Protocol of the Session on January 23, 2002

Ich danke auch. - Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 30 - Drucksache 3/3515 - zur Kenntnis genommen.

Zu diesem Tagesordnungspunkt gibt es noch einen Entschließungsantrag der PDS-Fraktion in Drucksache 3/3802. Wir sind bei der Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Wer ihm folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist er mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Un- tersuchungsausschussgesetz vom 19.06.2001) (BGBl. I S. 1142)

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/3783

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gleichstellung Behinderter muss nicht nur unser, sondern sollte auch Ihr Ziel sein. Aber hier ist einiges im Argen und muss geändert werden. Es muss vor allem dort angesetzt werden, wo die Benachteiligung von geistig, psychisch oder körperlich eingeschränkten Menschen besondere Ungerechtigkeit hervorbringt.

Als DVU-Fraktion scheuen wir uns nicht, ein bislang tabuisiertes, aber umso mehr eklatantes Beispiel von Ungerechtigkeit

aufzugreifen, nämlich das des sexuellen Missbrauchs geistig, psychisch oder körperlich widerstandsunfähiger Personen. Gerade diese Menschen bedürfen eines besonderen Schutzes, einer besonderen Fürsorge durch den Staat und durch die Rechtsgesellschaft.

Besonders verwerflich, ja sogar verabscheuungswürdig ist, wenn sexuelle Handlungen durch Täter an solchen wehrlosen Opfern vorgenommen werden oder diese zu sexuellen Handlungen gezwungen werden. Der besondere Unwertgehalt dieser Taten liegt vor allem in der Tatsache, dass dabei die Widerstandsunfähigkeit des Opfers ausgenutzt wird, das heißt, dass behinderte Menschen dazu benutzt werden, zu sexueller Erregung oder Befriedigung zu kommen. Damit werden Menschen, die beispielsweise eine seelische Störung oder tief greifende Bewusstseinsstörungen haben, zu reinen Objekten instrumentalisiert.

Da § 179 des Strafgesetzbuches keine Nötigungshandlungen voraussetzt, war es natürlich ein großer rechtspolitischer und rechtsethischer Fortschritt, den sexuellen Missbrauch auch eines widerstandsunfähigen Ehepartners unter Strafe zu stellen. Dies war natürlich eine völlig richtige rechtspolitische Reaktion mit Einführung des § 179 am 01.04.1998 als Ausführung des 33. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 01.07.1997.

Völlig richtig war auch, die Norm geschlechtsneutral zu formulieren, eine Versuchsstrafbarkeit herzustellen und mit dem Absatz 4 neue Qualifikationstatbestände zu schaffen. Nichtsdestotrotz ging diese Novellierung vom ethischen Standpunkt her nicht weit genug, meine Damen und Herren. Die Verweisung des Absatzes 6 des § 179 auf die §§ 176 a und 176 b, also auf Vorschriften zum Schutz von Kindern, spiegelt trotz der Modernisierungsbemühungen weiterhin eine diskriminierende Einstellung gegenüber der sexuellen Selbstbestimmung Behinderter wider. Dies ist selbst in gängigen Kommentaren zum Strafgesetzbuch wie Trödle/Fischer belegt.

Aber selbst dann, wenn man das noch gelten lässt, so ist aus Sicht unserer Fraktion nicht einzusehen, dass Taten im Sinne von § 179, die das Opfer aufgrund seiner Widerstandsunfähigkeit besonders erniedrigen, weil sie es zum bloßen Objekt sexueller Willkür des Täters herabwürdigen, mit einem geringeren Strafmaß belegt werden als die sexuelle Nötigung. Wer einen Menschen, der wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder einer Suchtkrankheit oder sonstiger Bewusstseinsstörungen geistig, psychisch oder körperlich widerstandsunfähig ist, sexuell missbraucht, muss genau so hart bestraft werden wie jemand, der eine sexuelle Nötigung verwirklicht; denn diese Tat ist dem Tatbestand der Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung eines Täters schutzlos ausgeliefert ist und von diesem zur Duldung sexueller Handlungen bzw. zur Vornahme solcher Handlungen genötigt wird, gleichzusetzen. Wo, meine Damen und Herren, soll da ein derartiger Unterschied im Unwertgehalt liegen, dass der erste Fall nur ein Vergehen sein soll, welches im Grundtatbestand mit einer Mindeststrafe von nur sechs Monaten geahndet werden kann, während hingegen die sexuelle Nötigung mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr zu Recht ein Verbrechen ist? Genau das muss geändert werden. Aus diesem Grund sind auch die Qualifikationstatbestände des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen, nämlich des Beischlafs mit dem Opfer oder der gemeinschaftlichen Tatbegehung oder gar der

