Frage 2: Für mich ist offen geblieben, welche Rolle Sie den kommunalen Spitzenverbänden beimessen. Sehen Sie die Aufgaben der kommunalen Spitzenverbände in der Vertretung der Interessen ihrer Mitgliedskommunen oder darin, den Regierungsprojekten ohne Wenn und Aber Beifall klatschen zu sollen?
Herr Abgeordneter Sarrach, Sie haben vielleicht Erfahrungen von früher, wenn Sie die Frage so stellen. Sonst verstehe ich die Frage nicht.
Herr Sarrach, mein Punkt ist ein ganz anderer. Ich bin etwas überrascht, weil Sie wirklich den Eindruck erwecken, in einem Traumland zu leben. Unterhalten Sie sich doch einmal mit dem Städte- und Gemeindebund und mit dem Landkreistag. Wenn die beiden kommunalen Spitzenverbände eine Stellungnahme abgeben, sagt der eine, er hätte es gern links herum, und der andere, er hätte es gern rechts herum. Diese beiden Verbände haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Aufgaben unterschiedliche Auffassungen. Darüber diskutieren wir. Unterhalten Sie sich doch einmal sowohl mit Herrn Böttcher als auch mit Herrn Dr. Humpert darüber, wie sie sich bei uns angehört fühlen. Wenn sie schreiben, reagieren wir. Sie nehmen an Landräte
konferenzen teil. Da ich aber viele ihrer Auffassungen nur aus der Zeitung erfahre, kann ich natürlich auch durch Zeitungsartikel reagieren. Aber das ist nicht Ausdruck einer guten Zusammenarbeit. Zu einer guten Zusammenarbeit gehören immer zwei. Ich denke, wir werden diese Zusammenarbeit am konkreten Beispiel weiter fortführen.
Wenn Sie sagen, der Städte- und Gemeindebund empfinde es als Farce, dass er nach fünf Jahren Diskussion noch fünf Wochen Zeit gehabt habe, muss ich sagen, dass es keine neuen Argumente mehr gab. Von daher gesehen kann ich diese Ansicht nicht akzeptieren und das müssten Sie an sich auch wissen.
Danke sehr. - Wir sind bei der Frage 640 (Landratsvotum zur Gemeindeneugliederung). Sie wird vom Abgeordneten Sarrach gestellt.
Meine Frage bezieht sich auf Landratsvoten zur Gemeindeneugliederung. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2000 hat der Innenminister die Landräte aufgefordert, ihm bis Ende März 2001 die vorgelegten Vorschläge zur Neuordnung der Ämter und Gemeinden mit einem den gesamten Landkreis abdeckenden Votum vorzulegen. Dazu sollen die Kreistage ihre Stellungnahme abgeben. Begründet wird dieser frühe Zeitpunkt mit dem engen Zeitrahmen innerhalb der so genannten Freiwilligkeitsphase.
Ich frage die Landesregierung: Welche Verbindlichkeit wird den von den Landräten abzugebenden Voten zur Gemeindeneugliederung beigemessen?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Sarrach, es ist völlig klar, dass bei einer so wichtigen Aufgabe den Landräten eine herausragend wichtige Aufgabe zukommt in der Frage, wie sie den Prozess der Gemeindestrukturreform voranbringen. Sie haben damit auch eine Bündelungsfunktion. Nur sie verfügen über die detaillierten Kenntnisse vor Ort. Nur sie sind in der Lage, dies gemeinsam mit den Bürgermeistern und den Amtsdirektoren zu erarbeiten, und sie kennen dabei in besonderer Weise die wirtschaftliche und soziale Situation, die Raum- und Siedlungsstruktur und auch die geschichtlichen und kirchlichen Beziehungen. Von daher haben sich die Landräte in diesem Prozess intensiv eingebracht.
Nach Nummer 2 des Abschnitts „Umsetzung der Reform” in den Leitlinien für die Entwicklung der Gemeindestruktur im Land Brandenburg vom 11. Juni 2000 haben die Landräte die Erarbeitung der Neugliederungsansätze der Gemeinden zu koordinieren und auf leitliniengerechte Lösungen in den jeweiligen Landkreisen hinzuwirken.
Wir haben zum Beispiel in einem Landkreis Vorschläge aus einem Amt, die dazu führen, dass die Neustrukturierung in diesem Landkreis in erheblichem Maße behindert wird. Jetzt müssen die Landräte ein Votum bezüglich des weiteren Vorgehens abgeben.
Darum haben die Landräte in enger Abstimmung mit den jeweiligen Beauftragten für die Gemeindestrukturreform im Innenministerium die Leitlinien erörtert und Vorschläge zur Umsetzung gemacht. Auf diese Art und Weise wollen sie eine kompatible Gemeindeneugliederung erreichen. Die Leitlinien verlangen deshalb ausdrücklich das Votum des Landrates zu den Strukturvorschlägen. Dieses Votum des Landrates ist für die Abwägung von besonderem Gewicht, und zwar sowohl bei der Entscheidungsfindung des Ministeriums im Verfahren zur Genehmigung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse als auch für mögliche Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen nach dem Ende der Freiwilligkeitsphase, wenn das im Landtag eingebracht wird. Von daher gesehen ist das eine wichtige Grundlage, die über das hinaus, was ich eben vorgetragen habe, aber keine weitergehende Bindungswirkung hat. Die letzte Entscheidung muss das Innenministerium oder der Gesetzgeber treffen.
