Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Einreicher und erteile Herrn Abgeordneten Schuldt von der Fraktion der DVU das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie eine Frage: Sprechen Sie „Engleutsch”? Wenn Sie jetzt fragen, was denn diese Sprachverhunzung soll, dann haben Sie indirekt schon unserem Antrag zugestimmt. Wieso? Im Allgemeinen spricht man von Betriebsblindheit, wenn bestimmte Unregelmäßigkeiten nicht mehr auffallen. Deshalb überliest, übersieht oder überhört man dieses und jenes, insbesondere solche Sprachverbiegungen, welche weder deutsch noch englisch sind und die besonders eklatant im Bereich der Medien und noch mehr in der Werbewirtschaft Verwendung finden.
Auch noch oder vormals staatliche Unternehmen nehmen hierbei geradezu eine Vorreiterrolle ein. Brauchen Sie am Bahnhof eine Auskunft, müssen Sie sich am „Service-Point” erkundigen, und so geht es munter weiter: In einem Stehcafé im Berliner Ostbahnhof werden italienische Kaffeespezialitäten in Englisch bezeichneten Größen angegeben: Wollen Sie den Café Latte Macchiato „short” oder „tall”?
„Daher ist es - ähnlich wie in Frankreich oder in Polen notwendig, ein Gesetz zum Schutz der deutschen Muttersprache vorzubereiten.”
Ich möchte Sie fragen, warum in Frankreich und Polen Gesetze zum Schutze der deutschen Muttersprache vorbereitet werden.
Das ist ganz einfach zu erklären, damit Sie es wirklich verstehen: Es geht hier um die deutsche Muttersprache, ähnlich wie es in Frankreich um die Muttersprache der Franzosen geht.
Wenn Sie einen Anschlusszug zu Ihrem Zug brauchen, was müssen Sie dann suchen? Rail & Fly, Airportexpress oder Airportshuttle. Angesichts dessen verwundert es wirklich nicht, dass der inzwischen ausgeschiedene Chef der Deutschen Bahn AG, Herr Ludewig, wegen seiner herausragenden Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache vom Verein zur Wahrung der Deutschen Sprache zum, wie es wörtlich heißt, „Sprachverhunzer” des Jahres 2000 gekürt wurde.
Doch auch andere Bereiche, zum Beispiel in der Wirtschaft, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationswirtschaft, sind vom gleichen Sprachverfall betroffen. Eine Krankheit nistet im deutschen Sprachgebiet: die Krankheit der Anglomanie. Es ist heute kaum mehr möglich, in Deutschland einen einzigen Tag seines Lebens zu verbringen, ohne sich einer Flut von englischen Wörtern ausgesetzt zu sehen, von Wörtern, die der Normalbürger oft nur ungenau und im Zusammenhang nur dem Gefühl nach oder aber gar nicht versteht. Bildungsärmere Menschen, die kein Englisch können, werden ausgegrenzt. Sie müssen vor der Abkoppelung von gesellschaftlichen Entwicklungen geschützt werden.
- Gerade hier in Mitteldeutschland, Herr Klein, hatten viele Menschen, die jetzt etwa 30 Jahre und älter sind, im damaligen DDR-System keinerlei Englischunterricht.
Die Verdrängung der deutschen Sprache aus dem öffentlichen Raum soll nach Meinung des Vereins Deutsche Sprache gesetzlich bekämpft werden. Der Berliner Professor und Initiator dieses Bündnisses, Hermann Dieter, sagte:
„Wir wollen niemandem vorschreiben, wie er sprechen soll, aber ein Kernbereich in der öffentlichen Sprache muss geschützt sein.”
Dabei gehe es vor allem um das Zurückdrängen der Anglizismen in Behörden und Parlamenten. Ab und zu ein englisches Wort, das bereichere die Sprache; aber zurzeit sei es eine Unmasse, die da einströme. - Dieser Aussage haben wir nichts mehr hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, sicherlich haben auch Sie eine Einladung zur BUGA bekommen. In ihr steht genau das, was ich hier anprangere: Sie werden zu einem „Open-Air-Event” eingeladen. Das muss nicht sein; es ist eine Bundesgartenschau und keine internationale Veranstaltung.
Damit Sie - insbesondere Sie, Herr Klein und Herr Homeyer uns nicht missverstehen: Uns treibt nicht, wie Sie uns vermutlich in Ihrer meiner Meinung nach bekanntermaßen unqualifi
zierten Art vorwerfen, unser Chauvinismus, sondern - ganz im Gegenteil - die mehr als berechtigte Sorge um unsere deutsche Sprache, die ja bekanntlich die Sprache der Dichter und Denker genannt wird, und vor allem die Sorge um die festzustellende Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsteile.
Entlehnungen aus anderen Sprachen sind ein ganz normales Phänomen; sind ein Teil der Sprachgeschichte. Wir würden niemals auf die Idee kommen, ein deutsches Wort für Spaghetti finden zu wollen, und Dessous, um auch einmal ein französisches Fremdwort zu nennen, sind eben nicht dasselbe wie Unterwäsche.
Da die deutsche Bezeichnung einfacher und bezeichnender ist, kann man aber wirklich auf Begriffe wie Aftershave, Aircondition, Mountainbike, Shoppingmall, Liveacts, Location
- wenn Sie es so sagen, kann ich es zurückgeben: SPD -, „fit for fun”, Learning by Doing, Business to Business oder Events verzichten.
