Volker Schimpff

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Last Statements

Herr Bartl, ich habe zwei Zwischenfragen. Gestatten Sie auch das?
Erstens. Sie sagten, es sei bekannt, wer dieser vorgebliche Polizist wäre. Welche Vernehmung von Herrn W. haben Sie denn eigentlich eingesehen? Herrn W. wurden Tonproben vorgespielt bzw. von ihm gehört. Haben Sie gelesen, ob darin Hörproben vorgespielt wurden? Er hörte Telefonate mit und ihm wurden Fotos vorgelegt, zu denen er jeweils sagte, dass es diese Personen nicht wären.
Zweitens. Woher kommt Ihre Kenntnis?
Zum Schluss, als Letztes wurde Wehlings Bild vorgelegt.
Herr Bartl, allerdings müssten Sie zur Kenntnis nehmen, dass Herr W. einen Anruf mithörte, den der vernehmende Staatsanwalt mit diesem Polizeibeamten M. machte, und Herr W. sagte: „Nein, der ist es nicht, anderer Dialekt!“
Meine zweite Frage – –
Nein, das war die Überleitung zur zweiten Frage.
Klaus Bartl, Linksfraktion (an die amtierende Vize- präsidentin gewandt): Ich würde jetzt gern weiterreden.
Darf ich trotzdem noch?
Wir werden nicht mehr oft das Vergnügen haben. Tun Sie mir den Gefallen!
Herr Bartl, Sie wiesen darauf hin, dass Herrn W. drei Namen auf dieser vorgeblichen Liste erinnerlich gewesen seien, darunter der eines Staatsanwaltes, den er später aus seiner eigenen Stadt kannte. Mehr sagen wir darüber mal lieber nicht. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich habe überprüfen lassen, ob dieser Staatsanwalt in Leipzig irgendwann irgendein Grundstück erworben hat, und dass diese Überprüfung negativ verlaufen ist?
Als was, bitte? Ich bin Ihres erzgebirgischen Dialektes immer noch nicht voll mächtig. Als was einsetzen?
Dessen Dialekt verstehe ich sehr gut.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zwei Jahren wurde
Sachsen von einem Skandal erschüttert, der bis heute im Bewusstsein breiter Kreise der Öffentlichkeit wabert. Sachsen sei von der Organisierten Kriminalität beherrscht, zu der kriminelle Netzwerke von – ich zitiere – „höchsten Kreisen von Justiz, Polizei, Wirtschaft und Politik gehören“. Die Namen, die dazu genannt wurden, konzentrierten sich auf Leipzig.
Nicht um das in der Tat undurchsichtige Netzwerk von weit über 100 städtischen Firmen, Freundschaftsgeschenke von Lange-&-Söhne-Uhren und von Geschäftspartnern beim Cross-Border-Leasing bezahlte Concorde-Flüge, nicht um die dubiose, Anfang der Neunzigerjahre als Kampf gegen den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ geführte Immobilienpolitik der Stadt – nein, es sollte um Mord und Totschlag, um angeblich durch und durch korrupte, kriminelle, perverse Richter und Staatsanwälte und um eine alles durchdringende Mafia gehen. „Schlimmer als in einem schlechten Krimi“, sagte, glaube ich, ein erschütterter Abgeordneter.
Angeblich lagen dazu über 15 000 Blatt Akten vor. Es lagen tatsächlich im Landesamt für Verfassungsschutz viele Akten – wie ich nach deren Durchsicht weiß, meist Mehrfachkopien, bürokratische Interna usw., immer wieder umgeschriebene und abgeschriebene Auswertungsvermerke, die schließlich als Geheimdienst-Dossiers vor zwei Jahren irgendwie an die Presse gerieten und jene erschütternden Behauptungen enthielten. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat pflichtgemäß zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen die darin Verdächtigen geführt – und musste immer wieder feststellen, dass die behaupteten Straftaten gar nicht existierten oder dass die Verdächtigen damit nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten.
Um zu verstehen, wie es trotzdem zu diesen unser Land vergiftenden Unterstellungen kam, muss man auch die Vorgeschichte kennen. 1998 entstand ein – sagen wir es ehrlich – Bespitzelungsvermerk des Landeskriminalamtes über die CDU mit – Zitat – „Personenfeststellungen“ über eine öffentliche Parteiveranstaltung, den politischen Aschermittwoch, Zitat: „festgestellt wird hierbei lediglich die Zugehörigkeit von Personen zur CDU“.
Der Spitzel hatte sich dem LKA aufgedrängt und war eine Journalistin. An die „Personenfeststellungen“ waren seitenweise ihre kruden Vermutungen über alles Mögliche angehängt. 28-mal liest man dort das Wort „soll“ oder „sollen“, 15-mal „angeblich“, „eventuell“, „möglicherweise“, „scheint“, „wahrscheinlich“. Es ist so krudes Zeug, dass es selbst in ihrer Boulevard-Zeitung keinerlei Chance auf Veröffentlichung hatte. Kostprobe gefällig? „Ein gewisser [Soundso] habe angeblich offiziell Selbstmord begangen, eventuell wurde dabei ‚nachgeholfen’. Ein anderer Architekt sei im Zusammenhang mit dem neuen Messegelände in einen Kühlturm geworfen worden.“ Oder: „Nach Angaben von ‚Bild’ Leipzig komme es zu Kontakten zwischen ‚Bild’ und der Staatsanwaltschaft Leipzig“ – es folgt der Name des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft –, „auf dessen Veranlassung hin.“ Hm,
offenbar wurde dieser Beamte nicht nur fürs Da-Sein bezahlt, sondern machte seine Arbeit...
