Protocol of the Session on February 28, 2001

Herr Minister, ich möchte mich ausdrücklich an Sie wenden, wenn Herr Hackel gestattet. Herr Minister, wir hatten gemeinsam mehrfach Gelegenheit, mit ehrenamtlichen Bürgermeiste

rinnen und Bürgermeistern, mit Amtsdirektoren und mit den kommunalen Spitzenverbänden zu beraten. Wir waren gemeinsam in Diedersdorf, bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und beim Kommunalpolitischen Forum.

Ich sage eines und da waren wir uns einig: Wir haben beide darüber gesprochen, dass Reformbedarf besteht, und wir haben die Punkte aufgemacht, wo dieser Reformbedarf besteht. Nur möglicherweise ist unser Reformansatz ein anderer als Ihrer. Wir haben versucht, beide Wege zu gehen und beide Wege zu suchen. Deswegen auch die vielen Beratungen, das ist völlig richtig. Wir haben beide wahrgenommen, welche Bedenken geäußert wurden, welche der vielen offenen Fragen bei diesen Beratungen gestellt worden sind.

Nur frage ich mich, wo sind die Anregungen geblieben? Wo sind die Schlussfolgerungen geblieben, die auf diesen Beratungen gezogen worden sind?

(Beifall bei der PDS)

Wo ist das alles in Ihrem Gesetzentwurf geblieben? Nein, Herr Minister, Sie rollen wie eine Dampfwalze über das Land Brandenburg, beglücken uns mit dem, was Sie Reform nennen. Das, was Ihre Vorhaben ausmachen, verdient das Wort Reform nicht.

(Beifall bei der PDS)

Es ist zu offenkundig: Der König hat gesprochen und also sei es. Herr Minister, meine Damen und Herren, das ist nicht unser Demokratieverständnis.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Dr. Enkelmann. - Das Wort geht noch einmal an die Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Schulze.

Ehe Herr Schulze hier ist, kann ich noch Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schüler vom Fürstenberger-Gymnasium Eisenhüttenstadt. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ich mache seit 1990 Innen- und Kommunalpolitik und wir haben dieses Land an verschiedenen Stellen strukturieren müssen: Amtsordnung, Gemeindeordnung, Kreisneugliederung, Kommunalabgabengesetz, Gesetz über die Stabilisierung der Zweckverbände, Heilungsgesetz etc., etc., etc. Ich habe keines von diesen kommunalpolitischen und innenpolitischen Gesetzen in diesem Landtag und in den Ausschüssen erlebt, das nicht einen ähnlichen Sturm der Entrüstung verursacht hätte. Trotz alledem existiert das Land noch und der Untergang des Abendlandes musste leider vertagt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Ich hatte gehofft, dass wir nach zehn Jahren gemeinsamer Arbeit und Kommunalpolitik ein Stückchen ruhiger geworden

wären. Aber die Emotionalität bei diesem Thema spricht dafür, dass wir eine lebendige Demokratie haben.

Bei dem großen Vorhaben, wozu dieses Gesetz nur der Auftakt, die Ouvertüre ist, geht es natürlich darum, Verwaltung und Politik zu verändern und zu reformieren, damit am Ende mehr für die Bürger herauskommt. Es geht natürlich auch um besetzte Posten; denn Veränderung heißt, dass es nicht so bleibt, wie es ist.

(Zuruf: Die beginnt mit Opposition!)

Herr Schönbohm hat mir leider meinen Auftaktslogan weggenommen.

(Homeyer [CDU]: Das kann man wiederholen!)

Eine gute Botschaft vorweg: Die Kirche bleibt im Dorf.

Obwohl uns der Untergang des Abendlandes schon oft vorausgesagt worden ist, er ist nicht eingetreten. Er wird auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes nicht eintreten. Denn es werden leider - für diejenigen, die es nicht wissen - in dieses Gesetz Dinge hineininterpretiert, die mit diesem Gesetz weder beabsichtigt sind noch geregelt werden.

Es wird - da danke ich Frau Kollegin Dr. Enkelmann - offensichtlich jetzt der Reformbedarf nicht mehr bestritten.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das habe ich zu keinem Zeit- punkt!)

Das war nicht zu allen Zeiten so. Aber das Gesetz reformiert die Gemeinden nicht in dem Sinne, wie es zu inaugurieren versucht wird. Die Wirklichkeit ist, dass mit diesem Gesetz natürlich eine Regelung geschaffen wird, nach der sich Gemeinden, die unter 500 Einwohner haben, zusammenschließen müssen. Wenn sie es nicht freiwillig tun, dann wird das in wenigen Monaten und Jahren nachgeholt. Aber ich habe im Rahmen unserer Anhörung und in den letzten zehn Jahren keinen ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Vertreter erlebt, der ernsthaft in Frage gestellt hat, dass die Frage der Kleinstgemeinden ein Problem ist, das gelöst werden muss. Die Mindestzahl von 500 Einwohnern wird von keinem ernst zu nehmenden Menschen, den ich kenne, in Frage gestellt. Deswegen besteht an dieser Stelle auch kein Streitpunkt und kein Streitbedarf.

