Protocol of the Session on June 21, 2001

Die Aussage, dass die Bedeutung von Kindertagesbetreuung in der kommunalpolitischen Diskussion zugenommen hat, meint wahrscheinlich die Resonanz, die es auf die Änderung des KitaGesetzes an sich gab.

Andererseits geht es um die Frage, warum wir uns eigentlich noch die Mühe machen sollten, ein Gesetz auszuwerten, welches demnächst vielleicht weiteren Änderungen unterliegen wird. Denn auch in der Antwort auf die Anfrage betont die Landesregierung, dass kein Gesetz für die Ewigkeit bestimmt sei und es eine Selbstverständlichkeit sei, an Details Verbesserungen vorzunehmen. Aussagen, für wen diese Verbesserungen sein könnten, werden wohlweislich nicht getroffen.

Wie jedoch der Vorschlag des Finanzministeriums zum Doppelhaushalt 2002/2003 zeigt, ist die nächste Veränderung nur eine Verbesserung des Haushalts und keinesfalls eine für Familien, Kinder oder den Bildungsauftrag.

(Beifall bei der PDS)

Ich frage mich ebenfalls, welche Zahlen man beachtet, wenn man Zuschüsse aufgrund zurückgehender Hortkinderzahlen streichen bzw. kürzen will.

Gleichzeitig werden nachweislich auch vom Bund erhoffte gestiegene Geburtenzahlen ignoriert. Diese Zahlen beweisen aber laut der letzten Ausgabe der „KITADEBATTE”, Heft 1/2001, ein stetiges Wachstum und belegen, dass bereits 1998 die Zahlen von 1991 wieder erreicht wurden und die Talsohle der Geburtenzahl von 1992 und 1993, die sich in der Schule ankündigte, längst überwunden ist.

Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2001 und gerade die Zahl der kostenintensiven Krippenkinder ist steigend. Dies kann man allerdings nicht der Antwort der Landesregierung entnehmen, denn tatsächlich sind dort nur Zahlen in die Auswertung eingegangen, die keineswegs repräsentativ sind und eine weitere Kürzung der Zuschüsse erst recht nicht zulassen.

Was will die Landesregierung dagegen tun, dass junge Frauen, die eine höhere Bildung anstreben, zum Zeitpunkt der Aufnahme einer Tätigkeit zu hören bekommen, dass Familien nicht das Recht haben, Aufgaben an andere zu delegieren, was in der heutigen Zeit aber niemand wirklich tun will.

Natürlich brauchen Kinder ihre Eltern, aber sie brauchen auch zufriedene, glückliche Eltern, die sich Kinder leisten können und ihnen mit Engagement Lebensgefühle vermitteln.

(Beifall bei der PDS)

Das Land kann sich also in einer Zeit der Haushaltsmisere nicht einfach aus der Verantwortung nehmen. Es muss feste Zusagen einhalten. Ich denke, dass die festgesetzte Summe der Förderung vom Land im Gesetz doch auch wichtig war und ist, um nicht vorschnell etwas anzugreifen, was sich noch nicht einmal bewähren bzw. beweisen konnte.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Wie kann es das Land vertreten, dass gerade während der Elternzeit, in der es heute möglich ist, eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen, kein Rechtsanspruch auf Betreuung besteht? Wir haben entschieden, dass ein Rechtsanspruch auf Betreuung erst ab dem dritten Lebensjahr des Kindes besteht. Bis dahin sollen sich also Frau und Mann mit Gewissensbissen quälen,

ob es richtig ist, was sie tun? Dieses Gefühl darf nicht vermittelt werden.

Sehen wir uns doch einmal bei den europäischen Nachbarn um. Kein Land hinkt in der Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie so hinterher wie Deutschland.

(Beifall bei der PDS)

Damit meine ich nicht, dass wir keinen gesetzlichen Rahmen haben, um arbeiten gehen zu können. Wir beschwören aber einerseits Gewissenskonflikte herauf und andererseits geht es um die Finanzen für die Träger der Kindereinrichtungen sowie für die Eltern.

