Protocol of the Session on December 14, 2000

Durch ungenügende Darstellungsweise gerade in den Kriminalund Verurteiltenstatistiken komm es immer wieder dazu. dass unzutreffende Behauptungen über das Kriminalitätsverhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen Unsicherheit und Angst bei den Bürgern unseres Landes auslösen. Sicherlich ist das dem Zusammenleben von In- und Ausländern in Brandenburg nicht dienlich. Unser Antrag dient dazu, hier endlich einmal Klarheit zu schaffen.

Daher bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Alternativ beantragen wir bereits jetzt die Überweisung unseres Antrags in den Ausschuss für Inneres - federführend - und in den Rechtsausschuss. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an den Ab geordneten Sarrach. Er spricht für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist traurige Tatsache. dass die Verliererinnen und Verlierer der Politik - Arbeitslose. Obdachlose. Punks. Drogenabhängige sowie vor allem Flüchtlinge und Menschen nichtdeutscher Herkunft - zu Hauptverursachern von Kriminalität abgestempelt werden. Nicht jeder und jede. der oder die arm ist. wird auch kriminell. Aber hohe Arbeitslosigkeit, die Angst um die Wohnun g und die zunehmende gesellschaftliche Ausgrenzung sind sozialer Boden, auf dem Kriminalität gedeihen kann. Deshalb ist Repression kein geeignetes Mittel gegen Kriminalität. Kriminalität ist keine Frage des Passes. sondern der gesellschaftlichen Integration.

Die Formulierungen einer Vielzahl Kleiner Anfragen der DVU und der vorgelegte DVU-Antrag selbst zielen auf die Behauptung eines Zusammenhanges zwischen Straftatbegehung und Nationalität oder Herkunft des Täters ab. Diese Grundannahme wird auch durch die Polizeilichen Kriminalstatistiken des Bundes und der Länder suggeriert, die schließlich eine Einteilung nach deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen vornehmen. Politisch plakativ wird diese Art rassistischer Zuschreihung auch von CDU und CSU durch die populistische Sprachregelung „Ausländerkriminalität" genährt.

So stellt sich im Lichte des rechtsextremen, ausländerfeindlichen Hintergrunds der DVU der vorgeschobene Zweck. einem Zusammenleben von In- und Ausländern dienen zu wollen, völlig anders dar. Die DVU tut alles, uni anders Lebende, anders Liebende und anders Aussehende zu diskriminieren und zu kriminalisieren. Hierfür will sie Statistiken haben und hinterher Statistiken fälschen. Man fragt sich, welcher Zusammenhang zwischen detaillierter Darstellung nach rassistischen Eingruppierungsmustem und einem Zusammenleben besteht. Eine Beziehung zwischen Stigmatisierung und Zusammenleben ist dem unbefangenen Betrachter einfach nicht klarzumachen und erklärt

sich, wenn überhaupt, aus der politischen Motivation der DVU selbst.

Auch materiell ist dem Ansinnen entschieden entgegenzutreten. Es werden bereits existierende rassistische Etikettieruneen von Kriminalität fortgeschrieben und noch überhöht. Die hier zugrunde liegende abstruse Annahme ließe sich durch Anwendung der Grundlagenmathematik auf die in ihrem gegenwärtigen Erhebungsbestand und Aussagegehalt schon zweifelhaften Polizeilichen Kriminalstatistiken bereits widerlegen. Der Umgang mit der Polizeilichen Kriminalstatistik sollte deswegen sehr vorsichtig erfolgen, denn die PKS kennt keine Straftäter. sondern erfasst lediglich Tatverdächtige. Auch liegt der von Nichtdeutschen verursachte Schaden weit unter dem, den deutsche Staatsangehörige durchschnittlich anrichten. Die vom Statistischen Bundesamt erfasste nichtdeutsche Wohnbevölkerung ist deutlich kleiner als die von der PKS erfasste Zahl von Nichtdeutschen. Letztere bezieht sich auch auf Menschen, die sich nur kurzfristig in Deutschland aufhalten oder auf der Durchreise sind.

Es gibt des Weiteren eine Vielzahl von Besonderheiten hinsichtlich der sozialen und altersmäßigen Zusammensetzung der nichtdeutschen Wohnbevölkerung zu bemerken. Diese fuhren zu statistischen Verzerrungen. Aber erst unter Berücksichtigung all dieser Besonderheiten wären Vergleiche zwischen nichtdeutscher und deutscher Wohnbevölkerung überhaupt nur möglich. In ihnen zeigte sich aber, dass die Gefahr der Begehung einer kriminellen Handlung bei Nichtdeutschen in vergleichbarer Soziallage deutlich niedriger als bei Deutschen ist.

