Protocol of the Session on November 21, 2001

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In der Drogenszene nennt man sie verharmlosend Muntermacher oder einfach Stoff: Drogen wie Ecstasy, Speed und Haschisch, die nicht nur die Gesundheit der einzelnen Konsumenten, sondern auch die Sicherheit im Straßenverkehr massiv bedrohen.

Jüngste Untersuchungen im Saarland ergeben hierzu ein alarmierendes Bild. Eine Untersuchung im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft brachte an den Tag, dass sich junge Leute im Alter von 18 bis 25 Jahren zunehmend regelmäßig unter Rauschgifteinfluss ans Steuer setzen.

Die Forschungsgemeinschaft „Auto-Sicht-Sicherheit” befragte in den Jahren 2000 und 2001 insgesamt 225 Konsumenten so genannter Partydrogen zu ihrem Drogenverhalten und der Nutzung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr. Diese Erhebung ergab, dass 94 % der Befragten regelmäßig unter akutem

Drogeneinfluss Auto fahren. In 87 % der untersuchten Fälle kam zum Drogenmissbrauch Alkoholkonsum hinzu. Jeder Siebte hatte nach eigenen Angaben bereits einen Unfall unter Drogeneinfluss. Bedenklich stimmt hierbei, dass in all den genannten Fällen bei Unfallaufnahme der Drogeneinfluss unentdeckt blieb.

Im Saarland wurden außerdem bei Polizeikontrollen Fahrer, bei denen Drogenkonsum vermutet wurde, mit verschiedenen Methoden getestet. Das Ergebnis wurde später durch eine Blutuntersuchung verifiziert.

Als DVU-Fraktion erklären wir daher, dass es endlich Zeit wird, auf dieses Problem, das bisher massiv unterschätzt wurde, effektiv zu reagieren.

In der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen, den hauptsächlichen Konsumenten der populären Partydrogen, ist die Unfallquote 2,9-mal höher als in der Gesamtbevölkerung. Die hiervon ausgehenden Gefahren können nur dann gebannt werden, wenn regelmäßige Verkehrskontrollen den Drogensündern auf der Spur sind. Dazu müssen die Polizeibeamten vor Ort überhaupt erst die Möglichkeit besitzen, den meist nächtlichen Drogenkonsum zu identifizieren.

Erforderlich ist daher ein umfassendes Konzept der Unfallvermeidung durch Sensibilisierung der Beteiligten für den Zusammenhang zwischen Verkehrssicherheit und der Einnahme so genannter weicher Drogen. Das geht nur mit regelmäßigen drogenspezifischen Verkehrskontrollen.

In Frankreich werden seit dem 1. Oktober 2001 die Autofahrer bei Unfällen mit Todesfolge automatisch auf Drogen getestet. Mit einem Urintest wird dort festgestellt, ob Drogen wie Haschisch, Kokain, Opiate oder Amphetamine konsumiert wurden. Bei positivem Ergebnis kann mit einem anschließenden Bluttest der Zeitpunkt der Einnahme bestimmt werden.

Das österreichische Innenministerium hat mittlerweile für die Polizei Testkoffer, also mobile Drogenlabors, angeschafft. Diesem Beispiel sollte das Land Brandenburg im Sinne der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger im Straßenverkehr folgen.

Im Rahmen des so genannten Pilotprojekts im Saarland wurde genau dieser Weg bis Ende 2000 mit erstaunlich positivem Ergebnis beschritten. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dies mit ein paar Zahlen belegen:

In der relevanten Altersgruppe ging während der Laufzeit des gemeinsam vom GDV und der Universität des Saarlandes durchgeführten Projekts die Zahl der Verkehrstoten um 68 % zurück, während sie im Bundesdurchschnitt nur um 2,8 % fiel.

Zudem ergaben die Untersuchungen, dass der effiziente Einsatz von Drogenschnelltests das entscheidende Werkzeug zur Lösung des Problems ist. Bei 97,6 % von insgesamt 498 Kontrollierten hat der Test zuverlässig gearbeitet und für eine sichere Erkennung des Drogenkonsums gesorgt. Es gab nur sechs falsche Ergebnisse, bei denen Drogen angezeigt wurden, obwohl tatsächlich keine Spuren nachgewiesen werden konnten. Diese Zahlen sprechen eigentlich für sich. Bei 107 Tests konnte sogar mehr als eine Drogenart nachgewiesen werden.