Es ist nicht normal, sondern Zeichen eines nationalen Defektes, wenn in Deutschland Hunderte von Wörtern der deutschen Sprache durch englische ersetzt und diese dann überdies wissentlich falsch ausgesprochen werden. Eine solche sprachliche Selbstentäußerung, wie wir sie derzeit in Deutschland erleben, ist für eine moderne Kulturnation beispiellos.
Eine wahre Epidemie an Fremdwörtern ergießt sich seit Jahrzehnten über uns und erfasst zusehends auch diejenigen, die in ihrem Selbstverständnis oder nach allgemeiner Vorstellung zur Pflege der Sprache berufen sind. Denken Sie zum Beispiel an die Duden-Redaktion oder das Goethe-Institut, um nur zwei zu nennen. Daher schließen wir uns der Aussage des Vorsitzenden des Vereins zur Wahrung der deutschen Sprache e. V., Prof. Dr. Walter Krämer, an, der vor kurzem auf der Jahreshauptversammlung in Hannover erklärte:
„Ich kann die einschlägigen Vorschläge des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim nicht nachvollziehen. Es gibt für einen großen Teil des englischen Computer-Jargons perfekte und oft bessere deutsche Wörter, angefangen mit dem Computer selbst. Der hieß früher immer und bei wahren Profis auch noch heute Rechner. Außerdem weichen viele Anglizismen den tiefen Code der deutschen Sprache auf - man weiß nicht mehr, in welcher Sprache man sich bewegt. Sie, nämlich die Anglizismen, erleichtern nicht die Verständigung der Menschen, sie erschweren sie.”
Daher ist es, meine Damen und Herren, notwendig, ähnlich wie in Frankreich oder in Polen, ein Gesetz zum Schutz der Muttersprache zu erarbeiten. Dazu dient auch unser hier vorliegender Antrag, welcher ein solches Sprachschutzgesetz im Land Bran
denburg auf den Weg bringen soll. Dieses Gesetz könnte dann gemeinsam mit Berlin als Bundesratsinitiative eingebracht werden. Meine Damen und Herren von der Regierung, greifen Sie unsere Anregung auf und beweisen Sie damit, dass Sie doch in der Lage sind, über den Tellerrand hinaus zu schauen!
Als Fraktion der DVU stimmen wir voll und ganz mit dem Berliner Innensenator Werthebach überein, der ebenfalls ein Sprachschutzgesetz fordert. Innensenator Werthebach hatte sich bereits im Rahmen der Einwanderungsdebatte - hören Sie einmal genau zu, meine Damen und Herren von der CDU - damit profiliert, als zentrale Grundvoraussetzung für den Verbleib das Erlernen der deutschen Sprache zu fordern. Er erklärte wörtlich, dass die deutsche Sprache seit Beginn der 90er Jahre zernagt durch die Flut englischer Worte sei, was es folgerichtig schwer mache, einem Ausländer die Notwendigkeit zum Erlernen der deutschen Sprache zu vermitteln, wenn schon die Deutschen selbst ihre eigene Sprache verwahrlosen lassen.
Zum Jahresbeginn schließlich wagte sich Herr Werthebach noch weiter hervor und forderte ein Sprachschutzgesetz nach dem Vorbild der Sprachschutzgesetze in Frankreich und Polen. Senator Werthebach denkt in der Praxis an die Erarbeitung eines ausgewogenen Anreiz- und Sanktionssystems, was zum Beispiel Geldstrafen für Radio- und Fernsehsender oder Werbeagenturen bedeuten könnte. In unseren Nachbarländern Polen und Frankreich müssen zum Beispiel Werbeunternehmen ihre Texte in der jeweiligen Muttersprache abfassen.
Herr Kollege, haben Sie einmal durchgezählt, wie viel Fremdwörter Sie in Ihrer Rede verwendet haben, die Sie a) ablehnen und die Sie b) subtil verwenden?
Werter Kollege, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich wehre mich nicht gegen Fremdwörter, aber gegen eine Überflutung durch diese Fremdwörter. Da sollten Sie doch endlich auch mitmachen. - Jetzt darf ich doch bitte zum Abschluss kommen.
Wie schon gesagt, für Radiomoderatoren in Frankreich, die zum Beispiel viel zu viel englisch sprechen, muss der Sender eine Strafe bis zu 6 000 Mark zahlen. Wir fordern deshalb ein Sprachschutzgesetz nach französischem oder polnischem Vorbild.
Wie Herr Werthebach in Berlin, hätten Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sicherlich diesen Antrag eingebracht,
wenn, ja wenn Sie nicht unter Koalitionszwang stehen würden. Aber wir haben Ihnen gern die Arbeit abgenommen.
Wenn ich es jetzt geschafft haben sollte, Sie zu überzeugen, unserem Antrag zuzustimmen, wäre ich - wohlgemerkt - froh und nicht happy. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schuldt, und gebe das Wort Herrn Abgeordneten Klein. Er spricht für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schuldt, your time is over. - Aber damit will ich es mit der Polemik an dieser Stelle bewenden lassen und will versuchen, mich ernsthaft mit Ihrem Antrag auseinander zu setzen, der zwei Forderungen beinhaltet. Erstens: Der Landtag Brandenburg soll seinen Willen bekunden, die deutsche Muttersprache unter einen besonderen Schutz zu stellen. Zweitens: Der Landtag Brandenburg soll die Landesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf zum Schutz der deutschen Sprache einzubringen. Zur Unterstützung dieses Ansinnens soll die Landesregierung eine Expertenkommission einsetzen, welche externes Wissen von Vereinigungen, Institutionen usw. abfragen soll.