Herr Prädsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Richstein. im Adhäsionsverfahren können. wie Sie wissen. zivilrechtliche Ersatzansprüche des Opfers einer Straftat gegen den Täter bereits im Strafverfahren ausgeglichen werden. In der Rechtspraxis findet dieses Instrument bisher leider nur geringe Anwendung. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Sie liegen zum einen in strukturellen Mängeln der bestehenden gesetzlichen Regelung. zum anderen ist die Möglichkeit. Ansprüche auch im Strafverfahren geltend zu machen, in der Bevölkerung kaum bekannt und findet in der Anwaltschaft sowie hei den Staatsanwaltschaften und Gerichten nur geringe Akzeptanz.
Bei diesem Rechtszustand sollte es nicht bleiben. Eine Belebung des so genannten Adhäsionsverfahrens würde das allgemeine rechtspolitische Anliegen fördern, Opferinteressen im Strafverfahren stärker in den Vordergrund zu rücken. Zudem würde die Herstellung des Rechtsfriedens erleichtert und beschleunigt. außerdem die Justiz entlastet werden, weil in vielen Fällen ein weiterer Zivilrechtsstreit vermieden werden könnte.
Brandenburg hat deshalb bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein Eckpunktepapier mit Vorschlägen zur strukturellen Verbesserung der dem Adhäsionsverfahren zugrunde liegenden strafprozessualen Vorschriften an das Bundesministerium der Justiz übersandt. Das Papier zielte vor allem auf nach wie vor aktuelle strukturelle Verbesserungen der Gesetzeslage ab. Es sollte eine Stärkung. der Verbindlichkeit des Adhäsionsverfahrens. eine Beschränkung auf einfache Fallgestaltungen sowie eine Konzentration auf geringfügige und mittlere Kriminalität erreicht werden.
Nachdem die Bundesministerin der Justiz in dieser Frage noch nicht aktiv geworden ist, sind entsprechende Verbesserungen in dem in meinem Haus erarbeiteten Entwurf eines Bundesgesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der einfachen Kriminalität berücksichtigt worden.
Im Einzelnen sollen eine gerichtliche Hinweispflicht auf das Adhäsionsverfahren bei Naheliegen der Voraussetzungen des § 403 StPO. eine Einschränkung der Ablehnungsgründe und eine Aufhebung des die Wiederaufnahme des Adhäsionsverfahrens regelnden § 406 c StPO vorgesehen werden.
Darüber hinaus ist geplant. durch Einführung eines neu gefassten § 421 StPO die zivilrechtliche Entschädigung des Verletzten auch im Rahmen des beschleunigten Verfahrens zu ermöglichen und auf einfacherem Weg durchsetzbar zu gestalten. Anwendbarkeitsvoraussetzungen dieser Entschädigungsnorm sollen einerseits die Voraussetzungen des beschleunigten Verfahrens. andererseits die sich hieraus ergebende Möglichkeit Für den Strafrichter sein. auf der Stelle und ohne weitere Ermittlungen eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen und gegebenenfalls ein angemessenes Schmerzensgeld vorzuschlagen. Das Verfahren wird an die erklärte Bereitschaft des Täters und des Verletzten geknüpft werden. bereits vor dem Strafrichter eine entsprechende Entschädigungsregelung im Vergleichswege zu treffen.
Daneben sollen flankierende Maßnahmen ergriffen werden. Der Generalstaatsanwalt unseres Landes wird dafür Sorge tragen. dass die Staatsanwaltschaft in geeigneten Fällen den Geschädigten bei Anklageerhebung über seine Rechte nach § 403 ff. StPO belehrt.
Uni dem Adhäsionsverfahren eine größere Bekanntheit in der Öffentlichkeit zu verschaffen, habe ich darüber hinaus ein Bürgermerkblatt erstellen lassen, das im Justizbereich ausgelegt wird. Informationen zum Adhäsionsverfahren sind bereits ins Internet eingestellt.
Herr Minister, wie stehen Sie zu dem Vorhaben der PDS-Bundestagsfraktion, das Adhäsionsverfahren obligatorisch einzuführen, das heißt, es ähnlich zu gestalten wie das vor 1990 in der DDR geltende Verfahren, bei dem den Bürgerinnen und Bürgern in jedem Strafverfahren der Weg offen stand, gerade dann. wenn sie Opfer schwerer Straftaten geworden sind. ihre zivilrechtlichen Ansprüche in einem Verfahren bei Gericht durchzusetzen?
