„aber es gibt auch Sorgen im Hinblick auf die Erweiterung. Wer diese Sorgen übersieht oder mit Blick auf das große Ganze darüber hinwegredet, der setzt die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für die Öffnung der Europäischen Union insgesamt aufs Spiel.”
Bevor ich dem Abgeordneten Lenz, der für die SPD-Fraktion sprechen wird, das Wort erteile, begrüße ich herzlich Vertreter der gereiften Generation aus Eisenhüttenstadt. Herzlich willkommen bei uns!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 4,47 Milliarden DM - um es noch einmal zu verdeutlichen: Das ist ein Fünftel des brandenburgischen Landeshaushaltes - für die Entwicklung der Grenzregionen Deutschlands zu Polen und Tschechien - dieses hört sich phantastisch an und hat - Frau Stobrawa, ich muss es an dieser Stelle ehrlich eingestehen - auf mich auch einen gewissen Reiz ausgeübt. Doch irgendwann ist jeder Traum zu Ende. Lassen Sie uns über die Tatsachen reden!
Die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU hatten zu Beginn der Legislaturperiode die Europapolitik und hier insbesondere die EU-Osterweiterung zu einem Schwerpunktthema gemacht. Dieses Bemühen haben Sie, meine Damen und Herren von der PDS, dankenswerterweise bis heute aktiv begleitet. Die Landesregierung, die Koalitionsfraktionen und der Europaausschuss haben von Beginn an zwei Dinge klar benannt:
Erstens: Wir wollen die Erweiterung der EU unter dem Aspekt der Wahrung von Stabilität in Europa, da sie ein Gewinn für Brandenburg ist.
Zweitens: Wir wollen, dass durch die Erweiterung Europas für Brandenburger Bürger keine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität entsteht.
Unter diesen Gesichtspunkten hat die Landesregierung Brandenburgs auch mit Unterstützung der anderen Grenzländer Meck
lenburg-Vorpommern, Sachsen, Berlin und Bayern bei der EU ein Grenzlandprogramm eingefordert. Ich danke an dieser Stelle ganz besonders Herrn Minister Schelter, dass er sich so intensiv dafür eingesetzt hat.
Schwerpunkte darin sollen unter anderem erstens der geforderte Ausbau der verkehrlichen Infrastruktur sein - ich nenne hier nur transeuropäische Netze -, zweitens die mögliche grenzübergreifende Verzahnung von INTERREG III a und PHARE CBC und drittens die flexible Gestaltung einer befristeten Aussetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Wir legen besonderen Wert auf die flexible Gestaltung, da es sicherlich nicht in allen Bereichen notwendig ist, die Arbeitnehmerfreizügigkeit einzuschränken. Es ist wichtig, dass man hier flexibel reagieren kann.
Meine Damen und Herren, dieses Programm - so hat es Kommissar Verheugen am 28. Mai auf der Tagung der europapolitischen Sprecher der SPD-Fraktionen bestätigt - wird demnächst in Brüssel auf dem Tisch liegen. Damit steht den Grenzregionen ein Programm zur Verfügung, mit dem schon im Vorfeld der Erweiterung an der Erleichterung des Übergangs gearbeitet werden kann.
Parallel zu den geplanten EU-Maßnahmen hat die rot-grüne Bundeskoalition die Bundesregierung aufgefordert, die EUOsterweiterung innenpolitisch zu flankieren. Dieser Prozess soll das Zusammenwachsen der Grenzregion erleichtern. Hier möchte ich nur einige Stichpunkte nennen: Informationskampagne, um die Bevölkerung besser auf das Gemeinsame der Erweiterung vorzubereiten, Einsatz strukturpolitischer Instrumente, Arbeitsmarktpolitik, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Förderung des Jugendaustausches, Infrastruktur, Sicherheitszusammenarbeit, gerade um Ängste in der Bevölkerung abzubauen.
