Protocol of the Session on June 21, 2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die europäische Osterweiterung ist eine historische Chance, die wir annehmen und gestalten müssen. Der Aufbau der Verkehrsinfrastruktur im Grenzraum und im grenznahen Raum zu Polen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die ökonomischen Vorteile, die aus der europäischen Osterweiterung für das Land Brandenburg, die Unternehmen und die hier lebenden Menschen entstehen, genutzt werden können. Wir stehen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und der gesamten Europäischen Gemeinschaft in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die brandenburgische Grenze nach Polen ihrer Funktion als innereuropäische Grenze künftig gerecht werden kann.

Wir wissen alle, dass sich die Handelsverflechtungen bei wegfallenden Schranken verstärken werden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Rahmenbedingungen - hier im Speziellen die Verkehrsinfrastruktur - stimmen.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Aspekt, der die Notwendigkeit neuer Grenzübergänge deutlich macht, ist die Belastung der Bevölkerung an den bestehenden Grenzübergängen. Wir alle kennen die langen Wartezeiten dort. Dass hiervon eine enorme Belastung für die Bevölkerung ausgeht, kann niemand ernsthaft bestreiten. Ohne die Schaffung zusätzlicher Grenzübergänge würden durch den zunehmenden Güterkraftverkehr die Belastungen für diese Menschen erheblich steigen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der DVU)

Die CDU-Fraktion unterstützt ausdrücklich die Schaffung neuer

Grenzübergänge. Zusätzliche Grenzübergänge sind nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch für die Stärkung der deutsch-polnischen Beziehungen in allen Bereichen notwendig.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Der eingeschlagene Weg der Landesregierung, bereits jetzt die Verkehrsinfrastrukturprojekte vorzubereiten, ist richtig und in Anbetracht der vor uns stehenden Herausforderungen ein wichtiger Beitrag zur Zukunftsgestaltung unseres Landes. Selbstverständlich geschieht das auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und im Rahmen der notwendigen Raumordnungsverfahren unter Beteiligung aller Träger öffentlicher Belange und der Menschen in der Region.

Meine Damen und Herren! Frau Hesselbarth ist seit nunmehr zwei Jahren Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr. Die inhaltliche Diskussion von Sachthemen muss an ihr vollständig vorbeigegangen sein. Ich will gar nicht darauf eingehen, dass die DVU-Fraktion die historische Chance der EU-Osterweiterung noch nicht erkannt hat und, ich vermute, auch nicht erkennen wird.

Ich will auch nicht darauf eingehen, dass die DVU-Fraktion die ökonomische Wirkung von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur nicht richtig bewerten kann oder will. Dass die Landesregierung aber der DVU-Fraktion erneut erläutern muss, dass Bundesstraßen vom Bund finanziert werden und dass vor dem Neubau einer Straße ein Raumordnungsverfahren mit dem Ziel der Prüfung der Vereinbarkeit der Planung aller im Raum relevanten Schutzgüter durchgeführt werden muss, finde ich schon erstaunlich und bemerkenswert. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Tack, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die PDSFraktion widmet der Entwicklung der Oderregion große Aufmerksamkeit. Insbesondere die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur im grenzüberschreitenden Verkehr halten wir für wichtig.

Wir halten es aber auch für wichtig, dass die Interessen der Bürgerinitiative Berücksichtigung finden. Diese Bürgerinitiative hat sich gebildet, weil sie andere Auffassungen zum Grenzübergang Hohenwutzen Süd hat, als sie im von der Landesregierung vorgeschlagenen Projekt verankert sind. Wir halten es für wichtig, dass die Forderungen, die Alternativvorschläge und die Ideen der Bürgerinitiative aufgegriffen werden. Wir werden das im Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr und im Europaausschuss tun. Wir werden das auch im Zusammenhang mit den 8. Ostbrandenburger Verkehrsgesprächen in Küstrin-Kietz, die demnächst stattfinden, tun. Wir werden viele Möglichkeiten nutzen, um über Alternativen, die im Zusammenhang mit den Protesten gegen den geplanten Grenzübergang Hohenwutzen Süd stehen, nachzudenken und sie zu prüfen.

