Protocol of the Session on September 19, 2001

Ich tue das nicht nur in meinem Namen, sondern auch im Namen von Herrn Freese.

Ich möchte kurz dazu sagen: Ich habe mich der Stimme enthalten, weil ich die derzeitige Situation im Lande Brandenburg als vollkommen unbefriedigend empfinde. Diese Situation kann allerdings nicht in diesem Hause geändert werden, sondern es muss insgesamt der Rechtsrahmen für eine solche Härtefallkommission geschaffen werden, damit diese überhaupt tätig werden kann. Momentan werden hier Erwartungen geweckt, die von dieser Härtefallkommission später nicht erfüllt werden könnten.

Ich möchte aber noch ein Wort zu der Haltung des Landrates sagen, der, glaube ich, unseren Respekt verdient.

Nein, Sie sollten zu Ihrem Abstimmungsverhalten, nicht zur Haltung des Landrates sprechen, Herr Abgeordneter. - Frau Schulz, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute hier aus Überzeugung und auch aus gewonnenen Erfahrungen heraus für diesen Antrag gestimmt, nicht auf die Aufforderung meiner verehrten Frau Kollegin hin; denn in der

so schwierigen Diskussion vor Ort war weit und breit von der werten Frau Kollegin nicht viel zu sehen. Sie verzeihen mir diesen Hinweis.

Ich möchte mich auch der polemischen Art der Darstellung der Argumente der PDS in dieser Frage nicht angeschlossen haben. - Danke schön.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Callcenter in Brandenburg - Perspektiven und Probleme

Große Anfrage 24 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2599

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/2983

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Christoffers, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf unsere Große Anfrage zur Situation in Callcentern zeigt aus meiner Sicht fünf Problemstellungen auf. Unsere Fraktion hat sich geeinigt, dass zu Fragen arbeitsrechtlicher und sozialer Bedingungen in den Callcentern meine Kollegin Dr. Esther Schröder das Wort ergreifen wird. Ich möchte mich auf drei Sachverhalte konzentrieren.

Der erste ist: Aus der Antwort geht hervor, dass es ein bedeutendes Beschäftigungspotenzial in Callcentern gibt.

Der zweite Punkt, der festzustellen ist: Dieses Beschäftigungspotenzial wird aber nur dann für das Land Brandenburg relevant werden können, wenn wir die Veränderungen in den Berufsbildern und Inhalten, die sich gegenwärtig in den Callcentern abspielen, tatsächlich sehr ernst nehmen. Insofern gehe ich davon aus, dass uns die Feststellung in der Antwort, dass sich die Callcenter zu multimedialen Kommunikationsschnittstellen entwickeln, vor die Herausforderung stellt, dazu Stellung zu nehmen, wie wir als öffentliche Hand mit dieser Entwicklung umgehen und sie begleiten können, damit hier tatsächlich neue Inhalte, neue Technologien und neue Arbeitsplätze, die diesem Sachverhalt entsprechen, ausgeprägt werden.

Das heißt, wir sind in einer Situation, in der in relativ kurzer Zeit Inhalte und Berufsbilder umschlagen und damit auch andere Bedingungen im Bereich der Umsetzung neuer Informationsund Kommunikationstechnologien geschaffen werden. Auf diese Situation haben wir uns einzustellen. Das wird nicht nur den Bereich Callcenter umfassen, sondern mit dem fortschreitenden Einsatz von Kommunikationstechnologien werden wir es mit einem schnelleren Umschlagen von Berufsbildern und Berufsinhalten zu tun haben.

Der dritte Punkt, auf den ich eingehen möchte: Es gibt gegenwärtig noch kein Berufsbild. Ich halte es vor dem Hintergrund, dass sich hier neue Entwicklungen abzeichnen, für dringend erforderlich, die Bemühungen zu verstärken und in Zusammenarbeit mit den Kammern ein neues Berufs- und Tätigkeitsbild zu entwerfen, um auch ein Stück Sicherheit zu schaffen, inwieweit hier Beschäftigung zu welchen Konditionen und mit welchen Inhalten perspektivisch möglich ist.

Ich möchte mich noch auf einen Punkt konzentrieren, die Weiterbildung. Aus der Antwort auf die Große Anfrage geht hervor, dass eine Reihe von Qualifizierungsmaßnahmen direkt auf einzelne Sachverhalte abgestimmt worden ist. Ich glaube, dass dieser Ansatz der Abstimmung von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen bei diesen Projekten weitergeführt werden muss, weil das auch ein Weg ist, Inhalte und Anforderungsprofile dieser Tätigkeiten berufsbegleitend darstellen zu können, zu untersetzen und auf neue Herausforderungen zu reagieren.