1999 musste sich mein Verfassungs- und Rechtsausschuss in zwei Sitzungen als Untersuchungsausschuss betätigen. Eine Staatsanwältin hatte anderthalb Jahre gegen einen Abgeordneten vorermittelt und war angesichts fehlender Ergebnisse – diesen Eindruck gewannen wir im Ausschuss – weit über das rechtsstaatlich Zulässige hinausgegangen. Ich glaubte damals an ein Mani-Puliti-Syndrom: Sie wollte wohl auch einmal, wie bestimmte italienische Staatsanwälte, einen Politiker zu Fall bringen.
Anschließend verschwand diese Staatsanwältin Henneck aus meinem Blickfeld als Rechtsausschussvorsitzender und, wie ich glaubte, aus dem öffentlichen Dienst und vielleicht sogar für einige Jahre in der Gastfreundschaft des Justizvollzuges. Aber da war ich im Irrtum. Sie verschwand lediglich im Geschäftsbereich eines anderen Ministeriums und wurde 2004 sogar Referatsleiterin im Landesamt für Verfassungsschutz.
Da ist jetzt der dritte Teil der Vorgeschichte. Wie andere Bundesländer führte Sachsen eine Zuständigkeit des Verfassungsschutzes für die Beobachtung von möglichen, die verfassungsmäßige Ordnung schwerwiegend beeinträchtigenden Bestrebungen der Organisierten Kriminalität ein. Auch darüber haben wir uns im Rechtsausschuss grimmig auseinandergesetzt: a) Ist es nötig? Dabei dachten wir daran, dass der Gefahr von Zuständen wie heute im ehemaligen Portugiesisch-Guinea vorgebeugt werden müsse. Das Land gehört faktisch den kolumbianischen Drogenkartellen, und alle paar Monate wird ein Präsident, Minister oder Armeechef gekillt.
Die Frage b) war: Ist es richtig so? Denn das verfassungsmäßige Trennungsgebot zwischen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Arbeit musste gewahrt werden.
Ich sage ehrlich: Wie das dann auch behördlich-bürokratisch ablief, davon hatte ich keine Ahnung. Man warf jetzt nicht einfach ein Auge darauf, ob beim Ausländerextremismus auch Drogen- und andere Kriminalität in systemgefährdendem Maße im Entstehen war. Vielmehr wurde ein eigenes OK-Referat gebildet, und das machte sozusagen Beschäftigungsmaßnahmen. Es gab das OK-Referat, also war alles, womit sie sich beschäftigten, Organisierte Kriminalität, und zwar, da sie ja zum Verfassungsschutz gehörten, verfassungsgefährdend, oder, um die Referatsleiterin zu zitieren: „Man muss sich eigentlich nur bücken und findet OK auf der Straße.“
Diese Referatsleiterin war bekanntlich die E-Staatsanwältin Henneck. Der/die Geheimschutzbeauftragte des Landesamtes hatte deren Übernahme in den Verfassungsschutz abgelehnt, sicherlich aus guten Gründen. Doch als der zuständige Abteilungsleiter Springborn aus dem SMI, der sich – das war leider nicht allgemein so – verantwortungsbewusst auch um die Angelegenheiten im Verfassungsschutz kümmerte, aus einem Urlaub zurückkam, war Frau Henneck auf einmal Referatsleiterin.
Über ihr standen ein Präsident, der leider sehr oft krank war, kein Vizepräsident, sondern als Abwesenheitsvertreter des Präsidenten ein mit seiner Abteilung Links- und Rechtsextremismus natürlich ausgefüllter Abteilungsleiter. Der Abteilungsleiter über dem OK-Referat war bereits wegen Altersteilzeit fort; amtierend machte dessen Arbeit ein anderer Referatsleiter mit, der beamtendienstgradmäßig aber unter der Frau Henneck rangierte. In einem sensiblen Bereich wie dem Verfassungsschutz ist das eine deutlich unzureichende Kontrolldichte.
Katastrophal aber wurde es, weil das OK-Referat absolut unprofessionell besetzt war. Arbeiteten im ganzen Landesamt schon nur zwei, maximal vier ausgebildete Verfassungsschützer, so war das OK-Referat überwiegend mit Polizisten besetzt. Mit Verlaub, darunter waren auch einige gute, aber offenbar auch solche, die man bei der Polizei gern los war. Und alle hatten ein hohes Selbstbewusstsein, aber kaum Ahnung von den spezifischen Aufgaben, Rechten, Pflichten und Grenzen und vor allen Dingen von den spezifischen Arbeitsweisen eines Nachrichtendienstes. Sie erklärten sich für ausgebildet, weil sie einen 14-tägigen Lehrgang an der Verfassungsschutzschule in Heimerzheim besucht hätten und ein paar Mal für zwei Tage im bayerischen Verfassungsschutz hospitierten. Mit Anreise, Abreise und Wochenende bleibt da ein achttägiger Kursus. Ich glaube, ungelernte Wachleute müssen bei der IHK länger im Lehrgang sitzen!
Unter diesen Rahmenbedingungen wurde teils fleißig, teils spesenbewusst gearbeitet. Die fachlichen Mängel hat Kollege Piwarz schon beschrieben. Klar, in der Polizei kennt man das Gebot der Trennung von Beschaffung und Auswertung nicht. Dort ist als Zweites und somit die Polizeiarbeit kontrollierend nämlich die Staatsanwaltschaft noch mit dem Vorgang befasst. Aber man arbeitete, wenn auch – hier muss ich eine abweichende Meinung äußern – offenbar durchweg ohne einen den Aufwand lohnenden zusätzlichen Erkenntnisgewinn, munter vor sich hin.
Da gab es zum Beispiel die Quelle, die schon vor zwei Jahren unter ihrem Decknamen „Jaguar“ durch die Medien lief. Aus ihren Berichten lässt sich ihr Lebensumfeld so weit festlegen, dass sie als eine der deutschen Sprache nicht voll mächtige Sozialhilfeempfängerin in Leipzig identifizierbar war – eine Frau, die ein abwechslungsreiches, aber oft sehr schweres Leben hatte und ihr offenkundiges Geltungsbedürfnis nicht durch intellektuelle Fähigkeiten, sondern durch Erzählungen über ihre doch noch vorhandene Attraktivität befriedigen wollte.
