Hinzu kommt - das wird sich noch verschärfen -. dass in Berlin Lehrennangel besteht. Aufgrund der Altersstruktur der Berliner Lehrerschaft werden in den nächsten Jahren rund 1 000 Lehrer jährlich aus dem Schuldienst ausscheiden und ersetzt werden müssen. Dies wird sich auch nicht besser gestalten. wenn die Schülerzahlen im Ostberliner Teil abnehmen. Berlin wird auch dann einen Lehrerbedarf haben.
Als Folge hiervon - Frau Wolff hat es ebenfalls gesa gt - nehmen junge Lehrer den Schuldienst in Brandenburg erst gar nicht auf oder wechseln. sobald es möglich ist, nach Berlin. Das gilt besonders für Lehrer. die im berlinnahen Raum unterrichten.
Wenn wir uns die Bedingungen, die ich soeben noch einmal geschildert habe. vor Augen führen, so hat Brandenburg in diesem Wettbewerb mit Berlin tatsächlich schlechte Karten. Die Vereinbarung, die das Land Brandenburg mit Berlin getroffen hat, wird uns nur bedingt helfen, die Situation zu entschärfen. wenn sie überhaupt greift. Ich hoffe allerdings. dass sie es tut.
Die PDS fordert in ihrem Antrag, von Zeitverträgen weg und zu mehr - wie Sie sich ausdrücken - verbindlichen Einstellungen zu kommen. Damit sind vermutlich unbefristete Arbeitsverträge gemeint. Dagegen steht natürlich die sinkende Schülerzahl. Sind
solche Verträge einmal geschlossen, müssen sie auch erfüllt werden. Die Teilzeitvariante haben wir ja gewollt. Ich denke. wir stehen heute noch dahinter. Das hat dann natürlich auch Konsequenzen. Würde man die Berliner Verhältnisse einführen. also die Besoldung angleichen. so kostete das jährlich mehrere hundert Millionen DM. ohne dass momentan jemand weiß, was wir davon haben. Dennoch ist es natürlich richtig. dass Maßnahmen erforderlich sind. Wir können nicht immer nur feststellen, wie die Situation ist. wir müssen vielmehr dafür sorgen. dass an Brandenburger Schulen auch künftig ordentlicher Unterricht erteilt werden kann.
Ein Ansatz ist die Neustrukturierung der Schulämter, die sicherlich entspannend wirken wird. aber das Problem nicht löst. Auch mehr Entfristungen sind sicherlich notwendig. Aber insgesamt brauchen wir auch bessere Arbeitsbedingun gen für die Lehrerinnen und Lehrer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht nachvollziehbar, wie seitens der Landesregierung mit dieser Problematik umgegangen wird. Herr Minister Reiche betonte in der Vergangenheit immer wieder, es gebe ein Übereinkommen mit dem Land Berlin. keine Lehrer während des Schuljahres abzuwerben. Aber was nützte dieses Abkommen in der Vergangenheit? Über 300 Lehrer sind doch nach Berlin abgewandert. Momentan stagniert die Zahl. aber ein Ende ist noch nicht absehbar. Verstehen kann man diese Lehrer. denn Berlin bietet ihnen unter anderem Vollzeitarbeit. feste Verträge und ein höheres Gehalt.
Seitens der Landesregierung wird immer wieder betont, dass in der Landeskasse Ebbe herrsche und für eine Angleichung der Gehälter kein Geld vorhanden sei. Auch in den nächsten x Jahren wird das Land Brandenburg über akuten Geldmangel klagen müssen. Doch wann soll eine Angleichung erfolgen?, frage ich. Dann. wenn es im Lande Brandenburg keine kompetenten Lehrkräfte mehr gibt?
Die Damen und Herren auf der Regierungsbank scheinen doch immer sehr vorausschauend zu sein. Denken wir nur einmal an die geplante Polizeistrukturreform. bei der vorgesehen ist, zunächst einmal viel Geld zu investieren, um dann im Jahre x die ersten Einsparmillionen präsentieren zu können.
nommen wird, uni die Ungleichbehandlung der Brandenburger Lehrer zu beenden, dann werden in den folgenden Jahren noch höhere Kosten auf das Land Brandenburg zukommen. Es werden nämlich noch mehr Lehrer abwandern, ganz gleich. ob ein Übereinkommen mit Berlin existiert oder nicht. Denn es gibt immer eine Möglichkeit. dieses zu umgehen.