Unterm Strich, meine Damen und Herren, macht die Antwort auf die Große Anfrage aus meiner Sicht deutlich, dass wir erstens vor Veränderungen von Berufsinhalten stehen, dass wir uns zweitens auf einen schnelleren Umschlag von Rahmenbedingungen sowohl für die Tätigkeit Einzelner als auch für die Umsetzung von Informations- und Kommunikationstechnologien einzustellen haben und dass drittens ein großer Problemkreis bleibt, wie Arbeitsinhalte, Berufsgruppen und auch soziale Notwendigkeiten in der Entwicklung dieses Bereichs miteinander vernetzt werden können. Wir werden sicherlich zu diesem Thema in Zukunft stärker miteinander debattieren müssen, weil es nicht nur die Callcenter betrifft, sondern generell die Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien hier im Land Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion, Herrn Abgeordneten Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, die Antwort auf diese Große Anfrage gehört eher in die Kategorie „unproblematische Antworten”. Wir haben durchaus schon welche gehabt, wo wir uns fetzen mussten. Bezüglich dieser Antwort, glaube ich, gibt es an dieser Stelle relativ wenig Konfliktpotenzial.

Zunächst muss man einmal feststellen, dass wir hier über eine relativ neue Geschichte reden. Das ist also ein Berufsbild, eine Einrichtung, eine Unternehmensform, die noch nicht so fürchterlich lange am Markt existiert, die aber ein Wachstum darstellt, wie es selten einmal in einer Branche möglich gewesen ist. Was dabei so spannend ist: Obwohl es solche Einrichtungen noch gar nicht so lange am Markt gibt, hat jetzt schon eine evolutionäre Veränderung eingesetzt. Die Callcenter verändern sich im Prinzip permanent. Sie sind noch gar nicht ganz fertig, da fangen sie schon an sich zu verändern. Das merkt man auch an den Namen, die da benutzt werden. Callcenter ist ein Name, call-surf-center ein zweiter, Communicationcenter ein weiterer.

Customer-service-center ist ein vierter, Customer-interactioncenter ein fünfter Name. Insofern gibt es sehr viele Namen für eigentlich eine Einrichtung, die aber auch die Veränderung der Inhalte deutlich machen. Insgesamt haben wir derzeit 30 solcher Callcenter, die in Brandenburg angesiedelt sind, mit jeweils über 40 Arbeitskräften. Dazu kommen noch weitere kleine Callcenter, die aber von der Statistik nicht erfasst worden sind.

Was ist eigentlich das wesentlich Neue an dieser Unternehmensform? Das wesentlich Neue sind eine außerordentlich hohe Flexibilität, ein außerordentlich großer Weiterbildungsbedarf und Veränderungen, die dort im Zeitraffertempo vor sich gehen.

Wir werden zum Beispiel davon ausgehen können, dass im Jahre 2006 80 % der Callcenter internetorientiert sind, sodass das reine Anrufen sehr stark zurückgedrängt und die tatsächliche Interaktion über Internet, über Bildschirm zunehmen wird.

Warum ist das für Brandenburg eine interessante Branche? Wir haben da erhebliche Chancen. Denn erstens ist es kein bereits aufgeteilter Markt. Das ist in vielen Bereichen anders. In diesen sind die Märkte in Europa bzw. in Deutschland aufgeteilt. Hier ist das nicht so. Da es eine so junge Branche ist, sind die Märkte noch nicht aufgeteilt.

Der zweite wesentliche Vorteil: Der Standort ist fast beliebig. Ich kann praktisch an jedem Ort in Brandenburg ein solches Callcenter einrichten. Dazu ist keine Autobahn notwendig und im Prinzip auch keine sonstige Superinfrastruktur. Genau genommen reichen erstens ordentliche Telefonleitungen und zweitens die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Da haben wir gegenüber anderen Regionen manchmal „leider” auch Vorteile, weil wir mehr verfügbare Arbeitskräfte haben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hackel [CDU])

Dezentralisierung gehört relativ häufig zum Konzept. Ein solches Center muss nicht einmal an einem Standort sein, sondern kann sogar verteilt werden, was dann wiederum kurze Arbeitswege zur Folge hätte. Wir sind ein Flächenland und haben demzufolge relativ wenige Menschen auf viel Fläche. Deshalb sind gerade diese neuen Kommunikationsformen günstiger, als wenn man erst irgendwohin fahren muss. Deswegen ist Brandenburg für solche Ansiedlungen besonders geeignet.

Wir als Land haben die Ansiedlung dieser Unternehmen aus zwei Bereichen heraus begleitet. Zum einen wurden die Förderungen aus dem Wirtschaftsministerium, besonders über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur”, vorgenommen. Dort ist bisher mit 22 Millionen DM gefördert worden. Dazu kommt noch die Förderung sonstiger angesiedelter dazugehöriger Unternehmensteile in Höhe von 23 Millionen DM Förderung aus der GA.

