Protocol of the Session on January 24, 2001

Meine dritte Frage ist, warum Sie eigentlich so überrascht sind und meinen, dass die Ursachen für diese Probleme außerhalb des Landes liegen. Die Defizite. die ich aufgezählt habe, sind mit sehr wenigen Ausnahmen - hausgemacht und im Großen und Ganzen Resultat Ihrer eigenen Politik. Ich sage das bewusst ganz deutlich. weil manchmal der Vorwurf an die PDS gerichtet wird, wir seien die Schuldenpartei. Wir haben die Haushalte seit zehn Jahren nicht beschlossen. Wir haben sie nicht für gut befunden

(Schippe' [SPD]: Sie wollten immer mehr!)

und uns an der Stelle immer sehr kritisch geäußert. Die Krise ist. Herr Schippet, nicht einfach so über uns gekommen, sondern wurde von Ihnen selbst herbeigeführt.

(Beifall hei der PDS)

Das wirklich Skandalöse an der Landespolitik ist. dass die Regierung des Landes neben vielen halbherzigen Versprechungen nur eines wirklich ernsthaft praktiziert: Sie streicht skrupellos ABM- und SAM-Stellen, insbesondere im Jugendbereich. Wir hatten eben dazu eine Diskussion. Die Sprecherin des "ZielMinisteriums" sprach selbst von neuen Richtlinien, die einen Rückgang von mindestens 69 % von SAM- und ABM-Stellen im Jugendbereich bedeuten.

Wohin soll das führen? Die Presse meldet sogar die Streichung von drei Vierteln. Das widerspricht einfach ihrem Bemühen, Herr Ministerpräsident. alles zu tun. um Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit aus unserem Lande zu verbannen. und das widerspricht auch der Anerkennung des Ehrenamtes, die Sie oftmals aussprechen, was ich richtig finde. An jeder solcher bezahlten Stelle hängen sehr, sehr viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Das sollten wir nicht vergessen.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss!

Das ist schade. Ich wollte zumindest noch die Frage stellen: Wie nun weiter?

Die PDS hat fünf Forderungen: Ein Nachtragshaushalt muss her! Die Ncttokreditverschuldung muss gestreckt werden! Der soziale Frieden im Lande ist wichtig, das sollte unser Schwerpunkt bleiben. Wir müssen endlich über eine längerfristige Einnahm everbessening sprechen.

(Beifall bei der PDS)

Ausgabenreduzierungen sind nur das eine. Sie müssen im Zusammenhang mit der Aufgabenkritik ausgesprochen werden.

Als letzter Hinweis vor allem an die SPD: Dann wehren Sie sich

doch auch mal gegen Bundespolitik, die sozusagen große Geschenke verteilt, sie aber von den Ländern bezahlen lässt!

(Beifall bei PDS und DVU)

Frau Abgeordnete, ich möchte Sie bitten, zum Schluss zu kom

men.

Wenn Sie aus parteipolitischen Gründen diese Alternativen nicht unterstützen, dann nennen Sie neue? Wir reden gern darüber. - Danke schön.

(Starker Beifall hei der PDS)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Osten. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Lunacek.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir heute in dieser Aktuellen Stunde die Möglichkeit haben, die finanzielle Situation des Landes offen darzulegen und aufzuzeigen, wie wichtig und richtig für die Zukunft Brandenburgs unsere Strategie ist. mit diesen Dingen umzugehen.

Fakt ist: Wir haben im Landeshaushalt in diesem Jahr gegenüber der alten Planung eine Finanzierungslücke von 1.2 Milliarden DM. 1,8 Milliarden DM, Frau Osten, sind nun wirklich utopisch hoch gerechnet. Ich denke. 1,2 Milliarden DM sind schon schwierig genug. Oder anders dargestellt: Je Einwohner fehlen uns für die geplanten und für die zusätzlich notwendigen Ausgaben knapp 500 DM.