Was bedeutet es letztlich für die Schüler, wenn immer mehr Lehrer abwandern und immer mehr Unterrichtsstunden ausfallen? Ist überhaupt noch ein kontinuierlicher Unterricht gewährleistet? Welche Bildungsdefizite entstehen bei den einzelnen Schülern? Wird es nicht auch dazu kommen, dass Schüler aufgrund des ständigen Lehrerwechsels und des Ausfallens von Stunden das Klassenziel nicht erreichen? Was wird es das Land erst kosten. wenn immer mehr Schüler Klassen wiederholen oder Förderstunden in Anspruch nehmen müssen? Welche Kosten entstehen erst dem Land. wenn immer mehr Schüler keinen Schulabschluss erreichen und demzufolge auch keinen Ausbildungsplatz auf dem freien Markt finden, wenn immer mehr Schulabgängern aufgrund ihrer schlechten Abschlusszeugnisse nur staatlich bezahlte Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen'?
Im Übrigen dürfte es auch unserem Bildungsminister aufgefallen sein, dass die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss ständig steigt. Auch dürfte bekannt sein, dass über 40 der Sozialhilfeempfänger im Alter von 18 bis 25 Jahren keinen beruflichen Ausbildungsabschluss haben und auch nicht in beruflicher Ausbildung stehen. Aus alldem resultieren Kosten. die sich im Laufe der Jahre vervielfachen werden, wenn nicht so schnell wie möglich gegengesteuert wird.
Dic geplante Bildungsoffensive soll 12 Millionen DM kosten. Vielleicht sollte man die kostenintensiven Modellversuche einfach streichen und stattdessen dieses Geld für die noch hier im Land Brandenburg verbleibenden Lehrer verwenden.
Wie der Presse zu entnehmen war, soll den Lehrern in Brandenburg zur besseren Motivation eine leistungsabhängige Zulage zum Gehalt gezahlt werden. Die fast 27 000 Lehrer im Land erhalten noch nicht das volle Westgehalt. aber das Geld für ein Prämiensystem scheint da zu sein.
Dein Antrag der PDS-Fraktion werden wir zustimmen, denn es ist dringend erforderlich, dass die Landesregierung etwas gegen die Abwanderung der Brandenburger Lehrkräfte nach Berlin unternimmt. Da reicht es eben nicht aus, dass nur ein Übereinkommen mit dem Land Berlin geschlossen worden ist, dass während des Schuljahres keine Lehrer abzuwerben sind, sondern wir müssen hier alle gemeinsam Lösungen finden, um unsere Lehrer im Land zu behalten. Wir müssen erreichen. dass sie froh sind. hier in unserem Land zu sein, und nicht abwandern. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Frau Hartfelder [CDU]: Es wurde vereinbart, dass wir Ähnlich verhält es sich auch hier. Wenn jetzt nicht etwas unter- verzichten!)
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die im vorliegenden Antrag der Fraktion der PDS angesprochenen Probleme sind der Landesregierung bekannt. Zurzeit wird im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport eine Aktualisierung der Prognose zur Entwicklung des Lehrerbestandes und des Lehrerbedarfs erarbeitet, auf deren Grundla ge auch Konsequenzen hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse von Brandenburger Lehrkräften gezogen werden sollen.
Die pauschale Forderung nach Gleichstellung der Brandenburger Lehrkräfte mit Lehrkräften im Land Berlin nutzt da wenig. denn sie ist zu allem Überfluss - Frau Siebke hat es hier dargelegt - falsch. Schließlich sind die Lehrkräfte gleichgestellt. Die gleichgestellten Lehrkräfte bekommen nicht das gleiche Gehalt wie in Berlin.
