Protocol of the Session on September 21, 2000

Auch bezüglich der Ausländerpolitik in Deutschland hat sich Ihre Meinung doch gravierend geändert.

(Zurufe von der PDS)

Betrieb die SED noch eine sehr restriktive Ausländerpolitik. so möchte die PDS am liebsten jedem Tür und Tor öffnen. Der Eindruck liegt sehr nahe. dass die PDS doch eine Wendepartei ist.

Aber nun zum eigentlichen Antrag: Inhaltlich kann die Deutsche Volksunion in vielen Punkten miteehen. Aber es stellt sich uns die Frau, warum hier nur von Rechtsextremismus und freinden feindlicher Gewalt die Rede ist. Gibt es nicht auch Linksextremismus und inländerfeindliche Gewalt? Da es aber in dem Antrag der PDS nur um rechte Gewalt geht, gehe ich davon aus. dass den Genossen der PDS einige Tatsachen noch nicht bekannt sind.

Wenn man sich den Verfassungsschutzbericht des vergangenen Jahres genauer ansieht. dann stellt man fest, dass von den ca. 415 000 registrierten Gewalttaten 746 einen erwiesenen oder vernmteten rechtsextremistischen Hintergrund haben. Das entspricht 0,18 °/ii. 71 I der registrierten Gewalttaten haben einen erwiesenen oder vermuteten linksextremistischen Hintergrund. Das entspricht 0.17 %. Diese Quoten ergeben ein Mehr von gerade einmal 0.01 % an rechten Gewalttaten.

Nun mag die PDS ihren Antrag damit begründen, dass im Lande Brandenburg die Zahl der rechten Gewalttaten überwiegt. Ja. das stimmt leider. Aber in Berlin. welchesunmittelbar im Lande Brandenburg liegt, sieht es ganz anders aus. Nimmt man beide Länder zusammen, so kommt man auf zwei leicht nach unten gerundete Zahlen. nämlich auf die Zahlen acht und drei. Diese Zahlen spiegeln die Gewalttaten je 100 000 Einwohner wider. Die Zahl acht wird den Linksextremisten und die Zahl drei den Rechtsextremisten zugeordnet. Daran sieht man doch, dass eine sehr große Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands von der linksextremistischen Szene ausgeht. Wie hoch das Gewaltpo

tenzial der autonomen Szene ist, kann man jedes Jahr am I. Mai beobachten. Auch hat sich die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten in Brandenburg mehr als verdoppelt.

Die PDS fordert in ihrem Antrag unter anderem, dass das rechtsextremistische Gedankengut geächtet und bekämpft werden muss. Warum bezieht sich Ihre Forderung nicht auch auf linksextremistisches Gedankengut?

Doch was verstehen die Genossen der PDS eigentlich unter rechtsextremistischem Gedankengut! Was sind Radikalismus und Extremismus überhaupt? In der Umgangssprache wird willkürlich von Nazis. Rechten. Rechtsradikalen. Anarchisten. Linksradikalen gesprochen. Als einigermaßen gebildeter Mensch sollte man das Ganze doch etwas differenzierter sehen.

(Gelächter)

Radikal ist nach einer Definition des Bundesinnerm nisteri ums, wenn lediglich eine bis an die Wurzel einer Fragestellung gehende. nicht notwendigerweise verfassungsfeindliche Zielsetzung verfolgt wird.

(Zurufe von der PDS)

Extremistisch wird solch eine Zielsetzung erst, wenn sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen trachtet. Hat sich die PDS immer eindeutig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung dieses Staates - so wie die Deutsche Volksunion - bekannt?

(Beifall bei der DVU - Gelächter bei der PDS)

Empörung sollte allgemein dann verspürt werden, wenn sie angebracht ist, nämlich dann, wenn wie auch immer geartete Gruppierungen Gewalt entweder als Ausdrucksmittel oder als Mittel gegen missliebi ge Personen einsetzen.

Die Fraktion der Deutschen Volksunion wird diesen Antrag und auch den Änderungsantrag ablehnen, weil er nur die Bekämpfung des Rechtsextremismus zum Ziel hat und nicht auch die Bekämpfung des Linksextremismus. Wir sind der Meinung, dass jede Art von gewalttätigem Extremismus auf das Schärfste zu verurteilen ist. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke der Abgeordneten Fechner. - Für die Fraktion der CDU hat jetzt die Abgeordnete Richstein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Muschalla hat es eingangs in seinem Redebeitrag schon gesagt: Es ist einzigartig oder zumindest bemerkenswert, dass alle drei großen Fraktionen dem Antrag des Präsidenten zugestimmt haben.

lull finde es sehr bedauerlich, dass dieses doch so wichtige Thema jetzt wieder dazu benutzt wird. Parteipolitik zu betreiben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Man könnte sich wirklich die Frage stellen. warum die PDS. wenn zu DDR-Zeiten der Nationalismus so hoch gestellt wurde - es gab die Nationale Front. die Nationale Volksarmee, das Nationale Aufbauwerk -, jetzt nur noch von Multi-Kulti redet.