Herr Abgeordneter. ich halte das für zu weitgehend. Denn das Adhäsionsverfahren, also die Erledigung von zivilrechtlichen Ansprüchen bereits im Strafverfahren, ist nicht in allen Fällen geeignet. Es gibt sehr schwierige Fragen, die man im Rahmen eines Strafprozesses nicht erledigen kann. Wir halten den Weg. den wir jetzt einschlagen, für den besseren. um schrittweise dazu zu kommen, dass die Akzeptanz dieses Verfahrens verbessert wird. Sie müssen auch davon ausgehen, dass sich Strafrichter mit oft schwierigen zivilrechtlichen Fragestellungen befassen müssten, und das ist nicht überall gewährleistet.
wissen lassen. dass sie ihre Frage 303 (Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenbur g im Bildungsbereich) aufgrund ihrer Abwesenheit von Frau Siebke formuliert haben möchte. Bitte!
Nach Presseberichten. zum Beispiel in den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" vorn 30. Juni dieses Jahres. soll Berlin-Brandenburg zu einer gemeinsamen Bildungsregion weiterentwickelt und die Zusammenarbeit in den Bereichen Schulgesetzgebung. Gastschülervereinbarung. Schulcntwicklungsplanung und Einrichtung einer Bildungskommission intensiviert werden. Ziel dabei ist es, die anstehenden Strukturfragen des Schulsystems und die Fra gen der Schulgesetzgebung abzustimmen und eine gemeinsame. regionalisierte Schulcntwicklungsplanung zu entwickeln.
Ich frage deshalb die Landesregierung: Welche Projekte wurden in der Sitzung des gemeinsamen Koordinierungsrates am 29. Juni 2000 zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bildungsbereich verabredet'
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Siebke, am 29. Juni haben wir einen sehr großen Schritt zu einer gemeinsamen Bildungsregion Berlin-Brandenburg gemacht. Jahrelang haben wir darauf gehofft, dass sich in diesem Bereich etwas tut. Jetzt haben wir es geschafft.
Es bleiben noch viele Aufgaben zu lösen - sicher. Aber die Grundentscheidung und die gemeinsamen Arbeitsformen sind jetzt gefunden. Mühevolle und intensive Verhandlungen haben zum Erfolg geführt. aber auch der Wille von Kollege Böger und mir und das Vertrauen. dass wir gemeinsam mehr erreichen.
Konkret wurden in der vorgenannten Sitzung des Koordinierungsrates folgende weitreichende Verabredungen getroffen, die ohne Zweifel einen Durchbruch auf dem Weg darstellen, die Bildungssysteme beider Länder so anzugleichen. dass wir zukünftig ohne Barrieren gemeinsam Ausbildung organisieren können.
Das Erste ist die Gastschülervereinbarung. Nach langwierigen und zähen Gesprächen konnte ein vernünftiger Kompromiss erzielt werden. lm Land Berlin werden in diesem Jahr 8 Millionen DM. 2001 9 Millionen DM und von 2002 bis 2005 jeweils 10 Millionen DM für Mehraufwendungen in diesem Bereich abgegolten. Damit ist zugleich Freizügigkeit im Rahmen der in Berlin vorhandenen Kapazitäten gewährleistet.
Angesichts des erheblichen Zuzu ges in den letzten Jahren und der deutlichen Erhöhung der Zahl der Schülerinnen und Schüler - wir haben derzeit einen Saldo von rund 5 600 Schülerinnen und Schülern zulasten Berlins - ist das, wie ich meine, ein vertretbares Ergebnis. Damit wird dann auch das Verfahren der Gestattung des Schulbesuchs vereinfacht und der Grundsatz, dass ein wichti ger Gninil und die Gestaltung durch das jeweils zuständige
Staatliche Schulamt vorliegen müssen. bestätigt. Damit wird immerhin Planungssicherheit bis zum Jahre 2005 erreicht.
