Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ungeschönte Analyse und das Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten bei der Entwicklung der Lebensperspektiven junger Menschen in Brandenburg ist der Anlass der Aktuellen Stunde, die die DVU-Fraktion heute zur Debatte stellt. Sie steht auch im Zusammenhang mit der Beantwortung unserer Großen Anfrage zur Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und der aktuellen Debatte am morgigen Tag zur PISA-Studie.
Die Fakten: Die Jugendkriminalität in Brandenburg nimmt bedrohliche Ausmaße an. Aus der letzten Kriminalitätsstatistik geht hervor, dass der Anteil der unter 21-jährigen Straftäter in Brandenburg bei 33,7 % aller Straftäter lag. Es handelt sich dabei in erster Linie um Jugendliche, die sich durch Diebstähle, Sachbeschädigungen, Rauschgiftdelikte, aber auch Gewaltkriminalität unrühmlich hervortaten. Das Erschreckende dabei ist, dass über 50 % der Gewaltstraftaten im Land Brandenburg von Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter von unter 21 Jahren begangen werden, obwohl der Anteil dieser Altersgruppe in der Gesamtbevölkerung nur 22,9 % ausmacht. So geschehen zum Beispiel auch solche grausamem Straftaten wie vor wenigen Wochen in Strausberg. Es geht ein Aufschrei durch die Medien und die Bevölkerung und die Frage nach dem „Wie konnte das passieren und warum?” wird für einen Moment laut. Vermutungen und Beschuldigungen werden geäußert; denn vor allem spielt ja das Elternhaus die entscheidende Rolle.
Aber machen sie alle es sich mit solchen übereilten Äußerungen nicht etwas zu einfach? Denken Sie daran, das könnte auch Ihnen passieren, zumindest wenn Sie Kinder im Heranwachsendenalter haben! Trägt nicht die Gesellschaft, tragen nicht die verantwortlichen Politiker und tragen nicht vor allem auch die Medien einen Teil Mitverantwortung? Gewaltverherrlichung in den Medien bestimmt doch zu einem erheblichen Teil das heutige Meinungsbild. Als interessantes Beispiel ist hier nur die „Bild”-Zeitung zu nennen, die tagtäglich mit neuen Horrorgeschichten aufwartet.
eben nicht nur im Elternhaus zu finden. Es ist ebenfalls - davor haben wir als Fraktion der Deutschen Volksunion in diesem Landtag immer wieder gewarnt - die herrschende ökonomische bzw. bildungspolitische Situation. Das Fehlen wirtschaftlicher Perspektiven für junge Menschen mit daraus resultierender Arbeitslosigkeit, der Arbeitsplatzmangel, die demographische und infrastrukturelle Ausdünnung ganzer Regionen durch Abwanderung, ein zunehmendes Abrutschen immer größerer Teile gerade junger Menschen in Brandenburg in die Sozialhilfe einerseits sowie ein Bildungssystem, welches jungen Menschen keine Werte und Normen mehr vermittelt, andererseits sind die Ursachen dieser Entwicklung. Dem ist auch nicht mit Polizeimethoden beizukommen.
Dazu einige Zahlen und Fakten: Laut Arbeitsmarktbericht für den Monat Dezember 2001 lag die Zahl der offiziellen Arbeitslosen in Brandenburg bei 18,6 %, davon 12 % Jugendliche und Heranwachsende bis 25 Jahre.
Die Ausbildungsplatzsituation in Brandenburg ist und bleibt trotz des Ausbildungsplatzprogramms Ost angespannt. Sie selbst, Herr Minister Ziel, betonten, es werde in Zukunft erheblich schwieriger sein, die Ausbildungsplatzlücke zu schließen; denn aufgrund des weiteren Rückgangs der Zahl betrieblicher Ausbildungsplatzangebote insbesondere im Bereich des wirtschaftlich Not leidenden Handwerks - denken wir nur an die Baubranche - habe sich die Situation gegenüber früheren Tendenzen eindeutig verschärft.
