Protocol of the Session on October 18, 2000

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Vo gelsänger, - Das Wort geht an die Fraktion der DVU. Bitte. Frau Abgeordnete Hesselbarth?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie die PDS-Fraktion in ihrer Begründung für den zu beratenden Antrag angibt. wurde in der hinter uns liegenden Haushaltsdebatte bei Kapitel 1 I 500. Titel 654 60. beantragt von den Koalitionsfraktionen. ein Leertitel eingerichtet, um die Förderung von Aufgabenträgern infolge von Sonderlasten zu enmöglichen,

Herr Vogelsänger, Sie erklärten zu diesem Zeitpunkt. der Leertitel müsse eingestellt werden. uni zu prüfen. welche Aufgabenträger besondere Lasten zu tragen hätten, und führten weiter aus. damit habe man politischen Handlungsspielraum ermöglicht.

Wir fordern Sie und die Landesregierung auf: Nutzen Sie diesen politischen Handlungsspielraum jetzt positiv! Gehen Sie den Straßenbahnen die Planungssicherheit. die sie brauchen! Lassen Sie eine weitere Ungleichbehandlung gegenüber dem anderen ÖPNV nicht zu! Bedenken Sie, dass die Straßenbahnen die sichersten und umweltfreundlichsten Verkehrsmittel sind? Apropos Sicherheit: Bedenken Sie weiterhin. wie viele Schüler diese Verkehrsmittel für den Schulweg benutzen! Wenn ihnen das egal ist, brauchen wir in Zukunft auch keine weitere Debatte bezüglich Verkehrssicherheit und Schulweg zu führen. Dann stellt sich mir nämlich die Frage. ob diese Debatten wirklich ernst gemeint sind.

Und bedenken Sie, dass die Straßenbahnen - zumindest ist es in der Stadt. in der ich geboren wurde. so - zum stadtgeschichtlichen Kulturgut gehören. Ebenso sind sie wichtige Garanten für die Infrastruktur. für die Sie sich ja immer so besonders aussprechen. Der OPNV ist nun einmal eine Leistung für den Bürger, der sich das Land nicht entziehen kann. Was denken Sie, wie viel Mehrbelastung die Kommunen noch tragen können?

Frau Abgeordnete. gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte schön. Herr Abgeordneter Dr. Niekisch.

Frau Abgeordnete Hesselbarth. ich verstehe das Argument bezüg lich des identitätsstiftenden Elements der Bahnen sehr gut. Ich komme aus einem Stadtteil Potsdams, in dem bis vor wenigen Jahren ein 0-Bus fuhr. Er hatte auch eine sehr stark stadtbi kJprägende Funktion. konnte aber nicht aufrechterhalten werden.

Herr Abgeordneter Niekisch, zählen Sie nicht alle Verkehrsmittel von Potsdam auf, sondern kommen Sie bitte zur Frage!

Ich wollte nur fragen, ob es aus technischen Gründen unbedingt nöti g ist. dass zu jedem Stadtbild eine solche Bahn gehört.

Landgag Brandenburg - 3. Wahlperiode - Plenarprotokol I 3 22 - IS. Okinber 2000 1341

Ich freue mich. dass Sie 0-Bus gefahren sind. Herr Niekisch. Ich bin immer Straßenbahn gefahren. - Nun lassen Sie mich bitte in meinen Ausführungen fortfahren.

Die DVU-Fraktion wird einer Überweisung in den Ausschuss ebenfalls zustimmen. Wir freuen Lins, dass die Koalitionsfraktionen das auch tun. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der DVU)

\'izepräsident Haltermann:

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselharth. - Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Meyer. Sie sind jetzt als Verkehrsminister gefordert.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wende mich natürlich auch an alle 0-Bus- und Straßenbahnbenutzer sowie an die Benutzer aller sonstigen öffentlichen Verkehrsmittel und möchte zunächst eine Vorbemerkun g machen: Wenn jemand auf die Straßenbahn aufspringt, dann ist er ein _Trittbrett fahrer".

(Frau Hesselbarth [DVU]: Der Bürgenneister hat mich persönlich angeschrieben!)

Die polemischen Ausführungen einer Fraktion. die sich bis jetzt überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigt hat, sind nichts anderes als Trittbrettfahrerei.

(Frau Hesselbarth [DVU]: Sie wissen es ganz genau, nicht wahr. Herr Minister'!)

Die Arbeitskreise der CDU und der SPD beschäftigen sich in der Tat seit Aufstellung des Haushaltes 2000/2001 mit diesem Problem. Ansonsten wäre dieser Nulltitel nicht eingestellt worden. Wir wussten wohl, das kostet Geld. wir wussten abernicht. woher es kommen sollte.

Wir wussten auch, wir dürfen den Aufgabenträ ger für den ÖPNV, nämlich die Landkreise. nicht aus dem Boot nehmen. sondern müssen sie im Boot, in ihrer Verantwortung lassen. und auch. dass lediglich ein Teil der Finanzierung eventuell vonseiten des Landes - im Rahmen unserer Möglichkeiten - zugeschossen werden könnte. Deswegen zwei Bemerkungen, Frau Tack.