Erstens: Wie kann vom Innenministerium ausgeschlossen werden, dass Landräte eigenmächtig die Dauer der so genannten Freiwilligkeitsphase verkürzen, um möglichst schon zum Ende dieses Jahres das Anhörungsverfahren der Kreise durchgeführt zu haben?
Zweitens: In dem erwähnten Schreiben vom 6. Dezember 2000 wird die Vorlage dieses Votums bis zum 31. März 2001 unter anderem damit begründet, dass dann noch Verfahrensschritte folgen, nämlich die Bewertung durch das Ministerium. Hinzu käme, dass viele Gemeinden erst nach einem Votum von Landrat und Ministerium Verhandlungen über Gebietsänderungsverträge einleiten werden, sodass mit Blick auf den Herbst 2002, also den Schluss der Freiwilligkeitsphase, vieles zeitlich nicht mehr ausreichend wäre. Ich frage Sie: Gilt dieses Verfahren dann nicht auch für kritische Problemstellungen, beispielsweise für die Gemeinde Golm bei Potsdam, für die die Entscheidung erst auf die Zeit nach der Freiwilligkeitsphase verschoben wird?
Wenn die Landräte die Freiwilligkeitsphase, wie Sie gesagt haben, eigenmächtig verkürzen, dann bedarf es dazu der Zustimmung derjenigen, die davon betroffen sind. Von daher gesehen gibt es keine eigenmächtige Verkürzung, sondern eine Beschleunigung in der gemeinsamen Erarbeitung von Vorschlägen.
Zum Zweiten: Wenn diese Vorschläge vorgelegt werden, müssen wir sie bewerten. Das macht für die Gemeinden aber häufig nur dann Sinn, wenn sie wissen, dass sie sozusagen in struktur
sichere oder belastbare Vorschläge hineingehen, wenn sie also vorher das Votum des Landrates haben, in dem gesagt wird, ob sie sich einordnen oder nicht, was nicht heißt, dass die Landräte und das Innenministerium immer 1 : 1 der gleichen Meinung sind. Es kann da durchaus unterschiedliche Meinungen geben, die wir miteinander erörtern müssen.
Sie haben das Beispiel der Gemeinde Golm genannt. Wir haben das schon einmal erörtert, Herr Sarrach. Bei der Gemeinde Golm geht es ganz konkret um die Frage, welche Bedeutung die Freiwilligkeit, die Bürgerbeteiligung und der Bürgerentscheid mit dem Wunsch, die Gemeinde nach Werder einzugliedern, und die Notwendigkeit der Entwicklung der Landeshauptstadt haben. Das sind unterschiedliche Interessen und diese Entscheidung möchten wir - das habe ich bereits in einer Fragestunde des Landtages erläutert - erst am Ende der Freiwilligkeitsphase treffen, um zu sehen, was sich bis dahin ingesamt noch bewegt. Es gibt nämlich noch verschiedene Bewegungen in und um Potsdam, ähnlich wie das auch in Cottbus und in anderen Städten der Fall ist. Daher brauchen wir diese Zeit, um damit umgehen zu können und eine Entscheidung zu treffen, gegebenenfalls auch dem Landtag eine Entscheidung vorzuschlagen.
Danke sehr. Wir sind damit bei der Frage 641 (EU-Osterweite- rung). Sie wird vom Abgeordneten Michael Claus gestellt.
Bundeskanzler Schröder erklärte anlässlich des EU-Gipfels in Stockholm, dass er seine bereits im Dezember 2000 erhobene Forderung nach einer siebenjährigen Übergangsfrist bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, bezogen auf die EU-Beitrittskandidaten, erneuere und erwarte, dass diese Forderung im Ministerrat eine Mehrheit finde.
Ich frage die Landesregierung: Unterstützt die Landesregierung die Forderung des Bundeskanzlers nach Einführung einer siebenjährigen Übergangsfrist bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU-Beitrittskandidaten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Abgeordneter Claus, die Bemühungen der Landesregierung sind darauf gerichtet, die Rahmenbedingungen für die Erweiterung der Europäischen Union und insbesondere den Beitritt der Republik Polen so zu gestalten, dass die damit für Brandenburg verbundenen Chancen möglichst optimal genutzt werden können und zu erwartende Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht zu Nachteilen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich führen.