Dem Verfassungsschutz war sie durch Aussagen über ihren ehemaligen Ehemann wertvoll. Dass diese Aussagen wohl öfter interessengeleitet waren – ob von ihr oder dem OK-Referat, sei dahingestellt –, habe ich an den Angaben über des Exmanns neue Geliebte überprüfen können; angeblich eine – ich zitiere – „CDU-Regionalpolitikerin Birgit S.“, mit Personenbeschreibung und Wohnlage.
Ich sage Ihnen als stellvertretender Vorsitzender der Leipziger Union: Ich habe das mit allen möglichen Hör-
und Schreibvarianten des Namens überprüft – aber so eine Frau gab und gibt es in der Leipziger CDU nicht.
Die Quelle „Jaguar“ entwickelte eines Julitages 2005 plötzlich von sich aus oder auf Wunsch des Beschaffers einen Belastungseifer gegenüber einem gelegentlichen Kaffeehausbekannten. Dieser, ein angesehener Politiker der GRÜNEN, wäre jetzt bei der CDU, weil er so bessere Geschäfte machen könne. – Ich kenne den Mann. Er würde nie, nie zur CDU gehen und hat es auch nicht getan. Abgesehen davon ist CDU-Mitgliedschaft Leipzig geschäftlich eher schädlich.
Aber da angebliche CDU-Mitgliedschaft noch nicht ausreicht, wurde dem guten Manne nachgesagt, er würde Juristen Prostituierte zuführen, er hätte Kontakte zu einem Betrüger und ihm wäre eine Baugenehmigung in Markkleeberg zugeschanzt worden. Woher aber die Namen der Leute nehmen, wenn „Jaguar“ sich in ihrer Stadt doch so wenig auskennt? Aus der „Bild“-Zeitung?
In der Tat, es gab einen Juristen in Leipzig, dessen Name allgemein bekannt war: Der stellvertretende Leitende Oberstaatsanwalt war nämlich auch Pressesprecher der Staatsanwaltschaft und stand mitunter mehrmals wöchentlich in beiden Zeitungen der Stadt. Der GRÜNE hatte ihm „Jaguar“ sogar einmal im Vorübergehen gezeigt und – wohl um der Osteuropäerin einmal etwas Nettes zu sagen – bemerkt, der Staatsanwalt finde den Klang der slawischen Sprache angenehm.
So, meine Damen und Herren, kam Staatsanwalt Röger in einen Quellenbericht an den Verfassungsschutz. Wer konnte der korrupte Baugenehmigungsbeamte sein? Wahrscheinlich wusste „Jaguar“ noch nicht einmal, dass Markkleeberg nicht zu Leipzig gehört. Aber bekannt war ja eben mal der Sozial- und Bildungsbürgermeister Jung, der einige Monate später auch Oberbürgermeister wurde. So war das der zu benennende Mitarbeiter der Stadtverwaltung...
Und durch einen auf ihn verübten Mordanschlag kannte sie den Namen von Dr. Klockzin, dem Justitiar der stadteigenen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft. Der Agentenführer schrieb ihn phonetisch „Glokzin“ auf, und tatsächlich geisterte ein Dreivierteljahr – Zitat – „der Betrüger und Immobilienmakler Glokzin durch die anschwellenden Akten des OK-Referates, ohne dass er mit dem öffentlich wohlbekannten LWB-Manager in Verbindung gebracht wurde“.
Selbst im Referat Henneck hätte man dieser wirren Story wohl wenig große Beachtung geschenkt, aber einige Tage später beendete der Sächsische Verfassungsgerichtshof auf Antrag der PDS die OK-Beobachtung.
In den nächsten Monaten durften sie nur noch weiterverfolgen, was ihnen schon vorlag. So wurde aus der kurz vor Toresschluss hereingebrachten Bemerkung, es gebe in Leipzig irgendwie korrupte Juristen und irgendwie korrupte Verwaltungsmitarbeiter, irgendwie in einem Netzwerk um einen Politiker, die Möglichkeit, doch noch einen weiteren Vorgang zu eröffnen. Das war kein Tee
beutel, Frau Lay, das war ein einzelnes Teeblättchen, das man noch ausquetschen wollte. Und dieses Ausquetschen fiel schwer. Da wurde observiert und abgefragt, da stellte man fest,
dass ein Rechtsanwalt vor dem Schlafengehen noch ein Instrument spielt und ein Staatsanwalt körperbehindert ist. Nur mit den korruptiven und kriminellen Netzwerken kam man nicht weiter. Wohl aber mit Klatsch.
Aus den angeblichen Beziehungen des GRÜNENPolitikers zu einem Staatsanwalt, zu einem Betrüger und einem Rathausmitglied wurden begründungslos Beziehungen zwischen diesen. Zitat aus einem Auswertungsvermerk der Henneck vom 18. Januar 2006:
„Röger soll auch intensive Beziehungen zu dem Betrüger Glokzin (phonetisch) unterhalten haben.“ Und: „In einem polizeilichen Ermittlungsverfahren seien bei Glokzin brisante Fotos sichergestellt worden.“
Das, meine Damen und Herren, hätte der Verfassungsschutz ja leicht amtlich überprüfen können, wenn man seine sonstigen Abfrageaktivitäten sieht. Tat er aber nicht. Ich setze das Zitat über die brisanten Fotos fort:
„Diese sollen Röger mit Glokzin bei einem Urlaub bzw. einer Party auf einer Yacht des inzwischen ermordeten Modemachers Versace zeigen.“
Sollen! Haben sie aber nicht, wenn es sie überhaupt gab. Aber weder Dr. Klockzin noch Oberstaatsanwalt Röger waren je auf einer Versace-Yacht, von gemeinsamen Urlauben oder Partys ganz zu schweigen. Aber die Behauptungen ziehen sich seither durch die vom OK-Referat produzierten und reproduzierten Vermerke, und die Akten schwollen um Buchkopien über den Versace-Mord an.
