Franz Rieger

Appearances

17/16 17/18 17/23 17/36 17/56 17/77 17/78 17/83 17/99 17/109 17/129

Last Statements

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Ganze klingt nach einer spannenden Agentengeschichte, was sie aber nicht ist. Hier kommt es allein darauf an, ob die vom Petenten angezeigten Personen eine Straftat begangen haben oder nicht. Sie haben dies nicht. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft die Verfahren eingestellt. Herr Schindler und Herr Dr. Runge haben den Sachverhalt so ausgemalt, weil sie natürlich wissen, dass der essenzielle juristische Sachverhalt keine Anklage rechtfertigt.
Herr Dr. Runge, Sie haben eigentlich beiläufig Märchen erzählt, die mit dem Fall nichts zu tun haben.
Entscheidend sind im vorliegenden Fall allein drei Punkte: Erstens. Beim Ausgangssachverhalt der Petition handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um den Verdacht einer erheblichen Straftat, nämlich um Bestechlichkeit bzw. Beihilfe hierzu. Die Staatsanwaltschaft München I hatte – Sie haben das bereits ausgeführt – Informationen darüber erhalten,
dass zwei leitende Beamte des Bayerischen Landeskriminalamtes sich unter Vermittlung des Petenten bereit erklärt hätten, Ermittlungsakten im Zusammenhang mit der Bayerischen Landesbank für 30.000 Euro zu verkaufen. Das ist der Ausgangssachverhalt.
Dieser Verdacht ist umso gravierender, weil in den vorangegangenen Jahren, vor diesem Vorfall, immer wieder in Ermittlungsverfahren rund um die Bayerische Landesbank interne Informationen aus dem bayerischen LKA an die Pressevertreter gelangt sind. In diesem Fall kommt noch hinzu, dass der Petent an diesem Sachverhalt – das muss man leider so sagen – nicht ganz unbeteiligt war. Er hat sich mit der Person, die die Quelle dieser Information war, mehrmals getroffen, und dieser Informant behauptete sogar, dass er die zwei Namen der beschuldigten LKA-Beamten vom Petenten erfahren habe. Es leuchtet jedem ein, dass die Staatsanwaltschaft hier allen Grund hatte, Herr Dr. Runge und Herr Schindler, diesen Vorwürfen nachzugehen; dazu benötigt man auch keine juristische Vorbildung oder Vorkenntnis. Nach pflichtgemäßer und ordentlicher Untersuchung hat sie das Verfahren dann aber mangels Tatnachweises eingestellt. Das ist der Ausgangssachverhalt.
Zweitens. Der Petent hat, da er sich zu Unrecht beschuldigt fühlte – das haben Sie ausgeführt –, die beiden Informanten wegen falscher Verdächtigung und auch noch anderer Straftaten angezeigt. Die Staatsanwaltschaft München I hat daraufhin Ermittlungsverfahren gegen die beiden Informanten eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, dann wurde es wieder aufgenommen und wieder eingestellt. Eine nochmalige Überprüfung durch den Generalstaatsanwalt in Bamberg, an den die Beschwerde des Petenten dann verwiesen wurde, führte letztlich zur endgültigen Einstellung der Verfahren, und zwar unter Hinweis auf die ständige obergerichtliche Rechtsprechung und unter Hinweis auf die herrschende Meinung in der Literatur. Im Ergebnis konnte ein Tatnachweis gegen die beiden Beschuldigten, also gegen die Informanten, nicht geführt werden.
Entscheidend ist aber, Herr Dr. Runge – und das ist der dritte Punkt –, dass der Petent gegen die endgültige Einstellung der Staatsanwaltschaft das Klageerzwingungsverfahren nicht eingeleitet hat, obwohl er, der Petent, anwaltlich vertreten war, obwohl er darüber belehrt worden ist und obwohl er Prozesskostenhilfe dafür hätte beantragen können. Er hat also den Rechtsweg nicht ausgeschöpft, und jetzt kommt’s: Jetzt trägt er vor, dass kein unabhängiger Richter mit seiner Sache befasst worden wäre. Genau dies, nämlich die Überprüfung des Sachverhalts durch das Oberlandesgericht und hier sogar durch drei Richter,
wäre beim Klageerzwingungsverfahren aber erfolgt. Ebenso hätte auf diesem Weg überprüft werden können – Herr Schindler hat das angesprochen –, ob die Zusicherung der Vertraulichkeit durch die Staatsanwaltschaft für einen der beiden Informanten, die der Petent auch bemängelt, rechtens war.