Wo liegen die Ursachen dafür? Den größten Teil davon macht die Steuerreform aus. Wir haben im Sommer letzten Jahres einer Steuerreform zugestimmt, weil davon ein kräftiger Wachstumsschub für die deutsche Wirtschaft ausgeht. Dies bedeutet mehr Arbeitsplätze, dies bedeutet weniger Arbeitslosigkeit und dies bedeutet mittelfristig Mehreinnahmen für den Staatshaushalt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dies bedeutet auch, meine Damen und Herren, dass die Bürger seit dem 1. Januar dieses Jahres mehr frei verfügbares Einkommen haben. Sie zahlen weniger Steuern. Wer in diesen Tagen aufmerksam seinen Lohnschein oder die Presse liest, der sieht, dass z. B. eine ledige Fachverkäuferin mit einem Jahresbruttoverdienst von 40 000 DM bis 2005 eine Steuerentlastung pro Jahr von knapp 2 000 DM erhält. Selbst in diesen Monaten ist das auf den Lohnzetteln, wenn auch in geringerem Umfang, bereits nachvollziehbar.

Jeder Steuerzahler hat seit dem 1. Januar 2001 Monat für Monat mehr Geld in der Tasche - Geld, das er nicht mehr dem Staat geben muss. Die Entlastung für unsere Bürger verringert die Einnahmen des Landeshaushalts um 570 Millionen DM.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger mehr Geld zur Verfügung haben, heißt das auch, dass sie mehr eigene Verantwortung übernehmen. Für den Staat, der dadurch weniger Einnahmen hat, bedeutet dies, dass er sparen muss. Das ist eine pure Selbstverständlichkeit. Wer den Menschen weismachen will: Der Staat hat weniger Einnahmen. weil er den Bürgern mehr lässt, und es kann alles so bleiben, der Staat macht so weiter -, der streut ihnen Sand in die Augen, der verkauft sie für dumm.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir tragen diese Steuerreform. weil sie wichti ge Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung setzt und damit allen zugute kommt. Deshalb sind wir bereit, uns den Herausforderungen, die daraus für das Land Brandenburg erwachsen, zu stellen. Die Union wollte im Übrigen bereits drei Jahre früher eine Steuerreform mit zum Teil etwas anderen Akzenten. Aber ich sage: Besser diese als keine.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Darüber hinaus gibt es in diesem Jahr unabweisbaren Mehrbedarf für den Landeshaushalt. Dieser war bei Erstellun g des Doppelhaushaltes vor einem Jahr nicht absehbar. Um Beispiele zu nennen: Die Kommunen werden in diesem Jahr voraussichtlich 108 Millionen DM zusätzlich erhalten - Geld für die Kostenerstattun g für den Ausbildungsverkehr. das heißt für verbilligte Fahrausweise. Es werden etwa 100 Millionen DM Ausgaben auf das Land zukommen, weil Rentenbezüge aufgrund der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme nach DDR-Recht nachgezahlt werden. 18 Millionen DM Mehrbedarf gibt es für Wohngeld. 11 Millionen DM Mehrbedarf durch die BAföGNovelle und weitere Dinge.

Alles in allem beträgt die Finanzierungslücke für 2001 1.2 Millionen DM durch verringerte Einnahmen und unabweisbare Mehrausgaben. Das ist die Situation. Wie gehen wir damit um? Die Koalition hat sich darauf verständigt, den größten Teil dieser Summe durch Sparmaßnahmen aufzufangen. Den geringeren Teil der Finanzierungslücke, nämlich eine Summe in Höhe der Mindereinnahmen von 570 Millionen DM, werden wir über Kredite auffangen. Dies ist vertretbar, weil dem ein schlüssiges Konzept zugrunde liegt. Die Einnahmen des Landes werden sich mittelfristig durch die Wachstumsimpulse, die die Steuerreform erzeugt. erhöhen. Im Ergebnis strecken wir den Konsolidierungskurs um zwei Jahre. Am Ziel Nettoneuverschuldung null halten wir fest.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir wollen dieses Ziel erst zwei Jahre später. nämlich im Jahre 2004, erreichen. Aber wir brauchen uns auch mit der neuen Planung nicht zu verstecken, denn Brandenburg will damit immer noch - vor Bayern im Übrigen - das erste Bundesland sein, das die Nettoneuverschuldung null erreicht.