- Das ist wie bei den Ministern und bei vermutlich 70 DA, 80 % oder 90 % der arbeitenden Bevölkerung in den ostdeutschen Ländern. Das ist das Problem. Deshalb haben wir mit der Abwanderung in vergleichbarer Art auch an vielen anderen Stellen zu tun, wenn auch nicht in dieser Dynamik.
Sie sagten. man könne zur Bildungsoffensive stehen, wie man wolle, und reagierten nur kritisch auf die Beschlüsse. die in dieser Woche gefasst worden sind. Mich macht das ein Stück weit traurig, denn Sie haben im Ausschuss an anderen Stellen immer gesagt. Sie würden das kaum für möglich halten. Nun ist das, was Sie nicht für möglich gehalten haben. durch die Koalition beschlossen worden. Wir haben eine Priorität bei der Bildung gesetzt und diese Priorität auch finanziell untersetzt. Dies wird die Situation nicht nur von vielen tausend Schülern, und zwar in jeder Jahrgangsstufe - in den nächsten Jahren vermutlich zwischen 30 000 und 35 000 -. sondern auch von vielen hundert Lehrern verbessern.
Frau Wolff, Sie wissen, dass wir keine höheren Klassenfrequenzen haben. Ich kann im Ausschuss auch gern noch einmal darüber berichten. Die Klassenfrequenzen gehen überall zurück. An den Grundschulen ist in fast allen Kreisen ein Niveau von durchschnittlich unter 20 Schülern erreicht
Zu Ihren Ausführungen muss folgender Hintergrund. der Ihnen bekannt sein dürfte, noch einmal verdeutlicht werden: Das unterschiedliche Vergütungsniveau - 88 % in Brandenburg, 100 % in Berlin - führt zwar bei den angestellten Lehrkräften beim Nettogehalt zu Unterschieden von nur circa 3 %; es gibt jedoch bei den Beamten zwischen der Besoldung auf dem Niveau der alten Länder. die auch für den Westteil von Berlin gezahlt wird. und dem Niveau der neuen Länder einen Unterschied von rund 10 % netto für die Beschäftigten. Die Landesregierung will diese Unterschiede möglichst schnell beseiti gen. Sie sieht aber keine Möglichkeit zu einer sofortigen Angleichung. denn - Frau Wolff. das wissen Sie auch - wir können die Lehrerinnen und Lehrer. so gern zumindest wir beide das auch töten. nicht einfach gegenüber anderen Gruppen vorziehen.
Außerdem hat Berlin hinsichtlich der Besoldung einiger Lehrergruppen Privilegien aus der Zeit des kalten Krieges beibehalten. die sich aus der Sicht der Landesre g ierung Brandenburgs eigentlich nicht rechtfertigen lassen. Sie wissen, dass die Frontstadt-Situation Westberlins auf Ostberlin erweitert worden ist und nun in ganz Berlin gilt.
Dies führt dazu, dass viele Lehrkräfte in Berlin besser bezahlt werden können als in Brandenburg und überhaupt in Deutschland. Ein Berliner Lehrer mit zwei Wahlfächern ist der Besoldungsgrüppe A 13 zugeordnet, während in Brandenburg entsprechende Lehrkräfte im Eingangsamt in die Besoldungsgruppe A 12 eingeordnet sind. Berlin hat dieses Privileg aufgrund der Tatsache, dass seine Lehrerbildung gesetzlich vor dem Jahr 1973 in dieser Weise geregelt war. Brandenburg kann diese Möglichkeit aufgrund der Vorgaben des Bundesbesoldungsgesetzes gar nicht nutzen. Auch hier bleiben also wegen der bundesrechtlichen Zuständigkeit keine Handlungsmöglichkeiten für das Land.
Brandenburg kann vor dem Hintergrund der in den nächsten Jahren in die Sekundarstufen I und II aufrückenden geburtenschwachen Jahrgänge nicht in allen Fällen auf Dauer volle Arbeitsverhältnisse anbieten, Ich täte das gern, aber Sie wissen, dass im Jahr 2004 in nur einem Jahrgang eine Reduzierung uni mehrere tausend Schülerinnen und Schüler erfolgen wird. Bis zum Jahr 2009 werden wir eine Halbierung der gesamten Schülerzahl erleben. Das sind die Rahmenbedingungen, mit denen wir umgehen müssen.
