Protocol of the Session on October 24, 2001

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Wir sind bei der Frage 887 (Härtefallkommission), gestellt von der Abgeordneten Wolff.

Nach der weiteren Zuspitzung der Situation von Flüchtlingsfamilien, die sich bereits längere Zeit im Land Brandenburg aufhalten, die hier faktisch integriert sind und abgeschoben werden sollen, stellt sich erneut die Frage nach dem Umgang mit diesen Härtefällen.

Ich frage die Landesregierung: Welche Überlegungen gibt es, anknüpfend an den Gedanken zur Bildung einer Härtefallkommission, zum Umgang mit ausländerrechtlichen Härtefällen?

Das Wort geht an den Minister des Innern.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wolff, mit Ihren gebetsmühlenartig gestellten Fragen versuchen Sie immer wieder festzustellen, wie die Auffassung der Landesregierung ist. Wir haben das bei der letzten Sitzung sehr klar dargestellt. Sie versuchen, sozusagen im Rahmen einer Haarrissbeobachtung Probleme festzustellen und dann auszuweiten. Das wird Ihnen nicht gelingen.

Die Familien, von denen Sie sprechen, sind solche, die gegen eine Verwaltungsentscheidung Rechtsmittel eingelegt und diese Rechtsmittel bis zur letzten Instanz ausgenutzt haben. Dann ist von Verwaltungs- oder Oberverwaltungsgerichten Recht gesprochen worden. Ein Teil dieser Familien, von denen Sie sprechen, hat die Prozesse verloren, und zwar nach zum Teil fünf-, sechs- oder siebenjähriger Prozessdauer. Wenn jemand den Prozess verloren hat, dann muss er auch die Konsequenzen daraus ziehen. Darum geht es im Kern.

Ich habe beim letzten Mal schon dargestellt, dass wir versuchen, alle Fälle individuell abzuhandeln, und dass wir auch bereit

sind, den Ermessensspielraum auszunutzen. Aber wenn ein gerichtliches Urteil vorliegt und auf der Basis dieses Urteils die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben, dann kann man nicht nach Gutsherrenart von dieser Entscheidung abweichen. Aus diesem Grund haben wir ja auch, wie Ihnen bekannt ist, ein Gremium eingerichtet, das den Innenminister bei den so genannten Altfällen berät, bei denen es einen Ermessensspielraum gibt. Diesen Ermessensspielraum wollen wir zugunsten der betroffenen Menschen nutzen. Das sage ich Ihnen in aller Klarheit zu. Aber wir können nicht sagen: Gerichtsurteile werden vom Innenminister außer Kraft gesetzt. - Von daher gesehen bleiben wir bei unserer Position.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Dieses Thema bedarf der weiteren Erörterung, auch der Erörterung innerhalb der Koalition, aber es ist nicht vorstellbar, dass Gerichtsentscheidungen von irgendeiner Instanz, die nicht der Justiz zuzuordnen ist, außer Kraft gesetzt werden.

Des Weiteren möchte ich daran erinnern, dass es im Landtag einen Petitionsausschuss gibt. Ich weiß gar nicht, warum dieser Petitionsausschuss so gering geachtet wird. An diesen Petitionsausschuss können sich auch die Bürgerinnen und Bürger wenden, die auf diesem Gebiet Schwierigkeiten haben. Der Petitionsausschuss kann sich dieser Sache annehmen.

Es gibt manchmal außerordentlich schwierige Entscheidungen, menschlich schwierig und menschlich bedrückend. Das gebe ich ausdrücklich zu. Aber der Ermessensspielraum ist am Ende eines Gerichtsverfahrens für die jeweiligen Behörden eingeengt. Von daher gesehen glaube ich, dass die Probleme, die Sie ansprechen, nicht durch eine Härtefallkommission gelöst werden können, sondern nur durch eine Beschleunigung der Verfahren. Das Thema steht auf der Tagesordnung im Zusammenhang mit der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes.

Herr Domres, bitte.

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass ein Verfahren im Petitionsausschuss für bestimmte aufenthaltsbeendende Maßnahmen keine aufschiebende Wirkung hat?

Eine Härtefallkommission, Herr Kollege, hat auch keine aufschiebende Wirkung.

(Beifall bei CDU und DVU)

Wir sind damit bei der Frage 888 (Musikunterricht durch Mu- sikschullehrer), gestellt von der Abgeordneten Konzack. Bitte.

(Vietze [PDS]: Dann hätten Sie sich Ihre Bemerkungen zum Petitionsausschuss auch sparen können! - Weitere Zurufe von der PDS - Minister Schönbohm: Herr Abge- ordneter Vietze, ich bedanke mich für die Belehrung!)

-Meine Herrschaften! Das Wort hat die Frau Abgeordnete Konzack. Wenn Sie etwas sagen wollen, müssen Sie sich melden. Dann werde ich das in geeigneter Form berücksichtigen.

