Jetzt komme ich zum eher theoretischen Teil der Geschichte. Das Thema ist leider von hoher Aktualität. Frau Kaiser-Nicht hat das noch einmal betont; deshalb will ich das nicht weiter ausführen. Das 1998 beschlossene Handlungskonzept hat noch nicht das an Ergebnissen gebracht, was wir uns wünschen müssten.
Ich möchte meinen Beitrag mit zwei Vorbemerkungen beginnen. Toleranz ist die Haltung souveräner Menschen mit Selbstwertgefühl - und da bin ich wieder bei meinem kleinen Gregor -, Allgemeinbildung und Begabung. Das heißt, dass man Toleranz
nicht isoliert entwickeln oder vermitteln kann. Sie ist auch immer sehr persönlich, sehr konkret und auf Situationen bezogen zu entwickeln. Sie ist aber auch immer an die Förderung des Selbstwertgefühls des Einzelnen gebunden. Denn Intoleranz entsteht nach meiner Erfahrung immer dort, wo Menschen von Minderwertigkeitsgefühlen bestimmt werden, wo Kenntnisse über soziale Zusammenhänge und Strukturen fehlen und wo eigene soziale Probleme ausgeglichen werden, indem gesagt wird: Der Schwächere ist derjenige, den ich angreife.
Genau deshalb müssen wir verdeutlichen: Wer anderen Menschen ihre Würde streitig macht, stellt sich selbst außerhalb unserer Gemeinschaft.
Wir müssen analysieren, warum Menschen den wichtigsten Grundsatz unserer demokratischen Verfasstheit, die Würde des Menschen ist unantastbar, immer wieder verletzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch im Landtag in sehr viel größerer Breite von diesem gemeinsamen Grundsatz getragen werden, als es manchmal in der Öffentlichkeit den Anschein hat. Das schließt selbstverständlich entschiedene politische Grundsätze nicht aus. Die schwierige Aufgabe für uns besteht aber nun darin, Gewaltbereitschaft und Radikalismus nicht gegeneinander zu instrumentalisieren und als Kampfmittel in der politischen Auseinandersetzung zu gebrauchen, sondern sie aus der gemeinsamen humanistischen Weltverantwortung und dennoch aus der jeweils eigenen politischen Haltung heraus zu bekämpfen.
Ich glaube auch, dass Gewalt und Radikalismus häufig zusammengehen, weil Menschen, die Ordnungen nicht erkennen oder sie nicht ernst nehmen, leichter radikalisiert werden als andere. Darum ist es wichtig, gerade jungen Menschen Orientierung zu geben, ihnen Vorbilder vorzuleben und verbindliche Lebensnormen anzubieten, aber auch einzufordern.
Das habe ich in meinem Bild am Anfang deutlich gemacht. Es genügt eben nicht, Jugendliche um unserer eigenen politischen Rechtfertigung willen ihrer Kleidung und ihres Haarschnitts wegen in bestimmte Kategorien einzuordnen, sondern wir müssen ihre Handlungsmotivationen und ihre Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppen hinterfragen. Ich glaube übrigens auch, dass es viel ergebnisreicher ist, wenn wir klare Erziehungsziele feststellen und sie auch anstreben, wenn wir für eine gute Ausbildung sorgen und den Schülern durch erfüllbare Leistungskriterien auch Erfolgserlebnisse verschaffen und Begabungen fördern, als wenn mit Aktionismus, ständig neuen Initiativen und Programmen, die dann wieder miteinander vernetzt und miteinander koordiniert werden müssen, operiert wird.
An folgender Stelle möchte ich doch widersprechen: Wer auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen mit gleichen Forderungen reagiert, fördert damit nicht Toleranz, sondern fördert die Unzufriedenheit der jungen Menschen, weil Erfolgserlebnisse ausbleiben. Das mindert das Selbstwertgefühl der Menschen.
Ich habe auch nicht selten den Eindruck, dass hier eher politische Eitelkeiten bedient werden sollen, als dass tatsächlich das Problem angegangen wird. Was wir wirklich brauchen, sind vorgelebte berechenbare und auf Orientierung ausgerichtete Normen, die im gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Diese Normen müssen wiederum konsequent umgesetzt werden.
