Protocol of the Session on April 12, 2000

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 38. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

Von der CDU ist angekündigt worden, dass ein Dringlichkeitsantrag gestellt wird. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die CDU hat einen Antrag vorgelegt, den ich bitte dringlich in die Tagesordnung aufzunehmen. Gestatten Sie mir, die dafür entsprechende Begründung hier abzugeben.

Der Berufsstand der Kutter- und Küstenfischerei, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich, ist ein Berufsstand, der demnächst auf die Rote Liste gehört, weil sich die Rahmenbedingungen für diesen Berufsstand immer weiter verschärfen, insbesondere im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung von Nationalparkverordnung und dem Fischen auch in Biosphärenreservaten.

Der vorliegende Antrag betrifft insgesamt 46 Fischer von Usedom, Rügen und dem Darß. Die Dringlichkeit ist ganz einfach deshalb gegeben, weil die Dorschquote im Moment abgefischt ist, das Fischen mit der Langleine – Experten werden wissen, was darunter zu verstehen ist – gegenwärtig die Wirtschaftlichkeit der Fischereiunternehmen fundiert und wiederum die Fischerei mit der Langleine voraussetzt, dass das Fischen mit der Besteckzeese, um den erforderlichen Köderfisch zu fangen, notwendig ist. Dies ist gegenwärtig nicht erlaubt, weil es keine Sondergenehmigungen für diese 46 betroffenen Fischer gibt. Insofern bitte ich um Aufnahme des Antrages in die Tagesordnung. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Der Abgeordnete Herr Backhaus von der SPD-Fraktion möchte reden. Bitte sehr, Herr Backhaus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung, dass diese Dringlichkeit so nicht gegeben ist, weil an diesem Problem nicht erst seit heute gearbeitet wird, sondern dieses Thema über Jahre bekannt ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Im Landwirtschaftsausschuss ist das Thema gemeinsam mit dem Umweltminister besprochen worden und es ist dort auch definitiv den Abgeordneten der CDU mitgeteilt worden, dass die Fischer, die einen Antrag gestellt haben, nämlich 61, in allerkürzester Frist die Genehmigung erhalten werden und dass zum Zweiten mit denjenigen, die zusätzlich einen Antrag gestellt haben, nämlich die Differenz zwischen 61 und 83, dass mit diesen Fischereiunternehmen verhandelt wird. Insofern, glaube ich, ist dieser Antrag in seiner Dringlichkeit nicht geboten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Der Antrag zum Thema „Fischerei in Nationalparken und Naturschutzgebieten“ liegt Ihnen auf Drucksache 3/1252 vor. Nach Paragraph 40 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung kann diese

Vorlage beraten werden, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Zugleich muss über die Einreihung in die Tagesordnung beschlossen werden. Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Erweiterung der Tagesordnung ist abgelehnt worden

(Reinhardt Thomas, CDU: Wieder angeln.)

mit den Stimmen der SPD-Fraktion, mit den Stimmen der PDS-Fraktion, bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung, gegen die Stimmen der CDU-Fraktion.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Jugend und Zukunft – Herausforderung für die Gesellschaft“ beantragt.

Aktuelle Stunde Jugend und Zukunft – Herausforderung für die Gesellschaft

Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion Herr Schlotmann. Bitte sehr, Herr Schlotmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit gut zwei Wochen liegt die neueste, die 13. so genannte Shell-Studie vor. Sie hat das Motto „Jugend 2000“. Und wie erwartet, hat auch diese Studie wieder ein breites öffentliches Interesse hervorgerufen, aber auch ein durchaus kontroverses Interesse. Für die SPD-Fraktion selbst war diese Studie Anlass genug, das Thema heute im Landtag aufzurufen.

Meine Damen und Herren, wir sehen die heutige Diskussion als Möglichkeit, das Thema Jungend und Gesellschaft – losgelöst von Sachanträgen und politischer Alltagsarbeit – aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. In diesem Sinne möchte ich heute die Opposition einladen, frei von politischen Schaukämpfen, wenigstens für die nächsten Minuten, in eine ernsthafte Diskussion darüber einzutreten.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Angelika Gramkow, PDS: Das wird nichts.)

Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht sind drei Aspekte besonders hervorzuheben:

Erstens. Das Thema der Aktuellen Stunde lautet bewusst „Jugend und Zukunft – Herausforderung für die Gesellschaft“. Hier wird nämlich eine bestimmte Richtung definiert, und zwar von den Jugendlichen hin zur Politik und Gesellschaft. Allzu oft bedeutet Jugendpolitik auch heute noch Suchen und Definieren von Angeboten an die Jugend, die diese dann aber nicht annehmen. Und der Grund: Die Angebote gehen schlicht und einfach an den Interessen der Jugendlichen vorbei.

In diesem Sinne verschreibt sich auch die neueste Shell-Studie – wie einige der Vorgängerstudien auch – einem besonderen Auftrag, nämlich zu erforschen, wie die Jugend als eigenständige Gruppe, sozusagen als Betroffene der zukünftigen Entwicklungen ihre Zukunft, ihren Gestaltungswillen, ihre Wert- und Lebensvorstellungen sowie ihren eigenständigen Beitrag sieht. Ich halte das für einen wichtigen und richtigen Ansatz, denn es ist selbstverständlich, dass sich die Jugend grundsätzlich anders sieht und definiert, als es die Erwachsenenwelt tut und sich wohl auch häufig gerne nur wünscht. Ich muss da fragen: Ging es uns nicht genauso? Das heißt aber im

Umkehrschluss: Um Politik und Gesellschaft für Jugendliche wirklich attraktiv zu gestalten, müssen wir wissen, was die Jugendlichen eigentlich wollen. Nicht wir müssen den Jugendlichen sagen, was sie zu wollen haben, meine Damen und Herren.

Zweitens. Besonders kontrovers ist nach der Veröffentlichung der Studie die Frage diskutiert worden, ob die Jugend 2000 in besonders hohem Maße Neigungen zum Rechtsextremismus aufweist. Insgesamt identifiziert die Studie einen Prozentsatz von rund 62 Prozent aller Befragten, die der Meinung sind, dass der Anteil von Ausländern an der Bevölkerung in Deutschland zu hoch sei. Für Ostdeutschland liegt diese Zahl sogar bei knapp 70 Prozent. Und diese Zahlen sind mehr als besorgniserregend. Die Studie konstatiert auch, dass die Ablehnung von Ausländern in dem Maße zunimmt, wie der persönliche Umgang mit ihnen abnimmt. Einfach gesagt: Wo weniger Ausländer leben, ist die Ausländerfeindlichkeit hoch, und umgekehrt.

Aber: Die Studie zieht ein sehr vorsichtiges Fazit. Ich glaube, diese Bedächtigkeit tut uns allen in der öffentlichen Debatte gut. Sie bewertet vorsichtig: „All das gibt mit aller gebotenen Vorsicht dazu Anlass, als Hintergrund für hoch ausländerfeindliche Einstellungen schlechtere Lebensbedingungen, geringere Bildung, schlechtere Ausstattung oder zumindest eine Selbsteinschätzung in dieser Richtung zu behaupten. Im Kern der Ausländerfeindlichkeit scheinen sich Konkurrenzgefühle zu verstecken beziehungsweise die Furcht, in der wachsenden Konkurrenz um Arbeitsplätze und Zukunftschancen … zu unterliegen.“

Meine Damen und Herren, weniger Ideologie als vielmehr wahrgenommene tatsächliche oder potentielle Konkurrenz scheinen die Quellen dieser Zahlen zu sein. Dies macht uns deutlich, wie wichtig es ist, den jungen Menschen Perspektiven in Form von Ausbildungs-, Arbeitsund Studienplätzen aufzuzeigen.

(Gesine Skrzepski, CDU: Bla, bla, bla.)

Das ist wirklich eine sehr ernsthafte Diskussion, Frau Skrzepski.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Ich freue mich über Ihren intelligenten Beitrag.

Das beste Programm gegen Ausländerfeindlichkeit junger Deutscher sind Ausbildungs- und Arbeitsplatzprogramme. Deshalb ist neben allen anderen Anstrengungen auch das 100.000er Programm der Bundesregierung so wichtig. Sie wissen, es ist in Mecklenburg-Vorpommern so gut wie in keinem anderen Bundesland angenommen worden – ein Programm übrigens, das von vielen Politikern der CDU zum damaligen Zeitpunkt abgelehnt wurde.

