Protocol of the Session on October 17, 2001

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 69. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der 69. und 70. Sitzung liegt Ihnen vor.

Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen vor der Gesetzentwurf der Abgeordneten Reinhard Dankert, Fraktion der SPD, Lorenz Caffier, Fraktion der CDU, und Dr. Arnold Schoenenburg, Fraktion der PDS – Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages von MecklenburgVorpommern, auf Drucksache 3/2350. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die Beratung dieses Gesetzentwurfes zu erweitern. Nach Paragraph 40 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung kann diese Vorlage beraten werden, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Erweiterung der Tagesordnung einstimmig beschlossen.

Im Ältestenrat bestand Einvernehmen darüber, diesen Gesetzentwurf als Zusatztagesordnungspunkt im Anschluss an die Beratung des Tagesordnungspunktes 10 aufzurufen. Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Damit ist die Tagesordnung der 69. und 70. Sitzung beschlossen.

Nach Paragraph 5 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die heutige Sitzung den Abgeordneten Vierkant zum Schriftführer.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Zur Lage der Bauwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.

Aktuelle Stunde Zur Lage der Bauwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern

Das Wort hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg. Bitte sehr, Herr Rehberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Dichtung und Wahrheit, Herr Ministerpräsident, dies ist offenbar eine Unterscheidung, die Ihnen mehr und mehr schwer fällt. Was sagten Sie noch vor einem Monat anlässlich der Ersten Lesung zum Landeshaushalt: Es geht voran. Das Land befindet sich auf einem guten Weg. Und vor diesem Hintergrund schlage ich am 13. Oktober die „Schweriner Volkszeitung“ mit der grellen Überschrift auf: „Pleitenwelle rollt über das Land –“

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Jaja. Man kann den Zeitungen auch nicht mehr glauben.)

„Anstieg der Insolvenzen im ersten Halbjahr um 44 Prozent“. Herr Ringstorff, das ist die Wirklichkeit nach Ihrer dreijährigen Amtszeit als Ministerpräsident.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Ein Orkan an Firmenpleiten – und nicht nur in der Bauwirtschaft –, der Ihnen um die Ohren pfeift und der Ihre Regierungsbilanz endgültig zum Einsturz bringt.

Und, Herr Dr. Ebnet, Sie sind doch Volkswirt. Sie sollten doch eigentlich in der Lage sein, amtliche Statistiken zu lesen und richtig zu interpretieren. Doch was erleben wir stattdessen? Da schwafeln Sie

(Torsten Koplin, PDS: Na, na, na!)

von einer insgesamt schwierigen Konjunkturlage und vom Niedergang der Bauwirtschaft. Aber woran liegt denn das? Herr Dr. Ebnet, die deutschen Exporte sind im Jahr 2000 um 17 Prozent gewachsen und werden in diesem Jahr voraussichtlich um 8 bis 9 Prozent wachsen.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, die Menschen haben es so unendlich satt, Ihre Ausflüchte bezüglich der Ursachen der wirtschaftlichen Misere zu hören. Warum liegt denn Deutschland beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes auf dem letzten Platz in Europa und warum Mecklenburg-Vorpommern auf dem letzten Platz in Deutschland? Wahr ist, die Gründe sind hausgemacht. Meine Damen und Herren, die Steigerung der Insolvenzrate in Mecklenburg-Vorpommern liegt über dem Doppelten des Bundesdurchschnitts und die Krise der Bauwirtschaft zieht natürlich über den daraus entstehenden Nachfrageausfall weitere Sektoren in Mitleidenschaft. Und was tut die Landesregierung? Frau Finanzministerin Keler ergötzt sich an investiven Streichorgien im Haushalt. Herr Holter träumt vom zweiten, dritten und zehnten Arbeitsmarkt

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

und der Herr Ministerpräsident schwebt über der Staatskanzlei jenseits der Realität auf Wolke 7 und redet das Land schön.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das Land ist schön. Das braucht man nicht schönzureden.)

Und, Herr Ministerpräsident, dort, wo Sie etwas für unser Land tun könnten, wie bei der Bundesratsabstimmung zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen am 22. Juni dieses Jahres, handeln Sie nicht im Landesinteresse, sondern im Interesse der Bundesregierung und von Herrn Clement oder von sonst wem. Und was macht Herr Ebnet? Herr Ebnet kündigt im Vorfeld an, die Landesregierung werde sich gegen die geplante Gesetzesänderung aussprechen und sogar einen eigenen Gesetzentwurf im Bundesrat zur Abstimmung stellen lassen. Und noch einen Tag vorher kündigt Herr Holter an, man werde sich im Bundesrat der Stimme enthalten. Doch die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, die sieht dann so aus: Dem Antrag aus Nordrhein-Westfalen wird seitens des Ministerpräsidenten höchstpersönlich zugestimmt.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch gar nicht abgestimmt worden. Was erzählen Sie denn hier?! Das ist überwiesen worden.)