Wir werden dies aber nicht gemeinsam mit der DVU-Fraktion tun,

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

weil sie sich sozusagen als Trittbrettfahrer dieser Bürgerinitiative engagiert und diese Große Anfrage eingebracht hat. Ich sage das ausdrücklich auch im Namen der Bürgerinitiative, die sich eindeutig davon distanziert, dass sich ausgerechnet die DVUFraktion zum Sprachrohr macht.

(Beifall bei der PDS - Frau Hesselbarth [DVU]: Die Bür- gerinitiative ist ausgerechnet zu uns gekommen und nicht zu Ihnen!)

Im Interesse der Bürgerinitiative ist es, dass der Naturschutz und die strukturelle Entwicklung in der Oderregion gewahrt werden, in ihrem Interesse ist es aber auch, dass Zukunftschancen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Verkehrslösungen genutzt werden. Darum sind wir bemüht. Das werden wir gemeinsam mit anderen und der Bürgerinitiative bestreiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS - Homeyer [CDU]: Das war wieder bezeichnend!)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Tack. - Ich würde jetzt das Wort an die Landesregierung geben. - Ich sehe, sie wünscht es nicht. Damit beende ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich stelle fest, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 23, Drucksache 3/2869, zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Brandenburgische Stiftung Forschung und Bildung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2756

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Dr. Trunschke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die PDS-Fraktion schlägt vor, die Errichtung einer „Brandenburgischen Stiftung Forschung und Bildung” zu prüfen und mit dieser Prüfung die Landesregierung zu beauftragen. Im Gespräch mit vielen Kollegen, aber auch mit Angehörigen der Hochschulen wurden mir in diesem Zusammenhang immer wieder Fragen gestellt. Ich möchte diese Fragen gern hier beantworten.

Zunächst: Warum erteilt die PDS „nur” einen Prüfauftrag und warum fordert sie nicht einfach die Einrichtung einer solchen Stiftung? Das hat den Grund, dass eine Stiftung bekannterma

ßen ein sehr komplexes Unternehmen ist. Ich denke nur an die Stiftungen, die wir schon auf den Weg gebracht haben und die durchaus nicht einfach zu händeln waren. Zusätzlich ist der Zweck der Stiftung, deren Errichtung wir beabsichtigen, sehr komplex angelegt. Es ist sicherlich in der Haushaltssituation, die wir jetzt haben, auch nicht einfach, Geld dafür aufzutreiben. Da denke ich schon, es bedarf mehr Kompetenz, um tatsächlich ernsthaft zu prüfen. Es bedarf verschiedener Ressorts, um zu prüfen, ob das überhaupt geht.

Außerdem - das gebe ich auch gerne zu - habe ich die Hoffnung, mit einem Prüfauftrag eher die Zustimmung der Koalitionsfraktionen erreichen zu können. Was sollte schließlich gegen die Prüfung sprechen, zumal dann, wenn man sich unsere Haushaltslage vergegenwärtigt?

Damit bin ich gleich bei der zweiten Frage, die mir häufig gestellt wurde: Warum überhaupt eine Stiftung? Auch da ist der Grund relativ einfach. Nahezu alle bildungs- und forschungsrelevanten Bereiche sind im Land Brandenburg unterfinanziert, wenn man sie mit anderen Bundesländern oder auch europaweit vergleicht. Minister Reiche fehlt das Geld für sein Bildungsreförmchen. Der Weiterbildungsbereich hat seit Jahren keinen finanziellen Aufwuchs erfahren, obwohl er sich deutlich ausgeweitet hat. Leider war aus den anderen Fraktionen niemand zum Volkshochschultag erschienen, um einmal zu hören, wie die Auswirkungen tatsächlich sind. In meinem Spezialgebiet, den Hochschulen, traut man sich kaum noch, über Geld zu reden. Die wichtigsten Innovationsträger des Landes, die Hochschulen, fahren Nothaushalte.

Jetzt liegen mehrere Vorschläge zur Milderung der Situation auf dem Tisch. Frau Ministerin, Sie haben vorgeschlagen, 76 bis 120 Millionen DM mehr für die Hochschulen einzusetzen. Gemeinsam mit Ex-Minister Hinrich Enderlein und Prof. Joachim Gessinger von den Grünen habe ich letztlich eine schrittweise Erhöhung bis zu der Summe von 375 Millionen DM vorgeschlagen.

