Protocol of the Session on November 22, 2001

Es wird häufig nach den Ursachen gefragt. Die Ursachen sind sehr vielfältig. Es muss an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich darauf hingewiesen werden, dass eine Ursache im komplexen Zusammenspiel zwischen DDR-Industrie und -Stadtpolitik liegt. Das muss an dieser Stelle noch einmal gesagt werden, auch wenn es gerade von einigen Kolleginnen und Kollegen von der PDS immer wieder bestritten wird.

Ich darf daran erinnern, dass bereits 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein Leerstand von circa einer Dreiviertelmillion Wohnungen im Altbaubestand vorhanden war. Eine weitere Ursache liegt in der Abwanderung, in dem verständlichen Drang zum Eigenheim und der sich daraus ableitenden Abwanderung ins Umland. Hinzu kommen der Geburtenrückgang, aber auch ich will es einmal so bezeichnen - das in der Endphase doch sehr starke Abschreibungsunwesen zu Zeiten der Regierung Kohl.

Wir brauchen darauf Antworten und wir sind dabei, gemeinsam Programme auf den Weg zu bringen. Ich erinnere diesbezüglich an die grundlegenden Aussagen der Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern”. Es geht darum festzustellen, welchen Handlungsrahmen, welche Konzepte, Instrumente und Strategien wir haben. In dieser Beziehung ist im letzten Halbjahr ausgesprochen viel auf den Weg gebracht worden.

Die Kollegin Tack fragte, was seit dem letzten Frühjahr Neues passiert sei. - Ich glaube schon, dass wir sagen können, dass wir in Brandenburg durch sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Fachministerium und den Parlamentariern sehr weit gekommen sind.

Es ist das Stadtumbauprogramm Ost aufgelegt worden - eine riesengroße Anstrengung, denn der Bund wird bis 2009 circa 2 Milliarden DM für Maßnahmen des Stadtumbaus zur Verfügung stellen. Wir als Länder müssen dieses mit circa 2 Milliarden DM ergänzen. Auch die Kommunen sind gefordert, circa 1 Milliarde DM zur Verfügung zu stellen.

All diejenigen, die die Diskussion zum Landeshaushalt verfolgt haben, wissen, dass wir allein im Jahr 2002 circa 60 Millionen DM in den Landeshaushalt einstellen werden. Die 5 Milliarden DM Gesamtvolumen - das ist eine erhebliche Summe - sind für die Aufwertung von Wohngebieten mit hohen Leerständen, aber auch für den Rückbau, also den Abriss von Wohngebäuden, einzusetzen.

Es geht aber auch darum, Mittel verstärkt in innerstädtischen Gebieten einzusetzen. Deshalb bin ich sehr froh, dass circa 150 Millionen DM Bundesmittel ergänzend eingesetzt werden, um die Bildung von Wohneigentum in innerstädtischen Bereichen zu fördern. Auch diese Mittel werden wir zu komplementieren haben.

Ich möchte noch einmal deutlich sagen, dass wir als SPD-Fraktion das Stadtumbauprogramm der Regierung Schröder ausdrücklich begrüßen. Ich weiß, dass es nicht leicht umzusetzen war. Es gab den einen oder anderen in der einen oder anderen Partei, der meinte, man könne diese Probleme lösen, indem man einfach sagt: Lasst doch die Privatwirtschaft verstärkt agieren!

(Zuruf der Abgeordneten Frau Tack [PDS])

- Da schaue ich wirklich nicht Sie an, Frau Tack; denn da sind wir einer Meinung. Ich weiß auch, dass die CDU in Brandenburg nicht die Auffassung vertritt, dass die Privatisierung in dieser Frage das Allheilmittel wäre. Diesbezüglich ist es schlichtweg erforderlich, dass die öffentliche Hand regulierend eingreift.

Aber es geht nicht nur darum, Mittel des Bundes einzusetzen, sondern wir müssen uns auch bemühen, intellektuell gut vorbereitete, intelligent gemachte Arbeitsmarktförderungsprogramme auf den Weg zu bringen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Tack [PDS])

- Ja, dazu gehört wirklich Intellekt.

Es liegen zum Beispiel in der Stadt Schwedt gute Erfahrungen mit der Kombination von Maßnahmen des Arbeitsamtes mit kommunalen Maßnahmen vor. Dies gilt es künftig verstärkt zu nutzen. ABM und SAM dürfen an dieser Stelle nicht verteufelt werden; denn unsere Kommunen brauchen auch die Unterstützung durch solche Maßnahmen. Es gibt zwar noch Details zu klären, aber ich möchte an alle appellieren, sich dafür einzusetzen, dass dies künftig genutzt wird.