Drittens, das Verhältnis von Jugend und Politik: Damit komme ich auf das eingangs Gesagte zurück. Nicht mehr die Fremdsicht auf die Gruppe der Jugendlichen ist das alles Entscheidende. Es muss vielmehr um das Artikulieren und Einbringen der Selbstsicht von Jugendlichen gehen. Auch die Shell-Studie konstatiert, das politische Interesse auf Seiten der Jugendlichen sinkt und sinkt und sinkt. Jugendliche verstehen Politik als ritualisiert und in ihrer, wie es heißt, ritualisierten Betriebsamkeit als völlig bezuglos zum eigenen Leben.

Meine Damen und Herren, wir haben als Koalition schon eine Menge auf den Weg gebracht. Ich erinnere an

die zensurfreie Schülerzeitung und die Herabsetzung des Wahlalters. Wir werden uns der UN-Kinderrechtskonvention annehmen.

Zum Schluss ein Vorschlag, den ich aufgreife, von Professor Hurrelmann in einem Artikel in der „Frankfurter Rundschau“. Er hat den Vorschlag gemacht – und wir können als Politiker Wissenschaftler ja ernst nehmen an der Stelle –, er fordert, das Strafgeld der CDU im Gefolge ihrer Affären in eine Bundesstiftung Jugendpolitik einzubringen. Das halte ich für eine überlegenswerte Idee. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Seidel von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Seidel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, dieses hier heute gewählte Thema „Jugend und Zukunft – Herausforderung für die Gesellschaft“ ist ein Thema, das immer aktuell ist. Insofern ist es für eine Aktuelle Stunde geeignet. Aber, Herr Schlotmann, ich würde vorschlagen, wir sollten dann mal ein bisschen wegkommen von den großen Sprüchen

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Gesine Skrzepski, CDU: Genau.)

und sollten uns dann mal anhand konkreter Sachverhalte über die Probleme, die uns alle sicherlich bewegen, unterhalten. Und da meine ich eben, eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem gestellten Thema ist die berufliche Bildung.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na sehen Sie! – Volker Schlotmann, SPD: Das kommt doch noch. Sie sind zu voreilig.)

Ich freue mich, dass Sie das bestätigen, Herr Schoenenburg.

(Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Und besonders – da sind wir uns sicherlich auch einig – gehört dazu die Ausbildung in Unternehmen. Das duale System, um nur einmal ein Stichwort zu nennen, ist sicher nach wie vor ohne echte Alternative.

Wie ist nun die Situation bei uns im Lande, wenn man sich die Ausbildungsproblematik näher anschaut? Ich beziehe mich auf die letzte Information des Landesamtes Nord vom 05.04.2000. Wir haben nach wie vor hohe Bewerberzahlen, über das Thema haben wir oft geredet. Wir sind immer noch ein junges Land, selbst wenn Jugendliche uns nach wie vor verlassen. Man rechnet mit ungefähr 29.200 Bewerbern. In den Vorjahren waren das etwas über 30.000, also ein ganz leichter Rückgang. Ich weiß nicht, ob dort überhaupt von Rückgang gesprochen werden kann. Und wir wissen, dass die Zahlen sich erst nach unten ändern werden nach dem Jahr 2005, dann allerdings dramatisch. Das ist richtig.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.)

Die Wirtschaft hat nach wie vor eine große Aufgabe in Mecklenburg-Vorpommern. Ich habe an früherer Stelle des Öfteren schon einmal nachgewiesen, dass sie diese Aufgabe so eigentlich gar nicht bewältigen kann. Deswegen ist es sicherlich notwendig, auch hier Unterstützung im Osten zu leisten.

In den letzten sechs Monaten sind 8.600 Stellen aus der Wirtschaft angeboten worden. Das sind 650 Stellen oder sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Lehrstellen, die bisher in außerbetrieblichen Einrichtungen angeboten wurden: 500 weniger als zum vergleichbaren Vorjahresmonat. In außerbetriebliche Ausbildungen nach dem hier schon erwähnten Jugend-Sofortprogramm sind – und da ging es am 1. Februar los – derzeit 160 Teilnehmer eingestiegen. Dies waren im März 1999 knapp 1.100. Wir haben nach wie vor, wie das auch in den vorangegangenen Jahren der Fall war, freie Ausbildungsplätze zum Beispiel bei Verkäufern im Nahrungsmittelhandwerk, bei Energieelektronikern, bei Versicherungskaufleuten – das hätte ich überhaupt nicht erwartet, muss ich zugestehen –, …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das war auch früher so?)