Das wird bis zum Jahr 2005 - wie auch mit den Gewerkschaften vereinbart - einen Rückgang der Zahl der Lehrerstellen um nochmals rund 4 800 bedeuten. übrigens bei einer kontinuierlichen Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation auch ohne Bildungsoffensive: mit der Bildungsoffensive erfolgt eine zusätzliche Verbesserung.
- Ich bin gleich fertig, Herr Präsident, und biete an. das Weitere zu Protokoll zu geben, damit es im Einzelnen noch einmal nachgelesen werden kann. - Eine grundsätzliche Lösung der Probleme im Lehrerbereich, die die Angleichung der Vergütung und Besoldung auf das in den alten Ländern gezahlte Niveau einschließt, werden wir kurzfristig nicht anbieten können, denn die Angleichung der Vergütung und Besoldung könnte nur fier alle erfolgen. Dann. liebe Frau Wolff. würden wir eine Steigerung der Lohn- und Gehaltskosten um fast eine Milliarde Mark erleben. allein für den Lehrerbereich wären es circa 500 Millionen DM. Dies können wir derzeit leider nicht finanzieren. Ich bin dankbar, dass sich die Koalition und die Landesregierung entschieden haben, wenigstens für die Bildungsoffensive in den nächsten Jahren zusätzliche finanzielle Mittel bereitzustellen. nämlich jährlich bis zu 44 Millionen DM. die wir für die Verbesserung der Situation der Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung haben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der PDS-Fraktion. Drucksache 3/2275. folgt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist er mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Hesselbanh, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zentrale Vorhaben der Landesregierung, welche im Haushaltsjahr 2001 verwirklicht werden sollen, stehen heute bereits wieder infranc. Wir haben es gestern und auch heute mehrheitlich vernommen. Dies gilt insbesondere für den von der Regierungskoalition versprochenen Start der Bildungsoffensive und auch für die Umsetzung der von der Landesregierung beschlossenen Polizeistrukturreform, die Verwaltungsreform, die Forstreform und die Kommunalreform. All diese Reformvorhaben sind zwar seitens der Landesregiening geplant und zum Teil. wie zum Beispiel die Bildungsreform, sogar in der Koalitionsvereinbarung enthalten, doch wie sie bezahlt werden sollen, ist bei der derzeitigen Haushaltslage völlig ungewiss.
Sehen wir uns zunächst einmal die Reformvorhaben im Überblick an. um dann zu ihrer Finanzierung, welche in keiner Weise gesichert ist. überzuleiten. Beginnen wir hei Ihnen. Herr Minister Reiche.
Im Oktober letzten Jahres referierten Sie auf einem Symposium des Bundesverbandes Deutscher Banken in Dresden zum Thema „Welche Reformen braucht das deutsche Bildungssystem?" Dabei sprachen Sie sich vollmundig für die zweifellos richtigen Ziele einer verbesserten EDV- und Internetausstattung der Brandenbureer Schulen - die zum Teil schon realisiert sind -, für bessere Fremdsprachenkenntnisse sowie für Auslandsaufenthalte von Brandenburger Schülern aus.
Sie sprachen von Bildungszeitverkürzung und davon. dass bei Einführung einer flexiblen Schulzeit das Abitur vielleicht bereits nach 11 Jahren abgelegt werden könnte, was Sie jetzt auch mit Ihren von uns durchaus begrüßten „Schnellläuferklassen erproben wollen, und verstiegen sich zum Schluss sogar zu der Forderung, den Schulen ein ähnliches Budgetrecht wie den Hochschulen einzuräumen.
All dies, Herr Minister Reiche, klang wunderbar. doch Angaben darüber, womit Sie es bezahlen wollen. blieben Sie den Zuhörern und bleiben Sie auch den Bürgerinnen und Bürgern Brandenburgs bis heute schuldig.