Auch die Weimarer Stadtentwickler wissen. dass der Begriff..Landstraßenbahnen" sehr häufig eine Verwechslung in der Aufgabenträgersehaft impliziert. Deswegen möchte ich Sie in Zukunft bitten. mit nur gemeinsam über _Überlandstraßenbahnen- zu sprechen und dann weiterhin mit mir einig, zu sein, dass wir keine isolierte Lösung des Problems dieser Überlandstraßenbahnen zulassen dürfen, sondern dass wir auch die städtischen Straßenbahnen. die in der einen oder anderen Stadt noch vorhanden sind, mit einbeziehen.

Wir wissen weiter - gemeinsam, denke ich -. dass der Wettbewerb im ÖPNV-Gesetz aus gutem Grund angeführt ist und es keine Wettbewerbsverzerrung geben darf. Deswegen kommt nicht eine Förderung für einzelne Verkehrsunternehmen infrage - wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, wüssten Sie das auch -, sondern es kommt nur eine Förderung für die kommunalen Aufgabenträger infrage und an dieser arbeiten wir zurzeit in den Arbeitskreisen. Ich denke, dass wir relativ weit sind, vor allen

Dingen deshalb. weil es eine Möglichkeit gibt. diese finanzielle Förderung nicht aus Landesmitteln. sondern aus Regionalisierungsnlitteln zur Verfügung zu stellen.

Ich würde es begrüßen. wenn dieser Antrag in den zuständigen Ausschuss überwiesen würde.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Meyer. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und ich komme zur Abstimmung. und zwar darüber. dass die Drucksache 371806 Antrag der Fraktion der PDS - an den Ausschuss für Stadtentwicklung. Wohnen und Verkehr überwiesen wird. Wer diesem Antrag folgt, den bitte ich uni das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt t 2 und rufe Tagesordn 11 ngspunkt 13 auf:

Mietrechtsnovelle

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3 1807

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Warnick. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Projekt einer Mietrechtsreform ist schon seit vielen Jahren Bestandteil der nach oben offenen Versprechensskala von Bundesrcgieningen. In schöner - oder besser unschöner - Regelmäßigkeit wurden diese Wahlversprechen und selbst gesetzten Koalitionsaufgaben bisher nicht erfüllt. Einzig die demokratischen Sozialisten haben es vor drei Jahren mit einer großen Kraftanstrengung unter Mithilfe vieler Fachjuristen fertig gebracht. einen komplett neuen Mietrechtsentwurf in den Bundestag einzubringen. Ihm war aber trotz vielerlei Zustimmung aus der wohnungspolitischen Fachwelt der Weg aller PDS-Anträ ge beschieden. Nun soll sich aber alles ändern.

Die Bundesregierung hat im Frühjahr dieses Jahres endlich einen beschlussfähigen Entwurf vorgelegt. Dieser erste Vorschlag wurde auf Druck der Vermieterseite in wesentlichen Teilen sehr schnell zuungunsten der Mieterinnen und Mieter verschlechtert. Dies ist folgerichtig auf den entschiedenen Protest des Deutschen Mieterbundes gestoßen. der die Rückschritte im Verg leich zum ersten Referentenentwurf nicht akzeptieren kann und will.

Viele Landesregierun gen haben sich als Betroffene mit sachlichen Vorschlägen in den Prozess der demokratischen Willensbildung für ein unumstritten notwendiges neues Mietrecht eingebracht. Auch Brandenburg wollte nicht tatenlos zusehen, aber anstatt die Position anderer Bundesländer zu unterstützen. überrascht unser Bauminister als Experte im InsFettnäpfchen-Treten mit einem wirklich skurrilen Vorschlag. Völlig ohne Not und ohne, dass andere ostdeutsche Bundesländer oder Wohnungspolitiker bisher jemals diesen Gedanken geäußert hätten. möchte er einen der wenigen Grundpfeiler des Eini gungsvertrages. die zugunsten der Ostdeutschen noch stehen geblieben sind, zum Einsturz bringen, denn die Mög

1342 Landtag Branden hurg - S%alilperiude - Plenarprotokoll 3 22 - 18. Oktober 21./(1(1

lichkeit der Verwertungskündigung sollte nach dein Willen der Autoren des Einigungsvertrages und nach seiner Beschlussfassung. nach dem Willen des Bundestages und der letzten Volkskammer der DDR. auf Dauer ausgeschlossen bleiben. und dies nicht ohne Grund.

Deshalb ist mir ^ öllig unverständlich, welches Teufelchen diesmal unseren Herrn Meyer geritten hat. sich auf ein solches Glatteis zu be geben. Den erbittenen Widerstand des Mieterbundes kann er schon einmal für sich verbuchen. zumal dieser Vorschla g keines der real bestehenden oder angeblichen Probleme löst.