Meine Damen und Herren, ich verkenne nicht, dass dem Petenten durch das Ermittlungsverfahren gegen ihn viele Unannehmlichkeiten entstanden sind, und ich verkenne auch nicht, dass darunter seine Reputation als ehemaliger Polizeireporter des Bayerischen Rundfunks gelitten hat. Das verkenne ich nicht. Dies alles kann aber nicht dazu führen, dass sich der Landtag jetzt als Superrevisionsinstanz über die Justiz setzt und diesen Sachverhalt nochmals überprüft.
Herr Runge, das ist die originäre Aufgabe der Justiz, und in der Strafprozessordnung ist dafür das Klageerzwingungsverfahren vorgesehen. Der Petent hätte diesen Weg beschreiten müssen, und das hat er nicht getan. Aufgrund seiner rechtlichen Vorbildung, seiner beruflichen Tätigkeit und seiner anwaltlichen Vertretung hätte das auch keine unzumutbare Hürde für ihn bedeutet.
Im Ergebnis hat der Petent einfach den falschen rechtlichen Weg gewählt. Das ist das Ergebnis des gesamten Sachverhalts, und uns hilft auch nicht weiter, dass hierüber in verschiedenen Zeitungen oder Reportagen berichtet wurde. Der essenzielle Sachverhalt ist dieser Sachverhalt.
Nun will der Petent genau das, was er nur im Klageerzwingungsverfahren erreicht hätte und vom Oberlandesgericht auch bekommen hätte, vom Landtag. Meine Damen und Herren, wir sind keine Ersatzjustiz. Wir sind Legislative, und wir können uns nicht über Verfahren nach der StPO hinwegsetzen. Ich glaube, es leuchtet jedem ein, dass damit das Gewaltenteilungsprinzip ad absurdum geführt werden würde; es ist nicht Aufgabe des Landtags, anstelle der Gerichte zu entscheiden. So einfach ist das.
Die Petition ist im Rechtsausschuss zu Recht aufgrund der Erklärung der Staatsregierung nach § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung für erledigt erklärt worden. Auch die offenen Fragen bzw. die eine offene Frage – Herr Schindler wollte noch wissen, warum die Sache bei der Staatsanwaltschaft so lange liegen geblieben ist – wurde mit dem von Ihnen zitierten Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz gestern ordentlich beantwortet. Damit ist der Fall für uns eigentlich erledigt, und es wäre eine unzumutbare Einmischung in die Justiz, wenn wir uns hier damit beschäftigen würden, Herr Runge. So ist der Fall. Da können wir nicht helfen, so leid uns das tut.
Herr Dr. Runge, nur eine kurze Antwort: Der Petent trägt selber vor, er habe den Weg des Klageerzwingungsverfahrens aus zwei Gründen nicht beschritten. Erstens, die Erfolgsaussichten wären nur 3 %. – Also, er hat hier kein Vertrauen in die Justiz; das ist aber seine subjektive Meinung. Eigentlich ist er selber schuld, wenn er das nicht macht. Ich kann auch nicht sagen: Ich klage nicht, weil ich keine Erfolgsaussichten habe.
Zweitens hat er es damit begründet, dass seine finanziellen Möglichkeiten überschritten worden wären. Allerdings ist ein Klageerzwingungsverfahren nicht teuer, außerdem hätte er Prozesskostenhilfe bekommen.
Zum rechtlichen Aspekt will ich nur mehr so viel sagen: Der Anwalt des Petenten hat eine rechtliche Mindermeinung vertreten, wonach sich die Informanten strafbar gemacht hätten.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und nach herrschender Meinung in der Literatur ist die Strafbarkeit der Informanten nicht gegeben. Ich möchte den Sachverhalt gar nicht vertiefen. Ich bin mir auch sicher, dass sich das Oberlandesgericht in diese Richtung bewegt hätte. Damit befindet sich die Staatsanwaltschaft auf dem Boden der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Einklang mit der Rechtsmeinung in der Literatur. Damit ist die Sache für uns auch aus diesem Grund erledigt. Auch wenn wir den Sachverhalt überprüft hätten, wären wir zu keinem anderen Ergebnis gekommen, weil die Staatsanwaltschaft wirklich einwandfrei gearbeitet hat. Die Geschichten darumherum sind für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht maßgeblich. Damit ist die Petition zu Recht zurückgewiesen worden.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER ist wieder einmal ein perfektes Beispiel für den Satz "Gut ge meint ist nicht gut gemacht". Liebe FREIE WÄHLER, dieser Antrag zielt auf Effekthascherei, bringt aber für uns in Bayern nichts, überhaupt nichts. Ja, er schadet sogar eher. Ich erkläre Ihnen jetzt auch die Gründe dafür.