Ein weiterer Punkt, weshalb man dem Kita-Gesetz erst einmal eine Chance geben sollte, bevor man es schon wieder verändert, ist, dass man eine Vielfalt an Betreuungsmöglichkeiten schafft.

Die Antwort des Ministeriums zeigt eindeutig, dass es eine Neugestaltung auf dem Sektor der Kinderbetreuung geben wird. Es sind erste Bestrebungen bemerkbar. Mehr war in der Kürze der Zeit aber auch nicht möglich. Ich denke, nur neun Monate nach Einführung des Gesetzes wäre alles andere unrealistisch. Schädlich wäre ein überschneller Eingriff, der den sich vollziehenden Perspektivwandel von Kindertagesstättenbetreuung zu Kindertagesbetreuung einfach „abwürgen” würde. Sehr ausführlich sind die Möglichkeiten der praxisbezogenen Neugestaltung in der letzten Ausgabe der „KITADEBATTE”, Heft 1/2001, unter dem Namen „Kindertagesstätten im Wandel - Vielfalt gestalten” dargestellt worden.

Ich bitte Sie zum Abschluss dafür um Verständnis, dass - wie es auch die lückenhafte Beantwortung der Großen Anfrage deutlich macht - noch keine Aussagen über die Auswirkungen des neuen Kita-Gesetzes gemacht werden können, sondern dass offensichtlich nur über Tendenzen gesprochen werden kann. Insofern ist auch in der Anfrage nur die Vermutung der PDS formuliert, dass es zu zusätzlichen Belastungen von Erzieherinnen und Schwierigkeiten beim Erhalt qualitativer Standards in der Kindertagesbetreuung kommen kann.

(Zuruf von der PDS: Tatsachen!)

Doch denken Sie auch gleichzeitig daran, dass man einen Baum im Wachstumsprozess nicht bis auf die Wurzeln zurückschneiden kann, wenn man noch Früchte ernten möchte.

(Beifall bei SPD und PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Redepenning. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lesen Sie eigentlich Zeitung oder den täglichen „Pressespiegel”? Das tut unsere Landesregierung anscheinend nicht. Denn ansonsten kann man sich den auffallend oft vorkommenden Standardsatz in den Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage zu den Auswirkungen der Änderung des Kita-Gesetzes nicht

erklären. Dieser Satz lautet: Dazu liegen der Landesregierung keine oder nicht genügend Angaben vor.

Oft wird darauf verwiesen, dass das Gesetz erst seit wenigen Wochen bzw. Monaten in Kraft ist. Das ist richtig. Aber bei einigen Fragen wäre eine Antwort der Landesregierung durchaus möglich gewesen. So besitzt die Landesregierung nach eigener Aussage keine systematischen Erkenntnisse über die Höhe des Anteils der Elternbeiträge an den Gesamtplatzkosten nach der alten Rechtslage.

Ganz besonders aufschlussreich fand ich die Antwort auf die Frage, wie die stundenweise Betreuung in einer Kita, zum Beispiel bei einer stundenweise häuslichen Abwesenheit der Eltern, organisiert wird. Ja, auch die Landesregierung hält die Betreuung von Kleinstkindern durch eine Kita für sehr problematisch. In der Antwort auf die Frage wird dazu auch gleich aus einem Informationsschreiben zitiert:

„Wenn Kindertagesstätten den Eltern in Einzelfällen auch helfen sollen, Betreuungsnotfälle zu bewältigen, bleibt doch die Frage, ob auf kurzzeitige und kurzfristige Unterbringung regelmäßig ein Rechtsanspruch besteht. Diese Auslegungsfrage wird allerdings nur selten praktische Bedeutung haben, da verantwortungsbewusste Eltern schon im Interesse des Kindeswohls eine Betreuung durch bekannte Personen vorziehen werden.”