Entscheidend ist in Ihrem Antrag das Diktum von..nationalitätsspezifischen Merkmalen" - eine offensichtliche Wortschöpfung der DVU, bei der es wohl um eine Verbrecherphysiognomie im Sinne einer Vermessung von Individuen nach rassekundlichen Merkmalen geht. Wollen Sie wieder eine Zigeunerkartei wie bei den Nazis?

Traurig ist nur - damit möchte ich abschließend einen nachdenklichen Ton anschlagen -, dass unabhängig davon, welches Schicksal dieser Antrag nehmen wird, allein die Stellung des Antrages und die Debatte schon wieder dazu beigetragen haben, ausländerfeindliche Ressentiments zu bedienen.

Wir leimen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der PDS} Präsident Dr. Knohlieh: Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Herr Abgeordneter Homeyer, bitte sehr! Homeyer (CDU) :

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss sagen, ich bin sehr verwundert, dass wir dieses Thema der Polizeilichen Kriminalstatistik heute im Plenum behandeln, denn ich bin Mimliiert des Innenausschusses und es ist mir überhaupt noch nicht aufgefallen, dass wir dies jemals dort thematisiert haben.

(Zuruf von der SPD: Kein Thema!)

Die Aufbereitung und die Aussagefähigkeit der Polizeilichen Kriminalstatistik ist ein Thema. das sich geradezu anbietet. es im Innenausschuss zu behandeln und dazu Fragen zu stellen. Wenn man nicht durchblickt oder es nicht versteht, wenn darüber diskutiert wird, dann sollte man seine Fragen im Innenausschuss stellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Innenminister und sein Team jede Frage beantworten und versuchen werden, deutlich zu machen, dass unsere Polizeiliche Kriminalstatistik in jeder Hinsicht sachdienlich ist. Wie gesagt. man muss sie nur lesen können.

Herr Abgeordneter. lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön!

Herr Homeger, wissen Sic. dass unsere Anträge auf Bearbeitung im Innenausschuss abgelehnt werden?

Frau Hesselbarth, ein Antrag. dass wir uns über die Polizeiliche Kriminalstatistik unterhalten sollen oder dass Kollege Fimeburg sich durch das Innenministerium unterrichten lassen will, ist mir nicht bekannt. Ein solcher Antrag ist bis jetzt nicht gestellt worden.

Ich bin fest davon überzeugt. dass ansonsten eine entsprechende Information erfolgt wäre und der Innenminister das im Nachgang dieser Plenarsitzung noch erledigen würde.

Unsere Polizeiliche Kriminalstatistik hat sich bewährt. Sie ist sachdienlich, sie ist hervorragend aufbereitet. Tabellen, Schaubilder und Analysen erleichtern dem Leser und demjenigen, der sich ernsthaft damit auseinander setzt. erheblich das Auffinden von interessanten Merkmalen. zum Beispiel die regionale Verteilung der Kriminalität. die bis hin zu Gemeindegrößenklassen aufgeschlüsselt wird, nach Altersstruktur, Geschlecht der Tatverdächtigen, nach Tatort. Wohnsitz, Beziehungen der Tatverdächtigen usw. Auch die die nichtdeutschen Tatverdächtigen betreffende Aufschlüsselung ist bestens und sämtlichen Erfordernissen entsprechend dargestellt, sodass kein Handlungsbedarf besteht, wie in Ihrem Antrag aufgezeigt wird.

Sollten Sie aber noch Aufklärungsbedarf haben, bitte ich Sie, Herr Kollege Firneburg oder auch die DVU. dieses doch im Innenausschuss zu fordern. Ich glaube, dann kann Ihnen geholfen werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dein Abgeordneten Homeyer und gebe das Wort an die Fraktion der PDS.

(Zuruf: Er hat schon gesprochen!)

Ich bitte um Entschuldigung.

(Klein [SPD]: Wir wollen es nicht übertreiben!)

Dann hätte die Landesregierung jetzt Gelegenheit, das Wort zu nehmen, aber ich nehme an. sie macht davon keinen Gebrauch.

Somit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU hat beantragt. die Drucksache 3/2095 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheil] ich abgelehnt worden.