Was schafft dieses Gesetz im Weiteren? Dieses Gesetz schafft im Weiteren Möglichkeiten, Optionen, freiwillig Dinge zu verändern. Wenn wir hier Optionen, Möglichkeiten schaffen, wenn alles kann, nichts muss, dann frage ich mich: Warum die Aufregung? Warum die Aufregung, wenn wir einfach Handlungsfreiheit schaffen und sagen, ihr könnt dies oder das tun, ihr könnt Ortsteilverfassungen ändern, ihr könnt auswählen, da verstehe ich die Welt nicht mehr. Wenn wir das zwangsweise verordnen würden, dann wäre die Aufregung noch verständlich. Aber hier geht es um Optionen, um Freiwilligkeit.

Die Regelungen sind im Prinzip simpel und nachvollziehbar, sodass auch niemand von irgendwelcher Spökenkiekerei sprechen muss, von Dingen, die kryptisch sind, die man nicht verstehen kann. Im Übrigen wird diese Debatte bei uns seit September 2000 geführt, seitdem der Referentenentwurf ins Land

geschickt wurde. Wenn wir ehrlich sind - und das haben die Kollegen alle auch zugegeben -, müssen wir sagen: Diesen Gesetzentwurf hatte jeder von uns seit Oktober 2000 in der Hand. Der Duktus war im Allgemeinen bekannt. Sich jetzt darauf zurückzuziehen, dass der Gesetzentwurf erst am 11. Januar im Landtag eingebracht worden sei, ist ein äußerst fadenscheiniges Argument. Wenn man den Gesetzentwurf in der Tasche hatte und sich damit auseinander setzen konnte, dann kann man sich auf solche Dinge nicht zurückziehen.

Es gab im Übrigen einen verabredeten Zeitplan, der von vornherein bei einigen nicht unbedingt auf Zustimmung gestoßen ist. Aber dieser Zeitplan war transparent, er war seit langer Zeit bekannt und es kann nicht die Rede davon sein, dass Leute über den Tisch gezogen worden sind.

(Zuruf von der PDS: Natürlich!)

Das Gesetz ermöglicht, wie ich schon sagte, insbesondere im Rahmen der Freiwilligkeit viele Möglichkeiten.

Herr Sarrach, Sie haben ausgeführt, dass die Anzahl der Gemeinden und Ämter verändert werde. Erst einmal wird die Frage der Einwohnerzahl bei den Kleinstgemeinden geregelt. Ich habe schon ausgeführt, dass das auch von keinem ernst zu nehmenden Menschen bestritten wird, dass das eine Notwendigkeit ist. Deswegen muss ich Ihre Kritik an dieser Stelle zurückweisen; denn sie ist nicht substanziell.

Sie haben ausgeführt, Herr Sarrach, dass das Beteiligungsverfahren pro forma gewesen sei. Ich mache nun seit zehn Jahren im Landtag Anhörungen, Kolloquien und sonstige Dinge mit. Beteiligungsverfahren und Anhörungen sind dazu da, dass die Kollegen Abgeordneten sich von anderen deren parteiliche Position anhören. Es gibt nur parteiliche Positionen. Mir kann keiner erzählen - jedenfalls nicht, seitdem ich Friedrich Wolfs „Professor Mamlock” gelesen habe -, dass es eine Neutralität gibt. Es gibt keine Neutralität. Jeder der Anzuhörenden hat eine klare Position, die er vertritt, und zwar mit politischen und weltanschaulichen Hintergründen. Diese muss man sich anhören, muss sie abwägen und bewerten und das haben wir getan. Im Übrigen finde ich, dass diese Anhörung nicht das Desaster war, wie es hier verbreitet wird. Ich werde gleich noch darauf zu sprechen kommen.

Weiterhin haben Sie ausgeführt, dass die Ergebnisse der Enquetekommission nicht beachtet würden. Das ist ein Ergebnis, das vorliegt, das kann sich jeder durchlesen. Es ist zu einem bestimmten konkreten historischen Zeitpunkt unter konkreten politischen Konstellationen entstanden. Das Dumme ist, dass eine Landtagswahl dazwischen kam. Die Wählerinnen und Wähler dieses Landes, der Souverän - ich erinnere an die Präambel der Landesverfassung: „Wir, die Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg, haben uns...” eine Verfassung gegeben, das Volk, der Souverän, usw. -, das Volk, haben einfach bestimmt, dass sich die politischen Mehrheiten im Landtag verändern.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Stobrawa [PDS])

Nun muss man einfach akzeptieren, dass die Wirklichkeit so ist, wie sie ist,

(Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])

und dass Dinge, die bis zum 5. September 1999 möglich waren, heute nicht mehr möglich sind, weil die politischen Mehrheiten sich verändert haben. Das versteht doch nun wirklich jeder Mensch auch draußen im Land. Das muss man einfach anerkennen.