Also her mit den kostenlosen Tanten, Omas und Opas! Aber was ist mit all denen, die keine Verwandten oder Bekannten haben, die sich um die Kinder kümmern können? Sind solche Leute verantwortungslos?

Auch die Antwort auf die Frage, welche Analysen der Landesregierung zu besonderen Entwicklungsproblemen und zum Freizeitverhalten von Schulkindern ab zehn Jahre vorliegen, ist sehr interessant. Die Landesregierung teilt sinngemäß mit, dass nach Erkenntnissen aus der Fachliteratur Schulkinder mit wachsendem Alter selbstständiger werden. - Schön, was man der Fachliteratur alles entnehmen kann! Weiter heißt es, wichtig sei ein vielfältiges Angebot, das auch den Bedürfnissen der Kinder nach Bewegung und Herausforderung entspreche. Wörtlich heißt es:

„Dazu ist ein breites Angebotsspektrum erforderlich, das zum Beispiel offene Kinderfreizeitangebote, schulische und außerschulische AGs, Sportangebote und Musikschulen umfasst.”

Ja, das hört sich ziemlich gut an. Aber wie sieht es hier im Land Brandenburg aus? Es wird nicht nur alles teurer - die Fahrpreise, die Eintrittsgelder für Schwimmhallen und Tierparks -, sondern es mussten in der Vergangenheit auch viele Jugendeinrichtungen geschlossen werden, weil es angeblich an den nötigen Finanzen fehlte. So verwundert auch die Antwort der Landesregierung auf die Frage, wie der Ausbau öffentlicher Freizeitangebote für Kinder über zehn Jahre erfolgen soll, nicht. Den hatte die Landesregierung ja im Zusammenhang mit der Einschränkung des Rechtsanspruchs für Hortkinder angekündigt. Die Landesregierung antwortet, dass die Beantwortung dieser Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Falls sich diesbezüglich etwas tun sollte, werde sie die Fachöffentlichkeit hierüber in Veranstaltungen und mittels Broschüren informieren. Mal sehen, ob sich in naher Zukunft in den Medien

etwas über die Verbesserung von Freizeitangeboten finden wird. In der letzten Zeit konnte man der Presse diesbezüglich nicht viel Positives entnehmen. Im Gegenteil, wenn über die Jugendarbeit oder das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche hier im Land Brandenburg berichtet wurde, dann hatten diese Berichte überwiegend die katastrophalen Auswirkungen, die mit den Kürzungen oder dem Wegfall von SAM- und ABM-Stellen verbunden sind, zum Gegenstand. Aber vielleicht gibt es in naher Zukunft auch etwas über die Aktivitäten zur Verbesserung von Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche zu berichten. Es wäre schön, wenn wir diesbezüglich der Presse einmal etwas Positives entnehmen könnten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Ich gebe das Wort an die CDU. Frau Abgeordnete Hartfelder, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Große, ich bin entsetzt, aber dazu komme ich nachher noch.

Die Beantwortung der etwa einhundert Fragen, die die PDSFraktion am 15. Januar 2001 eingereicht hat, nachdem das KitaGesetz gerade 15 Tage in Kraft gesetzt war, war für die Landesregierung bestimmt äußerst schwierig. Dabei kann man feststellen, dass die Fragen zur Ermittlung vorhandener Daten sehr umfassend beantwortet worden sind, dass es aber natürlich nicht leistbar war, die Umsetzung des Gesetzes zu dokumentieren. Das ging innerhalb von vier Monaten einfach nicht.

