Protocol of the Session on April 4, 2001

Deshalb ist Ihr Ansatz, dass die Berichterstattung vierteljährlich erfolgen soll, für mich ein Ausdruck von Aktionismus. Er soll die Möglichkeit schaffen, immer wieder bürokratische Hindernisse aufzubauen. Ich sagte bereits, dass die Kommunalreform ein dynamischer Prozess ist, wobei ich durchaus betone, dass damit schwierige Entscheidungen verbunden sind.

Am Ende dieses Prozesses wird folgende Frage sehr interessant sein: Wo stehen wir eigentlich? Dann werden Sie feststellen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land viel weiter sind als Sie mit Ihrer abwehrenden und verneinenden Position.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Wenn ich die Zeit bekomme. Ich sehe gerade, dass ich nur noch eine Minute Redezeit habe.

So viel schon nicht mehr, aber die Zeit für die Beantwortung der Zwischenfrage wird nicht auf die Redezeit angerechnet. Sie entscheiden aber, ob Sie die Zwischenfrage zulassen.

Bitte, Herr Sarrach. Aber dann kann ich die Frage nicht mehr beantworten.

(Heiterkeit)

Bitte schön, Herr Abgeordneter Sarrach.

Ist der mit einer Berichterstattung verbundene Verwaltungsaufwand so hoch zu bemessen, dass im Übrigen im Innenministerium die Genehmigungsverfahren und die sonstigen Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können, oder wo liegt Ihr Problem?

Mein Problem liegt darin: Wenn wir den Bericht vorlegen, hat die Dynamik im Land dazu geführt, dass das, was wir aufgeschrieben haben, nicht mehr stimmt. - Verstanden? Das war eine kurze Antwort.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Unruhe bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Die Leitlinien bilden den Orientierungsrahmen für die Gemeinwohlverträglichkeit. Das ist die Grundlage. Auf dieser Basis werden wir Ihnen den Bericht vorlegen. Sie werden ebenfalls auf dieser Basis entscheiden. Ich freue mich auf die Diskussion. - Herzlichen Dank!

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Schönbohm. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen und kommen zur Abstimmung.

Zur Abstimmung rufe ich den Antrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in der Drucksache 3/2540 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 10:

Kriegsfolgen- und Kriegslastenbeseitigung

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/2546

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Dr. Ehler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr hat der Staatliche Munitionsbergungsdienst in Brandenburg eine Fläche von rund 1 004 Hektar von Minen, Granaten, Bomben, Handfeuerwaffen und Kampfmitteln beräumt. Eine genauere zahlenmäßige Aufschlüsselung zeigt, dass es sich um fast 1 700

Minen, 170 000 Granaten, 1 400 Bomben und 6 000 Handfeuerwaffen sowie über 400 Kilogramm Kampfmittel gehandelt hat.

Die Schwerpunkte in Brandenburg sind die Städte Potsdam, Oranienburg, Neuruppin sowie die Oderregion. Allein auf Oranienburg wurden am 10. und am 20. April 1944 rund 20 000 Bomben abgeworfen. Bei den Bauarbeiten zur Umgehungsstraße B 96 stießen die Bagger innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten auf 200 Bomben.

Die konkrete Situation, die man sich vor Augen führen muss und die zu unserem gemeinsamen Antrag geführt hat, ist von hohen Kosten gekennzeichnet, die neben der unmittelbaren Beräumung für die Kommunen damit verbunden sind. Beispielsweise machte es der Bombenfund Nummer 77 in Oranienburg im Jahr 1998 erforderlich, einen Sperrbezirk von einem Kilometer auszuweisen. Rund 2 000 Menschen mussten evakuiert werden. Ordnungsamt, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und Polizei stellten dies für einen Zeitraum von 36 Stunden sicher. Die Evakuierung von Menschen, die nur sitzen oder liegen konnten, wurde durch das Rote Kreuz und das Ordnungsamt organisiert. Die Bundeswehr half dabei mit. Zusätzlich stellte das Ordnungsamt Räumlichkeiten in Gaststätten und Kasernen zur Verfügung, um den Menschen für diesen Zeitraum einen Aufenthaltsort zu geben.