Frau Henneck hatte auch eine Auskunftsperson in der Staatsanwaltschaft. Die genannte, dienstlich sogar dafür zuständige Staatsanwältin bestreitet energisch, diffamierende Äußerungen über ihren Kollegen gemacht zu haben. Aber das OK-Referat füllte damit die Akten. Aus dem Zusammenfassenden Vermerk vom 18. Januar – ich zitiere –:
„Röger besitzt auch intensive Kontakte zu einem Rechtsanwalt [Soundso] in Leipzig. Dieser Rechtsanwalt sei CDU-Mitglied und möglicherweise sogar Mandatsträger im Stadtrat Leipzig oder im Sächsischen Landtag.“
Dieser Schmarrn steht nicht etwa in einem Quellenbericht, wo die Aussagen des sogenannten Vertraulichen Mitarbeiters, VM, eins zu eins niedergeschrieben werden, sondern in einem Bericht der Referatsleiterin! Wer Stadtrat oder gar MdL ist, kann aus öffentlich zugänglichen Quellen innerhalb einer Minute recherchiert werden! Aber dann hätte es ja nicht mehr vielfach in die schließlich 15 000 Seiten des OK-Referats geschrieben werden können.
Grafisch, mit einer guten, vom Freistaat teuer erworbenen Software erstellt – das ist keine Geheiminformation, Herr Innenminister, ich habe die Herstellerfirma gefragt –, schwollen auch Netzwerke an. Sagt ein Spitzel über italienische Restaurants: „Dem A gehören zwei Restaurants, das C und das D“, und am D steht ein anderer Name, dann hatte Frau Henneck sofort wieder eine Ecke ihrer Grafik gefüllt. Die Besitzerin des D als – Zitat – „namentlich bekannte Italienerin“ – tatsächlich ist sie Deutsche – und Strohmann (respektive Strohfrau) für die Mafia, nämlich den – Zitat – „namentlich unbekannten Italiener A“. Der hatte das Restaurant schon fünf Jahre früher
und auch fünf Jahre vor Beginn der OK-Beobachtung durch Frau Henneck an die neuen Betreiber verkauft.
Das war ebenso wie der Name des angeblich namentlich unbekannten Italieners für die Investition von einem Glas Rotwein leicht herauszubekommen.
Nur nicht für die OK-Bekämpfer im Verfassungsschutz, deren Restaurantspesen bei solchen Ermittlungen aber beträchtlich waren. – Nun, freuen wir uns, dass es wenigstens einigen Beamten in Sachsen so gut ging, wenn ich das auch lieber denjenigen gönnen würde, die auf der Straße tatsächlich den Kopf für die Bürger hinhalten.
Meine Damen und Herren! Auf diesem immer noch fast skandalfreien Niveau verharrte die fleißige Arbeit der Henneck-Brigade bis zum Mai 2006.
Die angeblichen Zentralfiguren der Staat und Gesellschaft gefährdenden kriminellen und korruptiven Netzwerke – der Staatsanwalt, der Rathausmitarbeiter – wurden nicht observiert. Ebenso wenig gab es eine Telefonüberwachung. In den Akten findet sich noch nicht einmal ein Vorlauf zu einem Observierungsantrag! Frau Henneck wusste wohl ganz genau, dass zu genaues Hinsehen die Seifenblase zum Platzen bringen würde. Eine andere Erklärung haben wir bei allem Zermartern des Hirns nach Alternativen nicht gefunden.
Und dann, meine Damen und Herren, brach Frau Hennecks Welt zusammen. Der böse Sächsische Landtag änderte das Gesetz und beendete, dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes mit strenger Konsequenz folgend, die OK-Beobachtung durch den Verfassungsschutz ganz. Seither ist OK-Beobachtung wieder allein Aufgabe der Polizei und geschieht mit polizeilichen Mitteln unter öffentlich kontrollierbaren, nicht geheimdienstlichen Bedingungen.
Ich darf aus zehnjähriger Erfahrung mit Frau Henneck und ihren – es fällt schwer, nicht „Machenschaften“ zu sagen – einmal interpretieren. Erst nahm man der Genos
sin Staatsanwältin aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt ihre DDR und ihren Sozialismus, dann auch noch die neue Lebensaufgabe, die Bekämpfung des aus allen Poren schmutz- und bluttriefenden – die Ossis im Raum erkennen Karl Marx’ blumige Attributierung des Kapitalismus. Von nun an war es wohl kein Mani-Puliti-Syndrom mehr, sondern eine Einzelkämpferin im Klassenkampf.
Kurz vor Inkrafttreten des geänderten Gesetzes aktivierte man eine Auskunftsperson, über die bisher von HenneckLeuten eher als potenziellen OK-Verdächtigen nachgefragt worden war. Das war der Kriminalhauptkommissar Georg Wehling, vormals Leiter des Kommissariats Bandenkriminalität in Leipzig. Wir haben ihn in seiner aggressiven Selbstüberschätzung im Ausschuss genauso kennengelernt wie als nichts wissendes, nichts gesagt habendes, völlig verkanntes armes Würstchen. Frau Henneck traf sich mit ihm am 24. Mai 2006. Sie fertigte einen umfangreichen Vermerk darüber an, keinen vorschriftsmäßigen Bericht. Nun wird es kompliziert.
Erstens. Das war der 24. – –
Das war der 24. Mai, die OK-Beobachtung endete am 29. Mai. Wieder einmal geschah etwas vor Toresschluss.
