wirklichkeit hat und dass wir anhand der vielen Berichte über Jahre hinweg haben feststellen können, dass sich die Situation konsequent verbessert hat. Die Daten der Bürgerinnen und Bürger sind sicher und auch der Schutz der Daten durch Kontrolle ist gewährleistet. Dabei spielt nicht nur die Verwaltung, die damit umgeht, eine entscheidende Rolle, sondern auch Herr Dr. Dix. Dafür möchte ich ihm und seiner Behörde im Namen der SPD-Fraktion danken, ihm viel Kraft und uns allen eine weitere gute Zusammenarbeit wünschen. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Bevor ich dem Abgeordneten Claus von der DVU-Fraktion das Wort gebe, darf ich eine Delegation des Parlaments von Malta ganz herzlich begrüßen, mit der ich gerade das Vergnügen zu Mittag zu essen hatte. Nun liegt es in der Hand des Vizepräsidenten, sich über europäische Probleme, die ja den Branden

burger Problemen ähneln, zu informieren. - Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Claus, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Datenschutz soll es ermöglichen, dass ein rechtsstaatlicher Umgang mit personenbezogenen Informationen sichergestellt und dabei die Selbstbestimmung des Einzelnen zur Geltung gebracht wird. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird aus den Grundrechten der Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes hergeleitet.

Die Sicherung der Daten gegen Kenntnisnahme Unbefugter und gegen Veränderungen sowie Verlust stellt eine wichtige Aufgabe dar. Der Datenschutz ist eine Reaktion auf den Einbruch der Informationstechnik in Verwaltung und Wirtschaft. Gerade die Massenhaftigkeit, Schnelllebigkeit und Multifunktionalität der Datenverarbeitung stellen ein hohes Risiko dar.

Zur Abwehr der Gefahren brauchen wir einerseits Maßnahmen zur technisch-organisatorischen Datensicherung, darüber hinaus aber auch eine Informationsrechtsordnung mit staatlichen Regulierungs- und Kontrollsystemen. Aber gerade in diesem Punkt setzt die Kritik an. Wie weit darf die staatliche Kontrolle gehen? Wann ist das Persönlichkeitsrecht bzw. die Privatsphäre verletzt?

Der Datenschutzbeauftragte hat das Ergebnis seiner Prüfungen in einem Bericht dargelegt. Ich will nur einige Stichworte herausgreifen: Videoüberwachung, Abhören von Telefonaten, Geheimhaltung personenbezogener Daten, Datenübermittlung, Einsatz von V-Leuten, Brechung des Bankgeheimnisses, Datenvernichtung, Computerkriminalität, Informationssysteme der Polizei oder missbräuchliche Entwicklungen im Meldewesen.

Wie weit darf der Staat in die Privatsphäre eingreifen? - Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Datenerfassung und Datenübermittlung eingeschränkt. Darüber jedoch, wo angesichts des rasenden technischen Fortschritts auf diesem Gebiet nun die Grenzen zwischen zulässiger Datenerfassung und verfassungsfeindlichem Überwachungsstaat zu ziehen sind, besteht rechtlich und politisch Streit.

Damit der Staat nicht völlig unkontrolliert in die Privatsphäre eingreifen kann, gibt es das Datenschutzgesetz, das zum Schutz Betroffener einen Datenschutzbeauftragten vorsieht. Allerdings ist in der Verwaltung immer noch das Bestreben erkennbar, sich der Kontrolle möglichst zu entziehen.

Die Praxis der Kontrollinstanzen und die Fortschritte bei der Konkretisierung der gesetzlichen Vorschriften haben aber deutlich gemacht, dass Informations- und Geheimhaltungsinteressen in die Balance gebracht werden können, wenn alle Beteiligten dazu bereit sind und sich an die Regeln halten. Es geht darum, den wirksamen Schutz der Individualinteressen mit einer wirksamen Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben in Einklang zu bringen. Der Datenschutz muss ein selbstverständliches Regulativ der technisierten Verwaltung und der Informationsgesellschaft sein.

Ich möchte hier auch nicht unerwähnt lassen, dass die EGRichtlinie vom 24.10.1995 den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ausdrücklich hervorhebt. Der Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz für das Jahr 2000 weist eine Reihe von Beanstandungen auf, die nicht so einfach beiseite zu schieben sind, wie es die Landesregierung im Ausschuss versucht hat. Wo bleibt da Ihre Lernfähigkeit, meine Damen und Herren von der Landesregierung?

Lassen Sie mich noch Folgendes erwähnen: Unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung werden die Überwachungsmethoden des Staates immer umfassender. Statt das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, sollten sich die politisch Verantwortlichen zum Beispiel darum bemühen, die Ursachen zunehmender Gewalt und Brutalität zu bekämpfen. Bekämpfen Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, die Ursachen. Dann brauchen wir keine weiteren Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte und Sie könnten sogar noch Geld sparen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Werner.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie von meinen Vorrednern gesagt, liegt ein umfangreicher Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz über das Jahr 2000 vor. Ich möchte dem Landesbeauftragten und seiner Behörde den ausdrücklichen Dank der CDU-Fraktion für diesen umfangreichen und detaillierten Bericht aussprechen, aber auch für die aufwendige Arbeit, die dahinter steckt, und für die Arbeit der Behörde insgesamt.

