Protocol of the Session on May 17, 2000

(Frau Tack [PDS]: Nur einen, den Großflughafen!)

Sie wollen den internationalen Flughafen Schönefeld verhin

dern. Ich sage es ganz präzise. Ich rede nie vom Großflughafen. Wir sollten schon auf dem Boden bleiben. Ich rede vom internationalen Flughafen Schönefeld, der ein wichtiges Drehkreuz ist.

(Frau Tack [PDS]: Sie müssen ihn benennen!)

Davon rede ich, den wollen Sie verhindern.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Tack [PDS])

- Ich habe sowieso nie davon gesprochen.

Ich halte fest: Den Flughafen wollen Sie verhindern. So fragen Sie und so argumentierten Sie. Wir wollen den Flughafen realisieren und so verhalten wir uns. So argumentieren wir auch.

(Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)

Ich habe vor sechs Monaten dieses Thema übernommen. Das ist eine schwierige Vorgeschichte. Aber, meine Damen und Herren, was wäre das für eine Regierung, die sagt, das ist das wichtigste Projekt, das wir vorhaben, und sich dann hinstellt und sagt, aber wir glauben nicht, dass wir es realisieren können. Wie sollen wir den Bürgern klarmachen, dass Regierungshandeln und politisches Handeln Ziele und Erfolge hat und nicht im Verhindern von Zielen besteht. Das kann nicht sein.

(Frau Tack [PDS]: Das ist auch nicht die Aufgabe der Op- position, Herr Minister!)

- Ich habe meine Rolle, Sie haben Ihre Rolle.

Ich sage für alle, die an diesem Thema arbeiten: Wir arbeiten mit dem notwendigen Ernst. wir arbeiten mit der notwendigen Seriosität und wir arbeiten mit all unseren Kräften daran. und wir lassen uns nicht beschimpfen und verunglimpfen, wenn wir an diesem Projekt arbeiten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich biete Ihnen ausdrücklich den Sachdialog zu dem Thema Flughafen an, weil ich es für wichtig halte, dass man auf der gleichen Informationsebene, aber auch mit der gleichen Sachlichkeit über dieses Thema diskutiert. Ich denke, dass ein Untersuchungsausschuss ein Instrument sein kann, das Klarheit schafft. Auch dazu werden wir unseren Beitrag vonseiten der Regierung leisten, um die nötige Klarheit zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Ein Sachdialog ist kein Wettbewerb der Vorurteile, sondern es sollte ein Ideenwettbewerb zur Realisierung der bestmöglichen Lösung für Brandenburg sein. Darum sollten wir uns gemeinsam bemühen.

Der Bau und der Betrieb des künftigen Flughafens BBI ist nicht nur das größte Infrastrukturprojekt in der Region Berlin-Brandenburg, sondern es ist das Projekt mit der größten überregionalen Bedeutung und der größten Chance, neue. interessante Arbeitsplätze zu schaffen.

Alle Prognosen, meine Damen und Herren. einschließlich der kürzlich von der Lufthansa erstellten Untersuchungen, gehen da

von aus, dass der Luftverkehr weltweit sowohl im Passagier- als auch im Frachtbereich überproportional zunehmen wird. Wir können davon ausgehen, dass sich das Passagieraufkommen im deutschen Luftverkehrsmarkt bis zum Jahre 2010 gegenüber heute verdoppeln wird. Das ist sehr konservativ und vorsichtig geschätzt. Auf allen internationalen Verkehrsflughäfen - auch in Berlin - sind die geplanten Passagierzahlen heute schon übertroffen worden. Auf den Flughafen Frankfurt hat Herr Dr. Ehler schon hingewiesen. Man könnte auf Schiphol hinweisen, wo man kurz vor der fünften Start- und Landebahn steht. In München ist inzwischen die 20-Millionen-Grenze überschritten. Für ein zweites Terminal ist der Grundstein gelegt.

