Protocol of the Session on July 12, 2001

Ich rufe zum Zweiten den Antrag des Präsidenten, Drucksache 3/2991, einschließlich des gerade angenommenen Änderungsantrages, auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Sicherung der Rahmenbedingungen für den Wettbewerb im Fernsehkabelnetz der Länder Berlin und Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/2995

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der SPD-Fraktion und gebe dem Abgeordneten Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Wie sind wir auf diese Problematik, die wir heute in diesem Antrag behandeln und mit der wir der Landesregierung einen Auftrag geben wollen, gestoßen? Und zwar

haben wir ein Positionspapier von Hans Heege, dem Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, in die Hand bekommen und haben uns gedacht: Dieses Problem ist es wert, dass wir es im Landtag behandeln und der Landesregierung diesen Auftrag geben, weil es ein Problem ist, das die Menschen im Lande unmittelbar tangiert. - So viel zur Vorbemerkung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben dem eigenen Auto gehört das Fernsehgerät zur Standardausstattung eines jeden brandenburgischen Haushalts. Doch während die Verteuerung der Benzinpreise des Volkes Gemüt bewegt, löst die Anhebung von Rundfunk- und Kabelnetzgebühren nur ein verhaltenes Echo aus. Die Veränderungen halten sich stets in Grenzen und beunruhigen daher so gut wie niemanden. Diese Situation könnte sich jedoch schon bald ändern. Die Ankündigung der Telekom, ihr Kabelnetz auch in Berlin und Brandenburg zu verkaufen, bedeutet einen gravierenden Einschnitt für den Fernsehmarkt der Region.

Die Veränderung kommt zunächst auf leisen Sohlen durch einen Besitzerwechsel. Käufer ist der amerikanische Kabelnetzbetreiber Liberty Media. Jedoch in nicht mehr allzu ferner Zukunft werden die an das Kabelnetz angeschlossenen Haushalte mit einem neuen Fernsehen Bekanntschaft machen. Liberty Media wird in digitales und interaktives Fernsehen investieren. Digitale Signale lösen die analoge Übertragung ab. Statt zwischen 30 analogen Sendern wird der Zuschauer künftig zwischen 300 digitalen auswählen können oder auch müssen.

Die Signale werden außerdem nicht mehr nur vom Fernsehanbieter zum Zuschauer, sondern auch in umgekehrter Richtung gesendet werden können. Das wird ein personalisiertes Fernsehen und den Zugang zum Internet ermöglichen.

Das neue Fernsehen muss technisch möglich gemacht, organisatorisch veranstaltet und schließlich auch bezahlt werden. Aus diesen drei Aufgaben leiten sich Chancen und Risiken für brandenburgische Zuschauer und Fernsehveranstalter ab.

Liberty Media wird viel Geld in die Hand nehmen, um das neue Fernsehen technisch möglich zu machen. Investiert wird vorrangig dort, wo eine hohe Zuschauerdichte hohe Einnahmen bei relativ geringen Investitionen garantiert, also in Berlin und im Berliner Umland. Im Landesinteresse ist jedoch das Kabelnetz im gesamten Land aufzurüsten.

Die vorrangige Aufgabe besteht deshalb darin, Liberty Media zu konkreten Aussagen für den Ausbau in der Peripherie des Landes zu bewegen. Liberty Media ist nicht nur Betreiber von Kabelnetzen, sondern auch an TV-Veranstaltern beteiligt. Das Unternehmen hat ein Interesse daran, eigene Programme zu attraktiven Konditionen in das Netz einzuspeisen.

Über die Höhe der Einspeisegebühr und über die Gestaltung von Programmpaketen könnte Liberty Media die aus ihrer Sicht unattraktiven Programme benachteiligen. Vor einer solchen Geschäftspolitik sind natürlich die öffentlich-rechtlichen Sender geschützt. Sie müssen laut Gesetz übertragen werden.

Durch ihre Popularität geschützt sind auch solche privaten Sen

der wie RTL und Pro 7. Niemand wird ernsthaft daran denken, sie auszuschließen.