Aus der puren egoistischen Sicht auf den Landeshaushalt erscheint sowohl der Vorschlag der Ministerin gewagt als auch der der Opposition utopisch. Obwohl also nicht einmal sicher ist, Frau Ministerin, dass Sie sich mit Ihrer Minimalforderung tatsächlich durchsetzen können, zumal der Hochschulentwicklungsplan dann auch noch ausdrücklich unter Haushaltsvorbehalt gestellt werden soll, lassen Sie doch bitte für einen kleinen Moment die Vorstellung zu, der Vorschlag der Opposition würde sich durchsetzen. Was würde das bedeuten? Bei circa 2,5 Millionen Einwohnern entspricht unsere Forderung 150 DM Mehrausgaben je Einwohner für die Hochschulen. Insgesamt kämen wir damit auf circa 350 DM Hochschulausgaben je Einwohner. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 392 DM. Die beiden nach Brandenburg zweitschlechtesten Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen kommen bereits heute auf 381 bzw. 387 DM. Wir würden also immer noch, selbst wenn sich dieser scheinbar utopische Vorschlag durchsetzen würde, über 30 DM je Einwohner weniger ausgeben als alle anderen neuen Bundesländer. Das heißt, aus dieser Sicht ist selbst der Oppositionsvorschlag noch viel zu bescheiden, auch mit ihm können wir das Schlusslicht nicht abgeben.

Man kann auch die FuE-Ausgaben insgesamt nehmen. Auch da gilt leider: Mit FuE-Ausgaben in Höhe von lediglich 81 DM je

Einwohner bildet Brandenburg mit weitem Abstand das Schlusslicht aller Bundesländer.

Neben der Realität des Landeshaushaltes gibt es also noch eine andere Realität. Gemessen am Bedarf ist auch die Opposition mit ihren scheinbar utopischen Vorstellungen noch zu unrealistisch. Ein berühmter Ausspruch von Che Guevara lautete einmal:

„Seien wir Realisten, versuchen wir das Unmögliche.”

Wäre das nicht ein gutes Motto, um es über den nächsten Haushalt zu schreiben?

Angesichts der Haushaltssituation muss jede Geldquelle geprüft werden. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie haben natürlich die Macht, einen Oppositionsvorschlag abzulehnen - ohne Frage -, aber Sie haben auch Verantwortung für die Entwicklung des Landes in den nächsten Jahrzehnten. Dafür sind die Hochschulen, sind Bildung und Forschung entscheidend. Deshalb, finde ich, haben Sie nicht das Recht, sich der Prüfung einer Stiftung für Forschung und Bildung zu verweigern.

Ich weiß nicht, wie Sie sich entschieden haben. Falls Sie es heute nicht übers Herz bringen, einem Oppositionsantrag zu folgen - aus machtpolitischem Kalkül oder womit auch immer begründet -, dann prüfen Sie ihn doch wenigstens. Dann bringen Sie, wie es schon - von Ihnen unwidersprochen - in der Presse stand, einen eigenen entsprechenden Antrag ein.

Es gibt darüber hinaus noch mehr Gründe für eine Stiftung, die ich nur summarisch nennen will, zum Beispiel ihre relative Unabhängigkeit von aktuellen Haushaltsschwankungen oder die Möglichkeit, privates und öffentliches Engagement zu bündeln.

Damit komme ich zur nächsten Frage: Wer soll von der Stiftung tatsächlich profitieren? Wir denken dabei ausdrücklich an alle Bereiche, die mit der Vermittlung, dem Erwerb und der Anwendung von Wissen zu tun haben. Es macht aus unserer Sicht immer weniger Sinn, hier eine strikte Trennung vorzunehmen. Dennoch sollte der Schwerpunkt bei den Hochschulen liegen; denn die Hochschulbildung ist eine unverzichtbare Pflichtaufgabe des Staates. Für die Technologie haben wir bereits eine Stiftung.

