Ich nenne dazu ein Beispiel. Ich habe eine Versammlung mit fast 300 Besuchern in Schulzendorf erlebt, auf der der Bürgermeister Herr Burmeister, PDS, Frau Kaiser-Nicht, Sie waren anwesend ganz klar und deutlich geäußert hat: Ich setze dieses Kita-Gesetz nicht um. - Wenn ein Verantwortlicher einer Kommune so mit Gesetzen umgeht, frage ich mich, welche Auffassung dieser Mann von Demokratie und demokratischem Rechtsstaat hat.
Mein letzter Gedanke - nun werde ich etwas nachdenklich -: Ich möchte der Landesregierung an dieser Stelle sagen, dass ich es für nicht sehr empfehlenswert halte, angesichts einer bevorstehenden Klage noch einmal über Kürzungen nachzudenken, wobei wir noch nicht einmal wissen, wie der Stand ist. Das halte ich für problematisch
und bitte die Landesregierung, wenn solche Dinge in die Presse kommen - ich kenne es nur aus der Presse -, sich gut zu überlegen, was dann zu tun ist.
Frau Hartfelder, sind Sie auch der Meinung, dass sich das Problematische an der Situation, die Sie gerade beschrieben haben, auch darauf bezieht, dass wir nicht wissen, was ein Kabinett beschließt, dass wir sehr verschiedene Interpretationen in den Zeitungen lesen und auch verschiedene Aussagen von Ministern erfahren, sodass diese Situation für uns als Abgeordnete wirklich schwierig ist?
Ich würde es gern anders formulieren, Frau Osten, als Sie es getan haben. Es ist das gute Recht eines Kabinetts und die Pflicht, Vorgaben zu machen. Im Endeffekt werden wir als Abgeordnete sicher damit konfrontiert. Ich halte auch den Weg für richtig, den Fakt an sich jedoch für überdenkenswert.
Mein letzter Gedanke - diesbezüglich möchte ich mich ausführlich äußern -: Frau Große, ich hatte Ihnen am Anfang gesagt, dass ich das, was Sie als Redebeitrag gebracht haben, sehr bedenklich finde. Ich möchte sogar so weit gehen zu sagen, dass Sie ganz bewusst die Bevölkerung in diesem Land in die Irre führen.
Ich möchte Ihnen dies auch beweisen. Sie unternehmen in Brandenburg den Versuch, Standards über das Maß, das das Land leisten kann, hinaus zu erhalten. Ich möchte Ihnen sagen, was Ihre Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Bereich in den letzten Jahren geleistet haben und sich im Augenblick leisten.
Sie verlangen in Brandenburg von der Landesregierung Standards, die, für uns gesagt, nicht leistbar bzw. auch nicht nötig sind.
Was macht Mecklenburg-Vorpommern? Mecklenburg-Vorpommern - die Sozialministerin ist von der PDS - hat ein Defizit von 8 bis 12 Millionen DM in diesem Jahr, setzt im Bereich Kita 120 Millionen DM - nicht 252 Millionen DM - ein, hat einen Rechtsanspruch für Kinder von drei bis sechs Jahren auf einen Kita-Platz.
- Das ist richtig, aber wenn man hier solche moralischen Vorhaltungen macht, muss man auch sehen, was seine Genossen in Mecklenburg-Vorpommern tun. Das, was Sie tun, ist nicht redlich. Das lassen Sie sich bitte einmal sagen.
Ich kann dies noch weiter ausführen. Der Kinderschlüssel, den Sie immer monieren - das haben Sie, Frau Große, ganz deutlich getan -, ist in Mecklenburg-Vorpommern gerade im Bereich von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren bedeutend schlechter als in Brandenburg. Er ist auch im Hortbereich bedeutend schlechter. Alles, was im Land Brandenburg bedeutend besser ist und von Ihnen noch moniert wird, ist in dem Land, in dem Sie mitregieren, viel, viel schlechter.