Der Bundesrat hat am 9. März 2001 eine Entschließung zur Erweiterung der Europäischen Union verabschiedet, an deren
Entwurf Brandenburg großen Anteil hatte. Die Forderung des Bundeskanzlers nach Einführung einer regional und sektoral flexibel handhabbaren siebenjährigen Übergangsfrist bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die EU-Beitrittskandidaten entspricht der in der Bundesratsentschließung formulierten Bitte an die Bundesregierung - jetzt zitiere ich wörtlich -, „sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen dafür einzusetzen, dass im Kapitel ‘Freier Personenverkehr’ Übergangsregelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit getroffen werden, die den Fristen bei der Süderweiterung vergleichbar sein sollten”.
Ausgelöst durch die Überlegungen in der EU-Kommission, dass Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als unerlaubte Beihilfen deklariert werden könnten, reißt die Diskussion um eine Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors in der Bundesrepublik nicht ab. Die Sparkassen, ausgestattet mit einem öffentlichen Auftrag, werden in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts geführt. Die Wahl der Rechtsform verpflichtet die Träger der Sparkassen, also die Landkreise, kreisfreien Städte oder Zweckverbände, zur Übernahme von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung.
Um Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zu beseitigen oder zu modifizieren, müsste also die Rechtsform geändert werden. Es ist gegenwärtig nicht auszuschließen, dass derartige Auflagen aus Brüssel erfolgen werden. In diesem Zusammenhang ist der Fortbestand des öffentlichen Auftrages der Sparkassen entscheidend.
Ich frage deshalb die Landesregierung: Ist nach Ihrer Auffassung die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts notwendig, um den öffentlichen Auftrag der Sparkassen zu erfüllen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bochow, die Unternehmensform der Sparkasse als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts resultiert aus ihrem öffentlichen Auftrag, das heißt, aus der Verfolgung übergeordneter Zwecke des Allgemeinwohls. Diese sind in den Sparkassengesetzen aller Bundesländer als wesentliches Kernelement des Rechts der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute ausdrücklich festgeschrieben.
Die Aufgaben der Sparkassen bestehen unter anderem in der Bereitstellung von Konten für jedermann, so z. B. auch für Sozialhilfeempfänger, der Förderung der regionalen Entwicklung, einer intensiven Betreuung des örtlichen Marktes, der Unterstützung von Kommunen, der Sicherstellung kreditwirtschaftlicher Leistungen für den Mittelstand in den Regionen, der Bereitstellung von Kommunalkrediten sowie von Wagniskapital und der Verhinderung von Monopolstrukturen.
Schließlich sind die Sparkassen in verschiedenen gemeinwohlorientierten Bereichen, z. B. der Kultur, der Bildung, im Umweltbereich oder auch der Schuldnerberatung, tätig und unterstützen diese.
Diese Aufgaben werden von den Sparkassen erfüllt, weil sie als Anstalten des öffentlichen Rechts einerseits aufsichtsrechtlichen Beschränkungen und Eingriffsmöglichkeiten und andererseits gesetzlichen Aufträgen und Verpflichtungen unterliegen. Als Beispiel: Hier gilt insbesondere das Regionalprinzip, das die geschäftliche Tätigkeit der Sparkassen auf das Gebiet des Gewährsträgers beschränkt und damit die Voraussetzungen für eine verlässliche ortsnahe kreditwirtschaftliche Versorgung in den Regionen schafft.
Die öffentlich-rechtliche Rechtsform der Sparkassen folgt außerdem aus der unternehmerischen Verantwortung der kommunalen Träger. Die Modifikationen, die derzeit in der Diskussion sind, lassen allerdings die öffentlich-rechtliche Rechtsform und die grundsätzliche Verantwortlichkeit der kommunalen Träger unangetastet. Die Wahrnehmung des öffentlichen Auftrages ist damit auch in der Zukunft gewährleistet.
Ich kann mir z. B. nicht vorstellen, dass eine Privatbank, die nicht den Bindungen des Anstaltsrechts unterliegt, geld- und kreditwirtschaftliche Leistungen flächendeckend für alle Bevölkerungsgruppen sowie kleine und mittlere Unternehmen bereithält. Diesem Anspruch können letztlich nur die öffentlichrechtlichen Sparkassen gerecht werden.
Deshalb stelle ich fest: Die kommunale Bindung und die öffentliche Trägerschaft der Sparkassen, sprich die Rechtsform als Anstalt des öffentlichen Rechts, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung des öffentlichen Auftrags steht, darf deshalb nicht infrage gestellt werden. Aus der Stellungnahme des erweiterten Hauptausschusses des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes geht auch eindeutig hervor, dass wir uns an der Seite der Sparkassen für diesen Erhalt einsetzen werden. Ich sehe diese Gefahr tatsächlich nicht auf uns zukommen. Eine Modifikation wird es aber mit Sicherheit geben.
Erstens: Beabsichtigen Sie, die in den Protokollen zum Amsterdamer Vertrag definierte Gültigkeitsregelung für öffentlichrechtliche Kreditinstitute in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz verstärkt in den Diskussionsprozess über den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Sparkassen einzubringen?
Meine zweite Frage ist: Erwarten Sie im Ergebnis der absehbaren Verhandlungen zur Westdeutschen Landesbank wesentliche Veränderungen im öffentlichen Auftrag?