Die inhaltlichen Beratungen zum Brexit haben erst diesen Montag begonnen. Bis heute ist in wichtigen Fragen völlig unklar, welche Positionen die britische Regierung im Detail vertritt. Stattdessen herrscht auf der Insel politische Unsicherheit, und die Regierung scheint in der BrexitFrage total gespalten zu sein. In dieser Situation wollen Sie mit einem solchen Antrag einen Schuss ins Blaue abfeuern – so nach dem Motto: Hauptsache reagiert. Das mag aus dem ersten Impuls heraus menschlich verständlich sein, aber poli tisch gesehen, meine Damen und Herren, ist das, auf Bayerisch gesagt, ein Schmarrn, und deshalb ist der Antrag abzulehnen.
Die CSU hat sich des Themas Brexit sowieso schon lange angenommen. Unser Antrag dazu ist vorletzte Woche in diesem Hause beschlossen worden – aber mit einem gewaltigen Unterschied: Wir wollen zu nächst die Fakten klären. Wir wollen von der Staatsre gierung wissen, wie der Ablauf ist und welche Auswir kungen der Brexit konkret haben könnte, um dann das politisch Notwendige gerade auch für die Men schen in Bayern veranlassen zu können. Wir wollen, dass die Verhandlungen zügig geführt und die Interes sen Bayerns in wirtschaftlicher und finanzieller Hin sicht angemessen berücksichtigt werden. Wir wollen, dass möglichst bald Klarheit über das künftige Ver hältnis zwischen der EU und Großbritannien herrscht. Und, meine Damen und Herren, wir wollen zügige Verhandlungen; denn Großbritannien ist für Bayern der zweitgrößte Exportmarkt mit knapp 9 % der baye rischen Gesamtausfuhren. Außerdem gibt es 460 bayerische Firmen jenseits des Ärmelkanals. Insbe sondere darf deshalb unserer heimischen Wirtschaft kein Nachteil durch den Brexit entstehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, den Dringlichkeits antrag der FREIEN WÄHLER lehnen wir aus folgen den Gründen ab:
Erstens. Die Forderung, durch den Brexit dürften keine Mehrbelastungen für Bayern und Deutschland entstehen, ist grundsätzlich richtig, greift aber zu kurz – ebenso wie die Forderung nach Haushaltseinspa rungen; denn all das darf nicht dazu führen, dass sich die Rückflüsse von EUGeldern zu uns zum Beispiel im Bereich der Agrarwirtschaft oder der Förderung strukturschwacher Räume verringern.
Dies wird von den FREIEN WÄHLERN überhaupt nicht berücksichtigt.
Zweitens. Wir lehnen den Dringlichkeitsantrag auch deshalb ab, weil die EU der 27 Staaten geschlossen auftreten und mit einer einzigen Stimme sprechen muss. Ein zielloses Vorpreschen, wie die FREIEN WÄHLER es hier beantragen, bevor wir überhaupt wissen, worum es genau geht, ist schädlich.
Aber vor allem, meine Damen und Herren, lehnen wir den Dringlichkeitsantrag aus folgendem Grund ab: Es kann nicht sein, dass die EU den Zugang zum Bin nenmarkt verscherbelt – und genau das fordern Sie mit Ihrem Dringlichkeitsantrag. Nach Ihrem Willen soll sich Großbritannien den Zugang zum europäischen Binnenmarkt erkaufen können. Das ist politisch mehr als dilettantisch.
Meine Damen und Herren, eigentlich geht es doch um viel größere Ziele: Wir müssen das britische Referen dum als Warnschuss und Chance zugleich sehen. Eu ropa muss sich auf seine Kernkompetenzen konzen trieren. Wir werden das Vertrauen und die Zustimmung der Menschen nur verbessern können, wenn wir bei den wesentlichen Fragen Lösungen an bieten. Das sind vor allem die Sorgen der Menschen um die Währungsstabilität, die Sorgen der Menschen um die innere Sicherheit, die Sorgen der Menschen vor den Folgen der Zuwanderung, insbesondere einem Scheitern der Integration, wie wir es in Frank reich und Belgien täglich erleben, und die Sorgen der Menschen um das wirtschaftliche Gleichgewicht in Europa. Das sind die großen Themen der Gegenwart, und das gilt gerade auch für die Menschen in Bayern.