Dies ist nur ein Beispiel von über 90 Beräumungen, die seit 1990 in Brandenburg durchgeführt wurden, welche für die Kommunen zu erheblichen Kosten geführt haben, die im Grunde durch das Kriegsfolgen- und Kriegslastengesetz nicht mehr abdeckbar sind. Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, unseren Antrag zu unterstützen.

Allerdings möchte ich noch einmal insoweit grundsätzlich auf die Problematik eingehen, als wir uns darüber im Klaren sind, dass diese Auseinandersetzung nicht entlang von parteipolitischen Linien geführt werden kann. Ich habe mich gefreut, dass die PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag den Antrag der CDU-Fraktion, der in diese Richtung ging, unterstützt hat. Man muss auch nüchtern feststellen, dass ein entsprechender Vorschlag in der Vergangenheit von der CDU-Bundesregierung bereits einmal abgelehnt wurde. Es gab eine Bundesratsinitiative der SPD-geführten Länder. Aber umgekehrt glaube ich, dass angesichts der Gefahren, die dieses Thema unmittelbar für Leib und Leben birgt, die Kosten, die den Kommunen daraus erwachsen, eine Dimension angenommen haben, dass eine systematische Besuchung im Moment nicht möglich ist. Das Thema ist es wert, noch einmal sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zu versuchen, über die Parteigrenzen hinweg zu einer Lösung zu kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ehler. - Das Wort gebe ich an die Fraktion der PDS, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion unterstützt das Anliegen der Kriegsfolgen- und Kriegslastenbeseitigung. Dies geschieht nicht nur, weil Herr Ehler uns herzlich um

die Zustimmung bittet. Unsere Fraktion beglückwünscht Sie auch dazu, dass Sie die Begründung des Antrages der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom Januar 2001 so sauber abgeschrieben haben. Aber so etwas machen wir ja auch manchmal.

Allerdings will ich nicht verhehlen, dass ich angesichts des politischen Auf und Ab, das dieses Thema in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik erlebte, leise Zweifel am Erfolg Ihres Vorhabens habe. Ihre Beiträge in der letzten Sitzung zu unserer Forderung nach einem Konversionsprogramm des Bundes haben zu meiner Skepsis beigetragen.

Zur Historie nur so viel: Im Jahr 1992 haben einige Bundesländer, darunter auch Brandenburg, über den Bundesrat ein Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz eingebracht, dem der Bundesrat auch seine Zustimmung gab.

Im Februar 1998 hat nach unendlich langer Beratung der Bundestag den Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, FDP und Grünen gegen die Stimmen von SPD und PDS abgelehnt. Damals hätte die nun erneut geforderte gesetzliche Grundlage geschaffen werden können.

Nun sind wieder drei Jahre ins Land gegangen. Zwar sind jetzt die Mehrheitsverhältnisse andere - der seinerzeit einreichende Ministerpräsident ist nun Bundeskanzler -, jedoch gab es bisher immer noch keine Fortschritte.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Genau dies kritisieren wir. Erkannte Probleme wurden aus politischem Kalkül nicht gelöst. Dennoch begrüßen wir die Initiative der Koalition ausdrücklich. Mit dem Antrag wird auf eine Gefahr aufmerksam gemacht, die ständig vorhanden ist, jedoch nur bei zum Glück! - relativ seltenen Unfällen wahrgenommen wird.

Gleichzeitig geht es hierbei um ein Investitionshemmnis ersten Ranges. Wenn wir heute den Änderungsantrag einreichen, in dem es darum geht, dass der Landtag im Juni 2001 über das Ergebnis der Bemühungen zu informieren ist, hoffen wir sehr, dass Sie diesem Antrag zustimmen. Der Änderungsantrag soll die Ergebnisse Ihrer Bemühungen verbindlicher machen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete? - Herr Dr. Ehler, bitte!

Meine Frage ist ohne Polemik, denn sie ist eine schwierige Frage der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern. Sie sprachen vom politischen Kalkül. Was sehen Sie als politisches Kalkül?

Als politisches Kalkül sehe ich eine Frage, in der sich inhaltlich alle einig waren, aber aus parteitaktischen Gründen nicht zu einem Ergebnis gekommen sind. Dafür fehlt mir jedes Verständnis.