Was dabei wichtig ist: Wir haben eine außerordentlich günstige Relation von Fördermitteln zu geschaffenen Arbeitsplätzen, was in manchen Branchen nicht so der Fall ist. Hier ist es so, dass man mit relativ wenig Fördermitteln relativ viele Arbeitsplätze organisieren kann.

Der zweite wesentliche Förderbereich ist im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen angesiedelt. Ich habe

vorhin schon gesagt, dass Weiterbildung, zu Anfang auch Umschulung, ein wesentliches Thema ist. Deswegen sind das Ministerium für Arbeit und natürlich auch die Arbeitsämter gefragt. Diese haben in einer konzertierten Aktion eine ganze Menge positiver Effekte erzeugt. Es wurden neue Berufsbilder auf den Weg gebracht, zum Beispiel das des Callcenter-Agents, des Callcenter-Teamleiters, des Fachwirts für Teleservice und Kommunikation oder des Online-Service-Korrespondenten. Das sind alles sehr komplizierte Bezeichnungen. Aber man merkt schon, dass sich tatsächlich etwas herauskristallisiert.

Probleme gibt es bisher im Bereich der Berufsausbildung, weil diese Berufsbilder noch nicht so weit sind, dass man daraus eine Berufsausbildung ableiten kann. Hier gibt es Nachholbedarf.

Was die Umschulung angeht, ist, glaube ich, erwähnenswert, dass bei 500 Teilnehmern pro Jahr, die bei Weiterbildungsmaßnahmen in diese Richtung gegangen sind, eine Vermittlungsquote von 73 % existiert. Das ist eine sehr hohe Vermittlungsquote. Wir haben schon andere Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt, bei denen es um etwa 10 % gegangen ist, die hinterher vermittelt werden konnten. Hier wurde also auch sehr treffsicher weitergebildet.

Welche Effekte gibt es für Brandenburg? Derzeit sind es 6 000 Arbeitsplätze, die in diesem Bereich in Unternehmen oberhalb von 40 Mitarbeitern geschaffen worden sind. Dazu kommen weitere in kleineren Unternehmen. Davon wurden 4 512, also ein ganz großer Anteil, auch gefördert. Zusätzlich gibt es eine ganze Anzahl von geringfügig Beschäftigten, die aber in den Statistiken nicht auftauchen. 81 % sind weibliche, 19 % männliche Mitarbeiter. 78 % sind in Vollzeit und nur 22 % in Teilzeit beschäftigt, also ein hoher Anteil an Vollzeitstellen. Es sind vergleichsweise sichere Arbeitsplätze. Sie sind sowohl auf den engeren Verflechtungsraum als auch auf den äußeren Entwicklungsraum verteilt.

Wenn man es gesamtheitlich betrachtet, kann man feststellen: Es ist genau genommen eine Erfolgsstory, die auch ganz wesentlich durch die Förderung des Landes begleitet worden ist. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Damit kommen wir zur DVU-Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt: Das Internet und viele andere Informations- und Kommunikationstechnologien gehören bereits zum Alltag unseres Berufslebens und durchdringen in zunehmendem Maße alle Bereiche unseres Lebens.

In den letzten Jahren sind die Callcenter zum ansiedlungsintensivsten Feld der MIK-Wirtschaft geworden. Die Unternehmen müssen sich nach Ansicht von Bundeswirtschaftminister Werner Müller dem Wettbewerb durch die neuen Informations- und

Kommunikationstechnologien noch bereitwilliger stellen. Er sagte unter anderem:

„Ob wir Deutschen das nun lieben oder nicht, diesem weltweiten Trend kann man sich nur stellen, um möglichst an der Spitze mitzulaufen. Eine andere Alternative gibt es nicht.”

Diese rasante Entwicklung macht auch vor dem Land Brandenburg nicht Halt. Nötig sind zum Beispiel eine regulierte Marktstruktur und ein innovationsfreundliches Umfeld.

In den Callcentern mit über 40 Beschäftigten sind zurzeit etwa 6 000 Menschen beschäftigt. Dazu wurden 4 512 Arbeitsplätze gefördert. Die Callcenter mit unter 40 Beschäftigten werden im Land Brandenburg statistisch noch nicht einmal erfasst.

Bis derzeit sind im Callcenterbereich im Land Brandenburg keine Insolvenzverfahren zu verzeichnen. Das ist aber kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank. Die Entwicklung in der MIKBranche geht rasant weiter und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Nach INCCA-Ergebnissen werden sich Callcenter der heutigen Generation zu „Customer Carre Centern” weiterentwickeln. Neben dem Telefon spielen andere Medien wie E-Mail, Internet und Fax in der Kommunikation eine wesentliche Rolle.