Zweitens. Der Vermerk ist auch auf den 24. Mai datiert, angefertigt wurde er aber erst später. Dafür spricht nicht nur seine Speicherung über zwei Monate später, vor allem ist er von Frau Henneck selbst mit dem Zusatz „alt“ hinter der Referatsbezeichnung überschrieben worden. Das bedeutet, er wurde erst nach dem 29. Mai, der Auflösung des OK-Referats, angefertigt und nicht am 24. Mai, wie er datiert ist.
Drittens. Darin steht, der Gesprächspartner, die Auskunftsperson mit dem Decknamen „Gemag“ – nach Hennecks eigener Aussage ausschließlich die natürliche Person Georg Wehling – hätte ihr dieselben Aussagen schon im Frühjahr 2005 gemacht. Das wird nicht nur von Wehling bestritten, sondern ist auch aus der Kenntnis der Akten völlig unglaubwürdig. Was „Gemag“ erzählte, wusste Frau Henneck vorher nicht! Sonst hätte sie, um einen Beleg aus vielen hervorzugreifen, nicht ein Dreivierteljahr vom – Zitat – „Betrüger und Immobilienmakler Glokzin“ geschrieben, wenn ihr „Gemag“ bereits vom LWB-Manager Klockzin erzählt hätte.
Beim Schreiben des „Gemag“-Vermerks hat Frau Henneck offenkundig falsche Daten verwendet. Den Grund hat der neue Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz erkannt und im Untersuchungsausschuss klar benannt: Die fingierte Erstaussage lag vor dem Verfassungsgerichtsurteil. Mit einem gefälschten Erstaussagedatum konnte dieses Urteil umgangen werden.
Viertens. Fast alles, was die bekannten Dossiers des Verfassungsschutzes über den vorgeblichen Sachsensumpf füllt, taucht in diesen Akten erstmals – ich betone:
überhaupt erstmals – im „Gemag“-Vermerk auf. Vorher gibt es davon keinerlei Spuren.
Wo wir dergleichen schon finden, das sind die haltlosen Räuberpistolen der „Bild“-Zeitungsmitarbeiterin aus dem Jahre 1998. Ein bisschen durcheinandergeraten durch Vergesslichkeit und Verwechslung, ist das die „Mutter aller Akten“ – so Bernhard Honnigfort in der „Frankfurter Rundschau“ –, aus der „Gemag“ schöpfte.
Fragen wir nach der Möglichkeit. Konnte ein Kriminalhauptkommissar Wehling davon wissen? Konnte selbstverständlich. Erstens war diese Journalistin nicht nur damit zum LKA, sondern auch zur Kriminalpolizei und zur Staatsanwaltschaft in Leipzig gelaufen.
Zweitens. Herr Wehling gehörte zu einer Auswertungsgruppe des LKA und der Leipziger Kriminalpolizei, die diesen Vermerk von 1998 auswertete.
Gleich, gleich, gleich! So ungefähr in zwei Absätzen.
Wie Sie dem in diesem Hohen Hause vorliegenden Weitemeier-Bericht Seite 346 entnehmen können, befand man gerade ihren Klatsch über den Oberstaatsanwalt als belanglos.
Fragen wir aber: Hat Wehling das alles gesagt auf stundenlange Fragen von Frau Henneck?, müssen wir allerdings sagen: Das ist nicht immer klar. Wenn Frau Henneck mit dem Datum und angeblichen früheren Treffberichten mit Georg Wehling nicht die Wahrheit niederschrieb und noch über zwei Monate an dem „Gemag“-Vermerk gearbeitet werden konnte, ließ sich noch manches nachträglich, das heißt, nachdem die OKBeobachtung definitiv beendet sein musste, hineinschreiben.
Sofort!
Aber ob das geschah und was das war, wissen wir auch nicht. Das kann ich nicht feststellen. Vielleicht können es die Gerichte. – Bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Günther, Sie können im Raum bleiben.
Frau Hennecks literarische Fähigkeiten hat sie jedenfalls in ihrer etwa achtstündigen Lesung, bezeichnet als erste Zeugenvernehmung, eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Den Schaden, den sie mit ihren fleißig fabulierten Akten dem Freistaat und seinen Bürgern zugefügt hat, finde ich allerdings viel eindrucksvoller. Es sind Menschen zu Schaden gekommen. Solange noch offene Verfahren laufen, will ich in deren Interesse darüber schweigen. Zerrüttete Familien, sich abwendende Freunde, wegbleibende Kunden, bankrotte Firmen, Selbstmordabsichten... das ist das Ergebnis der Henneck-Brigade. Der sogenannte Sachsensumpf war ein hoch giftiges Gespinst, aber nicht mehr als ein Lügengespinst.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss
etwas zitieren. Es ist die entsetzte Aussage einer unbescholtenen deutschen Ärztin, über die Sie hier johlen, die vom Verfassungsschutzreferat 33/34 ohne jeden Anhaltspunkt bespitzelt wurde und in den Akten dieses Referats als ukrainische Edelnutte, die in Leipzig ein SM-Studio betreiben würde, diffamiert worden ist.
Sie sagte der Staatsanwaltschaft, was für alle Opfer gilt: „Ich bin entsetzt über den Inhalt, der hier in einer unverschämten Art und Weise über mich verbreitet wird. Ich kann nicht verstehen, wie unser Verfassungsschutz auf solche Ergebnisse kommt, und bin eigentlich desillusioniert. Ich fasse überhaupt nicht, wie jemand hier so in Misskredit gebracht werden kann, ohne jeglichen Anhalt... Ich weiß auch gar nicht, wie ich mich dagegen wehren kann und wer solche Anschuldigungen in die Welt setzt. Ich hätte gern meinen Gegner gekannt.“ Das gilt für alle Opfer der Frau Henneck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Artikel 28 Abs. 1 des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich: Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.
