Protocol of the Session on July 13, 2000

Drucksache 3/1433

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann das Wort, die für die einreichende Fraktion spricht.

Frau Dr. Enkelmann PDS):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag. Herr Präsident. bereits dankenswerter Weise vorgestellt. Es geht tatsächlich dartun, relativ kurzfristig ein Konzept zur Unisetzung der Technischen Anleitun g Siedlungsabfall - kurz TASi genannt - zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen. Der lintergnind besteht darin. dass die bereits von acht auf zwölf Jahre verlängerten Übergangsfristen zur Umsetzun g der TASi

nur noch bis Mitte des Jahres 2005 gelten. Das bedeutet vor allem zweierlei:

. Die Ablagerung unbehandelter Siedlungsfälle in SiedlungsabbIldeponien muss bis dahin beendet werden. Weitere Ausnahmen - das besagt der Abfallwirtschaftsplan des Landes Brandenburg, der uns vor kurzem vorgelegt worden ist - sind nicht vorgesehen. Das heißt. ab I. Juni 2005 ist es rechtlich nicht mehr zulässig. unbehandelte Siedlun gsabfälle auf Deponien. auch wenn sie nicht abgeschlossen sind. zu lagern. Hieraus ergibt sieh eine Reihe vielfältiger Anforderun gen an den Komplex der Behandlung von Abfällen vor ihrer Ablagening.

2. Die vorhandenen so genannten alten Deponien müssen sofern es nicht bereits erfolgt ist - TASi-gerecht nachgerüstet werden. Ein eventuell erforderlicher Deponieneuhau unterliegt

wesentlichn gen. uni eine umweltgerechte Ablagerung der Restabfälle zu sichern. Besonders wichtig ist hierbei - das wissen wir alle - die Basisabdichtung.

Aus uniweltpolitischer Sicht sind die höheren Standards zu bejahen. Allerdings - das ist in diesem Fall das Traurige - ist der Umweltschutz nicht zum Nulltarif zu haben. Vielmehr führt die Umsetzung der TASi zu deutlich höheren finanziellen Aufwendungen. vor allem für die Träger der Abfallwirtschaft. Das sind in diesem Fall die Landkreise. die kreisfreien Städte bzw. die Zweckverbände.

Die Abfallentsorgung ist aber eine pflichtige Selbstverwaltun gsaufgabe der Kommunen. Insofern befürchten viele Kommunalpolitikerinnen und Korn munalpolitiker. dass eine Welle finanzieller Mehrbelastungen auf die Kommunen zurollt. ich will das an einem Beispiel verdeutlichen.

Die Einsammlung und Behandlung einer Tonne Siedlungsabfall kostet laut Landesregierung ca. 300 DM. Dabei sind unteranderes die Aufwendun gen für die Grundstücke. für die Deponieabdichtung und für die Nachsorge unberücksichtigt. Das heißt. der reale Tonnenpreis liegt dann hei ca. 400 bis 50(1 DM. Im Landkreis Barniet wird nur für Rekulm iemnit und Nachsorge mit einem Finanzbedarf in Höhe von ca. 22 Millionen DM gerechnet. Damit ist noch kein Kubikmeter neuer Abfall bewegt.

Auch ohne Rechenmeister Adam Riese dürfte uns allen klar sein. dass die höheren Kosten für Behandlungsanlagen und Deponien den Bürgerinnen und Bürgern und damit uns Politikern das Problem höherer Gebühren bescheren werden oder bescheren könnten. Auch darüber müsste man nachdenken. Das sollte die Aufgabe des Ausschusses sein.

1154 Landiac. 33randenilurg - 3. Wahlperiode - Ilesiarprotokotl 3 1 - 13 Juli 2000

Mir geht es also uni die Frage einer möglichen und machbaren Gegenstrategie zur Kostenbegrenzung.

An dieser Stelle will ich ausdrücklich hervorheben. dass die PDS den bisher praktizierten "Brandenburger Weg" für die Restmüllbehandlung und Restmüllbeseitigung. für die das Land on den Lobbyisten der Müllverbrennungsmafia angefeindet wurde und wird. stets unterstützt hat.