In der letzten Sitzung des Vorstandes des Landesverbandes der Musikschulen wurde unter anderem angesprochen, dass ein Konzept angedacht sei, bei Musiklehrermangel auf Lehrer aus Musikschulen zurückzugreifen.

Ich frage die Landesregierung: Wird ein solches Konzept in Zusammenarbeit von Bildungsministerium und Landesmusikschulverband entwickelt?

Herr Minister Reiche, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der gegenwärtige Lehrkräftebedarf von circa 2 800 bis 3 000 Personen kann im Landesdurchschnitt voll abgedeckt werden. Berechnungen nach Regionen und Schulen liegen nicht vor. Im Einzelfall kann es hier zu Mangelsituationen kommen.

An dieser Stelle will ich noch einmal meinen ausdrücklichen Dank an Herrn Böger sagen, der die Vereinbarung, die wir geschlossen haben, insbesondere auch in Bezug auf die Musiklehrer eingehalten hat. Es hat Anträge vom Berliner Landesschulamt gegeben, 80 Musiklehrer aus Brandenburg ziehen zu lassen, um den Bedarf in Berlin zu decken. Wir haben diesem Antrag natürlich nicht entsprochen. Herr Böger hat die Lehrerinnen und Lehrer deshalb auch nicht eingestellt. Auf diese Weise haben wir den Musikunterrichtsbedarf im Lande in diesem Schuljahr in hoher Qualität decken können.

Der Bedarf an ausgebildeten Lehrkräften im Fach Musik geht bei sinkenden Schülerzahlen bis zum Jahr 2006/07 auf etwa 1 900 Personen zurück und steigt dann bis zum Jahr 2015 nur sehr gering, nämlich auf etwa 2 000 bis 2 300 Personen an. Bei jährlich circa 30 realen Zugängen an Lehrkräften mit der Ausbildung im Fach Musik für das Lehramt für die Bildungsgänge der Sekundarstufe I und der Primarstufe sowie für das Lehramt an Gymnasien ist der Bedarf an Schulen damit langfristig zu decken.

Brandenburg bietet in den staatlichen Studienseminaren die schulpraktische Ausbildung im Fach Musik an, sodass jährlich auch im eigenen Land ausgebildete Fachkräfte nach der zweiten Staatsprüfung in den Schuldienst eingestellt werden können und auch eingestellt werden. Ich bin Frau Kollegin Wanka dankbar dafür, dass wir uns darauf haben verständigen können, dass an der Uni Potsdam auch in Zukunft Musiklehrer ausgebildet werden.

Darüber hinaus ist den staatlichen Schulämtern die Möglichkeit gegeben, bei Fachbedarf und nicht vorhandenen ausgebildeten Lehrkräften Personen mit universitärem Abschluss und ohne pädagogische Qualifizierung zur Abdeckung des Unterrichtsbedarfs in den Schuldienst einzustellen. Wenn Musikschullehrer bereit sind, Musiklehrer zu sein, dann werden wir ganz gewiss auch Mittel und Wege finden, ihnen diese Möglichkeit zu eröffnen.

Gerade weil eine Kooperation von Schulen und Musikschulen von mir gefördert wird, sehe ich nicht die Notwendigkeit eines Konzepts, wie Sie es in der Frage angesprochen haben. - Vielen Dank.

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf.

(Frau Konzack [SPD]: Das hat sich mit dem letzten Satz erledigt!)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung - Schutz der Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 11. September 2001 markiert eine historische Zäsur. Die Angriffe auf New York und Washington bedeuten in ihrer ungeheuerlichen Brutalität eine neue Dimension des politischen Verbrechens. Es wäre ein folgenschwerer Irrtum zu glauben, dieses Terrorverbrechen gälte nur den USA. Die Täter und ihre Hintermänner sind vom grenzenlosen Hass auf Werte getrieben, die Grundlagen auch unserer Gesellschaft sind: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, religiöse und politische Toleranz sowie kulturelle Vielfalt. Das Ziel der Terroristen ist eine gewaltsame Umwälzung einer in ihren Augen unmoralischen Welt. Sie zielen auf die USA, aber sie meinen uns alle. Deshalb ist Solidarität mit den USA nicht nur ein Gebot des Anstandes, sondern auch eine Pflicht zur Zukunftsvorsorge. Notwendig ist eine breite Allianz gegen den Terror.

(Beifall bei SPD und CDU)

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dessen Geburtstag heute ist, hat in zwei Resolutionen einmütig die terroristischen Verbrechen von New York und Washington als eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gewertet, ein entschiedenes Vorgehen gegen den Terrorismus verlangt und damit die völkerrechtlichen Grundlagen auch zur militärischen Verfolgung der Täter gelegt.

Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, meine Damen und Herren, wird eine der Hauptaufgaben für die nächsten Jahrzehnte sein. Die militärische Abwehr des Terrorismus allein kann die Probleme nicht lösen. Sie muss begleitet werden von politischen Maßnahmen, zu denen eine Konfliktlösung im Nahen Osten und unbedingt auch humanitäre Hilfe in dem zentralasiatischen Krisenraum gehören. Das ist die Politik der Bundesregierung, die wir unterstützen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Denn wir wissen spätestens seit der Rede von Willy Brandt vor

den Vereinten Nationen, dass auch Hunger Krieg ist. Die Erkenntnisse in der von ihm geleiteten Nord-Süd-Kommission über eine neue Weltwirtschaftsordnung, in der die Länder der so genannten Dritten Welt volle Gleichberechtigung erfahren und wirkliche Entwicklungschancen haben, sind heute aktueller denn je und sie warten auf Umsetzung. Wir müssen die Dynamik der Globalisierung beeinflussen, um die Zweiteilung der Welt zu verhindern. Armut, Hunger und Elend, Fanatismus und Massenterror gefährden die zivile Gesellschaft, die Achtung vor den Menschen und die Freiheit überall auf der Welt. Armutsbekämpfung, Wirtschaftsentwicklung und internationaler Dialog aber schaffen nachhaltige Sicherheit.

(Beifall bei SPD und CDU sowie der Abgeordneten Frau Stobrawa [PDS])

Meine Damen und Herren, auch in Brandenburg ist eine neue Gefährdungslage entstanden. Die Landesregierung hat in dieser Situation eine umfassende Schutzaufgabe für die Menschen in unserem Lande. Wir gehören zur deutschen Hauptstadtregion. Wir sind Teil eines Metropolenraums von europäischer Bedeutung. Wichtige politische, wissenschaftliche, industrielle und kulturelle Einrichtungen sind hier angesiedelt. Die Infrastruktur hat eine herausgehobene Bedeutung und wir müssen erkennen, dass mit dem 11. September 2001 die Hemmschwelle gesunken ist, auf sensible Einrichtungen verheerende Anschläge auszuüben. Zu Panik besteht jedoch kein Anlass. Wir haben derzeit keine Hinweise auf konkrete terroristische Aktivitäten in der Region. Doch niemand darf mehr sagen: Es wird schon nichts passieren. - Wir müssen auf extreme Situationen eingerichtet sein.

Die Landesregierung unternimmt alles Menschenmögliche, um die Bevölkerung Brandenburgs zu schützen. Zur sofortigen Gefahrenabwehr haben wir unmittelbar nach Bekanntwerden der Terroranschläge die Sicherungsmaßnahmen im Land gezielt verstärkt. Innenminister Schönbohm hat in engem Kontakt mit Bundesinnenminister Schily und mit dem Berliner Innensenator Körting alle notwendigen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen getroffen und wird dazu gleich Ausführungen machen.

Meine Damen und Herren, es ist zwingend: Auf die neuen Formen des Terrorismus müssen wir reagieren. Sicherheit, Schutz und Hilfe für die Bevölkerung sind jetzt Hauptaufgaben staatlichen Handelns.

(Beifall bei SPD und CDU)

Diese Selbstverpflichtung beinhaltet die Aufgabe, alle logistischen Voraussetzungen für eine optimale Versorgung im Ernstfall zu schaffen. Das setzt eine wirksame Zusammenarbeit innerhalb des Landes voraus. Dazu haben wir eine interministerielle Arbeitsgruppe mit Vertretern der Ressorts Inneres, Gesundheit, Verkehr, Wirtschaft und Justiz gebildet, die ihre Arbeit bereits aufgenommen hat. Auch das Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen des Bundes, der Kommunen, aber auch der Bundeswehr wird gesichert. Das Kabinett hat unabdingbare zusätzliche Maßnahmen und deren Finanzierung in Höhe von 18,5 Millionen Euro für 2002/03 vorgesehen und ich hoffe in diesem Bereich auf Ihre Unterstützung.

Im Einzelnen heißt das: Im Bereich der Polizei wird die Bekämpfung des Ausländerextremismus unter den veränderten Sicherheitsbedingungen verstärkt. Weil sich Extremismus und

Terrorismus vielfach über illegale Geldströme und illegale Strukturen finanzieren, werden beim Landeskriminalamt zunehmend Finanzermittlungen durchgeführt. Verstärkte Maßnahmen des Objektschutzes müssen voraussichtlich über lange Zeit aufrechterhalten werden. Die Ausstattung der Polizei zur Terrorismusfahndung wird verbessert. Hierzu zählen insbesondere die Anschaffung eines Kfz-Erkennungssystems zur schnellen automatischen Erfassung und Identifizierung von Kennzeichen auch aus dem fließenden Verkehr und die Anschaffung von mobilen Kontrollstellen zur Intensivierung von flächendeckenden Kontrollen zum Beispiel auf den Autobahnen.

Ferner wird für die Ausstattung der beiden Reservehundertschaften der Fachhochschule der Polizei gesorgt, sodass bei erheblich erhöhter Gefährdungslage auch Polizeischüler eingesetzt werden können. Maßnahmen zur Verbesserung der Polizeitechnik, zum Beispiel im Bereich der PC-Ausstattung, werden vorgesehen.