Aber was unternehmen Sie dagegen? Nichts, außer die Wirtschaft aufzufordern, endlich ihren Verpflichtungen nachzukommen und Nachwuchs heranzuziehen - allerdings ohne dass Sie die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.
Die Haushaltsdebatte hat es auf den Punkt gebracht: Es wird noch weniger Mittel für Investitionen geben. Von Steuererleichterungen oder sonstigen Vergünstigungen für kleine und mittelständische Unternehmen ist sowieso nicht die Rede. Stattdessen halten Sie als Brandenburger Arbeitsminister es für richtig - so wörtlich -, „statt hier im eigenen Land arbeitslos zu sein und dadurch Qualifikationsverluste zu erleiden, Beschäftigungschancen anderenorts zu ergreifen.” Sind wir denn noch im richtigen Film, Herr Minister Ziel? Sind Sie denn hier veantwortlicher Politiker oder in Honolulu?
Kommen wir nun zu einem anderen Fakt: Nach Angaben des Info-Dienstes Sozialberichterstattung des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg bezogen im Jahr 2000 22 143 Personen unter 18 Jahren Sozialhilfe. Das sind 37,7 % aller Sozialhilfeempfänger in Brandenburg - eine familienpolitisch äußerst bedenkliche Situation. Ich finde das Ergebnis Ihrer Politik mehr als beschämend.
Für viele Kinder und Jugendliche wird der Weg zur Gründung einer eigenen Familie oder auch zur Erfüllung eigener Wünsche vielleicht sehr steinig sein. Da kommt Frust auf, herrschen Wut
und Langeweile. Da fällt der Griff zur Droge nicht mehr schwer und ist auch die Straftat nicht mehr weit.
Nimmt man all dies zusammen - Jugendarbeitslosigkeit, Ausbildungsplatzmangel, ein Abrutschen von Kindern in die Sozialhilfe bereits von Geburt an sowie die zunehmende demographische Ausdünnung des Landes -, zieht man des Weiteren in Betracht, dass die für die morgige Aktuelle Stunde thematisierte PISA-Studie in allen Teilen Deutschlands, also auch in Brandenburg, ein rapides Absinken des Bildungsniveaus an den Tag brachte, und vergegenwärtigt man sich zudem, dass noch die letzten Freizeiteinrichtungen wie Jugendklubs und Ähnliches aus Geldmangel und aufgrund eines rapiden Streichens von ABM- und SAM-Stellen im Betreuungsbereich geschlossen werden, so wundert man sich über gar nichts mehr.
Eine Jugend, der in sämtlichen Bereichen - ökonomisch, sozial, bildungs- und kulturpolitisch - buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen wird und der in den Schulen keine Normen und Werte mehr vermittelt werden, rutscht zwangsläufig in die Asozialität oder Kriminalität ab. Das wird die DVU-Fraktion nicht zulassen. Darum fordern wir Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, auf: Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben, unternehmen Sie durch gezielte Mittelstandsförderung größere Anstrengungen im ABM- und SAM-Bereich und schaffen Sie durch eine Ausbildungsplatzinitiative, die diesen Namen wirklich verdient, endlich Arbeit und Brot für die jungen Menschen in diesem Land, statt Wegzugsprämien zu zahlen!
Wenn Sie, Herr Minister Reiche, dann noch ein Bildungssystem schaffen würden, welches sich mehr an Wilhelm von Humboldt als an den Wahnvorstellungen der Alt-68er orientierte, wären wir dem Ziel, den jungen Brandenburger Menschen echte Zukunftsperspektiven zu bieten, deutlich näher. Dann würde auch die Jugendarbeitslosigkeit drastisch zurückgehen, und zwar ohne große Polizeieinsätze, Herr Minister Schönbohm. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an den Abgeordneten Klein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag Brandenburg wird sich in seiner 50. und 51. Sitzung, also am heutigen und morgigen Tage, unter den zentralen Aspekten der Jugend- und Jugendsozialarbeit, der Schul- und der Berufsausbildung, der ökonomischen und sozialen Lage mit der aktuellen Situation und den Perspektiven der jungen Menschen in unserem Land befassen.