Ich rufe den Antrag in Drucksache 3/2095 der Fraktion der DVU auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt. den bitte ich uni sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Vorlage einer Analyse zu weiterführenden Schulen der Sekundarstufe 1 ohne gymnasiale Oberstufe sowie weiterer Berichte und Konzepte im Zusammenhang mit der geplanten Einführung einer „Sekundarschule"

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2112

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der Frau Abeeordneten Wolff für die einreichende Fraktion das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, der Titel unseres Antrages ist nicht so leicht vorzutragen.

Es gibt einen Referentenentwurf zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes. In diesem wird in § 16 - Äußere Organisation nach Schulstufen und Schulformen als Schulform die Sekundarschule aufgeführt. § 20 a gibt Auskunft über die Bildungsgänge der Sekundarschule.

Mit einem Referentenentwurf für ein Gesetz hat man erst einmal die Gelegenheit. sich mit dem Anliegen des Gesetzes auseinander zu setzen. Die Diskussion über den Gesetzentwurf ist in Gang gekommen. aber ein Gesetzestext ist nicht ausreichend. um Probleme deutlich zu erkennen.

Ich hatte schon mehr als einmal in anderen Zusammenhängen nachgefragt, ob denn die Verbände. Vereine und Entscheidungsgremien in die Diskussion einbezogen werden. und wurde vom Herrn Minister helfend darauf hingewiesen, dass selbstverständlich die vom Brandenburgischen Schulgesetz vorgesehenen Mitwirkungsrechte in der Schule eingehalten würden, was die Gremien betrifft.

Um überhaupt mitreden zu können, sind detaillierte Ausführungen zu dem, was Sekundarschule ist und was sie kann, nötig. in einer Beratung des Bildungsministers mit Vereinen, Verbänden. Gewerkschaften und bildungspolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen ist vereinbart worden. ein inhaltliches Konzept für die geplante neue Schulform Sekundarschule vorzulegen. Wir glauben. dem sollte durch eine entsprechende Aufgabenstellung seitens des Parlamentes gebührendes Gewicht verliehen werden.

Um in die Diskussion einzusteigen, muss man sich einen Standpunkt zu folgender Fra ge erarbeiten können: Soll die neue Schul form ergänzend oder ersetzend eingeführt werden?

Nach unserem bisherigen Verständnis plant die Landesregierung mit dieser Schule die Streichung eines Bildungsganges für Schülerinnen und Schüler. die bisher die Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe besucht haben. und zwar den Bildungsgang zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife in den Jahrgangsstufen 7 bis 1 0. Nur noch bei besonderen Leistungen wäre dann nach Klasse 10 der Wechsel in die gymnasiale Oberstufe möglich.

Unserer Meinung nach käme es dann zu extremen Benachteiligungen von Jugendlichen aus ländlichen Re gionen, denn nach den Vorstellungen der Regierungskommission zur Entwicklung von Schulen der Sekundarstufe I im ländlichen Raum soll diese Schulform besonders dort zum Einsatz kommen.

Der Gesetzgeber braucht, um über die Einführung dieser neuen Schulform entscheiden zu können. aussagekräftige Analyseergebnisse zur Qualität. zum Entwicklungsstand. zu Arbeitserfahrungen und zu Problemen von Schulen der Sekundarstufe I ohne gymnasiale Oberstufe. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Schulformen wie die hier einzuführende Sekundarschule. Sie heißen Mittel-. Sekundar- oder Regelschule. Der Gesetzgeber braucht Erkenntnisse über Erfahrungen mit diesen Schulformen in anderen Bundesländern. Der Gesetzgeber braucht, uni eine Entscheidung fällen zu können. auch ein inhaltliches Konzept für die neue Schulform Sekundarschule.

Wir wollen noch darauf hinweisen, dass beschäftigungspolitisehe, besoldungsrechtliche und lehrerbildungsrechtliche Probleme nicht ohne Beachtung bleiben dürfen.

Unser Antrag zielt darauf ab. den Gesetzgeber - also das Parlament - in die Lage zu versetzen. eine Entscheidung zu treffen, die auf sicheren Informationen beruht. Unser Antrag muss verwirklicht werden, bevor die Gesetzesnovelle eingebracht wird, denn dann müssen wir schon über das Gesetz hinaus zur Sekundarschule aussagefähig sein.

Bitte anerkennen Sie. dass wir hier und heute noch nicht in die Diskussion darüber, ob wir die Sekundarschule befürworten oder ablehnen. einsteigen. Diese Diskussion wäre unseriös,