Wir erwarten. dass das Land an der Kombination von mechanisch-biologischer Behandlun g organischer Stoffe - bekannt geworden als "kalte Rotte" - und einer thermischen Behandlung der hochkalorischen Fraktion. das heißt der heizwertreichen Abfallanteile, festhält. weil das sowohl ökologisch als auch ökonomisch der sinnvollste Weg ist.

Immerhin hat dieser Weg - im Gegensatz zum Irrweg der zentralen Abwasserentsorgung - dazu geführt, dass Brandenbur g ich frage: noch? - zu den Ländern mit den niedrigsten durchschnittlichen Müllgebühren gehört. Allerdings ist die Differenziertheit der Gebühren zwischen den einzelnen Entsorgun gsträgem nach wie vor zu groß.

In dem Zusammenhang ist zunächst zu begrüßen, dass der Bund beabsichti gt. die der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung durch eine Novellierung der TASi zu beenden. Es wird höchste Zeit. dass hochwertige mechanisch-biologische Verfahren neben den thermischen Verfahren zugelassen ‘werden. Aber auch hier gilt die Feststellung, dass im Allgemeinen alles. was hochwerti g ist. auch teuer ist. Es ist dringend notwendig. tatsächlich zu definieren. was man unter technologisch hochwertig versteht.

Ich meine, nicht alles. was als technisch hochwertig gilt, ist sinnvoll. Auch hier sollte es nicht uni das Maximum. sondern um das ökologisch und ökonomisch vertretbare Optimum gehen, auch und gerade wegen der sozialen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger.

Vor rund drei Wochen wurde uns vom Ministerium für Landwirtschaft. Umweltschutz und Raumordnung der Abfallwirtschaftsplan des Landes Brandenburg. Teilplan Siedlungsabfälle, zu gestellt. Aus meiner Sicht ergeben sich daraus eine ganze Reihe von Fragen. die beantwortet werden müssen. damit das darin postulierte Anliegen - ich zitiere - "der Fortentwicklung einer modernen. gemeinwohlverträglichen Abfallwirtschaft" auch Realität wird.

Fakt ist. dass der fast 50-seitige Plan eine Menge von zu erfüllenden Anforderungen enthält. aber auf die daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen verzichtet. In Mark und Pfennig gerechnet gibt es keine einzige Wertung in diesem Ahfallwirtschaftsplan.

So enthält der Plan für den Weiterbetrieb der 36 von öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgem betriebenen Deponien zwei Varianten: Die eine geht von der Ausschöpfung der von den Betreibern geplanten Kapazität von 10.9 Millionen Kubikmetern aus. die andere Variante von einer Nierfüllun g mit der Abfallmenge. die aus technischen Gründen für den Betriebsabschluss einer Deponie mindestens erforderlich ist. Das sollen 6,4 Millionen Kubikmeter sein. Die erste Variantebedeutet eine Restlaufzeit bis 2010. die zweite Variante eine Restlaufzeit bis 2003 bzw. 2005.

In diesem Zusammenhang interessiert schon. bei welchen Deponien Variante 1 zur Anwendung kommt und bei welchen die Variante 2 Das dürfte die Landkreise als Tniger durchaus bewegen. Darüber hinaus bewe gt die Situation hei den Rücklagen für Rekultivierungs- und Nachsorgemaßnahmen viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpol iti ken

Bekanntlich hat die Landesregierung bis 1995 zugelassen, zum Teil sogar von den Landkreisen gefordert. dass diese Rücklagen in den allgemeinen Haushalt der Landkreise eingestellt werden. Das bedeutet in der Konsequenz. dass für die Rücklagen für die Sicherung der Deponien kerne ausreichenden Mittel in den Landkreisen zur Verfügung stehen. Hier gibt es schon ein Stück weit Verantwortung der Landesregierung.

Erst seit 1995 sollten die Rücklagen ausschließlich für die Deponiesicherung zurückgestellt ++ erden. Da die entsprechenden Kosten auch nach der Deponiestilllegung noch so lange in die Abfallgebühren einbezogen werden können, wie die Deponien der Nachsorge bedürfen, stellt sich die Frage: Droht hier eine Gebührenexplosion und wie kann einer solchen gegebenenfalls entgegengesteuert werden?