Nun ein paar Worte zur PDS: Ich frage mich. meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion oder Frau Osten. die es hier vorgetragen hat: Was bitte wollen Sie eigentlich mit Ihrer Kritik? Sie stellen sich hier hin und beklagen eine Situation, in der das Land Einnahmeverluste hat und wir sparen miissen. Dabei haben Sie doch selbst der Steuerreform zugestimmt. Sie haben als

Regierungspartei in Mecklenburg-Vorpommern mit Ihrer Zustimmung zum Zustandekommen der Steuerreform beigetragen. Ich habe hier sogar zwei Pressernitteiluneen, in denen Herr Bisky und Frau Tack den hilflosen Versuch unternehmen, diese irgendwie vor ihrer eigenen Wählerschaft zu rechtfertigen. Sie machen darin einen Spagat. den man eigentlich nicht machen kann, ohne sich ein Bein zu brechen.

Herr Bisky und Herr Gysi äußern darin Verständnis und Zustimmung zur Entscheidung der PDS in Mecklenburg-Vorpommern

(Zuruf von der PDS: Es hätte ja noch schlimmer kommen können! - Weitere Zurufe von der PDS)

und sagen: Eine politisch kluge Entscheidung! - Frau Tack, also die Landesvorsitzende der PDS, ist etwas anderer Auffassung. Sie sagt Folgendes: Die Steuerreform

"ist nicht das Signal einer Umverteilung von oben nach unten. sondern setzt im Gegenteil die Umverteilung von unten nach oben weiter fort. Sie hilft nicht den sozial Benachteiligten. sondern verschärft stattdessen, weil sie den vielen Millionen Arbeitslosen. Sozialhilfeempfängern und Rentnern keinerlei Vorteile bringt, die Bevorzugung der Besserverdienenden und damit die Unterschiede zwischen Arm und Reich."

Ich halte das für Unsinn. Aber wenn Sie so denken, dann frage ich mich: Warum stimmt denn die PDS der Steuerreform zu?

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Biskv [PDS])

Dies ist ein typisches Beispiel, wie Macht oder in Aussicht stehende Macht korrumpiert.

(Beifall bei CDU und SPD - Vietze [PDS]: Herr Lunacek. die CDU-Länder haben dagegen gestimmt, in Branden- burg hat die CDU in der Koalition dafür gestimmt. Das sind unterschiedliche Auffassungen. Gibt es so etwas? - Große Unruhe bei der PDS)

Es gibt zwischen den politischen Ansätzen dieser Koalition aus SPD und CDU einerseits und der Auffassung der PDS andererseits einen grundsätzlichen Unterschied. Sie wollen die Probleme lösen, indem Sie die Einnahmesituation des Landes verändern wollen. Mit anderen Worten: Sie wollen den Bürgern mehr Geld aus der Tasche ziehen.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Bisky, das kann man ganz konkret in Ihrem Programm nachlesen. Schauen Sie in Ihre eigenen Programme! Dort fordert die PDS: Durch konsequente Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss mehr Geld in die öffentlichen Kassen fließen!

(Zuruf von der PDS: Richtig, aber doch nicht durch die, die es nicht haben! - Weitere Zurufe von der PDS)

Das kann man auch ganz konkret in anderen Veröffentlichungen nachlesen. Ich sage Ihnen einmal, was Frau Luft im Deutschen Bundestag gesagt hat:

"Werden Mehr- und Mindereinnahmen"

- nach den Vorstellungen der PDS

"nach ihrem steuerpolitischen Konzept saldiert, ergibt sich ein zusätzliches Steueraufkommen pro Jahr zwischen 125 und 170 Milliarden DM."