Frau Dr. Enkelmann, ich gebe Ihnen in einem Punkt Recht. In bestimmten Punkten stimme ich mit dem Gesetzentwurf überein, an bestimmten Stellen habe ich meine Bauchschmerzen. Nur bin ich Realist. Wir sind in einer Koalition, wir haben einen Reformbedarf. Wir müssen handeln. Wir müssen jetzt handeln, denn wir können das nicht auf das Jahr 2003 oder 2004 verschieben. Daher erkenne ich die Wirklichkeit an. Man muss Kompromisse machen. Kompromisse zu machen heißt, dass man sich auf den anderen zubewegt. Das mussten auch die Kollegen von der CDU, die von ihren Wahlversprechen schmerzlich abgehen mussten, weil sie einsehen mussten: Opposition ist das eine, Wirklichkeit ist das andere.

Wir stimmen nicht in allen Punkten überein, aber diesen Kompromiss schließen wir und er muss geschlossen werden - zum Wohle des Landes.

Herr Kollege Sarrach, Sie haben weiter mit einem etwas abfälligen Unterton ausgeführt, dass es immer auf die Brille ankommt, durch die man etwas betrachtet. Das ist eine Banalität, eine Wirklichkeit. Die muss man auch nicht abfällig aussprechen. Das ist das Wesen von Politik, das Wesen unterschiedlicher Weltanschauungen, unterschiedlicher Einstellungen, unterschiedlicher Erfahrungen. Das ist so. Für den einen ist das Glas halb voll, für den anderen ist es halb leer. Wir haben uns im Rahmen unserer politischen Diskussion für das entschieden, was uns machbar erscheint.

(Vietze [PDS]: Da ist das Glas leer!)

Die Anhörung hat kein vernichtendes Ergebnis gebracht, Herr Sarrach. Diese Ihre Darstellung ist sehr einseitig. Es gab zahlreiche Amtsdirektoren und Bürgermeister - ich nenne nur den Amtsdirektor von Bergholz-Rehbrücke, den Bürgermeister von Rathenow, den Bürgermeister der Gemeinden von Nuthe-Urstromtal, der übrigens der Einzige in dieser Runde war, der schon eine Gemeindeneugliederung hinter sich hat -, die sich sehr positiv geäußert haben.

Ich bitte alle Kollegen Abgeordneten, in die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses, Drucksache 3/2422, hineinzuschauen, wo steht, dass es eine sehr große Spannungsbreite zwischen Ablehnung und Zustimmung gibt. Den einen geht das alles viel zu weit und anderen ist es noch zu wenig.

Ich habe von Ihnen, Kollege Sarrach, keinen Antrag vernommen - vielleicht war ich ja geistig abwesend, obwohl ich der Sitzung immer sehr aufmerksam gefolgt bin -, der eine Verlängerung um vier Wochen betrifft, wie Sie es hier ausgeführt haben. Ganz im Gegenteil. Ich habe mit Ihrem Mitarbeiter Herrn Scharfenberg am letzten Freitag telefoniert und wir haben Möglichkeiten besprochen, die Sache höchst friedfertig zu organisieren.

Ich habe Ihnen auch in der Innenausschusssitzung am Montag das Angebot zu einer weiteren Sitzung unterbreitet. Einen entsprechenden Antrag hat es nicht gegeben. Das kann man auch in

der Drucksache 3/2422 - Beschlussempfehlung und Bericht nachlesen.

Ich möchte an Ihre Forderung, Kollege Sarrach, erinnern, die Ortsteilverfassung weiter auszubauen - Veto- und Kontrollrechte nach Artikel 36 Gemeindeordnung. Ich darf in dem Zusammenhang auch an das erinnern, was der Kollege Innenminister schon gesagt hat: Dem Städte- und Gemeindebund geht das alles schon zu weit. Der Landkreistag lehnt das sowieso grundsätzlich ab. Nun muss man sich entscheiden, wofür man ist, politisch gesehen. Wir haben uns dafür entschieden, die bestehenden gesetzlichen Regelungen der Gemeindeordnung etwas zu verfeinern, aber Sie wollen sie extrem ausbauen. An dieser Stelle konnten wir unser Mitgehen nicht zusagen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Sarrach!

Herr Kollege Schulze, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass beispielsweise der Antrag zum Vetorecht den Leitlinien des Innenministeriums - Beschluss des Kabinetts vom 11. Juli 2000 - entnommen ist?

Lieber Kollege Sarrach, die Leitlinien der Landesregierung sind ein unscharfes Bild