Da von fast allen Beschlüssen des Landtages direkt oder indirekt die Perspektiven der Jugend berührt werden, befassen wir uns in vielfacher Hinsicht und in mehreren Tagesordnungspunkten mit diesem Thema, und zwar explizit und ausführlich im Rahmen der Debatte zur umfassenden Antwort der Landes
regierung auf die Große Anfrage 29 der Fraktion der PDS zur Jugend im ländlichen Raum, des Weiteren im Rahmen der morgigen Aktuellen Stunde zum Thema „Auswirkungen der Ergebnisse der PISA-Studie auf die Bildungspolitik im Land Brandenburg”, die meine Fraktion angemeldet hat und in der wir uns mit der Frage der Qualität der Schulbildung im Land auseinander setzen werden.
Einmal mehr entpuppt sich die DVU als Trittbrettfahrerin. Ihre Themenanmeldung zeugt nicht gerade von Originalität einer Oppositionsfraktion. Dennoch ist uns die Frage nach den Perspektiven der Jugendlichen in unserem Land sehr wichtig wovon besonders der Umstand zeugt, dass sich die anderen Fraktionen des Landtages der Sache schon längst intensiv angenommen haben und sie vordringlich bearbeiten -; denn hierbei geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Vor der Ankündigung einfacher und schneller Lösungen, wie sie die DVU häufig suggeriert und plakatiert, ist bei einer solch komplexen Problematik jedoch zu warnen.
Im Folgenden werde ich einige Stichworte, die die DVU-Fraktion zur Begründung ihres Themas in der Aktuellen Stunde bemüht hat, kurz kommentieren:
Erstens: Die DVU-Fraktion sagt, es sei eine bedrohliche Zunahme der Jugendkriminalität zu verzeichnen. - Jugendkriminalität ist offensichtlich das Stichwort, das der DVU-Fraktion zum Thema Jugend als Erstes einfällt, was ein bezeichnendes Licht auf das Bild des heutigen Jugendlichen in dieser Partei wirft. Tatsache ist aber, dass die aktuelle Kriminalstatistik bei der Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen einen leichten Rückgang aufweist. 1999 waren es 23,7 % Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren, 2000 21,6 %. Die Jugendkriminalität stagniert somit auf einem im Bundesvergleich - das müssen wir zugeben - hohen Niveau. Von Entwarnung kann damit natürlich nicht die Rede sein.
Wir liegen leider unrühmlich über dem Bundesdurchschnitt. Eltern, Kitas, Schulen, Jugendhilfe und Polizei müssen, und zwar in dieser Reihenfolge, ihre präventiven und repressiven Anstrengungen zur Bekämpfung der Kriminalität gezielt einsetzen. Die vielfältigen und differenzierten Instrumente, die die Landesregierung mit Unterstützung des Landtages entwickelt und ausgebaut hat ob MEGA, Aktionsbündnis gegen Rechts, Landespräventionsrat, Programm „Tolerantes Brandenburg”, Kooperation Schule, Jugendhilfe, Polizeijugendhilfe - werden intensiv genutzt, zeitigen aber in der Regel erst mittelfristig nachhaltige Erfolge.
Wir nehmen das Problem der Jugendkriminalität sehr ernst und stellen uns diesem mit aller Kraft und besonnen entgegen. Panik zu verbreiten, das Thema politisch zu instrumentalisieren trägt nicht zur Bekämpfung der Jugendkriminalität bei, sondern hilft eher den Tätern.