Auch die innere Ordnung der Parteien – Artikel 21 Abs. 1 Grundgesetz – und die für die Wahlen notwendigen Nominierungen unterliegen dem Demokratiegebot. Das Verfassungsorgan Landtag und seine Organteile, die Abgeordneten, müssen aus demokratischen Wahlen hervorgehen. Sie werden nicht von der Exekutive ernannt. Sie dürfen nicht von Polizisten und Staatsanwälten gemacht – oder verhindert werden.
Im Falle der Kollegin Kerstin Nicolaus drohte und droht dieses Demokratiegebot auf den Kopf gestellt zu werden. Das zeigt ein simpler Vergleich der Zeitschienen von Wahlvorbereitung, also Nominierung einerseits, und der
Handlungen und Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft andererseits sowie rechtswidrige Veröffentlichungen aus staatsanwaltschaftlichen Unterlagen.
Die Kollegin Nicolaus und die Nominierungsberechtigten ihres Wahlkreises haben sich dem dadurch objektiv entstandenen Druck nicht gebeugt. Andere sind weniger standhaft geblieben – ich zum Beispiel. Am 8. Januar dieses Jahres schrieb mir eine Staatsanwaltschaft, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen mich einleiten wolle. Das Verfahren hat mich nicht nur in den folgenden Monaten psychisch ziemlich fertiggemacht; vielmehr war eine Woche später, am 17. Januar, die Landeslistennominierung der CDU für die Europa- und die Landtagswahl. Am 14. März folgte die Nominierung für die Leipziger Stadtratswahl. Ich habe während eines laufenden Ermittlungsverfahrens auf beiden Parteitagen keine Kandidaturen versucht. Am 23. April lief die Frist ab, bis zu der noch Änderungen der Wahlvorschläge hätten eingereicht werden können. Am 27. wurde das Verfahren eingestellt.
Meine Damen und Herren! Wenn irgendjemand beabsichtigt hätte, mich auf diesem Weg kaltzustellen – was ich selbstverständlich nicht annehme –, wäre das wohl die richtige Abfolge gewesen.
In dieser Woche diskutierte das Hohe Haus den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Verfassungsschutzaffäre, den vom OK-Referat des Verfassungsschutzes verursachten Skandal. Ich habe mich als stellvertretendes Mitglied in diesem Ausschuss, denke ich, durch erheblichen Aufklärungseifer und auch eigene Ermittlungen ausgezeichnet. Sie entsinnen sich vielleicht auch der Kleinen Anfragen in den Drucksachen 4/13372, 4/13676 und 4/14207, in denen es um die rechtswidrige Beobachtung der CDU durch das Landeskriminalamt ging. Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Pünktlich zu Beginn dieser Sitzungswoche, am Montag, dem 22. Juni, um 9 Uhr früh, wurde ich vom gleichen Landeskriminalamt – sinnigerweise vom OK-Dezernat – zur Vernehmung vorgeladen. So ein terminliches Zusammentreffen ist schon eindrucksvoll und, da es die letzte Sitzungswoche ist und danach meine Immunität endet, auch recht symbolträchtig. Aber wenigstens davon, vorhin zum Untersuchungsausschussbericht und damit auch über jenen LKAVermerk zu sprechen, habe ich mich nicht abhalten lassen.
Kerstin Nicolaus hat sich überhaupt nicht beeinflussen lassen. Damit steht sie – ungeachtet aller gegen sie erhobenen, von keinem Gericht bisher überprüften Vorwürfe – wie ein Rocher de Bronze für unsere Demokratie. Das verdient die Sympathie und die Solidarität aller Demokraten. Sie muss die Chance haben, dass diese Vorwürfe endlich von einem unabhängigen Gericht überprüft werden. Deshalb habe ich für die Aufhebung dieser Immunität gestimmt.
Vielen Dank, meine Damen und Herren, und auf Wiedersehen! Denjenigen, die im nächsten Landtag weitermachen werden oder weitermachen können, wünsche ich
eine glückliche Hand beim Bewahren unseres freiheitlichdemokratischen Rechtsstaates.
Natürlich!
Ich wiederhole meine Aussage wörtlich: Ja.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Beim Lesen des Hochschulgesetzentwurfes der Staatsregierung hatte ich ein gewisses Déjà-vu-Erlebnis. Ich glaube, es war die zweite Hochschulreform der DDR, die unter dem Motto stand „Überstürzen ohne einzustürzen“.
Der federführende Ausschuss hat sehr viel von dem, was im Gesetzentwurf – sagen wir – nicht ganz gelungen war und auch nicht beabsichtigt gewesen zu sein scheint, nachgebessert. Er hat allerdings eines wiederum übersehen. Das ist der Inhalt meines Änderungsantrages.
Meine Damen und Herren! Dieses Sächsische Hochschulgesetz begleitet die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge an sächsischen Hochschulen. Ich will Ihnen das jetzt an einem erfundenen Beispiel darlegen, weil mir sonst Frau Stange sagen würde: In diesem Einzelfall können wir eine Sonderregelung treffen.
Ich mache es einmal an einem erfundenen Beispiel fest. Stellen Sie sich eine sächsische Stadt vor, an der es eine Universität und eine Fachhochschule gibt. An der HTW konnte man bisher Diplomingenieur für Kakaoverarbeitung FH werden. An der TU konnte man Diplomingenieur für Schokoladenproduktion werden. Jetzt kommen die neuen Studiengänge. Dem bisherigen Diplomingenieur für Schokoladenproduktion entspricht ein Studium, was zuerst einen Bachelor HB.Sc. für Kakaoverarbeitung und dann einen Master M.Sc. für Schokoladenproduktion hervorbringt.