Dies ist eine deutliche Verbesserung im Verhältnis zu früheren Resultaten, bei denen alte Testmethoden Anwendung gefunden haben. Im Gegensatz zu früheren Verfahren, die wesentlich häufiger fälschlicherweise eine positive Reaktion angezeigt haben, wie der so genannte Suchtgiftkoffer, welcher zudem noch gefährliche Chemikalien, Säuren und giftige Flüssigkeiten enthielt, existieren nun Testgeräte ohne Chemie.

Seit einigen Jahren sind Drogenschnelltests auf dem Markt, die zuverlässig arbeiten und ohne gefährliche Stoffe auskommen. Diese Tests sind schnell, bedienerfreundlich in der Anwendung und - wie gesagt, bis auf eine zu vernachlässigende Restquote auch sicher in der Anzeige.

Diese modernen Tests funktionieren in der Regel auf immunbiologischer Basis unter Verwendung von präparativen Antikörpern. Eine Antikörper-Antigenreaktion zeigt an, ob die gesuchte Substanz in ausreichender Konzentration vorhanden ist bzw. ob die Konzentration der gesuchten Substanz unter der Nachweisgrenze liegt oder überhaupt nicht vorhanden ist.

Die Effektivität und leichte Anwendbarkeit in der Form von Harn- oder Speicheltests, wobei schon zwei Minuten nach einem fünfsekündigen Eintauchen eines Teststreifens in die Testsubstanz ein sicheres Ergebnis abgelesen werden kann, kann die Arbeit der Polizei effektiv, einfach und vom Kostenpunkt her auch überschaubar machen. Auch die Kontrollierten haben dadurch den Vorteil, das ungerechtfertigte Blutentnahmen in aller Regel unterbleiben können - anders als bei dem Nachweis der mittleren Blutalkoholkonzentration.

Der Einsatz flächendeckender Drogenschnelltests bei nächtlichen Verkehrskontrollen wird zusätzlich den entsprechenden verkehrspädagogischen und sicherheitsorientierten Lerneffekt erzielen.

Durch die Kontrollandrohung und durch zusätzliche Aufklärung muss und wird auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer zukünftig verstärkt eingewirkt werden. Dies ist jedoch nur durch eine Verstärkung der nächtlichen Polizeikontrollen und durch eine flächendeckende Ausrüstung der Polizei mit Drogenschnelltests möglich.

Fahren unter Drogeneinfluss soll und darf in Brandenburg, auf Brandenburgs Straßen in Zukunft kein Kavaliersdelikt mehr sein. Darum bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag und die beiden folgenden Anträge zeigen, dass die antragstellende Fraktion halbwegs aktuelle Themen, die sie den Medien entnimmt, in die Landtagsarbeit einfließen lässt. Vom

Ansatz her finde ich dies ganz sinnvoll, doch steht vor dem Schreiben eines Antrages die Recherche. Es ist nämlich zunächst zu prüfen, ob das, was man mit dem Antrag fordert, nicht vielleicht schon längst existiert oder angewendet wird.

Eine solche Recherche hätte schnell ergeben, dass die Polizei gerade wegen zahlreicher so genannter Diskounfälle seit Jahren verstärkt Verkehrskontrollen im Umfeld von Diskotheken und darüber hinaus durchführt. Hierbei werden selbstverständlich auch Untersuchungen hinsichtlich Alkohol- und Drogenkonsums vorgenommen.

Wir sind der Meinung, dass das ausreichend ist und weitere Maßnahmen nicht vorgenommen werden sollten. Wir trauen unserer Polizei zu, dass sie sehr wohl weiß, wo Gefahrenherde und -situationen sind, und dann auch entsprechend lagebezogen reagiert. In diesem Sinne lehnen wir Ihren Antrag ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Frau Kaiser-Nicht, bitte.

Anknüpfend an das, was Herr Homeyer bereits ausführte und was ich bestätigen möchte, will ich zwei Dinge nennen.

Das Anliegen von mehr Präsenz der Polizei vor Ort ist Konsens bei SPD, PDS und CDU, auch wenn meine Fraktion im Zweifel darüber ist, ob es mit der laufenden Polizeistrukturreform auf dem richtigen Weg ist. Diesbezüglich jedenfalls ist der Antrag gegenstandslos.