Wir wissen natürlich auch uni die teilweise schwierige Situation der ostdeutschen Wohnungswirtschaft. Gerade deswegen haben die Demokratischen Sozialisten auf Bundes- und Landesebene immer wieder Anträge mit realistischen Vorschlägen und zur Verbessenmg der wirtschaftlichen Lage der besonders vom Leerstand betroffenen Wohnungsunternehmen eingebracht. Alle wurden bisher abgelehnt. Doch unsere Landesregierung hat bisher keinen Finger für eine wirkungsvolle Unterstützung vorn Konkurs bedrohter Wohnungswirtschaftsbetriebe gerührt, nicht eine Mark für entsprechende Hilfsprogramme in ihren Haushalt eingestellt. Stattdessen soll jetzt mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden.

Ich hatte heute eine Anfrage gestellt. die mir nicht beantwortet werden konnte. die mir nun schriftlich beantwortet wird: ich hatte gefragt. ob es hier konkrete Fälle gibt - und die Landesregierung konnte nicht einen einzi gen konkreten Fall benennen -, wo Mieter einen Abriss behindert hätten. Also wegen einiger Mieter. die es vielleicht geben könnte, die dem Abriss ihres Wohnblocks angeblich im Wege stehen, soll eine Regelung in das gesamtdeutsche Mietrecht aufgenommen werden. die hinter bisher erreichte Positionen zurückgeht.

Nach unserer Auffassung ist es vernünftiger, das antiquierte juristische Insmunent der Verwertungskündigung völli g aus dem neuen Mietrecht zu streichen. Dies würde die Notwendigkeit der besonderen sozialen Schutzfunktion für das Wohnen gegenüber einer „normalen- marktwirtschaftlichen Ware hervorheben.

Zusätzlich muss bei allen geplanten Änderungen am Mietrecht beachtet werden, dass die neue Gesetzesvorschrift jetzt ei genständiger Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuches werden soll. Dies wird von uns begrüßt. zumal es von uns immer genau so vorgeschlagen wurde.

Aber damit wird auch die Verantwortung größer, zukunftsweisende Paragraphen zu verabschieden, die nicht immer aufs Neue der veränderten politischen Lage angepasst oder hei einem Regierungswechsel nach Belieben ausgetauscht werden können. Das BGB soll gerade für lange Zeit Rechtssicherheit gewährleisten und darf nicht zum Spielball tagespolitischer Launen werden.

Die vier von uns vorgeschlagenen Modifizierungen des derzeitigen Entwurfs zum Mietrecht stellen nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten bisher von der PDS unterbreiteten Vorschläge dar. Sie sind uns aber besonders wichtig.

Neben der schon angesprochenen Verwertungskündigung sind dies vor allem die Passagen zum Kündigungsschutz. Die geplante Möglichkeit der Kündi gung hei zerrüttetem Mietverhältnis lässt einen Missbrauch nicht ausschließen. zumal es für die Tatsache der Zerrüttung nicht auf das Verschulden des Mieters ankommen soll. Vor allem sozial schwache und von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bewohnte Mieterhaushalte könnten so schnell in Bedrängnis geraten.

Entgegen den Forderungen der Vermieter nach einer symmetrischen Kündigungsfrist für beide Seiten halten wir eine verkürzte Frist von drei Monaten für die Mieterseite für sinnvoll. kann doch nur so die von Regierung, Ministerien und Wirtschaft immer wieder geforderte Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet werden. Die Anforderungen hinsichtlich der Flexibilität werden in Zukunft noch wesentlich steigen. Aus dieser Sicht sind selbst drei Monate eine sehr lange Zeit.

Übrigens hat die Bundesjustizministerin Däubler-Gmel in höchstpersönlich die Notwendigkeit. die Kündigungsfrist für Mieterinnen und Mieter auf drei Monate zu verrin gern, auf dem Deutschen Mietgerichtstag im Frühjahr dieses Jahres ausführlich und plausibel erläutert. Eine entsprechende Regelung sah dann auch der erste Referentenentwurf der Bundesregierung vor, Dieser wurde aber inzwischen wieder geändert.

Ich komme zu den Mietspiegeln. Mietspiegel haben sich in den letzten Jahren in vielen Kommunen als konfliktmildernde Instrumente bewährt. Sie geben sowohl Mietern als auch Vermietern Orientierung. werden in der Regel von beiden Seiten als seriös anerkannt und vermeiden so Rechtsstreitigkeiten vor den ohnehin überlasteten Gerichten.

Auch das Argument angeblich zu hoher Kosten konnte vor allein in Ostdeutschland widerlegt werden. Die so genannten vereinbarten Mietspiegel verursachen oft nicht mehr als die Druckkosten: durch Sponsoring oder Werbeanzeigen ergab sich für die Kommunen teilweise sogar völli ge Kostenfreiheit. Laut entsprechenden Untersuchungen ist von den vorhandenen Mietspiegeln in Brandenburg über die Hälfte mit einem finanziellen Aufwand von unter 2 0(10 DM erstellt worden. Mietspiegel sollten aufgrund der guten Erfahrungen deshalb in ganz Deutschland. zumindest in allen größeren Kommunen, zur Normalität gehören. Wir hoffen. dass sich Brandenburg im Bundesrat unseren Vorschlägen entsprechend einsetzt und vor allem das unsinnige Anliegen. den Einigungsvertrag weiter auszuhöhlen, sofort aufgibt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)