Meine Damen und Herren, wir werden der Problematik des Stadtumbaus jedoch nicht gerecht, wenn wir uns ausschließlich auf Abriss konzentrieren. Die Maßnahmen müssen nachhaltig sein und den Bewohnern unserer Städte langfristige Perspektiven eröffnen. Wir brauchen also integrierte Ansätze über Stadtumbaukonzepte, in denen es auch um Fragen der Sozial-, Kultur- und Wirtschaftspolitik geht. Aber auch Landes- und Regionalplanung sind gefordert. Wir werden unsere Planung stärker als bisher auf die Innenstadtbereiche zu konzentrieren haben.

Es geht auch um die Frage der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Stadtzentren; Kollege Lunacek kennt dies aus seinem Wahlkreis, aus Eberswalde.

Wir müssen bei allen Fragen des Wohnungsbauvermögens auch darüber diskutieren, wie wir es in Innenstädten, wo es notwendig ist, schaffen, die eine oder andere Lücke - gegebenenfalls mit Mietwohnungsneubau - zu schließen, immer auch unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit.

Wir müssen den Stadtumbau organisieren. Hier ist etwas sehr

Positives auf den Weg gebracht worden. Ich habe noch nie mit den gemeinsamen Anstrengungen, mit denen dieser Prozess jetzt unter Federführung des MSWV organisiert wird, vergleichbares Engagement erlebt. Mein Dank geht an die zuständigen Mitarbeiter dieses Hauses, aber auch an den BBU, den zuständigen Verband der kommunalen und der genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in Brandenburg; denn nur in gemeinsamer Anstrengung ist die Lösung des Problems möglich und wir brauchen eine Regulierung und eine Steuerung des Wohnungsmarktes.

Meine Damen und Herren, die Diskussion hat erst begonnen, wie wir es jetzt teilweise auch bei den Bürgermeisterwahlen erleben. Es ist für Bürgermeister und Stadtverordnete natürlich schwer zu erklären: Meine Stadt wird in den nächsten acht Jahren, in denen ich dort Verantwortung trage, womöglich einen weiteren Einwohnerrückgang um 10 % erleben. - Dies muss aber deutlich gesagt werden; denn nur mit realistischen Konzepten werden wir das Problem lösen können. Jede Stadt braucht ihr eigenes Konzept; Erfahrungen von anderen sind nur punktuell übertragbar.

Meine Damen und Herren, die Kommunen tragen die primäre Verantwortung in diesem Prozess. Wir können sie dabei nur begleiten. Die Mittel aus dem Landeshaushalt stehen bereit. Wir müssen aber auch alles für die Sicherung der kommunalen Anteile tun, damit nicht nur Land und Bund ihre Anteile bereitstellen.

Ich glaube, dass wir vom heutigen Plenum aus auch deutliche Forderungen stellen müssen; denn es ist nicht nur eine Aufgabe derer, die sich mit Stadtentwicklungspolitik beschäftigen, sondern eine Aufgabe aller. Deshalb lautet meine deutliche Forderung, sich vor Ort in die Diskussionsprozesse einzubringen. Es ist aber auch eine Forderung an alle Häuser, ob es das Arbeitsministerium, das Wirtschaftsministerium oder die anderen Ministerien sind, mit für die Aufgaben einzustehen, die wir gemeinsam zu lösen haben.

Auch die Landkreise werden zu prüfen haben, wie sie diese Prozesse unterstützen können. Vielleicht müssen wir in der in den nächsten Wochen und Monaten anstehenden Diskussion zum Finanzausgleichsgesetz prüfen, ob die eine oder andere Kommune, die sehr große Schwierigkeiten hat, ergänzende Unterstützung braucht; denn es ist deutlich festzustellen: Den berlinnahen Städten, die auch von Stadtumbauprozessen nicht so stark betroffen sind, geht es in der Regel finanziell besser.

Wir brauchen vor allen Dingen aber eine Diskussion darüber, wie die Banken beteiligt werden können; denn es gibt erhebliche Probleme mit dem Management von Schulden und Krediten der Wohnungswirtschaft.

Aber wir werden auch Themen aufzuwerfen haben wie Grundsteuer und Grunderwerbssteuer; denn es ist kaum vermittelbar, dass für Grundstücke und Objekte, die praktisch nicht genutzt werden, weiterhin Steuern fällig werden.