Dem bisherigen Fachhochschulstudium Diplomingenieur entspricht ein klein wenig verkürzt und an Inhalten abgemagert ein Bachelor, auch B.Sc., für Kakaoverarbeitung. Die Möglichkeit besteht – vielleicht an dieser Fachhochschule selbst, vielleicht an der Universität –, darauf einen Masterstudiengang aufzubauen und auch Master für Schokoladenproduktion zu werden.
Diese Weiterqualifikation ist durch die Fassung des Ausschusses studiengebührenfrei. Wenn jetzt aber einer der bisherigen Absolventen der Fachhochschule sagt: Fein, ich kann jetzt den Master bei mir auch noch drauf
bauen und nicht nur für Kakaoverarbeitung, sondern auch einer für Schokoladenproduktion sein!, dann soll er nach dieser Fassung, wie sie der federführende Ausschuss vorgelegt hat, trotzdem Studiengebühren zahlen. Das ist eine Benachteiligung derjenigen Fachhochschuldiplomanden, die bisher studiert haben.
Mein Änderungsantrag bezweckte, das zu ändern. Ich hatte ihn, weil es sich um Gebühren handelte, im Haushalts- und Finanzausschuss eingebracht. Dort fand er keine Mehrheit. Ich habe ihn hier in diesem Hohen Hause eingebracht. Da gab es gestern eine ziemlich harte Abreibung in meiner Fraktion. Ich hatte übersehen, dass ich nach unserer Fraktionssatzung gar keine Änderungsanträge einbringen kann.
Diese Fraktionssatzung widerspricht, Herr Präsident, in diesem Fall der Geschäftsordnung des Landtages. Aber das müssten Sie klären, das kann nicht ich klären.
Meine Damen und Herren! Ich habe nur noch wenige Sekunden, lassen Sie mich ausreden.
Doch, das kann sein. Ich würde es ja auf mich nehmen und trotzdem gegen meine Fraktion diesen Änderungsantrag durchfechten, wenn er eine Chance auf Annahme hätte. Dann würde ich ruhig den Fraktionsausschluss riskieren. Das sind mir meine Fachhochschuldiplomanden wert.
Da allerdings diese Chance nicht besteht – ich habe die letzten Tage genügend sondiert –, sehe ich mich gezwungen, den Antrag zurückzuziehen, –
– die Gleichstellung der Diplomanden unserer Fachhochschulen
– der Satzungshoheit der Hochschulen anheimzustellen.
Sie stimmen sicher mit mir überein, dass die mehrmalige Ansprache durch die Herren Apfel und Gansel mich dazu berechtigt, eine persönliche Erklärung nach § 91 der Geschäftsordnung abzugeben?
Danke schön. – Der Sachvortrag von Herrn Apfel war weitgehend zutreffend. Ich habe mich deshalb im August öffentlich geäußert, dass, wenn die Stadt Leipzig die Aufstellung dieses durch verschiedene deutsche Städte ziehenden mobilen Mahnmals untersagt, ich mich darum kümmern werde, dass wir einen anderen, nicht der Stadt Leipzig unterstehenden Platz in Leipzig finden, um es aufzustellen.
Ich danke dem leider gerade abwesenden Staatsminister Prof. Unland, dass er mich sofort bei der Suche nach einem geeigneten Standort unterstützt hat. Wir sind auf einem guten Wege. So weit dazu.
Nun finde ich sowohl den Text einiger Artikel in der „Leipziger Volkszeitung“ als auch der Erklärung der Initiative von Johannes Heibel als auch meine eigene Presseerklärung weitgehend abgeschrieben in einem Antrag der NPD-Fraktion. Dafür könnte man ja eigentlich dankbar sein, wenn das nicht ein vergifteter Antrag wäre.
Erstens. Die NPD hat ihn, wie sie es heute auch ausführte, benutzt, um die fälschliche und verleumderische Verbindung dieser an drei Stellen der Heiligen Schrift überliefer
ten Äußerung Jesus mit der Todesstrafe und ihre eigene Forderung nach Einführung einer Todesstrafe herzustellen. Damit hat sie diese Initiative vergiftet.
Ich sage ausdrücklich: Die NPD mag bei der Forderung nach der Todesstrafe für sexuellen Missbrauch an Kindern den künftigen 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Hussein Obama an ihrer Seite haben, mich allerdings nicht und Herrn Heibel auch nicht.
Ja, informieren Sie sich.
Zweitens, meine Damen und Herren. Wir haben in Leipzig verschiedene Grundstücke, die dem Freistaat gehören, einige allerdings der Universität. Ausgerechnet ein Universitätsgrundstück vorzuschlagen ist bei der bekannten Haltung von Karl-Marx-Rektor Häuser zu diesen Fragen schon wieder eine vergiftete Provokation.
Selbstverständlich kann der „Mahnende Mühlstein“ nur auf einem direkt dem Freistaat oder einer Privatperson oder Gesellschaft gehörenden Grundstück aufgestellt werden. Wie gesagt, da sind wir auf einem guten Weg.
Drittens, meine Damen und Herren. Die NPD hat sich in ihrem Antrag darauf verlassen, dass die CDU-Fraktion dumm, dumpf und feige genug ist,
sich am Gängelband der Linken führen und mich nicht zu Wort kommen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich muss leider sagen: In dem Punkt hatte sie nicht ganz unrecht. Falls Herr Apfel und Herr Gansel auch dem nächsten Landtag angehören sollten – was der Himmel verhüten möge und der sächsische Wähler auch –,
– dann ist die Dummheit, die Dumpfheit und die Feigheit einiger meiner Fraktions- und Parteikollegen daran mit schuld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pünktlich zur Einbringung des Doppelhaushaltes für 2009/2010 haben die GRÜNEN den Antrag gestellt, im Detail nur einen Einjahreshaushalt für 2009 zu beraten und zu beschließen. Das war der richtige Zeitpunkt, aber der falsche Antrag.