Der Städtetag in Mecklenburg-Vorpommern wirft Ihrer Ministerin dort vor, dass sie Statistiken frisieren und im Kita-Bereich schlampen würde. - Danke.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hartfelder. - Ich gebe der Landesregierung das Wort. Herr Minister Reiche, bitte!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Frau Große, Zitate sind immer unvollständig; das ist ihr Kennzeichen. Deshalb will ich Frau Bergmann zu Ende zitieren:
Die Landesregierung hat zu immerhin 101 Einzelfragen sehr umfassend Stellung genommen. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf einzelne Schwerpunkte eingehen, zumal vieles bereits in Veröffentlichungen, Rundschreiben, Infos des MBJS nachzulesen oder vor gar nicht allzu langer Zeit Gegenstand von Anfragen war. Ich möchte vielmehr den Mitarbeitern danken, die mit sehr viel Geduld und Engagement weit über die Dienstzeit hinaus die vielen Informationen zusammengetragen haben, und in gleicher Weise den zuständigen Kollegen in den Kreisen und Gemeinden, die, obwohl sie sich eigentlich anderes vorgenommen hatten, die Probleme der Anfrage so genau sie irgend konnten beantwortet, Informationen zusammengestellt und uns insofern in die Lage versetzt haben, Ihre Große Anfrage zu beantworten.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, im Rahmen dieser Großen Anfrage nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen familienpolitischen Diskussion einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen. In den letzten Wochen haben viele - aus allen Teilen Deutschlands - nach Brandenburg geschaut; denn Bran
denburg hat nicht nur für Kinder im Kindergartenalter, sondern auch, was Krippen- und Hortplätze angeht, ein sehr gut ausgebautes, zugängliches und auch bedarfsgerechtes Netz für die Kindertagesbetreuung. Hätten Sie, anstatt an dieser manchmal leidenschaftlichen, manchmal polemischen, manchmal auch etwas unsachlichen und unfairen Rede zu arbeiten, intensiver in die vielen Statistiken geschaut, die in den letzten Wochen und Monaten veröffentlicht worden sind, hätten Sie nicht nur in der „Wirtschaftswoche” nachgeschaut, sondern auch bei der GEW und anderen nachgefragt, dann hätten Sie gesehen: In all diesen Statistiken liegt Brandenburg vorn, nämlich auf Platz 1. In Brandenburg scheitert die Berufstätigkeit von Frauen und Männern nicht daran, dass keine entsprechenden Betreuungsplätze zur Verfügung stehen - anders als etwa in Bayern oder BadenWürttemberg. Brandenburg hat schon seit langem ein KitaGesetz, das kommunalen Handlungsspielräumen eine hohe Bedeutung beimisst.
Man fragt sich immer: Wann meinen Sie kommunale Selbstverwaltung wirklich ernst? Nur dann, wenn es um mehr Geld für die Kommunen geht, zulasten des Landeshaushaltes? Oder meinen Sie das, was Sie sagen, auch dann konsequent ernst, wenn es darum geht, die Entscheidungskompetenz den Kommunen auch in diesem Bereich zu übertragen?
Sie führen Ihren eigenen Ansatz ad absurdum, wenn Sie dann immer wieder die Negativbeispiele als Beispiel für das Gesamte nehmen. Natürlich haben auch Kommunen die Möglichkeit, Fehlentscheidungen zu treffen. Aber dann seien Sie so fair und nehmen Sie das Ganze! Die 500%ige Steigerung der Kita-Beiträge in Brieselang zum Beispiel hängt eben nicht mit dem Gesetz zusammen. Man muss auseinander halten, was Auswirkung des Gesetzes und was kommunale Selbstentscheidung ist. Sehen Sie sich die Zahlen an!
Sie haben die Möglichkeit, die Zahlen zu vergleichen. 45,5 % beträgt die Betreuungsquote in Brieselang. Sie liegt unterhalb der Landesbetreuungsquote von null bis zwölf. Da haben wir nämlich eine 54,2%ige Betreuungsquote. Das heißt, Brieselang hat viele Kinder, bekommt relativ viel Geld dafür und hat eine geringere Betreuungsquote als in anderen Landesteilen. Das heißt, sie sind eben gerade nicht durch die Änderung des Gesetzes gezwungen oder gehalten gewesen, ihre Beiträge zu erhöhen. Sie verschweigen uns aber, was Ihnen hier vielfach gesagt worden ist. Frau Blechinger und ich können Ihnen gern die Adressen der Personen geben, die in Potsdam durch die Änderung bei den Kita-Gebühren sogar eine Entlastung bekommen haben. Das wird von Ihnen in dem Zusammenhang nicht gesagt oder nicht gesehen.
Wir haben durch die Umstellung der Finanzierung auf die Kinderkostenpauschale und die Übertragung der Leistungsverpflichtung weitere Voraussetzungen für örtlich angepasste Lösungen geschaffen. Es sind viele innovative Konzepte entwi
ckelt worden. Ich weiß nicht, ob zum Beispiel der Abgeordnete Hammer auch so bösartig und kritisch über die Möglichkeit reden würde, dass man zur Finanzierung von Handwerkern, die Kindern auf solchen Spielplätzen etwas Sinnvolles beibringen, jetzt auch Landesgeld mit heranziehen kann. Man muss doch nicht. Wir haben diese Möglichkeit deutlich gemacht. In manchen Kommunen, in denen mittlerweile nicht nur ein Kindergarten da ist, sondern wo praktisch Bürgerhäuser aus den Kindergärten entstanden sind, wo Ältere mit herangezogen werden, wo dann eben auch Handwerksmeister mit herangezogen worden sind, haben wir gesagt: Diese guten Ansätze sind so gut, dass wir die Kitas zu Konsultationskitas erklären und andere sich vor Ort erkundigen können, wie man es macht.