Geht man einmal davon aus - Frau Kollegin Fechner, damit komme ich zu Ihnen -, dass wir im Land ungefähr 1 900 Kindertagesstätten haben und dass die Mittel, die das Land Brandenburg aufbringt, Zuschüsse und Zuweisungen im Wert von 252 Millionen DM umfassen, die auf einzelne Mark und einzelnen Pfennig nicht hinterfragt werden können, und dazu noch die Änderung kommt - bisher waren die Kreise und jetzt sind die Kommunen verantwortlich -, dann ist das nicht leistbar. Es hat sich die gesamte Struktur der Kita-Finanzierung verändert. Eine seriöse Beantwortung der Fragen aus der Großen Anfrage war also wirklich nicht möglich.

Daher, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, drängt sich mir die Vermutung auf, dass Sie diese Anfrage gestellt haben, um vielleicht noch Datenmaterial für die bevorstehenden Gerichtsverhandlungen zu erhalten.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Große [PDS] - Homeyer [CDU]: Das ist doch klar!)

Frau Kollegin Große, wir haben eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung. Ich besitze einen Stapel einzelner Berichte von verschiedenen Kitas aus verschiedenen Landkreisen und von einer ganzen Reihe von Trägern. Das Horrorszenario, das Sie im letzten Jahr mit geschürt haben, von dem Sie heute wieder eine Kostprobe vorgetragen haben, hat sich nach meiner Wahrnehmung so nicht bestätigt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich nenne ein Beispiel: Brandenburg ist ein ländlich geprägter Raum. Die Größe des Landes bedingt, dass wir in der Regel kleinere Gemeinden haben. Ich habe ein Beispiel einer kleineren Gemeinde, das ich einmal vorlesen möchte:

„Die Auswirkungen des neuen Kita-Gesetzes, insbesondere die Gebührengestaltung, ist im Amtsbereich Boizenburg unspektakulär verlaufen. Rechtzeitige Information und Einbindung der Eltern in die Satzungserarbeitung und -beschlussfassung in den Gemeindevertretungen sind eine wesentliche Ursache dafür. Die Identifikation mit unseren Kindergärten ist wohl in den Dörfern ausgeprägter als anderswo.”

Das sind nicht meine Worte, sondern das ist ein Zitat aus dem Schreiben des Amtsleiters des Amtes Boizenburg.

„Für die Verwaltung war die klare und eindeutige Einkommensdefinition wichtig. Daher war die Mehrbelastung für die Eltern, die immer ihre Beiträge korrekt gezahlt haben, auch erträglich. Probleme gab es zumeist mit Eltern, die ihre Einkommenssituation nicht darlegen wollten, aus welchen Gründen auch immer.”

Dennoch weiß ich, dass wir im Land ein sehr differenziertes Bild zeichnen müssen. In den ländlichen Regionen gab es im Wesentlichen keine Probleme. Es gab auch keine Satzungsänderungen, die Eltern besonders belasten. Das ist meine Wahrnehmung. Ich habe landesweit stichprobenartig nachgefragt, was der Landesregierung bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht möglich war.

Probleme gibt es in einem Bereich, den wir Großstadt nennen können - das haben Sie, Frau Große, deutlich gemacht -, und im berlinnahen Raum. Das ist mir bewusst. Deshalb haben wir in diesem Jahr 12,4 Millionen DM mehr in Ansatz gebracht, um die Strukturanpassungsprobleme mit abfangen zu können. Aber ich sage auch ganz deutlich: Dort, wo es Probleme gab, haben wir immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass in den letzten Jahren weniger gehandelt worden ist und Kommunen der Auffassung waren, wir können das, was wir jahrelang versäumt haben, mit einem Zug nachholen.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Ich nenne dazu ein Beispiel. Ich habe eine Versammlung mit fast 300 Besuchern in Schulzendorf erlebt, auf der der Bürgermeister Herr Burmeister, PDS, Frau Kaiser-Nicht, Sie waren anwesend ganz klar und deutlich geäußert hat: Ich setze dieses Kita-Gesetz nicht um. - Wenn ein Verantwortlicher einer Kommune so mit Gesetzen umgeht, frage ich mich, welche Auffassung dieser Mann von Demokratie und demokratischem Rechtsstaat hat.