Zweiter wichtiger Punkt war die gemeinsame Schulentwicklunesplanune. Auch hier soll zukünftig eine abgestimmte. regionalisierte Sehulentwickl ungsplanung realisiert werden. Es geht konkret darum. die Daten der Bevölkerungsbewegung und Schülerzahlentwicktung gesondert auszuwerten und die regionalen Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf festzulegen. Auf dieser Grundlage sollen dann die betroffenen Landkreise von Brandenburg und die betroffenen Bezirke Berlins Stellung nehmen und so eine bedarfsgerechte Abstimmung ermöglichen.
Wir wollen damit ein bedarfsgerechtes gemeinsames Schulnetz entwickeln und regionale Ausgleiche ennöglichen. Soweit möglich. sollen dadurch auch Ressourcen bei der Sicherung eines sich ergänzenden Schulangehots eingespart werden.
Der dritte. ganz wichtige Punkt war, dass wir Gremien für die gemeinsame Arbeit verabredet haben. Sie wissen, das Schulrecht in beiden Ländern ist bezüglich der Schulstruktur. der Mitwirkungsrechte und der Vorschriften über Schulen in freier Trägerschaft vergleichbar.
Angesichts der bevorstehenden Novellierung des Brandenburgischen Schulgesetzes und der Bestrebun gen des Landes Berlin. ein einheitliches Schulreformgesetz - quasi ein Stück weit nach Brandenburger Vorbild - zu schaffen, haben wir jetzt eine ständige Arbeitsgruppe Schulgesetz mit dem Ziel eingesetzt. Übereinstimmung im Schulrecht zu wahren und. wo irgend möglich, neue Übereinstimmungen zu entwickeln.
Es ist ferner vorgesehen. eine gemeinsame Bildungskommission einzusetzen, die eine Bestandsaufnahme der schulpolitischen und weiterbildungspolitischen Zielsetzung in beiden Ländern vornimmt und Handlungsmöglichkeiten für eine Angleichung zwischen den Ländern in den Themenfeldern der schulischen Bildure benennt. Ich habe dafür den Besten gewinnen können. den zumindest ich mir vorstellen kann. nämlich den Leiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschun g in Berlin, Prof. Baumen. Damit wird ein Ansatz geschaffen, um den gewaltigen Anforderungen der Qualitätsentwicklung und -sicherune im Bildungsbereich gerecht zu werden.
Für die Zusammenarbeit im gesamten Geschäftsbereich einschließlich Jugend und Sport ist ebenfalls vereinbart. dass wir regelmäßig Treffen auf der politischen Ebene durchführen und dass es eine regelmäßige Abstimmungsninde gibt. Ein erstes Treffen mit den Staatssekretären und Abteilungsleitern beider Verwaltungen hat schon stattgefunden.
Wir werden eine gemeinsame Lehrerbildungskonferenz im November dieses Jahres durchführen. Wir wollen die Currikulumentwicklung, also die Rahmenlehrplanentwicklung. abstimmen. Wir wollen uns über die gemeinsame Planun g für die sportbetontem Schulen und den Leistungssport austauschen und ein gemeinsames Bund-Länder-Kommission-Modellprojekt, nämlich "Das lebenslange Lernen". auf den We g. bringen.
Der letzte wichtige Punkt war die Klärung der Frage eines möglichen Kostenausgleichs bei der Aufnahme von Kindern in Kindertagesstätten. Dafür wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt. die weitere Schritte im Einzelnen prüft und die Folgen der Ver
Ich denke. dass damit ein fairer Kompromiss ausgehandelt worden ist und ein wesentlicher Schritt für eine zukunftsfähige Zusammenarbeit beider Länder im Bitdungs-. Jugend- und Sportbereich eingeleitet wurde.
Herr Minister. ich habe eine Nachfrage: Da im Osten Brandenburgs ein riesiges Problem bei der Personalplanung und der Sicherstellung des Unterrichts die re gelmäßige kurzfristige Abwanderung von Lehrern nach Berlin ist. hätte ich gern gewusst. inwieweit dieses Problem. das mit Tarifbedingungen und Arbeitsverträgen zu tun hat. Thema in dieser gemeinsamen Kommission sein wird oder war.