Im Ahschnitt "mechanisch-biolo gische Behandlungsanlagen" steht, dass zur Erfüllung der TASi derzeit geplant sei. sechs Anlagen zu errichten. Aber selbst wenn man diese sechs Anlagen den vorhandenen Anlagen zurechnet würde die Gesamtbehandlungskapazität

"erst etwas mehr als die Hälfte der mindestens erforderlichen Durchsatzleistung des Landes abdecken".

Auch hier stellt sich die Frage: Was bedeutet das finanziell für die Kommunen und vor allem wie soll der Rest ab gedeckt werden? Bleibt es bei dem Prinzip der mechanisch-biologischen Behandlung oder wird hier tatsächlich der Weg für eine Müllverbrennung geöffnet? Auch diese Frage sollten wir beantworten.

Ein weiterer Punkt betrifft den Umstand. dass mit der Schließung von Deponien die Transportentfernungen zwischen den Behandlungsanlagen und den verbleibenden Deponien größer werden und mehr Umschlagsstationen erforderlich werden. Auch das wird zu einer ernst zu nehmenden Finanzierungsanforderung. Darüber hinaus wirft es die Frage der Kooperation zwischen den Landkreisen und der Optimienin g. auf. Aber wir sollten auch die Frage stellen. oh es nicht an der einen oder anderen Stelle möglich und notwendig sein sollte, auch länderübergreifend zu wirken.

Aus dem Abschnitt "Anlagen zur Aufbereitung und thermischen Behandlung" geht ebenfalls hervor, dass mindestens eine Kapazitätsverdoppelun g für erforderlich gehalten wird. Hinzu kommen anlagentechnische Mehraufwendungen infolge der Veränderung der Zusammensetzung der thermisch zu behandelnden Abfälle.

Ich will an dieser Stelle mit dem Fragenpaket Schluss machen. Sie sehen. es g ibt eine Fülle von Fragen. die sieh aus dem Abfallwirtschaftsplan des Landes ergehen und die wir insbesondere im Interesse unserer Kommunalvertretun gen und der Einrichtungen. die für die Abfallwirtschaft zuständig sind. beantworten müssen.

Landtag Brandenburg* - 3 V% ahlporiod2 - Plonarpn.tok.11 3 - 13. Joh 21}00 1155

Deswegen möchten wir, dass dieser Antrag an den Ausschuss überwiesen wird. damit wir die Chance erhalten. diese Fragen auch tatsächlich zu beantworten. Dann können wir möglicherweise auch mit den Kommunalvertretern und den Vertretern von Zweckverbänden beraten. Ich denke. hier stehen wir als Landespolitiker in der Pflicht der Kommunalpolitiker. Dieser sollten wir uns nicht entziehen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Enkelmann. - Das Wort geht jetzt an die Fraktion der SPD_ an Hemi Abgeordneten Dellmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entsorgungspflicht ist eine kommunale Selbstverwahungsaufgabe. die in Brandenburg bei den Landkreisen liegt. Wir haben als Land Brandenburg die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen.

Frau Dr. Enkelmann hat Probleme aufgezeigt, deren Bewältigung in den nächsten Jahren anstehen wird. Die Koalitionsfraktionen stimmen mit ihr überein. dass wir uns sehr intensi. mit diesen Fragen beschäftigen müssen. Das Signal. das von dieser Debatte nicht aus gehen sollte. ist. dass wir sagen: Die öffentliche Hand übernimmt finanzielle Leistungen in einer Größenordnung, die ei gentlich von denjenigen zu tragen sind. die den Abfall produzieren. Denn auch in diesem Bereich ist die öffentliche Hand und sind Entsorgungsunternehmen nur Dienstfeister für diejenigen. die Ahfall produzieren.

Aber - darauf kommt es an - wie organisiere ich es im Detail? Hier sind nicht nur die Landkreise. hier sind wir selbst in der Pflicht. Die Aufgaben, die wir haben. nämlich die Aufstellung des Abfallwirtschaftsplans für das Land und die Durchsetzung der rechtlichen Anfordenalgen - sprich: die von uns auszuübende Fachaufsicht und die Prüfung der kommunalen Abfallvvinschaftskonzepte - müssen wir sehr genau \AAnlehmen.