Nicht geschützt dagegen sind lokale TV-Kanäle. In Brandenburg gibt es 26 Lokalsender, die das Informationsangebot der Tageszeitungen sinnvoll ergänzen. Die Lokalsender kommen beim Zuschauer gut an. In einer Mitte des Jahres 2000 durchgeführten Befragung konnten fast 90 % der Befragten spontan den jeweiligen Lokalsender benennen. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, gezielt den Lokalsender einzuschalten, um aktuelle lokale Informationen zu erhalten.

Unserer Meinung nach muss gesichert werden, dass die Lokalsender auch weiterhin einen festen Platz auf dem brandenburgischen Fernsehmarkt einnehmen. Darüber hinaus müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Lokalfernsehens zu stärken.

Um die Umstellung auf das digitale Fernsehen zu bewältigen, müssen die Lokalsender bei der Finanzierung der technischen Ausstattung unterstützt werden. Die meist als Quereinsteiger beschäftigten Mitarbeiter müssen für ihre Aufgaben besser qualifiziert werden. Entsprechende Weiterbildungsangebote sollten daher in Zusammenarbeit mit den Kammern und dem Arbeitsministerium aufgelegt werden.

In Bayern wird von den an die Kabelnetze angeschlossenen Haushalten ein so genannter Kabelgroschen erhoben. Wenn die Zuschauer diese finanzielle Unterstützung des Lokalfernsehens leisten wollen, dann sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden - im Interesse des Erhalts dieser Sender.

Die Finanzierung des neuen Fernsehens ist zumindest für die Zuschauer weniger problematisch als für die Veranstalter. Der Zuschauer kann künftig zwischen zahlreichen Programmpaketen wählen. Er entscheidet schließlich selbst über TV light oder TV de Luxe und kann so teuren Angeboten ausweichen.

Das Kabel wird nicht der einzige Zugang zum Fernsehen sein. Bei der Preisgestaltung muss Liberty Media daher Rücksicht auf die Konkurrenz, auf das terrestrische Fernsehen und auf den Satelliten nehmen. Dies wird den Preisspielraum erheblich begrenzen.

Die schöne neue Fernsehwelt mit ihren Hunderten Kanälen und neuen multimedialen Angeboten beinhaltet auch Chancen für die Wirtschaftspolitik unseres Landes. Es müssen neue Technologien, logistische Konzepte und vielfältige Programminhalte hergestellt werden. In Brandenburg gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für eine Wertschöpfung in diesen Bereichen.

In der Medienstadt Potsdam-Babelsberg haben sich zahlreiche Anbieter angesiedelt, zum Beispiel der Einstein-Channel, ein Spartenprogramm mit dem Schwerpunkt auf Wissenschaftsthemen, das im Pay-TV-Angebot der Deutschen Telekom bundesweit übertragen wird, oder das Playout-Center, in dem für die gesamte ARD das digitale Fernsehangebot zusammengestellt wird. Aber auch in Cottbus und Neuruppin gibt es Unternehmen, die neue interaktive Angebote erproben und eine wettbewerbsfähige technologische Kompetenz haben.

Aus Sicht der SPD-Fraktion ist es erforderlich, die Förderung von Technologien und Inhalten von Produkten für das digitale Fernsehen auch öffentlich stärker auf die medienpolitische Agenda zu setzen. Fernsehen ist eine schöne Nebensache in dieser Welt. Damit Fernsehen außer Spaß und Information auch Wertschöpfung und Arbeitsplätze in unserem Land sichert, bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke auch. - Das Wort geht jetzt an die PDS-Fraktion. Herr Prof. Bisky, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht ist der Antrag der Koalitionsfraktionen zu den Rahmenbedingungen für den Wettbewerb im Fernsehkabelnetz ein netter Antrag. Die PDS kann jeder einzelnen Forderung, die hier aufgeschrieben ist, folgen, vor allem deshalb, weil die einzelnen Punkte wörtlich die Position der Gemeinsamen Stelle „Digitaler Zugang zum Kabelverkauf der Deutschen Telekom AG” wiedergeben. Das ist eine Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten. Quelle: epd medien 32, 15. April 2001, Seite 15 ff. Das können Sie alles wörtlich nachlesen. Ich verstehe gar nicht, warum Sie die Quelle nicht angeben, meine Damen und Herren von SPD und CDU, wenn Sie denn schon ungehemmt und ungeniert abschreiben. Aber es ist jetzt als Quelle verzeichnet.