Frau Kaiser-Nicht. ich bin Ihnen dankbar, dass Sie die Frage gestellt haben. denn es ist in der Tat ein immer wieder auftauchendes Problem. dass teilweise im Juni noch, wenige Wochen vor Schuljahresende.. Lehrer von Berlin abgeworben und dort eingestellt werden, was bei uns zu einem großen Defizit führt.
Ich habe Kollegen Böger deshalb schon vor einigen Monaten einen sehr leidenschaftlichen Brief geschrieben
und darum gebeten. dass er Einfluss darauf nimmt, dass dies reduziert wird. Er hat mir nach den Gesprächen. die wir Zusammenhang mit dem gemeinsamen Koordinierun gsrat geführt haben. zugesagt. dass er darauf Einfluss nehmen wird, dass in Zukunft Abwerbungen von Berlin - die gibt es zwischen Ländern immer, das ist nicht änderbar - nur noch zum Schuljahresende bzw. zum Schulhalbjahr stattfinden, sodass in Brandenburg adäquat darauf reagiert werden kann.
Ich hoffe, dass diese Zusage von Kollegen Böger belastbar ist und von ihm gemeinsam mit seiner Verwaltung umgesetzt wird, sodass wir dann die von Ihnen zu Recht kritisierten Probleme nicht mehr hätten.
Schönen Dank. - Wir sind bei der Frage 305 (Projekt "Tanns"), gestellt vom Abgeordneten Bochow. Bitte sehr!
Seit einem halben Jahr wird im Bundesland Sachsen das Projekt "Tauris" in einer Testphase betrieben. Das Prinzip von "Tauris" besteht darin. dass Vereine oder Kommunen Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern gemeinnützige Aufgaben zur Erledigung übertragen. Es handelt sich dabei um Aufgaben. die dringend notwendig, aber wegen leerer Kassen bisher liegen geblieben sind. Die Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeemp
fänger erhalten weiterhin ihre Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. Zusätzlich erhält jeder 1eilnehmer vom Land Sachsen eine monatliche Aufwandsentschädigun g von 150 DM. Die Teilnahme an dem Projekt "Tauris" basiert auf Freiwilligkeit. Sachsen erwägt. das Projekt in den nächsten Monaten auf das gesamte Bundesland auszuweiten.
Ich frage die Landesregierung; Welche Auswirkungen hätte nach Meinung der Landesregierung ein solches Projekt auf die regulären Arbeitsplätze im Land Brandenburg?
Herr Kollege Bochow. "Tauris" steht in Sachsen für das Projekt "Tätigkeiten und Aufgaben - regionale Initiativen in Sachsen". Es soll. so das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit. bisherige Ansätze der Arbeitsmarktpolitik ergänzen und Perspektiven außerhalb traditioneller Erwerbsarbeit eröffnen. Damit wird versucht. den Einstieg in eine von Bayern und Sachsen empfohlene Bürgerarbeit. also in ehrenamtliche Arbeit. zu organisieren.
Das Projekt "Tauris" spricht Langzeitarbeitslose an. die über 50 Jahre alt sind, sowie Sozialhilfeempfänger und richtet sich an Kommunen, gemeinnützige Organisationen und andere Träger. die für die Gemeinschaft sinnvolle Aufgaben verrichten. Wer bei "Tauris" mitmacht. kann wöchentlich bis zu 14 Stunden in einem Bürgerarbeitsprojekt mitarbeiten und auf diese Weise zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung - Herr Kollege Bochow. Sie haben das soeben angesprochen -, aber auch zusätzlich zur Sozialhilfe bis zu l50 DM -monatlich verdienen.
Gewiss vermittelt dieses Projekt konkrete Lebenshilfe. Es ist in pragmatischer Hinsicht durchaus zu begrüßen. Aber es bleibt ehrenamtliche Arbeit und die ist nun einmal keine Alternative zur Erwerbsarbeit. Ich will in diesem Zusammenhan g ausdrücklich festhalten: Wir schätzen das Ehrenamt sehr.
Brandenburg unterstützt deshalb das Ehrenamt auf vielfältige Weise. unter anderem im Rahmen unseres Programms "55 aufwärts". bei dem älteren Ehrenamtlichen eine monatliche Aufwandsentschädigung von 100 DM gezahlt wird. Das ist zwar keine richtige Bezahlung, aber eine Anerkennung für diese Leistung. für das ehrenamtliche Engagement.