Meine Damen und Herren, hören Sie auf, die Menschen in diesem Land zu täuschen! Und wenn Sie auf die Zusatzerklärung aus Sachsen-Anhalt verweisen – das ist doch Schizophrenie ohnegleichen, wenn Sie innerhalb von Sekunden das genaue Gegenteil von dem, was Sie vorher unterstützt haben, dann wieder ablehnen. Herr Ministerpräsident, Fakt ist, Sie haben dem Gesetzentwurf zugestimmt

(Angelika Gramkow, PDS: Ach! – Barbara Borchardt, PDS: Überweisung!)

und Sie haben wieder einmal den Totengräber der heimischen Bauwirtschaft gespielt. Das ist die Wahrheit. Die Zusatzerklärung ist völlig unverbindlich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach Ansicht der drei Kammern in Mecklenburg-Vorpommern ist davon auszugehen, dass das deutsche Tariftreuevergabegesetz ein Vertragsverletzungsverfahren vor der EUKommission und vor dem Europäischen Gerichtshof nach sich ziehen wird, und zwar weil die Pflicht zur Einhaltung der örtlichen Tariftreue automatisch zum Ausschluss aller nicht regional Ansässigen führt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, überlegen Sie sich bitte einmal, was passiert, wenn man diese Politik erweitert auf weitere Dienstleistungen, etwa eine Wismarer Reinigungsfirma, die in Lübeck reinigt! Oder treiben wir es noch so weit, dass Wurst- und Fleischwaren aus Mecklenburg-Vorpommern dann auch nach dem Baustellenprinzip, nach dem Firmensitzprinzip in Hamburg veräußert werden müssen?! Wie weit treiben wir das in dieser Bundesrepublik eigentlich noch?!

Herr Ministerpräsident, dieses Gesetz hat nichts, aber auch gar nichts mit Tariftreue zu tun. Es hat nur etwas damit zu tun, dass die westlichen Bundesländer abgeschottet werden sollen vor der ostdeutschen Bauwirtschaft. Und Sie haben dazu Ja gesagt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Rehberg, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin sofort fertig.

Herr Ministerpräsident, dieses Land erwartet von Ihnen nicht Politik im Sinne der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, sondern im Sinne Ihres Amtseides. Sie sind dem Wohl und Wehe des Landes Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion Herr Schlotmann. Bitte sehr, Herr Schlotmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der neue Rehberg, Minister schwafeln, Orkan der Pleitewelle – also ich bin davon überzeugt, Ihr Repertoire an Begriffen ist nicht neu, das ist aus der Mottenkiste und wird Ihnen nicht helfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, „Zur Lage der Bauwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ hat sich die CDU als Thema für die heutige Aktuelle Stunde ausgesucht. Fast jeden Tag kann man dazu etwas in unseren Zeitungen lesen. Und die Bauwirtschaft – das ist Tatsache – befindet sich unzweifelhaft in einem Zustand, der besorgniserregend ist. In der Tat, erst in den vergangenen Tagen war leider ein weiteres sehr unerfreuliches Beispiel im Lande zu vernehmen, wurde Unerfreuliches über die Kappel Bau AG vermeldet. Und es gibt sicher keinen hier im Saal, an dem eine solche Meldung spurlos vorbeiginge. Und siehe da, die CDU nutzt dies als vermeintlichen Großangriff gegen die Regierung und will sich als Alternative hinstellen. Das ist ein Witz, meine Damen und Herren, aber ein schlechter Witz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und Sie müssen sich ernsthaft die Frage gefallen lassen: Wie wichtig nehmen Sie das Thema eigentlich wirk

lich? Meine Damen und Herren von der CDU, ich frage Sie als Parlamentarier, denn deshalb und dafür sitzen Sie hier im Parlament: Warum war zum Beispiel kein einziger Abgeordneter der CDU bei den abschließenden Beratungen des Bauausschusses zum Haushalt anwesend, kein einziger?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und so haben wir erst geglaubt, die CDU führe diesen Kampf der Gerechten auch weiter, als mit der Kappel Bau Union ein Unternehmen unseres Landes ums Überleben kämpfte. Aber, Erstaunen über Erstaunen, nichts war zu hören von der Opposition.

(Gerd Böttger, PDS: Dabei ist Herr Rehberg dort im Aufsichtsrat. – Harry Glawe, CDU: Die Landesbürgschaft wurde abgelehnt. Das ist Ihre Politik.)

Meine Damen und Herren, eigentlich hat die CDU zu diesem Thema einen ganz besonderen Experten in ihren Reihen, nämlich den Kollegen Rehberg. Aber wie gesagt, bei dem Thema Kappel Schweigen in der CDU und vom Kollegen Rehberg. Oder sollte man besser sagen, Schweigen der CDU gerade wegen Herrn Rehberg?

Im letzten Handbuch des Landtages heißt es beim Abgeordneten Kollegen Rehberg unter anderem:

(Harry Glawe, CDU: Sie haben doch die Landes- bürgschaft abgelehnt. Das waren doch Sie.)

„Mitglied des Aufsichtsrates der Kappel Bau Union AG“. Und ich will Ihnen eins sagen, wenn Herr Rehberg sich hier hinstellt und die Landesregierung attackiert, dann muss er auch von seiner eigenen Verantwortung für ein Bauunternehmen im Land reden. Er muss sich an seine eigene Nase fassen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Andreas Bluhm, PDS)

denn wenn ich nämlich im Aktiengesetz nachlese, steht dort unter Paragraph 111: „Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.... Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen.“ Und wenn dann in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit der Eindruck zu erwecken versucht wurde, die Landesregierung hätte doch nur eine Landesbürgschaft für Kappel zu geben brauchen, um die Firma zu retten,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

dann sage ich Ihnen, dann wäre es die verdammte Pflicht eines Aufsichtsratsmitgliedes Rehberg gewesen, diese Sache auch im politischen Raum richtig zu stellen.