Brandenburg hat ein modernes und zukunftsweisendes KitaGesetz, das auch bildungs- und arbeitsmarktpolitische Belange ernst nimmt und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen familiärer Erziehung und öffentlicher Förderung abbildet. Damit hat Brandenburg die Grundlage und ein Netz an Kindertagesbetreuung, um das uns andere in ganz Deutschland beneiden.
Ich möchte die finanziellen Zwänge nicht beschönigen, aus denen heraus die Novelle des Kita-Gesetzes entstanden ist. Auch möchte ich nicht die große Geschwindigkeit in Abrede stellen, mit der die Veränderungen für die Kommunen vonstatten gegangen sind. Aber nach all unseren Informationen und Eindrücken, die wir seit der Novelle aus Ämterberatungen, aus Kontakten mit den Leistungsverpflichteten und den Jugendämtern, auch aus Gesprächen mit Eltern gesammelt haben, sehen wir, dass die Gestaltungsspielräume vielfach genutzt worden sind und dass insofern eine Zusage bei der Novellierung des Gesetzes und - ich gebe zu - auch eine Hoffnung wirklich aufgegangen ist.
Das Kita-Angebot in Brandenburg ist reicher und vielgestaltiger geworden. Es wird damit sehr unterschiedlich umgegangen, weil diese vermehrten Gestaltungsspielräume vorhanden sind. Der Gestaltungswille ist durchaus unabhängig von der jeweiligen finanziellen Situation.
Ich will Ihnen das einmal an der Frage der differenzierten Angebotsform verdeutlichen. Vielleicht rufen Sie sich in Erinnerung, was Herr Struck über die bei Bertelsmann herausgefundene beste Schule der Welt gesagt hat. Sie ist nämlich gerade in einer schwierigen finanziellen Situation zu einer so guten Einrichtung geworden, dass sie jetzt weltweit beispielgebend ist. Damit will ich nicht dem Zynismus das Wort reden, man müsse die Kindergärten und Kommunen bloß in eine genügend schwierige Situation bringen, damit sie auch innovativ würden.
In manchen Landkreisen, Städten und Gemeinden wird schon lange überlegt, wie ein vielfältiges und bedarfsgerechtes Angebot aussehen könnte. Wir selbst haben schon lange Ideen entwickelt und umgesetzt und nutzen gern die durch unser Kita-Gesetz erweiterten Möglichkeiten. Ich habe vor kurzem eine solche Einrichtung in Ludwigsfelde besucht, eine der eben schon genannten Konsultationskitas, die weit über den Rahmen einer traditionellen Kindertagesstättenarbeit hinaus Angebote für Kinder, Jugendliche, junge Eltern und alte Menschen unterbreiten: das Kinderhaus „Blitz” in Ludwigsfelde, nicht weit von hier; ich empfehle Ihnen dringend den Besuch.
Angebot zukünftig einmal aussehen soll. Und wieder andere sagen uns, bei ihnen würde sich vorerst nichts ändern, würde es auch weiterhin keine Tagespflege, keine anderen Angebotsformen geben, es bestünde daran kein Interesse. Im selben Kreis, ein paar Kilometer weiter, reicht das Tagespflegeangebot überhaupt nicht, die Nachfrage ist viel größer.
Lassen Sie mich hinzufügen, dass sich in den letzten Monaten, obwohl die Einführung sicher ein außerordentlich schwieriger und schmerzlicher Vorgang war, weil auch viele Befürchtungen geweckt worden sind, schon an vielen Stellen ein Erfolg gezeigt hat, nämlich, dass die kommunale Selbstverwaltung mit der Kinderkostenpauschale ernst genommen worden ist, dass sich das Angebot und die guten Beispiele vermehrt haben. Insofern lassen Sie uns einmal die Vertreter der verschiedenen Konsultationskitas in den Ausschuss einladen, damit sie uns dort sagen, wie sie mit dem vielen Geld, das wir in Brandenburg nach wie vor zur Verfügung stellen - es ist mehr als in anderen Ländern -, umgehen und welche nicht nur für Brandenburg, aber auch für Brandenburg beispielgebenden innovativen Konzepte entwickelt wurden. Das, denke ich, ist eine bessere Anerkennung auch für die Arbeit der Erzieherinnen und Betreuerinnen vor Ort und die guten Entscheidungen unserer kommunalen Vertretungskörperschaften. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Herrn Minister Reiche und gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS, an Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht.