Protocol of the Session on March 1, 2001

Das ist eine schwierige Frage. Seitens des Landesbauernverbandes wird jetzt von einem Ausfall von ca. 200 Millionen DM mit steigender Tendenz ausgegangen. Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass sich das auf die landwirtschaftliche Nutzfläche im Lande bezieht, ist das ein Betrag von 150 DM/ha. Wenn im letzten Agrarbericht die Betriebe juristischer Personen im Durchschnitt einen Gewinn von 42 DM/ha ausgewiesen haben, bedeutet das bereits jetzt im Durchschnitt der Betriebe einen Verlust von 100 DM/ha. Das Ende ist hierbei noch nicht abzusehen. Da 50 % des landwirtschaftlichen Einkommens durch die Rinderwirtschaft und ganz besonders durch die Milchproduktion erbracht werden, ist durchaus mit noch größeren Auswirkungen negativer Art zu rechnen. Wir sind also gut beraten, dies genau zu verfolgen, um Maßnahmen festzulegen bzw. Forderungen gegenüber Bund und EU aufzumachen, um die Auswirkungen zu reduzieren.

Die von Ihnen geforderten Initiativen gegenüber dem Bund und der EU sollten sich gegenwärtig vor allem darauf richten, dass die EU zu einer einheitlichen Auffassung über die Art der Bewältigung dieser Krise kommt. Aber gerade das hat die letzte Agrarratssitzung am 26. Februar nicht gezeigt.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede!

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. - Ihre Forderung nach Einschätzung der gesundheitlichen Risiken für die Bürgerinnen und Bürger wegen der jahrelang nicht durchgeführten BSETests veranlasst mich, Sie auf einen Artikel in der „Welt” vom 20. Februar zu verweisen. Ich würde ihn gern zitieren, aber das ist aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr möglich.

Ich meine, wir sind gut beraten, wenn wir das Ministerium laufend in die Pflicht nehmen, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem wir das für richtig halten. Bis jetzt sind keine Defizite entstanden. Ich meine, wir werden, wie es der Entschließungsantrag vorsieht, der Pflicht gerecht, diese Entwicklung laufend unter Kontrolle zu halten. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Birthler, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge zur BSE-Krise dokumentieren, dass nach wie vor ein großer Informations- und Diskussionsbedarf besteht. Die Fragen, um deren Beantwortung die Landesregierung gebeten wird, sind von brennender Aktualität. Lassen Sie mich darum den Blick auf einige Entwicklungen der vergangenen Wochen lenken.

Nach der geltenden Rechtslage sind alle Schlachtrinder mit einem Alter von über 24 Monaten auf BSE zu testen. Damit ist für das laufende Jahr mit ca. 30 000 Untersuchungen in Brandenburg zu rechnen. Von Dezember 2000 bis zum 26. Februar dieses Jahres wurden bei uns 6 595 BSE-Tests durchgeführt. Bei einem Rind war der Befund leider positiv. Weitere Verdachtsfälle haben sich zum Glück nicht bestätigt.

Im Fall des Rinderbestandes in Hertefeld, wo das mit BSE infizierte Tier entdeckt wurde, haben wir in Kooperation mit den örtlichen Behörden alle notwendigen Maßnahmen zügig vereinbart und durchgeführt. Trotz aller berechtigten Bedenken und Einwände sehe ich in diesem Zusammenhang weiterhin keine Alternative zur Tötung und Untersuchung der gesamten Herde beim Auftreten von BSE im Bestand.

Der Rindfleischmarkt ist durch die BSE-Krise nahezu zusammengebrochen. Ganz bewusst verzichtet ein großer Teil der Verbraucher auf den Verzehr von Rindfleisch. Erst in den letzten Tagen ist wieder ein leichter Anstieg der Verkaufszahlen zu verzeichnen. Ich werte das als ein Zeichen dafür, dass die von uns eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes erste Wirkung zeigen. Das sollte alle Beteiligten, also Landwirte, Schlachtbetriebe, die Fleisch verarbeitende Industrie und den Handel, motivieren, jetzt offensiv um das Vertrauen der Verbraucher zu werben.

Das Land Brandenburg räumt dem Verbraucherschutz in jedem Fall Priorität ein. Das ist für mich der einzig Erfolg verspre

chende Weg. Er liegt auch im Interesse unserer Landwirte und der Lebensmittelwirtschaft.

Um dem Verbraucherschutz, insbesondere im Bereich von Lebensmittelproduktion und -verkauf, mehr Schlagkraft zu verleihen, habe ich im Zuge der Strukturreform meines Hauses beschlossen, eine eigenständige Verbraucherschutzabteilung einzurichten. Sie wird Mitte März ihre Arbeit aufnehmen und von einer Reorganisation und Stärkung des Verbraucherschutzes im nachgeordneten Bereich flankiert.

Meine Damen und Herren, aus den vorliegenden Anträgen spricht nicht zuletzt die Sorge um die brandenburgische Landwirtschaft. Ich habe vor diesem Haus bereits mehrfach erklärt ich wiederhole das ausdrücklich -, dass die Landesregierung alles unternimmt, damit die BSE-Folgekosten nicht allein auf den betroffenen Betrieben lasten. In mehreren Verhandlungsrunden haben wir das der Bundesregierung sehr deutlich gemacht. Während der Sonder-Agrarministerkonferenz am 7. Februar konnten wir uns über die Kostenverteilung mit Ministerin Künast nicht einigen. Das bleibt nun den Verhandlungen auf der Ebene der Ministerpräsidenten vorbehalten. Dafür wird gegenwärtig von Mecklenburg-Vorpommern als MPK-Vorsitzland gemeinsam mit Baden-Württemberg und dem Bund eine Vereinbarung vorbereitet. Ich erwarte einen baldigen, positiven Abschluss der Verhandlungen, damit den Betroffenen schnell Hilfe zuteil werden kann.

Nach Vorlage dieser Vereinbarung mit dem Bund müssen wir in Brandenburg weiter über mögliche zusätzliche Maßnahmen nachdenken. Darüber werde ich mit dem zuständigen Fachausschuss intensiv beraten.

Im Fall des BSE-betroffenen Gutes Hertefeld kann ich Ihnen mitteilen, dass wir jetzt so, wie es mit dem Landesbauernverband abgestimmt wurde, mit der konkreten Einzelfallprüfung beginnen. Die Fragen, die Frau Wehlan angesprochen hat, sind genau die, die im Fachausschuss zu beraten sind. Ich muss Sie in einem Punkt korrigieren: Das Ministerium hat keine ablehnende Haltung dazu, im Landtag einen Bericht vorzulegen. Das entscheiden Sie als Landtag. Bezüglich der speziellen Fragen, die von den Agrarsprechern aller Fraktionen angesprochen worden sind, halte ich eine Fachdiskussion im Ausschuss für zielführend.

Herr Minister, lassen Sie eine Frage zu? - Bitte sehr, Frau Wehlan!

Herr Minister, vielen Dank für den aktuellen Sachstandsbericht. Meine Frage lautet: Gegenwärtig ist gerade im ländlichen Raum eine relative Stabilität im Rindfleischabsatz zu verzeichnen. In den Städten stagniert er sozusagen nach wie vor auf dem unteren Level. Sehen Sie Möglichkeiten, Einfluss auf die Handelsketten zu nehmen, um mit regionalen Produkten für Belebung zu sorgen?

Das ist schwierig. Wir sind mit den Handelsketten ständig im Gespräch. Ich sähe es als zielführender an, wenn wir alle ge

meinsam versuchten, in der Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, was in Bezug auf Rindfleischuntersuchungen, auf Sicherheit des Fleisches getan worden ist, und dort, wo wir Einflussmöglichkeiten haben, dafür zu werben, dass wieder Rindfleisch angeboten wird. Ich freue mich sehr darüber, dass zum Beispiel in der Landtagskantine wieder regelmäßig ein Rindfleischgericht angeboten wird. Es kann doch jeder selbst entscheiden, ob er Rindfleisch isst oder nicht. Aber in den meisten Gemeinschaftsverpflegungen wird nicht einmal etwas angeboten. Ich habe den Eindruck, dass zurzeit wieder etwas mehr Vernunft einzieht. Das ist der Weg. Alles, was Sie angesprochen haben - regionale Vermarktung usw. -, ist doch der Weg, den wir schon seit Jahren mit unterstützen. Einfluss auf die Ketten zu nehmen ist natürlich sehr schwierig. Wir müssen dabei Öffentlichkeitsarbeit leisten.