(Beifall bei der CDU - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das können Sie nicht wissen!)

Gerade die Debatte der letzten Wochen und Monate zum Thema Rechtsradikalismus hat leider teilweise auf Nebenschauplätzen stattgefunden. anstatt sich auf das Kernthema zu konzentrieren. Deshalb möchte ich zum Ausgangspunkt zurückkommen und Für unsere Fraktion klarstellen und betonen, dass die Brandenburger CDU-Fraktion jegliches extremistisches - insbesondere rechtsextremistisches - und fremdenfeindliches Verhalten ablehnt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde in Artikel 1 unseres Grundgesetzes steht jedem Menschen zu, gleich welcher Rasse, Religion oder Weltanschauung. gleich welcher Nationalität oder welchen Geschlechts.

Ich betone hier auch. dass - egal, in welchen Bereichen - Gewalt nie ein Mittel sein kann. Konflikte zu lösen.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit focussierte sich im Sommer gerade auf die neuen Bundesländer. Unbestritten stehen jedoch die Rädelsführer und Meinungsmacher der Rechtsextremen im Westen: Die Herren Frey. Schönhuber. Voigt. Warum diese Anführer gerade in den neuen Bundesländern eine so große Anhängerschaft finden. müssen wir allerdings noch herausarbeiten und dann entsprechend präventiv tätig werden.

Ohne die Sachlage verharmlosen zu wollen, darf sich der Eindruck nicht verdichten, dass Brandenburg ein rechtsextrenüstisches Land ist, dass Brandenburger allesamt Fremdenhasser seien.

Da beschreibt etwa die _Berliner Zeitung" am 14. September 2000 das Milieu in Brandenburg als eines in dem jedoch der Konsens herrscht, dass die Opfer - schon ihrer puren Anwesenheit wegen - die eigentlichen Schuldigen sind. - Ja. es wurden sogar unser Innenminister als Rassist und unsere Polizei als eine Ansammlung Rechtsradikaler denunziert. Dieser Eindruck ist falsch und wir müssen ihm entgegentreten.

Die CDU-Fraktion begrüßt auch ausdrücklich die seitens des Ministers der Justiz ins Leben gerufene Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Hierbei ist in erster Linie nicht die Erhöhung des Strafrahmens prioritär. Für die Anwendung des Strafmaßes ist der gesetzliche Richter zuständig. Ziel ist es aber. ein Zeichen zu setzen. dass Gewalttaten, die aus Hass gegen eine nationale, rassische oder religiöse Gruppe oder aus sonstigen niedrigen Beweggründen begangen werden. Verbrechen und die Straftäter Verbrecher sind.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Justiz und Polizei können aber in den meisten Fällen nur repressiv tätig werden. Sie kommen erst dann zum Zuge, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Wir sind jedoch vielmehr gefordert, die Prävention voranzubringen. Die größte Verantwortung liegt dabei unzweifelhaft bei den Familien. Die Vermittlun g einer Werteordnung. zu der auch die christlichen Werte gehören. ist hierfür eine sehr wichtige Grundlage. Wir als Volksvertreter haben die Pflicht, das gesellschaftliche Klima zu schaffen. in dem Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus keinen Platz haben.

Alle Demokraten sind hier aufgerufen. dem Rechtsradikalismus den Nährboden zu entziehen und die Rädelsführer als das zu entlarven. was sie sind. In diesem Zusammenhang freue ich mich - das möchte ich noch einmal betonen -, dass uns heute ein

1290 Landtau Brandenhurc - 3. 31:1111periotIc - PlcaarproLokoll. 3 21 - 21. Soptemher 2(5)0

Präsidentenantrag vorliegt, der insbesondere auch die Rolle und Verantwortung der Eltern mit einbezieht, Zivilcourage anmahnt und Bildungseinrichtungen anspricht. Rechtsradikalismus kann keinen Erfol g haben, wenn alle Bürger in Brandenburg und im Bundesgebiet in ihrem persönlichen Umfeld fremdenfeindlichen Tendenzen mutig und entschlossen entgegentreten.