Gesundheitsgefährdung, im Strafmaß den besonders schweren Fällen der sexuellen Nötigung insbesondere in Form der Vergewaltigung gleichzusetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders Sie von CDU und SPD, lehnen Sie unsere Anträge nicht aus Prinzip ab, sondern beginnen Sie endlich, sich mit den von uns aufgeworfenen Themen auseinander zu setzen! Noch einmal: Es geht um die Gleichstellung behinderter Menschen.

Nichtsdestotrotz traue ich Ihnen wenigstens so viel Anstand zu, dass Sie eine derartig gravierende Lücke im Strafgesetz, die ein diskriminierender Schlag ins Gesicht behinderter Personen ist, erkennen und Ihre ideologischen Scheuklappen fallen lassen. Deshalb bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, unserem Antrag heute zuzustimmen oder sich wenigstens einer Überweisung an den Rechtsausschuss nicht zu verschließen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Bevor ich dem Abgeordneten Homeyer, der für die Koalitionsfraktionen sprechen wird, das Wort erteile, möchte ich junge Besucher aus dem Oberstufenzentrum I Technik in Potsdam sowie Jugendfeier-Teilnehmer, die gerade eingetroffen sind, begrüßen. Herzlich willkommen!

Herr Abgeordneter Homeyer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Blick der antragstellenden Fraktion in die Protokolle der Bundestagssitzungen, in denen die 6. Strafrechtsreform behandelt wurde, hätte uns diesen Tagesordnungspunkt erspart. Schon das bloße Lesen des Gesetzestextes hätte zur Einsicht in die Überflüssigkeit dieses Antrages führen können.

Meine Damen und Herren, um es klar und deutlich zu sagen: Der sexuelle Missbrauch widerstandsunfähiger Personen ist eine der abscheulichsten Taten, die man sich vorstellen kann. Aus diesem Grund sieht der Gesetzgeber auch eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren für solche Taten vor. In besonders schweren Fällen sind sogar bis zu 15 Jahre vorgesehen.

Durch die Verweisung in § 179 Abs. 6 Strafgesetzbuch werden für die schwersten Fälle eines sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen dieselben Strafandrohungen wie für sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, nämlich bis hin zu lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren, erreicht. Durch diese Strafen kann die Tat zwar nicht ungeschehen gemacht werden - ich bin überzeugt davon, die Opfer werden ihr Leben lang leiden -, doch sind die Strafandrohungen am obersten Ende angesiedelt und es wird dabei nicht zwischen behinderten und nicht behinderten Opfern unterschieden. Ich gehe davon aus, dass unsere Richterinnen und Richter bei solchen Fällen den Strafrahmen voll ausschöpfen werden; denn sie wissen um die Sensibilität dieses Themas.

Das unterschiedliche Mindeststrafmaß hingegen hat gesetzestechnische Gründe und eine Verkürzung darauf, dass die Verge

waltigung nicht behinderter Frauen höherrangig wäre, ist falsch. Ich gebe zu, dass das für Nichtjuristen schwer nachzuvollziehen ist, es wirkt sich aufgrund der gleichen Höchststrafe in der Praxis aber nicht aus. Ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 20. Oktober 1999 bestätigt dies. Wir lehnen deshalb diesen Antrag ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an den Abgeordneten Ludwig. Er spricht für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Weder aus dem Antragstext, seiner Begründung noch aus dem hier vorgetragenen Text der DVU-Fraktion geht für die PDS-Fraktion hervor, warum dieser Antrag jetzt in das Hohe Haus eingebracht wird. Es ist eine Facette aus der Generaldebatte um eine Strafrechtsreform in Deutschland; es ist auch nur ein Teilbereich aus der reformbedürftigen Materie der so genannten Sexualdelikte. Wir können nicht erkennen, warum die Landesregierung zu diesem Zeitpunkt eine solche Initiative anfassen sollte. Wir lehnen daher den Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Wir wären damit bei der Landesregierung. - Sie verzichtet. Damit sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung ihres Antrags in der Drucksache 3/3783 an den Rechtsausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag in der Sache folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag auch in der Sache mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 11 und rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Konversionsinitiativen

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3784

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Domres, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich ist

eine K-Frage beantwortet und da Sie, meine Damen und Herren von der CDU, eine gewisse Erfahrung mit K-Fragen haben, möchte ich Sie dazu einladen, gemeinsam mit der PDS-Fraktion eine weitere K-Frage zu beantworten. Da aber auch bei der SPD in den vergangenen Wochen und Monaten ein gewisses Interesse an K-Fragen zu erkennen war, lade ich sie ebenfalls zum Mittun ein.