Die SPD-Fraktion des Landtages wird den Stadtumbauprozess weiter intensiv begleiten. Ich will von dieser Stelle aus noch einmal deutlich sagen: Die Kommunen sowie die kommunalen und die genossenschaftlichen Unternehmen haben unsere Unterstützung. Es geht darum, dass unsere Bürger auch künftig ein

Zuhause haben, dass sie sich in unseren Städten wohl fühlen; denn nur Städte, die leben, sind Städte, in denen man sich wohl fühlt und in denen man gern wohnt. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, CDU und DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Dellmann und erteile der Fraktion der PDS das Wort, dem Abgeordneten Warnick.

Ehe Herr Warnick hier ist, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Senioren vom DRK aus der Stadt Lübbenau. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Bitte schön, Herr Warnick.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten zwei Monaten gab es kaum eine Woche, in der nicht mindestens eine Konferenz zum Stadtumbau und zur Leerstandsproblematik stattfand.

Letzten Donnerstag haben sich die ostdeutschen Landesverbände des Mieterbundes in Halle und am letzten Sonnabend das Kommunalpolitische Forum Brandenburg in Luckenwalde intensiv damit beschäftigt; am kommenden Sonnabend wird sich der Brandenburgische Mieterbund in einem Treffen aller Mietervereinigungen ausschließlich diesem Thema widmen - um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen.

Innerhalb eines halben Jahres beschäftigen wir uns auch im Landtag zum zweiten Mal in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema Stadtumbau - vielleicht ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die Brisanz der immer weiter wachsenden Wohnungsleerstände auch von der Koalition in ihrer ganzen Dimension erkannt wird. Der heutige Titel „Stadtumbau - eine neue Herausforderung für Brandenburg” geht allerdings an der Realität vorbei; denn neu ist dieses Thema nun wirklich nicht mehr.

Wir haben bereits vor zwei Jahren in unseren Anträgen auf die Problematik aufmerksam gemacht. Darüber, dass Sie unsere Vorschläge, die viel Diskussionsspielraum ließen und eigentlich nur zum schnellen Handeln aufforderten, in schöner Regelmäßigkeit ablehnten, müssen wir heute nicht mehr diskutieren; dies ist Geschichte. Aber nun hat der Leidensdruck vieler vor dem Abgrund stehender Wohnungsunternehmen auch Sie eingeholt.

In intensiven Gesprächen mit Geschäftsführern von Wohnungsunternehmen aus ganz Brandenburg wurde für mich vor allem die gewaltige finanzielle Dimension des Desasters deutlich. Mich plagt schon seit langem die Frage: Wie viel Bundes- und Landesmittel benötigen wir für die nächsten zehn Jahre insgesamt, um die Wohnungsunternehmen langfristig wieder auf eine einigermaßen gesunde wirtschaftliche Basis zu stellen - nur ungefähr, nicht auf eine und auch nicht auf 10 Millionen DM genau? So konkret kann dies aus heutiger Sicht niemand abschätzen. Trotzdem müsste den Parlamentariern von Land und Bund bei dieser überschlägigen Rechnung ganz übel werden.

So erklärten die Geschäftsführer der Wittenberger Wohnungsunternehmen, dass sie unter der Annahme der heutigen Arbeitslosenzahlen, eines im selben Maßstab fortschreitenden Bevölkerungsverlustes und der heute bekannten Leerstände für eine langfristige Gesundung ihrer Unternehmen 220 Millionen DM für die nächsten zehn Jahre benötigen würden. Das sind Zahlen, die nachvollziehbar sind und aus meiner Sicht auf einem sehr realistischen Szenario basieren. Schwedt geht von circa 120 Millionen DM aus.

Ich bin weit davon entfernt, Schreckgespenster an die Wand zu malen. Aber rechnen wir dies nur auf die 28 am meisten von Leerstand und Wegzug betroffenen Städte hoch, so kommen schnell circa 5 Milliarden DM an Gesamtkosten zusammen. Und wenn die vielen Kommunen mit kleineren Wohnungsbeständen und heute noch geringerem Leerstand von „nur” 5 bis 10 % hinzugerechnet werden, dürften sich die finanziellen Aufwendungen - vorsichtig gerechnet - zwischen 7 und 8 Milliarden Mark bewegen - nur in Brandenburg.