Es ist umso erfreulicher, dass sich unser Koalitionspartner unlängst im Rahmen einer Tagung ausführlich mit der Erziehung in der Schule befasst hat. Ich kann ausdrücklich feststellen, dass die Ergebnisse auch in ihrem Zusammenhang von mir mitgetragen werden.
„Schule muss die so genannten Primärtugenden, wie Solidarität, Toleranz und Gerechtigkeit, und die Sekundärtugenden, wie Zuverlässigkeit, Fleiß und Mut, in das Zentrum ihrer Vermittlungen stellen. Primärtugenden bedürfen der Sekundärtugenden, wollen sie nicht in wirkungslosen Appellen verharren.”
Ich freue mich sehr darüber, dass die einst sehr emotional geführte Diskussion zu diesen so genannten Sekundärtugenden versachlicht worden ist, denn im Kern stellen sie - Fleiß, Pünktlichkeit, Höflichkeit, Pflichtbewusstsein, Ehrlichkeit, Gehorsam Gemeinschaftsfähigkeit her.
Darin lag im Übrigen auch ein wichtiger Teil der Kraft Preußens. Dieser Staat verfügte über stabile Ordnungsmechanismen, die man nicht alle mögen muss, die sicher auch nicht mehr immer zeitgemäß sind, die diesen Staat aber in die Lage versetzten, in Fragen des Glaubens und der Meinung sehr weitreichende Toleranz zu gewähren. Dazu bedarf es zu jedem Zeitpunkt einer zweifelsfreien Klarheit darüber, worin denn die tatsächlichen gemeinsamen Interessen und Grundsätze eines Gemeinwesens bestehen, hinter die, gerade im Krisenfall, private und persönliche Interessen zurücktreten müssen.
Vielleicht gewinne ich mit meiner letzten Aussage Zustimmung auch über meine Fraktion hinaus: Der beste Weg zu einer weltoffenen Haltung und zu einer weltoffenen Schule sind noch immer eine solide, anspruchsvolle Sprachausbildung, die praktische Anwendung der gewonnenen Kenntnisse durch vielfältige Begegnungen mit Ausländern, das vorurteilsfreie Kennenlernen sozialer und kultureller Besonderheiten und die Erfahrung, selbst Ausländer zu sein - womit der Gedankenkreis meiner Rede geschlossen ist. - Schönen Dank.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hartfelder. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die antragstellende SPD-Fraktion stellt die Frage: Sind wir auf dem richtigen Weg?
Erstens: Der Schwerpunkt aller Diskussionen und Maßnahmen wird zu sehr darauf gelegt, wogegen man ist. Die Antwort auf die Frage, wofür man denn ist, bleibt hierbei diffus und wird je nach parteipolitischen Interessen unterschiedlich beantwortet. Vielfach werden die Schlagworte „gegen Rechts” und „für Links” in den Raum geworfen. Mehr oder weniger unverhohlen sind oftmals mit „Rechts” Kräfte bis hinein in CDU und CSU gemeint und Demokratie wird mit „Links” gleichgesetzt.
Zweitens: Das Schwergewicht des Handlungskonzepts der Landesregierung liegt auf dem Gebiet von Polizei und Strafverfolgungsmaßnahmen. Damit kann man Straftaten verhüten und aufklären, sicherlich. Die Frage, wofür man ist, bleibt aber auch hier unklar und nur mit diesen Maßnahmen wird man die Köpfe und Herzen der Menschen nicht erreichen können.
Wir müssen also erst die Frage beantworten, wofür wir sind. Ich will das für meine Fraktion im Folgenden tun.
In dem Antrag der SPD-Fraktion ist von Toleranz die Rede. Was ist das eigentlich und warum lohnt es sich, dafür zu sein und sich dafür einzusetzen? Also: Toleranz - was bedeutet das denn überhaupt?
Dass man einem anderen nicht den Schädel einschlagen oder ihn quälen darf, weil einem seine Nase oder Meinung nicht passt, davon hat man schon gehört. Das steht sogar schon in der Bibel. Dass Toleranz andererseits aber nicht bedeuten kann: Jeder darf tun und lassen, was er will, liegt ebenso auf der Hand. Wäre das so, brauchten wir keine Gesetze und Verhaltensregeln. Die Folge wäre ein heilloses Durcheinander. Toleranz hat also auch ihre Grenzen.
Außerdem darf auch der Staat nicht alles. Es hat ja schon Zeiten gegeben, auch in Deutschland bzw. in einem Teil davon, wo aus unterschiedlichen Gründen vom Staat Menschen erschossen, erschlagen, gequält, eingesperrt oder vertrieben wurden, ohne dass sie selbst etwas getan haben, nur weil sie irgendwie anders waren, anderer Meinung waren oder einen anderen Glauben hatten.
Einmal beinhaltet Toleranz die allgemeine Achtung des anderen. Hierzu lässt sich ein allgemeines Gebot aufstellen: Behandle deine Mitmenschen stets so, wie du selbst von deinen Mitmenschen behandelt werden möchtest!
Dies bedeutet nicht grenzenlose Freiheit, sondern wechselseitige Achtung im Umgang von Menschen miteinander. Die Gesellschaft gibt sich dafür Normen und Verhaltensregeln, zum Beispiel, dass man nicht andere beleidigt, verächtlich macht oder niederbrüllt, etwa weil sie anderer Meinung sind.
Dann beinhaltet Toleranz in einem engeren Sinne die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte. In unserer Ver
Das ist sozusagen der Kernbereich der Toleranz. Hier handelt es sich um die elementaren Rechte jedes Menschen, insbesondere das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit. Dieser Kernbereich der Toleranz muss für jeden Einzelnen von uns eine absolute Tabuzone sein. Aus welchen ausschließlichen Gründen oder Motiven sogar der Staat nicht eingreifen darf, ergibt sich aus Artikel 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes. Dort steht sinngemäß: wegen des Geschlechts, der Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat oder Herkunft, des Glaubens und der religiösen oder politischen Anschauungen von Menschen.
Daraus ergibt sich drittens: Gewalt bedeutet immer die schlimmste Form der Verletzung von Toleranz. Gewalt durch Einzelne oder Gruppen in unserem Lande, insbesondere aus den eben genannten Motiven, und durch unseren Staat oder andere Staaten aus solchen Motiven muss - ganz gleich, gegen wen sie sich richtet - ein absolutes Unding sein und bleiben.
Und weiter: Alle Menschen, die namentlich solche Gewalt erleiden oder denen namentlich solche Gewalt droht, bedürfen unserer Hilfe.
Und insbesondere: Das muss immer gelten, ganz gleich, von wem an wem, aus welchem Motiv, aus welcher politischen oder sonstigen Ecke solche Gewalt geübt wird, und ganz gleich, ob dies mit Waffen, Stiefeln, Stöcken, Steinen, Brandsätzen oder sonst wie erfolgt.
In diesem Sinne gibt es auch keine „gute Gewalt”, sondern nur Gewalt, und die ist immer zutiefst verwerflich.
Warum ist es denn nun so wichtig, dass wir uns in diesem Sinne für Toleranz einsetzen? Wenn wir - und zwar jeder von uns das nicht beherzigen und dazu nicht bereit sind, dann können wir nicht mit Fug und Recht erwarten, dass dies andere tun. Irgendwann, früher oder später, laufen wir dann Gefahr, dass Gewalt, ganz gleich welcher Art, wie ein Bumerang auf uns zurückfällt, dass wir selber, entweder als Einzelne oder sogar als Volk, Opfer von Gewalt, Intoleranz oder Vertreibung werden, was ja in unserer eigenen Geschichte schon mehrfach vorgekommen ist.
Ich bedanke mich auch, Herr Abgeordneter Claus. - Ich gebe das Wort an die Landesregierung, Herrn Minister Reiche.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die große Kundgebung mit Noël Martin am vergangenen Sonnabend hat gezeigt, dass der Kampf für ein weltoffenes, tolerantes Brandenburg, gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in Brandenburg