Aber - egal, welchen Bereich man im Einzelnen betrachtet - es geht uns keinesfalls um die bloße Grundfinanzierung. Dazu würde eine Stiftung weder ausreichen noch wäre es zweckmäßig, sie dafür einzusetzen.

Eine Stiftung sollte vielmehr, auf der Grundfinanzierung aufbauend, Flexibilität, innovative Projekte und die schnelle Umsetzung von Ideen sichern. Die Vorsitzende des Landeshochschulrates, Frau Prof. Meyer, sprach sich erst vorgestern auf einem Kolloquium der Universität Potsdam wieder für einen Innovationsfonds für die Hochschulen aus. Offenbar stört es sie nicht, dass dies schon einmal ein Vorschlag der PDS war. Aber auch unser heutiger Antrag greift diese Idee in letzter Konsequenz wieder auf.

Damit komme ich zu der Frage: Falls wir das Geld für eine Stiftung tatsächlich zusammenbekämen, wer sollte es verteilen? Natürlich der Stiftungsrat oder das Stiftungsgremium, das dafür zuständig sein wird. Ich könnte mir aber ganz gut vorstellen, dass die Einsetzung des obersten Stiftungsgremiums unter er

heblicher Mitsprache des Landtages erfolgt, nicht etwa, weil ich dem zuständigen Ministerium nicht trauen würde - das ist überhaupt nicht der Fall -, auch nicht, weil ich gewisse Zweifel an der Fähigkeit der Ministerien zur Zusammenarbeit habe, auch nicht, weil das der Opposition ein gewisses Mitspracherecht geben würde - das wäre zwar angenehm, das gebe ich zu, aber in diesem Falle nicht zentral -, sondern weil damit ein Signal gesetzt werden würde für die Bedeutung, die wir, dieses Haus, diesem Thema beimessen, und weil es zugleich eine Stärkung des Parlaments bedeuten würde. Aber letztlich ist diese Frage nicht die Hauptfrage.

Hauptthema - und damit komme ich zur letzten Frage - ist: Woher soll das notwendige Geld kommen? Ursprünglich hatten wir an die Erlöse aus den UMTS-Versteigerungen gedacht, aber das ist ja wohl passé. Selbstverständlich käme das Land um ein eigenes Engagement nicht herum. Wie sollte man sonst andere dafür werben können?

Denkbar ist aus unserer Sicht auch eine zielgerichtete Staatsanleihe. Vielleicht ließen sich auch Gelder des Bundes und der EU einsetzen. Darüber hinaus ginge es darum, Spenden und Zuwendungen von Firmen und Privatleuten einzuwerben. Ich habe zwar über die Jahre jede Hoffnung verloren, dass der Ministerpräsident die Einsicht und die Kraft hat, seine Richtlinienkompetenz für den Weg Brandenburgs in die Wissensgesellschaft einzusetzen, aber eines traue ich ihm doch uneingeschränkt zu, nämlich, dass er die Gabe besitzt, Menschen zu überzeugen, Menschen zu motivieren. Ich traue ihm durchaus zu, für eine solche Stiftung privates Geld aufzutreiben. Soweit es an der Opposition liegt, würden wir uns mit unseren Kräften an der Überzeugungsarbeit beteiligen.

Es kann nicht allein im Interesse des Staates sein, Bildung und Forschung zu fördern. Daran müssen auch Firmen Interesse haben und daran müssen auch Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes Interesse haben. Jeder, der nicht egoistisch und nicht nur in kurzen Perioden denkt, wird zu der Überzeugung kommen, dass auf diesem Gebiet mehr getan werden muss. Ob sich eine solche Überzeugung tatsächlich in Geld ummünzen lässt, weiß ich nicht, aber es wäre zu prüfen.

Demnächst wird in dieser Bundesrepublik privates Kapital in enormen Umfang vererbt werden. Es ist durchaus denkbar, dass dieses teilweise oder sogar zum großen Teil zur Minderung der Steuerbelastung und für wohltätige Zwecke in gemeinnützige Stiftungen gegeben wird. Ist es völlig ausgeschlossen, dass eine „Brandenburgische Stiftung Forschung und Bildung” damit bedacht wird?