Zweitens zu den ökonomischen Perspektiven für junge Menschen: Der hier behauptete einfache kausale Zusammenhang zwischen fehlender ökonomischer Perspektive der Jugend und hoher Jugendkriminalität ist blanke Stammtischrhetorik. Dennoch ist die Verbesserung der ökonomischen Perspektiven insbesondere junger Menschen für uns ein vorrangiges politisches Ziel. Nicht zuletzt deshalb hat sich bereits der letzte Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung von 1998 auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung mit den Lebenslagen junger
Die Vermittlung jedes interessierten Brandenburger Jugendlichen in eine berufliche Erstausbildung ist eine der wichtigsten Zielstellungen der Arbeitsmarktpolitik des Landes. Solange die Wirtschaft ihrer Verpflichtung, genügend Ausbildungsplätze für alle interessierten Jugendlichen im Land zur Verfügung zu stellen, nicht in dem notwendigen Maße nachkommt, soll dies auch so bleiben. Die Sicherung der Perspektiven Jugendlicher durch die berufliche Erstausbildung wird durch Programme zur nachhaltigen Eingliederung von arbeitslosen Jugendlichen in den Arbeitsmarkt flankiert. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die aktuelle Weiterentwicklung dieser Programme im Rahmen des Wettbewerbs „Aktionen für Jugend und Arbeit” des MASGF.
Wanderungsbewegungen junger Menschen auf der Suche nach guten Ausbildungsmöglichkeiten zur Verbesserung der eigenen beruflichen Perspektive sind dabei zu begrüßen und als Ausdruck der Eigeninitiative und Selbstständigkeit zu unterstützen und nicht einfach zu verteufeln. Es ist an uns, das Land zu einer guten Alternative für die spätere Ansiedlung zu entwickeln. Mit der Sicherung einer soliden Berufsausbildung tragen wir dazu entscheidend bei.
Der dritte Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte, ist die bildungspolitische Situation. Hierzu wird in der PISA-Debatte des Landtages ausführlich gesprochen werden, dies aber vor dem Hintergrund, dass eine Bewertung der Schulleistungen in den einzelnen Bundesländern auf der Grundlage der bisher vorliegenden Ergebnisse noch nicht geleistet werden kann, sondern gegenwärtig nur die bildungspolitische Situation der Bundesrepublik im internationalen Vergleich der OECD-Länder zur Debatte steht.
Doch auch in diesem Rahmen soll nichts an den dramatischen Ergebnissen der Studie verharmlost werden. Einige der grundlegenden Erkenntnisse der Studie zeigen uns, wo wir vordringlich ansetzen müssen, nämlich zum Beispiel bei der Qualifizierung der Kita-Betreuung, der vorschulischen Bildung und Erziehung, der Grundschule sowie der Unterrichtsmethodik generell. Bedenklich ist auch die Zahl der Schüler ohne oder mit nur einem unteren Schulabschluss. Diese Schüler bedürfen einer stärkeren Förderung. Dennoch erlaubt der internationale Vergleich nicht die Aussage, Absolventen der brandenburgischen Schulen hätten keine Perspektive.
Vierter Punkt: Vermittlung von Werten und Normen. Gerade das bekanntlich starke Engagement des Landes Brandenburg für einen alle Schülerinnen und Schüler erreichenden werteorientierten Unterricht im Rahmen von LER und die großzügige Förderung der Angebote der Kirchen an konfessionellem Religionsunterricht zeigen, dass die DVU mit ihren Behauptungen auch in dieser Hinsicht in die Irre führt. Nicht erst im jüngst novellierten Schulgesetz hat der Landtag einen umfänglichen Katalog von demokratischen Bildungs- und Erziehungszielen, Werten und Normen als Orientierungsrahmen definiert, der in den Rahmenlehrplänen ausgearbeitet und im Unterricht umgesetzt wird. Möglicherweise sind dies andere Werte und Normen, als sie die DVU gern politisch durchsetzen möchte.
Lassen Sie mich zusammenfassend Folgendes feststellen: Mit Schwarzmalerei wurde noch niemandem eine Perspektive gebo
ten, schon gar nicht der Jugend. Geboten ist hier eher die Entschlossenheit, bestehende Probleme anzupacken und mit Optimismus zu überwinden. Auf diesem Weg sind wir. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Ich danke dem Abgeordneten Klein und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Hammer.
Bevor Herr Hammer am Rednerpult ist, kann ich wieder Gäste im Landtag begrüßen. Es sind Mitglieder der Jungen Union Cottbus. Herzlich willkommen!