Die Landesregierung hat ein Europapolitisches Programm vorgelegt. Wir haben auf der 36. Landtagssitzung darüber beraten. Aus meiner Sicht haben sich damit die EU, die Bundesregierung und das Land Brandenburg auf ein relativ reibungsloses Zusammenwachsen Europas vorbereitet. Hier sind auch die Sorgen und Anregungen der Grenzlandkammern und -verbände mit eingeflossen. Gerade mit dem Handwerk der Grenzregion hat es dazu viele Gespräche gegeben. Deshalb, meine Damen und Herren von der PDS, sehe ich Ihren Antrag als plakativ an. Die aus der EU zurückfließenden Mittel gehen in die allgemeine Deckung des Bundeshaushalts ein. Wie und aus welchen Töpfen die Flankierung der EU-Osterweiterung durch den Bund finanziert wird, ist einzig Angelegenheit des Bundestages.
Die zurückgeflossenen EU-Mittel werden diesen Denkprozess unstrittig erleichtern. Sicher ist aber, dass sowohl das EUGrenzlandprogramm als auch die innenpolitische Flankierung des Bundes ohne Geld nicht machbar sind. Das heißt für uns, für das Land Brandenburg, dass wir Mittel für die EU-Osterweiterung einplanen müssen. Lassen wir uns in der in den nächsten Wochen beginnenden Haushaltsdiskussion 2002/2003 nach Brandenburger Möglichkeiten für die Absicherung der EU-Osterweiterung suchen, ohne die unabdingbare weitere gleichmäßige Entwicklung des Landes Brandenburg aus dem Auge zu verlieren.
Meine Damen und Herren der PDS, unterstützen Sie uns bei diesem Prozess! Ihren vorliegenden Antrag wird meine Fraktion ablehnen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hilfe für die Grenzregionen Brandenburgs tut Not. In diesem Punkt, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, geben wir Ihnen durchaus Recht. Aber, Frau Stobrawa, ich hege an dem von Ihnen Gesagten aus zwei Gründen Zweifel. Zum einen stellt sich die Frage, aus welchen Gründen laut Aussage von EUHaushaltskommissarin Schreyer im Haushaltsjahr 2000 11 Milliarden Euro nicht ausgegeben wurden. Diese Mittel wurden nicht ausgegeben, weil sie zum Beispiel von Brandenburg mangels entsprechender Kofinanzierungsmöglichkeiten einfach nicht abgefordert wurden. Ich nenne Ihnen nur eine Zahl: Im Kapitel 08 050 - Wirtschafts- und Strukturförderung - des Einzelplans 08 des Wirtschaftsministeriums wurde von den geplanten 1,5 Milliarden DM lediglich etwas mehr als eine Milliarde DM abgefordert. Davon waren mehr als die Hälfte, also weit über eine Viertelmilliarde DM, EU-Mittel.
Statt nun - wie die PDS - eine Initiative Brandenburgs zusammen mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Sachsen zu fordern, um die an den Bund zurückfließenden nicht ausgegebenen EU-Mittel für die Grenzlandförderung locker zu machen, wäre es sinnvoll gewesen, diese von vornherein rechtzeitig anzufordern und zu verausgaben.
Hinzu kommt, dass gerade die Grenzregionen Brandenburgs von der Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise des Landes am stärksten betroffen sind. So sieht der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt (Oder), Jürgen Watzlaw, die ostbrandenburgische Wirtschaft in einer tiefen Strukturkrise. Mit Nachdruck wurde die Auflage eines Infrastrukturprogramms für die Grenzregion verlangt. Für ein solches und andere Programme für die Grenzlandförderung könnten die an die Bundesrepublik Deutschland als größten EU-Nettozahler zurückerstatteten 4,47 Milliarden DM bzw. Teile davon verwendet werden. Das deutete auch unser Ministerpräsident, Dr. Stolpe, kürzlich bei einer Veranstaltung in Cottbus an, wie der Presse zu entnehmen war.
Der zweite Pferdefuß bei dem hier vorliegenden PDS-Antrag besteht darin, dass, sollte es gelingen, EU-Rückerstattungsgelder für Brandenburg von der Bundesregierung zu bekommen, diese auch wirklich für die kleinen und mittelständischen Betriebe im Brandenburger Grenzland eingesetzt werden. Es kann nämlich nicht angehen - und genau das unterstellen wir den PDS-Genossinnen und -Genossen -, dass mit diesen Geldern statt der eigenen Wirtschaft die Wirtschaft auf der anderen Seite der Grenze, nämlich in Polen, zulasten der eigenen Betriebe aufgepäppelt wird.