Herr Christoffers, bei dieser Gelegenheit möchte ich Folgendes sagen: Selbstverständlich müssen wir die Flughäfen in unserer Umgebung beachten, wenn wir über realistische Bedarfe reden. Das ist überhaupt keine Frage. Wir müssen dabei aber sehen, dass die Diskussion auf der Zeitachse eine ganz entscheidende Rolle spielt. Wenn wir die Zeit nicht nutzen, wird sie von anderen genutzt. Wenn wir es auf der Zeitachse nicht schaffen, dann wird die Diskussion ohnehin eine ganz andere sein. Das ist völlig klar. Deshalb spielt der Zeitfaktor eine so wesentliche Rolle bei der Diskussion. Deshalb müssen wir schauen, dass wir die Privatisierung nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch aus Gründen des Wettlaufs mit der Zeit abschließen. Ich gehe davon aus, dass wir die Privatisierung noch im Jahre 2000 abschließen können. Wir brauchen einen attraktiven und entwicklungsfähigen Flughafen, der in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht optimiert ist.

Die dezentrale Struktur des derzeitigen Flughafens hat zu hohe Reibungsverluste und Doppelkapazitäten, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Schon heute sind viele deutsche Passagiere gezwungen, auf Flughäfen im Ausland auszuweichen, um zu internationalen Zielen, insbesondere außerhalb Europas, zu gelangen. Das ist ein massiver Standortnachteil für diese Region. Auch im innerdeutschen Konkurrenzkampfbleibt die Zeit nicht stehen. Ich habe bereits darauf hingewiesen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Konkurrenz dieses Wettbewerbes auf der Zeitachse schon heute vorhanden ist, da wir abwandernde Fracht- und Passagieraufkommen zu befürchten haben. Das müssen wir verhindern. Wir müssen attraktiv bleiben, weil wir sonst das Umsteigen auf den Flughafen Schönefeld nicht schaffen werden.

Bei allen Zahlen. die wir von allen europäischen und internationalen Flughäfen analysiert haben, können wir von einer Mindestzahl von 1 000 Arbeitsplätzen pro einer Million Flugpassagiere ausgehen. Außerdem wissen wir, dass zu jedem direkt am Flughafen geschaffenen Arbeitsplatz zwei indirekte Arbeitsplätze kommen.

Meine Damen und Herren! Wir reden von 10 000 Arbeitsplätzen in der Region, die wir stabilisieren und neu schaffen werden. Das kann man nicht zerreden unter dem Aspekt: Lass uns mal schauen, ob wir irgendwo noch eine Schwachstelle finden.

Lassen Sie uns die Schwachstellen beseitigen und darüber reden, wie wir in Zukunft die Dinge besser machen können!

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gerne.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Tack!

Ich hätte zwei Fragen. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie, wenn die rot-grüne Bundesregierung ihre Koalitionsvereinbarung erfüllt und sich darum kümmert, dass Subventionsabbau beim Luftverkehr stattfindet? Ich meine den Subventionsabbau bei den Tickets und die Besteuerung von Kerosin und Flugbenzin.

Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es in der Region Berlin die drei Flughäfen betreffend einen sehr hohen Anteil an Kurzstrecken im Luftverkehr gibt. Der Anteil beträgt ca. 60 %, sodass aus dem jetzigen Aufkommen ca. fünf Millionen Passagiere die Langstrecke betreffen. Mit welchen Entscheidungen und mit welchen Angeboten wollen Sie dazu beitragen, dass die Kurzstrecke auf die Schiene verlagert wird? Wie begründen Sie mit dem Langstreckenflugverkehr das Konzept für einen Großflughafen mit 20 Millionen Passagieren?

Bitte lassen Sie uns nicht mehr über den Großflughafen reden!

(Zuruf der Abgeordneten Frau Tack [PDS])

- Sie gebrauchen immer dieses Wort. Ich tue das gar nicht. Ich rede von einem internationalen Flughafen.

(Frau Tack [PDS]: Nennen Sie eine Kapazität!)

Sie sollen den Leuten nichts einreden, was wir gar nicht wollen. Was die Kapazitätszahlen anbetrifft, so ist es völlig klar, dass der Anteil von Kurzstrecken höher ist, weil wir die Langstrecken weltweit nicht anbieten können. Gerade deswegen wollen wir einen anderen Flughafen, damit wir die Langstrecken anbieten können. Über den Status quo zu diskutieren, macht keinen Sinn. Wir müssen über die Zukunftsperspektive diskutieren.