Das ist circa 1 Milliarde DM für jedes der kommenden Jahre. Und was haben wir wirklich zur Verfügung? Einen Bruchteil dessen. Von den 300 Millionen DM, die der Bund aus dem Zweimilliardenpaket im kommenden Jahr zur Verfügung stellt, bekommt Brandenburg ungefähr 50 Millionen Mark ab. Allerdings hat die Sache einen Haken: Im ersten Förderjahr gibt es nur 15 % dieser Summe, sodass im Jahre 2002 nur etwa siebeneinhalb Millionen DM vom Bund und diesselbe Summe vom Land aus diesem Fördertopf für den Stadtumbau zur Verfügung stehen. Ich weiß, dass dazu noch Mittel aus anderen Fördertöpfen kommen; aber dazu später mehr.

Eines zeigt die Gegenüberstellung der dringend benötigten und der derzeit real zur Verfügung stehenden Finanzmittel deutlich auf: eine Kluft, die durch wohnungswirtschaftliche Maßnahmen nicht mehr wirksam zu schließen ist. Wohnungsleerstand ist schon lange kein wohnungspolitisches Problem mehr; er ist ein gesamtgesellschaftliches strukturelles Problem aller ostdeutschen Bundesländer.

Die Bekämpfung des Leerstandes kann nur Hand in Hand mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland wirklich Sinn machen.

(Beifall bei der PDS)

Wer alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen den Marktkräften überlassen will, wer staatlicherseits nicht steuernd eingreifen will oder sich alle politischen Handlungsmechanismen aus der Hand nehmen lässt, der muss auch zukünftig den weiteren Wegzug von jungen, dynamischen Arbeitskräften in westdeutsche Bundesländer in Kauf nehmen; der muss in Kauf nehmen, dass wir hier Schulen und Kitas schließen und abreißen müssen und welche in Bayern oder Baden-Württemberg neu bauen; der muss akzeptieren, dass die Nebenkosten immer weiter steigen, weil die Versorgungsnetze für Wasser, Abwasser, Strom, Gas usw. für immer weniger Menschen und damit immer teurer bereitgestellt werden müssen; der muss in Kauf nehmen, dass unsere Steuereinnahmen immer weiter sinken und damit die Handlungsspielräume von Land und Kommunen gegen null tendieren; der muss sich damit abfinden, dass unsere Bevölkerung hier eines nicht so schönen Tages zum Großteil aus Rentnern und Arbeitslosen bestehen wird, und der wird sich

zuletzt dann auch mit den leer stehenden Ruinen abfinden müssen - hausgemachte Politik „made in Germany” oder besser: durch „Nichtpolitik” verursacht.

Ich will dies alles nicht. Tragfähige Lösungen kann es nur durch ein Miteinander von Wohnungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik geben. Da müssen auch die Wohnungspolitiker ihre Hausaufgaben machen.

Aus Sicht der demokratischen Sozialisten gehören vor allem die unterschiedlichsten Fördertöpfe von Land und Bund auf den Prüfstand. Wir brauchen keine Vielfalt unterschiedlichster Förderprogramme, die immer nur auf ein kleines Detailproblem zugeschnitten sind, dem Antragsteller ein starres Korsett anlegen und sich oft nur in Nuancen unterscheiden. Sie behindern die Antragstellung, verzögern Entscheidungsprozesse und schränken die Kreativität von Kommunen und Wohnungsunternehmen unnötig ein.

Der Wirrwarr der unterschiedlichsten Fördertöpfe verhindert zusätzlich die dringend notwendige Transparenz der insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Ständige Umschichtungen innerhalb der Programme sorgen für weitere Undurchsichtigkeit und machen es Politik, Medien und Antragstellern schwer, die Gesamtdimension zu überblicken.

Man wird oft den Verdacht nicht los, dass dies so gewollt ist. So lassen sich Erhöhungen in einem Förderprogramm in der Öffentlichkeit gut verkaufen, wenn gleichzeitig verschwiegen wird, dass dafür Mittel aus gleich gelagerten Programmen in aller Stille gekürzt werden.

Wozu brauchen wir gleichzeitig das Programm „Die soziale Stadt”, das Programm „Zukunft im Stadtteil - ZIS 2000", das Programm für städtebauliche Entwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen, das Programm für Stadtentwicklung und Stadterneuerung, das Programm zur Erschließung von Wohngebieten, das Programm zur städtebaulichen Weiterentwicklung großer Neubaugebiete, das Programm für die Erarbeitung von Stadtumbaukonzepten oder das Programm für Maßnahmen des Stadtumbaus - um nur einige zu nennen? Alles Programme, die einem ähnlich gelagerten Förderzweck dienen!