Warum machen wir seit Jahren – wenn ich mich recht entsinne seit 1995/96, damals unter dem Finanzminister Georg Milbradt – Doppelhaushalte in Sachsen? Sie geben unserem Freistaat und unseren Kommunen Planungssicherheit für größere Projekte. Unsere Haushaltsbeschlüsse werden perspektivisch sicherer, wenn sie nicht von Jahr zu Jahr jeweils in eine andere Richtung gelenkt werden können.
Wir werden es in den Haushaltsberatungen wieder spüren und merken es doch jetzt schon in den Beratungen der Fraktionen, dass das Beschleunigen oder Strecken von Veränderungen, dass Abschichtungen oder Umsetzungen oder Aufbau von Geldmitteln und Stellen klarer und verlässlicher sind, wenn wir sie für zwei Jahre planen können.
Seit dem Übergang zu Doppelhaushalten ist das berüchtigte Dezemberfieber im Freistaat Sachsen merklich abgeklungen. Die Übertragbarkeit von Mitteln ist leichter geworden. Doppelhaushalte ermöglichen einen jahresübergreifenden Geldfluss.
Deshalb sind andere Bundesländer und auch einige Kommunen dem sächsischen Beispiel gefolgt und zu Doppelhaushalten übergegangen.
Wissen Sie, Frau Hermenau und Michael, du da hinten, um es einer Ökopartei verständlich zu machen – –
Frau Hermenau, ich habe Ihnen auch zugehört, wenn Sie nach vorn schauen könnten – –
Um es einer Ökopartei verständlich zu machen, können wir den Staatshaushalt ruhig mit einem Wald vergleichen. Beide muss man längerfristig hegen und pflegen. Um es mit einer Ihrer Lieblingsvokabeln zu sagen, Sachsen soll wiederum einen nachhaltigen Haushalt bekommen.
Das alles spricht für einen Doppelhaushalt 2009/2010. Die GRÜNEN-Gründe sprechen eben nicht dagegen. Sie sind, mit Verlaub, nicht richtig. Der Gesetzgeber trägt nämlich Verantwortung über die eigene Wahlperiode hinaus. Gesetze, auch Haushaltsgesetze, gelten nicht nur bis zur nächsten Wahl, sondern unabhängig von Wahlterminen. Sie enden, wenn es befristete Gesetze sind, durch Auslaufen – so ist es bei Haushaltsgesetzen – oder wenn sie verändert bzw. aufgehoben werden. Das kann der Landtag, der jetzige 4. und der künftige 5. Landtag, natürlich tun. Sein verfassungsgemäßes Budgetrecht wird eben nicht bestritten, wie es der Antrag der GRÜNEN unterstellt.
Wenn es so kommt, wie es Frau Hermenau annimmt oder befürchtet, dann wird der Landtag dieses Budgetrecht auch im nächsten Jahr noch einmal wahrnehmen müssen.
Führen wir uns einfach einmal vor Augen, was wäre, wenn wir heute nicht einen nachhaltigen, sondern nur einen Jahreshaushalt beschließen würden. Am 30. August 2009 wird der neue Landtag gewählt. Etwa drei oder vier Wochen später tritt er zusammen. Dann wird eine Regierung gebildet. Behüte uns Gott vor Koalitionen, aber es kann ja auch dazu kommen.
Auf jeden Fall gibt es bei einer Regierungsbildung erfahrungsgemäß das eine oder andere Postengerangel. Es dauert ein Weilchen, und während im Landtag die gerade zu Ministern gewordenen Abgeordneten in ihren Arbeitskreisen und Ausschüssen ersetzt werden müssen, beginnt
die Regierung zu arbeiten. Wenn alles gut geht, kommt der Haushaltsplan noch 2009 in den Landtag und liegt am 1. Januar 2010 zur Beratung in den Ausschüssen.
Michael, das können wir nachher im Chiaveri klären.
Das war doch eine eindeutige Aussage.
Dass der Landtag zwischen der Konstituierung und dem Jahreswechsel ein Nothaushaltsgesetz beschließen und beraten würde, halten Sie doch auch für illusorisch. Also zieht der Artikel 98 unserer Verfassung. Die Staatsregierung kann – ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren – „... diejenigen Ausgaben leisten, die nötig sind, um erstens gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen; zweitens die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Freistaates zu erfüllen; drittens Bauten, Beschaffung und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.“
Zu diesem Zweck kann sie auch die benötigten Kredite aufnehmen, aber es würde von Haushaltssperren, Einschränkungen, verzögertem Projektbeginn und was der Ärgernisse dergleichen mehr sind, wimmeln.
Meine Damen und Herren! Genau mit jener selbstverschuldeten Lage und nicht etwa mit dem Doppelhaushalt würde sich dieses Hohe Haus sein verfassungsrechtliches Budgetrecht selbst beschneiden. Auf ein solches Tohuwabohu für 2010 wollen und können wir verzichten.
Aber auch die antragstellende Fraktion würde sich mit einem Doppelhaushalt ins eigene Fleisch schneiden. Heute, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, können Sie den Staatshaushalt auch für 2010 mitberaten. Aber wo sind Sie denn in einem Jahr? Mit aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr im Landtag.
Also bringen Sie sich doch jetzt ein! Hinterlassen Sie für Ihre außerparlamentarische Zukunft doch ein wenig grüne Handschrift im Doppelhaushalt und stellen Sie das parteitaktische Geplänkel, von dem Ihr Antrag zeugt, aus Verantwortung für unseren Freistaat Sachsen zurück.
Meine Damen und Herren! Um die kontinuierliche Arbeit unserer Schulen und Hochschulen, Museen und Theater, unserer Justiz und Polizei, unserer schlanken, aber tüchtigen Verwaltung zu sichern, müssen wir den Antrag auf Jahresetat statt Doppelhaushalt ablehnen.
Vielen Dank.