Allein mir fehlt der Glaube, Herr Klein, dass dieses Stück Papier, wenn es denn beschlossen wird, die von Ihnen beabsichtigte Wirkung erzielen wird. Dieser Antrag ist leider nur eine kosmetische Korrektur eines bereits real existierenden medienpolitischen Scherbenhaufens und das ARD-Playout-Center hat damit wirklich nichts zu tun. Das kann man im Paket übernehmen, aber das wird ja anders finanziert.

Falls Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, den Vorgang in den vergangenen Wochen in den Medien verfolgt haben, sollte Ihnen allen klar sein, dass jemand wie John Malone, dem das ja jetzt gehört, über solche Forderungen eines Landesparlaments, wenn es gut geht, lächeln wird. Das Problem liegt viel tiefer. Das Kartellamt hatte den Monopolisten Deutsche Telekom aufgefordert, die Kabelnetze zu verkaufen, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen. Nun verkauft die Telekom an einen noch größeren Monopolisten, und zwar ohne Bedingungen zu stellen. Das ist der Punkt.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Nein, ich sage ja: Ich stimme Ihrem Antrag zu. Ich will nur das Problem, das dahinter steht, nennen: Der Antrag wird die Welt nicht verändern. Wir sind wieder einmal viel zu spät gekommen. Und es ist der falsche Ansatz. Die Medienpolitik regt sich, aber sie regt sich viel zu spät und macht nur noch leichte Korrekturen.

Man muss sich die Frage stellen, warum Liberty Media 11 Mil

liarden DM investieren will. Ich gehe nicht davon aus, dass John Malone dies aus Wohltätigkeit oder aus Liebe für BerlinBrandenburg tut. Sein Ziel wird es sein, den Kaufpreis wieder hereinzubekommen und mit dem Netz im wahrsten Sinne des Wortes profitabel zu wirtschaften. Da wird es ihn wenig scheren, wenn die Brandenburger Abgeordneten die Landesregierung auffordern, sich dafür einzusetzen, „dass Wettbewerbsverzerrungen bei der Paketierung von Angeboten, insbesondere zum Nachteil kleiner und regionaler Veranstalter, vermieden werden” sollen - so richtig die Forderung ist.

Genau das passiert doch jetzt in den USA, wo Malone seine Basis hat. Der Wettbewerb wird durch solche Pakete verzerrt. Liberty Media hat beispielsweise Anteile am Einkaufscenter QVC und wird bestrebt sein, auch in Deutschland sein Geld über solche Shoppingkanäle zu verdienen.

Wir müssen davon ausgehen, dass Liberty Media über Fernsehinhalte Gewinn machen will - über Fernsehinhalte vermutlich mehr als über Internet und Telekom. Wer die Transportwege besitzt, der wird den Transport nicht allein bestimmen, aber er hat einen Einfluss auf den Transport. Die Frage lautet doch: Welche Pakete werden sie dann anbieten? Im Grunde genommen - das wissen Sie auch - geht die Meinung inzwischen dahin, dass man sagt: 10 % Gewinn müssen herausspringen. So ist es jedenfalls vom deutschen Weltmedienkonzern Bertelsmann zu hören. Wenn zum Beispiel die „Berliner Zeitung” nicht 10 % Gewinn bringt, dann ist sie für diesen Konzern nicht mehr lukrativ. Das ist nachweisbar; jeder der das wissen will, kann es wissen. Malone wird auf keinen Fall weniger Gewinn erzielen wollen. Das ist das Problem, Herr Klein, auf das ich aufmerksam machen möchte.

Meine Damen und Herren! Die Politik, insbesondere die Bundesregierung, ist blind oder gar sehenden Auges in diesen medienpolitischen Scherbenhaufen hineingeschlittert und muss jetzt eingestehen, dass die Liberalisierung zu früh gekommen ist. Nunmehr beginnen die Landesparlamente, Korrekturen einzuleiten.

Meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, wir können Ihrem Antrag gern zustimmen, denn die Forderungen sind nicht falsch - ich halte sie für richtig -, aber sie sind nur Kosmetik. Kosmetik kann nicht schaden, aber wenn schon Kosmetik, dann soll sie sich wirklich schön anschauen lassen. Mehr wird es nicht bringen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Schöps, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der auf den ersten Blick scheinbar vorrangig technische Regularien betreffende Antrag der Koalitionsfraktionen hat tatsächlich jedoch einen hochpolitischen Hintergrund. Die vollständige Veräußerung von

sechs regionalen Kabelnetzen der Deutschen Telekom, also auch des Brandenburger Netzanteils, an den US-Kabelnetzbetreiber Liberty Media ist quasi entschieden und soll in Kürze erfolgen.

Genanntes klingt fürs Erste zwar nicht sehr aufregend; bei präzisem Analysieren stellt man jedoch fest: Der Verkauf kann weitreichende Auswirkungen auf die deutschen Rundfunkanstalten und die Veranstalter haben, und zwar zu ihrem Nachteil.

Das Problem: Liberty Media ist in Zukunft nicht nur der größte Kabelnetzbetreiber Deutschlands, sondern auch Teilhaber an Unternehmen, die Programminhalte anbieten, wie zum Beispiel AOL Time Warner oder die News Corporation von Rupert Murdoch. Die Gefahr besteht nun in der Tat darin, dass derjenige, der die Netzinfrastruktur, also eine der wesentlichen technischen Sendevoraussetzungen, in Besitz hat, dann auch ein wirtschaftliches Interesse an der Frage hat, welche Sendeinhalte durch die Kabelnetze die Endnutzer, also auch die Haushalte, erreichen. Das würde bedeuten, dass dann natürlich vorrangig eigene Programmangebote der Konzernfamilie um Liberty Media eingespeist werden. Das heißt weiter: Unabhängige Inhalteanbieter könnten außen vor bleiben.

Entgegen dieser Absicht soll der Antrag der Koalitionsfraktionen zugunsten von inhaltlicher Vielfalt medienrechtliche Vorkehrungen treffen. Wir wollen sichern, dass zum Beispiel SetTop-Boxen die Programme aller Sender und nicht nur einiger ausgewählter abbilden können. Zum Zweiten müssen auch kleine Veranstalter, also mittelständische Unternehmen, Zugang zu allen Plätzen haben. Zum Dritten ist sicherzustellen, dass am Ende für die Nutzer ausreichende Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Frage gegeben sind, welche Programme sie sehen oder hören möchten und welche nicht.

Die Ankündigung von Liberty Media, jährlich 500 Millionen Euro in das Kabelnetz zu investieren, um das Netz für mehr Fernsehprogramme und einen schnelleren Internetzugang aufzurüsten, ist zuerst ein positives Signal und beendet damit den momentanen Stillstand beim Ausbau der Netze. Innerhalb von nur fünf Jahren soll erreicht werden, dass das Kabelnetz auch für Telefon- und Internetdienste genutzt werden kann. Gleichzeitig wird durch die Möglichkeit, das Internet über das Kabelnetz zu nutzen, auch in Deutschland ein Wettbewerb initiiert, der die im europäischen und weltweiten Vergleich hohen Internetnutzungs- und -zugangsgebühren sinken lassen wird. Das wiederum ist positiv.

Auf der anderen Seite haben wir mit ernst zu nehmenden Befürchtungen umzugehen, anders formuliert: mit Befürchtungen, dass das Rundfunksystem, wie es die Bürgerinnen und Bürger heute kennen und durchaus auch schätzen, in den kommenden Jahren so nicht mehr vorhanden sein könnte.

Meine Damen und Herren! Wir erleben nicht umsonst erstmals, dass sich öffentlich-rechtliche und private deutsche Sender, die sich ansonsten als harte Konkurrenten gegenüberstehen, in einer Allianz bewegen und gemeinsame Positionen einnehmen. Die Veränderung auf dem deutschen Kabelnetzbetreibermarkt ist zudem mit einer Konzentration verbunden, an deren Ende wohl

nur noch drei Unternehmen die bisher getrennten Netzebenen 3 und 4 zusammenführen und beherrschen werden. Allein Liberty Media wird künftig fast 60 % der bisher von der Deutschen Telekom AG erreichten Haushalte mit ihrem Kabelnetz versorgen - Tendenz steigend.