Schönen Dank. - Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über den Antrag der PDS in Drucksache 3/2412 abstimmen. Wer dem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Es gibt einen Änderungsantrag zum Entschließungsantrag von der PDS-Fraktion in Drucksache 3/2479. Wer diesem Änderungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 3/2472. Wer diesem folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist bei einer Reihe von Stimmenthaltungen dem Entschließungsantrag einstimmig gefolgt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Bericht der Landesregierung über den Stand der Abrissarbeiten im KKW Rheinsberg und über die Vorbereitung des bevorstehenden Castor-Transportes Rheinsberg - Lubmin

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2413

Weiterhin liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU in Drucksache 3/2473 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Thiel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ergänzung der Begründung des vorliegenden Antrages meiner Fraktion möchte ich noch vier Anmerkungen machen.

Erstens: In der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Stolpe vom Dezember 1990 hat sich bereits die Ampelregierung unter Führung der SPD gegen eine weitere Nutzung

der Kernenergie in Brandenburg entschieden. Weiterhin ist Antworten auf parlamentarische Anfragen aus den Jahren 1998 und 1999 zu entnehmen, dass die damalige SPD-Alleinregierung Proteste gegen Atommülltransporte nicht abqualifizierte, sondern sehr ernst nahm, Verständnis für Besorgnis in der Bevölkerung hatte und an sachbezogenen Auseinandersetzungen zu strittigen Fragen besonders interessiert war. Sie wollte daher die öffentliche und transparente Diskussion befördern.

Und man liest weiter:

„Die friedlichen Proteste gegen Atommülltransporte insgesamt zeigen, dass gegenwärtig kein Konsens für die fortgesetzte Nutzung der Kernenergie in Deutschland erreichbar ist. Die Landesregierung sieht sich in ihrer Auffassung bestärkt, dass nur ein mittelfristiger Ausstieg aus der Atomenergie einen Konsens hinsichtlich notwendiger Transporte radioaktiver Abfälle erbringen kann. Dabei ist es stets das Ziel des zuständigen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung sowie des Innenministeriums, alle Fragen seitens der Anwohner vor Ort, der interessierten Bürger oder der Medien zum Thema Kerntechnik bzw. Castor-Transport umfassend zu beantworten.”

Es stellt sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang die zwingende Frage, vor allem, wenn man entsprechende Verlautbarungen des CDU-Innenministers Herrn Schönbohm hinsichtlich möglicher Bürgerproteste gegen die bundesdeutsche Atompolitik zur Kenntnis nehmen muss: Wird der von mir zitierte Standpunkt der Vorgängerregierung von der heutigen Koalition weiter vertreten? Weder in der Koalitionsvereinbarung noch in der Regierungserklärung zu Beginn der jetzigen Wahlperiode wurde darauf auch nur mit einem Satz eingegangen.

Meine Damen und Herren, eine zweite Anmerkung: Im Wirbel um bevorstehende Castor-Transporte, die in den alten Bundesländern ausschließlich dem Weiterbetrieb von Atomkraftwerken dienen, geht leicht unter, dass der angekündigte Widerstand seine Wurzeln in einer tiefen Unzufriedenheit mit der jetzigen Kernenergiepolitik der Bundesrepublik hat.

Trotz aller Bemühungen ist es der Bundesregierung bisher nicht gelungen, die großen Stromkonzerne des Landes glaubwürdig auf einen Abschied von dieser hoch riskanten Technologie zu verpflichten. Der so genannte Atomkonsens mit langen Restlaufzeiten der Atomkraftwerke gibt den Betreibern die Möglichkeit, noch einmal so viel Strahlenmüll wie bisher zu produzieren. Dabei weiß heute schon niemand, ob und wo es ein verantwortbares Endlager für den gefährlichen radioaktiven Abfall geben kann.