Meine K-Frage steht für Konversion und in diesem speziellen Fall - der Antrag lässt es erkennen - für Konversion im Zusammenhang mit der Bundeswehrreform. Vor gut einem Jahr diskutierten wir hier schon einmal einen Antrag, um ein Bundeskonversionsprogramm auf den Weg zu bringen. Seinerzeit hatte ich den Eindruck, dass dieses Konversionsprogramm sozusagen ein gemeinsamer Nenner in diesem Hause war. Leider gab es kaum Ergebnisse und leider war der Optimismus, den die Koalition und auch die Regierung aufgrund des Bundesratsbeschlusses versprühten, verfrüht. Wieder hat sich gezeigt: Aus der Opposition heraus fordern SPD und Grüne und jetzt CDU/CSU Konversionsprogramme, doch sind sie an der Regierung, wurden und werden die Kommunen mit den Folgen von Streitkräftereduzierungen größtenteils allein gelassen und ausgesprochene Forderungen vergessen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir brauchen heute nicht über Sinn oder Unsinn der Bundeswehrreform zu streiten. Die Bundesratsinitiative vom 16.02.2001 allein reicht aus Sicht der PDS-Fraktion nicht aus. Warum sonst hat sich der Bundestag mit dieser Initiative noch nicht beschäftigt? Oder anders gefragt: Warum hat Rot-Grün alle Anträge in der Haushaltsdebatte im Bundestag, die sich für Kompensationsmaßnahmen für Kommunen aussprechen, abgelehnt?

Der Bund muss die Länder bei der struktur- und regionalpolitischen Bewältigung der Folgen der Bundeswehrreform unterstützen, insbesondere durch Um- und Ausbau wirtschaftsnaher Infrastruktur gerade in strukturschwachen Regionen.

Die Erkundung von Verdachtsflächen, die Sanierung militärischer Altlasten und die Beseitigung der aus der Zeit bis 1945 stammenden Fundmunition und sonstigen Kampfstoffe, unabhängig von ihrer Herkunft, gehören dazu.

Die Ablehnung des Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetzes - im heutigen Pressespiegel ist die Situationsbeschreibung von Oranienburg nachzulesen - und die bisherige Nichtbehandlung der Forderungen des Bundesrates nach einem Bundeskonversionsprogramm durch die Bundesregierung sind an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

Wir fordern heute kein Beschäftigungsprogramm, wie mir Frau Richstein im Februar 2001 unterstellte. Im Gegensatz zu einem Bundeskonversionsprogramm, das in erster Linie aktionsorientiert und zeitlich begrenzt ist, wird mit einem Bundeskonversionsgesetz allen am Konversionsprozess Beteiligten Handlungssicherheit gegeben.

Man muss davon ausgehen, dass die aktuelle Bundeswehrreform kein einmaliger, sondern ein zyklischer Wiederholungsfall des Streitkräfteumbaus ist. Auch das sage ich ohne jegliche politische Wertung; es ist einfach Fakt.

Für uns ist klar: Eine Bundeswehrreform ist nicht gegen die

Zivilbeschäftigten und die Soldaten zu machen, sondern nur mit ihnen. Für die Zivilbeschäftigten scheint eine tarifvertragliche Lösung gefunden. Die Soldaten werden an andere Standorte versetzt, die Liegenschaften aber bleiben und die verlorene Kaufkraft sowie fehlende Aufträge werden sich bei Handel und Gewerbebetrieben bemerkbar machen.

Die vom Bund gewollte vorrangige Erzielung von Verkaufserlösen aus freizuziehenden Liegenschaften widerspricht den Möglichkeiten schwacher Kommunen. Wo kein Bedarf oder kein Markt ist, ist auch kein Wert.

Der Minister für Wirtschaft teilte in seiner Antwort auf eine mündliche Anfrage am 14.12. mit:

„Die deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibenden Ergebnisse der vom Bundesministerium für Verteidigung zur Vermarktung eingerichteten Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb - GEB - belegen, dass die Probleme der Konversion auf Bundesebene neu durchdacht werden müssen.”