Ich wünschte mir. Herr Prof. Dr. Schumann. dass die von Ihnen schon gespürte Sensibilisienmg der Gesellschaft deutlicher eintritt und sich weiter entwickeln wird.

Aber auch der Staat muss entsprechend seinen Möglichkeiten handeln. Herr Muschalla hat das ausdrücklich dargestellt. In Brandenburg wurde dafür die Arbeit des Aktionsbündnisses durch den neu eingerichteten Landespräventionsrat flankiert und erweitert.

Meine Damen und Herren! Meine Hoffnung geht dahin. dass unsere heuti ge Debatte nicht ungehört verklingt, sondern einen anhaltenden Anstoß gibt. entschlossen gegen Rechtsradikalismus und fremdenfeindliche Gewalt vorzu gehen. - Vielen Dank.

(Beifall hei CDU. SPD und PDS)

Ich danke der Abgeordneten Richstein. - Das Wort geht jetzt an die Landesregierung. Herr Ministerpräsident Dr. Stolpe, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die schrecklicherweise nicht abreißenden rechtsextremen und fremdenfeindlichen Straftaten in Deutschland zeigen uns die erschütternde Dring

-lichkeit. Wir müssen handeln. Wir müssen unsere Anstrengungen auf allen Ebenen deutlich verstärken.

ich bin der festen Überzeugung. dass dies die Stunde der Demokraten ist. und freue mich, dass der Präsident hier die Initiative zu diesem Antrag ergriffen hat. Es wird auch so etwas wie eine Stunde der Wahrheit in der Frage der Zustimmun g zu diesem Antrag sein.

Gemeinsam verantwortete Konzepte sind jetzt zielbewusst umzusetzen zum Schutz der Opfer. zur Bestrafung der Täter, zur Prävention von Straftaten und für die Erziehung zu Weltoffenheit und Toleranz. Das seit 1998 bestehende Handlungskonzept für ein tolerantes Brandenburg ist ein richtiger Ansatz. Das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bündelt die gesellschaftlichen Kräfte. die den Kampf für Demokratie. für das niedliche und produktive Zusammenleben von Deutschen und Ausländern als ihre ureigene Sache betrachten.

In enger Zusammenarbeit mit der Ausländerbeauftragten des Landes. die über große Erfahrungen auf diesem Feld verfugt, arbeitet das Aktionsbündnis daran. eine Vielzahl von Maßnahmen und Initiativen miteinander zu verknüpfen. Das geschieht auch in Kooperation mit dem Landespräventionsrat. der Kriminalität und Jugendgewalt auch über den Rechtsextremismus hinaus begegnen will. Die Vorstände beider Gremien werde ich im Oktober zu einer gemeinsamen Sitzung einladen.

Meine Damen und Herren! Pflicht des Staates ist es, der Gewalt Grenzen zu setzen. Die Landesre gierung hat mit dem Aufbau der MEGA - der Mobilen Einsatzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit - und der deutlichen Beschleunigung von Verfahren gegen rechte Straftäter Zeichen gesetzt. Wir werden mit allen rechtsstaatlichen Mitteln die Bedrohung des friedli

chen Zusammenlebens abwehren. Zu diesem Zweck behandelt die Landesregierung jetzt einen Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung rechtsextremer Gewalttaten. Brutale Körperverletzung aus Menschen verachtenden Motiven muss als schwere Straftat geahndet werden.

Ich begrüße die Initiative des Justizministers für ein Gesetz zur verbesserten Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalttaten und anderer extremistischer strafbarer Handlungen. Ich sehe den gesetzgeberischen Handlun gsbedarf insbesondere darin. dass sich die Qualität der rechtsextremistischen Gewalttaten in den vergangenen Monaten verändert hat. Sie zeigen inzwischen ein hohes Maß an Brutalität. roher Gesinnung und Menschen verachtender Einstellungen. insbesondere gegenüber Fremden. Es erscheint deshalb sinnvoll, diese Taten genauer zu umschreiben und ihnen einen ei genständi gen gesetzlichen Tatbestand im Rahmen der Körperverletzungsdelikte zu geben. Es liegt nahe. die mit ihnen verbundenen Bestrafungsmöglichkeiten denen der schweren Körperverletzung anzupassen. Dafür spricht der Schuldgehalt dieser Taten, die aus niedrigen Beweggründen begangen werden.

Herr Ministerpräsident. gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hinterher. - Notwendig ist ferner im Interesse einer schnellen und nachhaltigen Aufklärung von derartigen Straftaten und zur Vermeidung ihrer Wiederholung. die Voraussetzungen für die Inhaftierung der Täter zu erleichtern. Eine entsprechende Bundesratsinitiative ist sinnvol l.