Doch selbst der Atomkonsens ist bisher nicht rechtsverbindlich. Die Chefs der Energiekonzerne haben den Vertrag noch nicht signiert, versuchen aber gleichzeitig - und das offensichtlich mit wachsendem Erfolg -, bessere Bedingungen für einen Weiterbetrieb ihrer Kernkraftwerke zu schaffen.

Auf Bundesebene sind SPD und Bündnisgrüne vor dem Druck der Energiewirtschaft eingeknickt. Aber Atomkraftwerke gewinnen nicht dadurch an Sicherheit, dass sie von einer rot-grünen Regierung beaufsichtigt werden. Mit zunehmendem Alter der Atomkraftwerke steigen die Risiken immer stärker an, erhöht sich gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass die Erbauer

generation nach Stilllegung der AKW für deren Entsorgung nicht mehr zur Verfügung steht.

Meine Damen und Herren, zum weiteren Abriss des Kernkraftwerks Rheinsberg und dem damit verbundenen Castor-Transport Rheinsberg - Lubmin gibt es seitens der Bevölkerung und ihrer Organisationen in Brandenburg zahlreiche Befürchtungen und Fragen. Deshalb steht die Landesregierung in der Pflicht, eine weitaus umfassendere und aktivere transparente Öffentlichkeitsarbeit als bisher zum Rückbau des Kernkraftwerks Rheinsberg zu leisten. Da reicht es eben nicht aus, wie im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vermerkt, die bisherige Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung lediglich anzuerkennen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit muss dabei zwingend die gegenseitige Sensibilisierung für unterschiedliche Sichtweisen auf die damit vorhandenen Probleme stehen.

Mir will es sich beim besten Willen einfach nicht erschließen, wie diese wichtige Aufklärungsarbeit in der Anonymität einer nichtöffentlichen Sitzung des Umweltausschusses geleistet werden kann, so wie im Entschließungsantrag vorgeschlagen.

Im Gegenteil: Mit der Stilllegung und dem weiteren Rückbau der ostdeutschen Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg sowie des Forschungsreaktors Rossendorf sind zudem neue Momente in Bezug auf die Beurteilung von damit verbundenen Transporten radioaktiven Materials aufgetreten, die gerade wegen der Bedenken und Ängste eine sachliche Diskussion erforderlich machen. Hinzu kommt, dass - wie einer gestrigen Presseerklärung des Umweltministers Birthler zu entnehmen war - keineswegs die Gefahr gebannt scheint, dass der Rheinsberger Castor-Transport als Türöffner für die Wiederaufnahme von bisher verbotenen Transporten zum Weiterbetrieb der westdeutschen AKW missbraucht wird.

Weiterhin ist zu beachten, dass Positionen in Ostdeutschland zum Atomausstieg zu einem großen Teil auf den Beitrag engagierter Bürger aus den alten Bundesländern zurückgehen, vor allem aus der traditionellen westlichen Anti-Atom-Bewegung und dem Grünen Spektrum. Das aber hat zur Folge, dass die spezifischen Probleme Ostdeutschlands - Abriss und Nichtweiterbetrieb von AKW - bei der Positionsfindung bisher unterbelichtet blieben. Wissen entsteht aber vorrangig aus den dazu notwendigen umfassenden Informationen. Damit sei, verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine letzte Anmerkung verbunden, vor allem in Richtung der Regierungsfraktionen, weil diese ja des Öfteren Mecklenburg-Vorpommern zitieren: Im Koalitionsvertrag der mecklenburg-vorpommerischen SPD und PDS ist im Gegensatz zu Brandenburg eine klare Festlegung im Umgang mit den Problemen des Greifswalder KKW-Abrisses und der Einlagerung radioaktiver Materialien im Zwischenlager Lubmin festgeschrieben.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, bitte!

Herr Kollege Thiel, ist Ihnen bewusst, dass die Herstellung der

Öffentlichkeit im Zusammenhang mit den Castor-Transporten die Voraussetzung für die Organisierung von Gewalt im Hinblick auf diesen Transport ist?

(Beifall bei der CDU)

Nein, das ist eben nicht die Ursache. Die Ursache ist nicht die sachliche Auseinandersetzung mit den Ängsten und Besorgnissen. Transparenz und Vermittlung von Informationen haben zum Abbau dieser Ängste beigetragen.