(Dr. Ehler [CDU]: Das ist überhaupt nicht wahr! Das ist ein Finanzierungsproblem!)

Meine Damen und Herren, wir haben daraus gelernt und heute stimmen wir gemeinsam Ihrer Initiative zu.

Der Landtag hat sich in der Vergangenheit wiederholt mit dem Problem der Munitionsbergung und -vernichtung beschäftigt. Der Innenausschuss führte auf Antrag der PDSFraktion eine Anhörung durch, in der unter anderem Vertreter von Munitionsbergungsunternehmen die schwierigen Bedingungen im Land dargestellt haben. Wir alle wissen, dass das Land Brandenburg das am meisten belastete Bundesland in dieser Frage ist. Nach aktuellen Erkenntnissen, insbesondere durch die Auswertung der Alliierten-Luftbilder, die der DDR nicht zur Verfügung standen, sowie durch die Anwendung des im Jahre 1999 eingeführten geographischen Informationssystems sind nicht - wie bisher angenommen - ca. 180 000 Hektar, sondern 400 000 Hektar durch Kampfmittel belastet. Entlang der Oder, auf den Seelower Höhen und im Kessel von Halbe finden wir heute noch die Hinterlassenschaften der schweren Kampfhandlungen der Roten Armee und der deutschen Truppen.

In Oranienburg, in Brandenburg, in Cottbus, in Potsdam, in Ludwigsfelde, in Genshagen, in Neuruppin, in Schwarzheide und in Wittenberge gibt es hohe Belastungen aufgrund der starken Bombardierungen dieser Städte.

In der Begründung Ihres Antrages schreiben Sie, dass eine flächendeckende Räumung der betroffenen Gebiete zu Zeiten der DDR nicht erfolgt sei und deshalb die Bevölkerung stets aufs Neue von unerwarteten Bomben- und Munitionsfunden aufgeschreckt werde. Mit Verlaub: Bomben und Munition finden wir in Brandenburg nicht deshalb, weil zu DDR-Zeiten nicht richtig gesucht worden ist, sondern weil das faschistische Deutschland den Zweiten Weltkrieg auslöste.

In den drei DDR-Bezirken Potsdam, Frankfurt und Cottbus wurden pro Jahr ca. 500 Hektar beräumt. Da sich in dieser Region ca. 150 000 Hektar der Kampfgebiete befanden, war für die Beräumung mit einem Zeitraum von ca. 300 Jahren zu rechnen und das, obwohl der Munitionsbergungsdienst des Innenministeriums der DDR jeden Tag ausgerückt ist, um Fundmunition aller Art zu bergen.

Ab 1993 wurden jährlich mehr als 1 000 Hektar, im Jahre 1994 sogar 2 400 Hektar beräumt. Trotzdem hätten wir bei diesem Tempo von 1993 und 1994 mehr als 100 Jahre gebraucht, um das Land Brandenburg kampfmittelfrei zu machen. In den Jahren von 1994 bis 1997 standen jeweils 30 Millionen DM Landesmittel für die Beräumung bereit. Der Bund hat ca. 22,5 Millionen DM für die so genannte reichseigene Munition erstattet. Seit 1999 sind die Bundesmittel auf 15 Millionen DM begrenzt. Das hat offenbar zur Folge, dass die Haushaltsstelle für die Beseitigung von Kampfmitteln reduziert worden ist und seit 1999 konstant nur noch 26,7 Millionen DM beträgt. Das dämpft natürlich das Tempo der Kampfmittelberäumung. So wurden im Jahre 2000 nur noch 1 000 Hektar beräumt.

Die Beschränkung der finanziellen Mittel des Bundes auf die so genannte reichseigene Munition ist nicht haltbar. Der Bund muss in Bezug auf alle Kampfmittel des Zweiten Weltkrieges einschließlich der Alliierten-Munition eine Ausgleichsfunktion wahrnehmen. Im Landeshaushalt sollten künftig entsprechend einer im Innenausschuss getroffenen Vereinbarung nicht weni

ger als 30 Millionen DM pro Jahr für die Kampfmittelbeseitigung zur Verfügung stehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD, Frau Abgeordnete SchildhauerGaffrey.