Herr Dix, Sie haben uns eine ganze Reihe von Einzelfällen geschildert, die sehr aufschlussreich sind und verdeutlichen, wo die Probleme bei der Umsetzung des Datenschutzes und des Rechts auf Akteneinsicht in den einzelnen Behörden sowohl im kommunalen Bereich als auch im Bereich der Landesministerien liegen. Wir sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie über die Einhaltung der Regeln wachen; denn informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Akteneinsicht haben inzwischen Grundrechtscharakter und sind damit Bestandteil unserer demokratischen Rechtsordnung. Deswegen ist Ihre Institution auch wichtig für die Wahrung des Rechtsfriedens.

(Einzelbeifall bei der PDS)

Lassen Sie mich auf einige Punkte des Berichts eingehen; ich beginne mit dem umstrittensten Punkt unserer Beschlussvorlage. Frau Kaiser-Nicht, ich kann Sie beruhigen, es ist kein Zugeständnis, weder an die CDU noch an das Innenministerium, und auch die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten ist hier nicht infrage gestellt. Jedoch veranlasste uns ein konkreter Vorgang, diesen Punkt in die Beschlussvorlage aufzunehmen. Ich will es nicht noch einmal erläutern - dies haben wir im Innenausschuss zur Genüge getan -, sondern nur kurz erklären: Wenn ein falsches Bild eines konkreten Vorganges durch die Medien

geistert, der Innenminister nichts anderes tut, als der Öffentlichkeit die wirklichen Zusammenhänge darzustellen, und die Medien sich hinterher plötzlich darüber ausschweigen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, dann aber eine Mitarbeiterin - ich betone ausdrücklich: eine Mitarbeiterin, nicht die Behörde insgesamt - in dieser Art und Weise dazu Stellung nimmt, wie dies geschehen ist, ist das nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Und genau das war der Punkt,

(Beifall bei CDU und SPD)

den wir hier thematisiert haben und zu dem wir gesagt haben: Da müssen wir etwas tun. - Das ist, wie Herr Schulze schon sagte, nicht gegen Herrn Dix, nicht gegen die Behörde insgesamt gerichtet, sondern hier müssen wir einfach vorbauen, damit sich solche Einzelfälle nicht wiederholen.

Aber - nun sage ich etwas, was Herrn Dix sicherlich wieder sehr gut gefallen wird - so etwas beruht ja immer auch auf Gegenseitigkeit. Wir haben leider auch erleben müssen, dass Sie vom Verordnungsgeber nicht immer in gebührender Weise in die Erstellung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften einbezogen wurden. Deswegen haben wir den Punkt 2 in die Beschlussvorlage aufgenommen, damit Sie entsprechend Ihren Möglichkeiten daran mitwirken können. Wenn das ausnahmsweise, aus welchem Grund auch immer, nicht geschehen sollte, können Sie sich gern vertrauensvoll an die Mitglieder des Ausschusses wenden.

Zum ersten Punkt ist zu sagen, Frau Kollegin Kaiser-Nicht, dass Sie uns dazu nicht zu bewegen brauchten, sondern es ist eine ganz normale Sache, dass wir aus dem Bericht, dem Teil Akteneinsicht, einige Dinge erkannt haben, bei denen unserer Meinung nach Handlungsbedarf besteht. Genau das haben wir in diesem Punkt aufgenommen.

Lassen Sie mich jetzt noch zu einigen einzelnen Punkten kommen. Der Landesbeauftragte hat zum Beispiel im Bereich der Telekommunikations- und Datenschutzverordnung die Speicherfrist von sechs Monaten kritisiert. Das kann man gern tun. Aber hier musste abgewogen werden zwischen Strafverfolgung und berechtigtem Interesse an informationeller Selbstbestimmung. Ich meine, dass hier die Strafverfolgung Vorrang haben muss und somit die Speicherfristen begründet sind. Ebenso sehe ich das im Bereich der Gewalttäter im Bereich Sport.

Eine wesentliche Rolle im Bericht spielt die Frage der Videoüberwachung. Wir haben gerade gestern festgestellt, dass diese sehr erfolgreich ist. Nun kann man über die Frage des Datenschutzes an dieser Stelle sicherlich geteilter Meinung sein. Darüber sollten wir uns auch weiter unterhalten. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, den Sie dankenswerterweise angesprochen haben, Herr Dix, nämlich dem der Videoüberwachung in Schulbussen und auf Schulgelände. Nun gibt es tragische Ereignisse, die dies notwendig erscheinen lassen. Ich möchte mich dazu nicht abschließend festlegen. Aber wir sollten uns über die Frage weiter verständigen, welche Möglichkeiten es gibt, diese Gefahren abzuwehren, und wie man das datenschutzrechtlich ausgestalten kann.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrages.

Herr Präsident, ich bin gleich am Schluss. - Ich meine, hier haben wir noch eine Menge Diskussionsbedarf.

Abschließend möchte ich noch einmal sagen, dass ich mich für die Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Dix, und Ihrer Behörde bedanke und dass ich hoffe, dass wir weiterhin so vertrauensvoll und kollegial zusammenarbeiten können.

Frau Kaiser-Nicht, noch eine abschließende Bemerkung: Sie brauchen sich keine Sorgen machen. Für die Erstellung des Datenschutzberichts 2001 gibt es bereits einen Zeitplan. Mithilfe des Ausschussvorsitzenden werden wir uns ganz sicher an diesen Zeitplan halten und zu gegebener Zeit auch die Beratungen führen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, begrüße ich junge Gäste aus der Rahn-Schule in Fürstenwalde. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.