Zu dem ersten Thema, welches Sie an gesprochen haben, möchte ich Folgendes sagen: Wenn das so kommt, dann betrifft das alle Wettbewerber, dann müssen sich alle Wettbewerber diesem stellen. Wenn wir einen guten Flughafen mit gutem Konzept bauen, dann werden wir im Wettbewerb auch bestehen können.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren! Ich will noch auf einen anderen wichtigen Punkt hinweisen. Die Landesregierung ist dabei, ein Konzept zur Umfeldentwicklung zu erarbeiten, um den Erfolg des Projektes durch flughafenfreundliche und gleichzeitig an

wohnerverträgliche Rahmenbedingungen zu sichern. Wir wollen die Beschäftigun gseffekte durch kontinuierliche landesseitige Projektunterstützung sichern.

Erfolgreiche Modelle der Flughafenumfeldenwicklung, für die es eine ganze Reihe von guten Beispielen gibt. sind dadurch gekennzeichnet, dass sich öffentlich-rechtliche Organisationen und Unternehmer auf langfristige Zielsetzungen einigen und gemeinsam in Entwicklungs gesellschaften diese Ziele realisieren. Möglicherweise würde es sogar Sinn machen, wenn sich die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses einmal gemeinsam die Struktur in Schiphol ansehen würden.

(Frau Tack [PDS]: Das haben wir schon!)

- Das ist wunderbar! Und Sie sind nicht mit neuen Erkenntnissen zurückgekommen? Das ist aber schade!

(Frau Tack IPDS]: Doch, mit wunderbaren Erkenntnissen!)

Ich denke, dass wir eine enge Verzahnung des Flughafenausbaus mit der Entwicklung zum Beispiel von Fracht- und Dienstleistungszentren brauchen. Ähnliches müssen wir für den internationalen Flughafen entwickeln.

Auf der Basis dieser privat-öffentlichen Lösungen können wir nicht nur das Interesse am Flughafen wecken, sondern es ist auch eine Berücksichtigung der Interessen der Anliegergemeinden und der Investoren in einem gemeinsamen Konzept möglich.

Darüber hinaus benötigen wir ein internationales Marketing, um diesen Flughafen im internationalen Wettbewerb zu positionieren.

Ich bestreite überhaupt nicht, dass dieser Flughafen für die umliegenden Gemeinden auch Belastungen mit sich bringt. Das kann man nicht bestreiten; es wäre nicht in Ordnung, das zu tun. Nach der Abwägung, die wir vorzunehmen hatten, sind wir jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Vorteile und die Möglichkeiten, die wir den Gemeinden anbieten können, die Belastungen so weit überwiegen, dass wir diesen Weg verantworten können. Uns geht es darum, einen für alle tragfähigen Kompromiss in der Weise zu finden, dass einerseits die Belastungen für die Menschen in dieser Region berücksichtigt und andererseits die wirtschaftlichen Chancen genutzt werden.

Abschließend möchte ich noch eine Anmerkung zum Fortgang der Privatisierung machen. Sie haben vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass wir im Privatisierungsverfahren durch das Urteil des OLG auf den Stand vom Juni 1998 zurückversetzt worden sind. Ich möchte aber auch sagen, dass inzwischen alle Auflagen des OLG durch die Gremien im Flughafenbereich aufgearbeitet worden sind. Wir sind auf Kurs und haben den Sachstand erreicht, den wir brauchen, um dem im Vergabeverfahren verbliebenen Bieterkonsortium die technischen Mindestanforderungen - TMA - zu liefern. Das haben wir in der Zwischenzeit getan. Wenn das technische Konzept durch den künftigen Investor vorgelegt worden ist - dies wird Ende des Monats der Fall sein -, können wir mit den Verkaufsverhandlungen konkret beginnen. Stimmen die Eckpunkte des Konzepts. das uns vorgelegt wird, mit den technischen Mindestanforderungen überein, können die Verhandlungen zum Privatisierungskonzept - ich habe es

schon gesagt - bis zum Ende dieses Jahres abgeschlossen werden. Die Eckpunkte haben wir bereits in der Gesellschafterversammlung festgelegt und beschlossen. Wir sind auf Kurs, was das Planfeststellungsverfahren und das Privatisierungsverfahren betrifft.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf den Wettbewerb der Ideen und das Weglassen einer Fülle von Begriffen. die eigentlich nicht in dieses Parlament gehören. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)