Deshalb plädiert die Koalition dafür. eine intensive Auseinandersetzung über die Fragestellung im Ausschuss vorzunehmen und den Antrag an den Ausschuss zu überweisen. - Danke.

(Beifall hei SPD und PDS)

Ich bedanke mich. - Wir sind damit bei der DVU. Herr Abgeordneter Claus. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Abfall. egal ob in flüssiger oder fester Form. scheint hei den Entsorgungsunternehmen eine Lizenz zum Gelddrucken zu sein. Obwohl laut Abfallbilanz das Müllaufkommen im Lande seit 1993 um ein Drittel zurückging, kann man das von den Gebühren. die der Bürger zu zahlen hatte. nicht behaupten. Ganz im Gegenteil: So wie die Abfallmengen sinken, steigen int Gegenzug die Gebühren.

Die eingenommenen Gebühren sollen dazu dienen. einerseits die Kosten der Entsorgung und der Verarbeitung zu decken sowie andererseits Rücklagen zu bilden, um marode Deponien zu sanieren bz... neue Anlagen mit den geforderten Umweltschutzauflagen zu errichten. Dem ist aber nicht immer so.

Nehmen v ir zum Beispiel den Landkreis Spree-Neiße. In den nächsten 25 Jahren muss der Landkreis voraussichtlich über 41) Millionen DM für die Sanier-11112 seiner Abfalldeponien aufbringen. Zur Deckung dieser Aus gaben flossen in den letzten Jahren durch Gebührenzahlung der Bürger bereits knapp 20 Millionen DM in die Rücklage des Kreises. Somit wäre es also kein Problem, die Summe für die Sanierung aufzubringen. Doch dabei gibt es ein kleines Problemehen. Von den eingenonum..nen knapp 20 Millionen DM sind gegenwärti g nur noch 4.3 Millionen DM vorhanden. Der große Rest wurde zur Deckung anderer Haushaltslöcher ausgegeben.

Nun soll das Gebührenloch durch Einsparungen in anderen Bereichen gefüllt werden. Wie das allerdings angesichts dessen. dass schon jetzt nicht gerade beste finanzielle Voraussetzungen bestehen, bewerkstelligt werden kann. wird wohl das Geheimnis der Verantwortlichen bleiben.

(Zuruf von der CDU: Weiß es die DVU?)

Da in den nächsten Jahren nicht mit einem sprunghaften Anstieg der Kreiseinnahmen zu rechnen ist. bleiben mehrere Mög lich

keiten: Der Kreis kann seine Zahlun gsverpflichtungen nicht mehr erfüllen und wird unter Zwangsverwaltung des Landes gestellt - dies ändert nichts an der Finanzlage: auf3erdem hätte das Land Brandenburg ein Finanzproblem mehr - oder die bereits ständig steigenden Abfallgebühren würden sich noch weiter erhöhen. Dazu müssten aber einige gesetzliche Regelungen beachtet werden. Was bleibt. wird eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen sein. Weitere Kreditaufnahmen seitens des Kreises sind unausweichlich. Nicht zuletzt wird der zur Sanierung der Anlagen vorgesehene Zeitraum gestreckt werde» müssen.

Natürlich sollten sich die politischen Entscheidungsträger langsam einmal die Frage stellen, ob an gesichts der bestehenden Wirtschaftlage alle gewünschten ökologischen Blütenträume dieser Qualität noch länger durch die Bürger finanziert werden können. Zum Schutz der Bürger kann daher im Abfallwinschaftsplan des Landes Brandenburg statt dogmatisch festgehaltener Fristen ohne Rücksicht auf die finanzielle Machbarkeit nur die Alternative der zeitlichen Streckung infrage kommen. Denn so wie Zinn Beispiel dem Landkreis Spreewald-Neiße geht es vielen Kreisen in unserem Land. Daher stimmen wir als Fraktion der DVU dem Antrag der Fraktion der PDS zu und bitten uni Vorlage für die Umsetzung dieses Konzeptes. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Wir sind bei der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Dornbrowski. Sie haben das Wort.