Das gilt erst recht angesichts der Tatsache, dass die Warschauer Regierung derzeit in Brüssel versucht, im Falle eines EU-Beitritts eine fünfjährige Übergangsfrist zu erreichen, während der Erwerb von Immobilien für Investitionen in den Städten limitiert werden soll, und weiter versucht, eine achtzehnjährige Frist zu erreichen, während der landwirtschaftliche Grund und Boden sowie die Wälder von der Kapitalverkehrsfreiheit ausgenommen werden sollen.
Nach unserer Revolution, die die dort eigentlich weg haben wollten, wurde bei uns alles an andere Länder verkauft. Das vergessen Sie bitte dabei nicht, Herr Schippel!
Und genau das, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, nämlich ob es sich um eine Förderung der deutschen Grenzregion zu Polen bzw. der Tschechischen Republik handeln soll, geht aus Ihrem hier vorliegenden Antrag nicht eindeutig hervor. Aus diesem Grund lehnen wir ihn selbstverständlich ab.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man als Letzter in der Reihe der für die Fraktionen Stellung Nehmenden spricht, hat man es relativ leicht. Man kann sich entweder darauf beziehen, was vorher gesagt worden ist, und sagen: Ich bin der gleichen Meinung, oder man kann das eine oder andere richtig stellen. Das möchte ich hier tun.
Punkt eins, zu Ihrem Beitrag, Herr Schuldt: Wir reden hier - und das schon seit einigen Monaten - über das Aktionsprogramm zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen. Dabei meinen wir die Grenzregionen hier in Deutschland.
Es hat nie jemand davon gesprochen, dass wir riesige Maßnahmen jenseits der Grenze fordern. Ich hoffe, damit ist das eindeutig geklärt.
Punkt zwei: Liebe Frau Stobrawa, ich habe mit den Zahlen, die in Ihrem Antrag stehen, ein wenig Probleme. In dem Antrag steht die Zahl 4,47 Milliarden DM. Mir liegt eine Pressemitteilung von Frau Schreyer vor, in der es um 3,7 Milliarden DM geht. Aber die eine Milliarde mehr oder weniger ist auch nicht entscheidend, wir bekommen sowieso nicht den gesamten Betrag, sondern höchstens einen Anteil davon.
Ich möchte noch einmal auf den Beitrag von Herrn Lenz zurückkommen, der schon richtig gesagt hat, dass das Geld zunächst in den Bundeshaushalt geht bzw. der Bundeshaushalt in diesem Jahr nicht mit den vollen Beiträgen für die EU belastet wird. Insofern hätte man Haushaltsspielräume. Aber vergessen
Sie nicht die Steuerreform und alles andere, was für den Bund noch ansteht. Ich glaube nicht, dass der Spielraum so groß ist, dass Sie erwarten können, dass die über 3 Milliarden DM hier für solche Zwecke eingesetzt werden können.
Mein Punkt drei geht auch an Sie, Frau Kollegin Stobrawa. Der Bund hat Sie wahrscheinlich schon - wie haben wir das früher immer gesagt? - überholt ohne einzuholen, jedenfalls von links überholt. Inzwischen liegt im Europaausschuss des Bundes ein in eine Beschlussempfehlung gegossener Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90 zur Unterstützung der Erweiterung der EU vor. Da steht dieses Aktionsprogramm explizit drin. Das heißt, die Initiative von Brandenburg ist nicht nur vom Bund aufgenommen worden, sondern sie findet sich auch dort in der Beschlussfassung mit der Maßgabe wieder, dass das Programm aktiv zu unterstützen ist. Für dieses Programm werden also Gelder fließen. Die Beschlussempfehlung muss zwar noch in den Bundestag, aber das ist für mich nur eine Frage der Zeit. Damit ist das also erledigt. Aus diesem Grund können wir Ihrem Antrag leider nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Europaminister dieses Landes ist das eine sehr schöne Debatte. Zum einen findet er sich in seinen Vorstellungen in den Ausführungen der Koalitionsfraktionen wieder und zum anderen, Frau Stobrawa, macht es immer mehr Freude, Ihnen zuzuhören, weil Ihre Reden zunehmend aus Beiträgen der Landesregierung bestehen. Ich finde Bausteine wieder. Es freut uns natürlich, dass wir hier einen ganz engen Schulterschluss auch mit der großen Oppositionspartei in diesem Landtag haben.