In der Begründung zum Antrag wird offensichtlich, worum es Ihnen wohl eigentlich geht. Ich zitiere: „Mit der Einführung von Drogenschnelltests bei der Polizei...” Ich finde, das beinhaltet eine Unterstellung, die nun wirklich absurd ist, und wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der PDS und des Abgeordneten Schippel [SPD])

Wir sind bei der Landesregierung. - Sie verzichtet. Damit sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung ihres Antrages in der Drucksache 3/3517 an den Ausschuss für Inneres, der federführend sein soll, sowie mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen will, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag folgen will, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 322), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungs- ausschussgesetz) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1142)

Antrag der Fraktion der DVU

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Recht oder Unrecht, was ist das?”, möchte ich fragen; denn das Unrechtsbewusstsein in diesem Land hat in letzter Zeit in schamloser Weise eine neue Dimension bekommen. Eine Reihe von so genannten Trittbrettfahrern hat die Ereignisse des 11. September zum Anlass genommen, um auch in Deutschland Angst und Schrecken zu verbreiten. Bereits wenige Stunden nach den schrecklichen Anschlägen in den USA erreichte beispielsweise die Frankfurter Börse eine Bombendrohung. Aus Sicherheitsgründen musste das Gebäude geräumt werden. Am gleichen Tag musste auch der Messeturm in Frankfurt evakuiert werden. Anonyme Anrufer kündigten bundesweit Sprengstoffattacken auf Hochhäuser, Krankenhäuser und öffentliche Plätze an. Bombenalarm wurde nahe der amerikanischen Botschaft in Berlin-Mitte und am Flughafen Schönefeld ausgelöst.

Wenn ich die leeren Reihen hier so sehe, dann merke ich, dass Sie sich dafür gar nicht interessieren, dass das, was Sie bisher gesagt haben, wahrscheinlich nur als Lippenbekenntnis zu betrachten ist.

(Beifall bei der DVU)

Nach telefonischen Bombendrohungen wurden die Commerzbank in der Potsdamer Straße, der Verband der Deutschen Industrie in der Breiten Straße in Berlin-Mitte und ein Einkaufszentrum in Hohenschönhausen geräumt. Wie sich herausstellte, waren sämtliche Drohungen falscher Alarm.

Größere Anschläge führen immer wieder dazu, dass Trittbrettfahrer mit Bombendrohungen Angst und Panik verbreiten. Mit minimalen Mitteln wird durch diesen Täterkreis ein großer Effekt erzielt. Durch notwendige kostenintensive Einsätze von Polizei und Katastrophenschutz wird ein nicht absehbarer volkswirtschaftlicher und rechtspolitischer Schaden produziert; denn die Drohungen müssen ernst genommen werden, da niemand Leben gefährden will.

Die Motive dafür, dass Straftaten vorgetäuscht werden, sind vielfältig und oft widersprüchlich. In der Regel sind Geltungssucht oder die Verschleierung anderer, möglicherweise schwerer Straftaten kausal für solch ein kriminelles Verhalten. Doch

meistens handeln die so genannten Trittbrettfahrer allein aus Langeweile, um - wie man so sagt - einen Kick zu bekommen, um aus bloßer Egomanie einmal im Mittelpunkt zu stehen.

Dass die Androhung bzw. die Vortäuschung gemeingefährlicher Vergehen und Verbrechen diesen schrecklichen Umfang annehmen konnte, wirft ein bedenkliches Bild auf die Rechtskultur in diesem Land.

Der eigentliche Schaden ist jedoch der, dass durch diese Form perverser Streiche die Handlungsfähigkeit der Sicherheits- und Ordnungsbehörden und nicht zuletzt das Vertrauen der anständigen Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat geschwächt werden. Insbesondere bei solchen Straftaten, mit denen eine konkrete Gefährdung einer Vielzahl von unschuldigen Personen mit sozial schädlicher krimineller Energie bestimmter Tätergruppen vorgetäuscht wird, um ein besonderes öffentliches Interesse und staatlichen Handlungszwang zu erreichen, werden die Strafverfolgungsbehörden und insbesondere die Polizei in besonderem Ausmaß in Anspruch genommen. Neben den unnötigen Kosten für den Bürger und der erzielten Unruhe in der Bevölkerung werden dadurch zulasten der Verfolgung tatsächlich realisierter Straftaten und Gefahrenlagen personelle und materielle Kapazitäten gebunden.

Besonders gravierend ist die Vortäuschung auch dann, wenn zudem Unschuldige in Verdacht geraten und gegen sie strafprozessuale Maßnahmen eingeleitet werden. Dabei riskieren die Täter noch nicht einmal empfindliche Strafen, sondern gehen meist mit geringfügigen Freiheitsstrafen aus dem Gerichtssaal und dies zumeist noch auf Bewährung.

Eine Rechtsgesellschaft, die einen derartigen Werteverfall und eine derartige Aushöhlung der Rechtskultur toleriert, verfällt früher oder später in Anarchie.