Die entscheidenden Fragen werden daher sein: Wie hat eine Neugestaltung Europas auszusehen? Was soll sie zum Ziel haben? – Eines ist dabei sicher: Wir brauchen ein besseres Europa. Auch die EU hat das erkannt. Sie hat daher im März ein Weißbuch zur Zu kunft Europas mit fünf Szenarien vorgestellt. Wir als Landesparlament wollen diesen Prozess mitgestalten. Daher haben wir im Europaausschuss einstimmig be schlossen, Ende Oktober eine Anhörung zum Weiß buch durchzuführen. Auf unseren Vorschlag wird unter anderen der Präsident des IfoInstituts als Ex perte teilnehmen.
Ich bin mir sicher, dass wir dabei interessante Infor mationen über die finanziellen Auswirkungen und die Folgen des Brexit gewinnen. Wir als CSU werden die Austrittsverhandlungen Großbritanniens, aber auch die Weiterentwicklung der Europäischen Union ge nauestens verfolgen. Wir werden stets darauf achten, dass bayerische Interessen gewahrt werden. Dabei geht es nicht um billigen Populismus, der mehr scha det als nützt, sondern es geht dabei um das beste Er gebnis für die Menschen in Bayern. Wir brauchen ein Europa, das die Bürger akzeptieren und mit dem sie zufrieden sind. Das ist der richtige Ansatz. Ihr Dring lichkeitsantrag erfüllt das nicht, und deshalb lehnen wir ihn ab. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wer glaubt, die Brandherde dieser Erde ohne die großen Weltmächte löschen zu können, ist entweder naiv oder dumm. Wenn wir Antworten auf Terror, Flüchtlingskrisen und Klimawandel finden wollen, dann können wir das nur gemeinsam mit den großen Staaten dieser Erde tun, ob es uns gefällt oder nicht.
Deshalb wird die Bayerische Staatsregierung die bewährte Tradition der Reisen der Bayerischen Ministerpräsidenten nach Russland, angefangen 1987 mit Franz Josef Strauß über Edmund Stoiber bis hin zu Horst Seehofer, fortsetzen.
Strauß, Stoiber und Seehofer haben sich auch und gerade in schwierigen Zeiten nicht von Reisen nach Moskau abhalten lassen; denn gerade in solchen Zeiten dürfen die Gespräche nicht abbrechen.
Oder wollen Sie die Verhältnisse weiter verschlechtern und einen Kalten Krieg provozieren? – Nein, das darf und das kann nicht sein.
Ohne Moskau werden wir die großen Krisen dieser Welt nicht lösen können. Aber es interessiert leider niemanden, ob wir das schön finden oder nicht.
Man braucht auch nicht bis Bismarck zurückzugehen, um festzustellen, dass man das alte Blockdenken nicht praktizieren kann. Man kann die Welt nicht einfach in die Guten und die Bösen einteilen. Die Welt ist voller Konflikte. Die Auswirkungen bekommen auch wir in Bayern unmittelbar zu spüren.
Kriege und Bürgerkriege in Europa und in seiner näheren Umgebung, große Fluchtbewegungen, die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Sicherheitslage in vielen Regionen der Welt bis hin zur Terrorbekämpfung – alle diese Herausforderungen verlangen ein gemeinsames Vorgehen. Das, meine Damen und Herren, ist ohne Russland nicht möglich. Eine Zusammenarbeit mit Russland ist in allen Bereichen wichtig. Auch in Bezug auf die wirtschaftlichen Beziehungen können dabei Brücken gebaut werden; denn auch Russland hat ein großes Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen zum Freistaat wie zu ganz Deutschland. Mehr als 5.500 Unternehmen mit deutscher Beteiligung sind in Russland vertreten; ein Viertel davon kommt aus Bayern. Wenn wir diese Beziehungen abbrechen, dann schadet das nicht nur unserer Wirtschaft, sondern es schadet auch dem gemeinsamen Dialog.
Denn diese Verbindungen bauen starke Brücken, meine Damen und Herren. Und Sie wollen das alles jetzt in Gefahr bringen und einreißen?
Das wollen wir nicht, und das werden wir nicht zulassen, Herr Kollege.
Jetzt komme ich zu Ihnen. Mich wundert Ihre Heuchelei; denn Ihr Kollege aus der Bundes-SPD, Außenminister Sigmar Gabriel, hat diesbezüglich offenbar ganz andere Ansichten als Sie. Er war erst letzte Woche in Moskau und hat schon bei früheren Reisen als Wirtschaftsminister die Lockerung der Sanktionen für Russland gefordert.
Es ist schon höchst erstaunlich, liebe Kollegen von der SPD, dass Sie das jetzt in Ordnung finden und
Herr Rinderspacher hier und heute den Moralischen heraushängen lässt.
Ich hätte mir im Übrigen gewünscht, liebe Kollegen von der SPD, dass Sie sich bei der Reise Ihres Kollegen Sigmar Gabriel zum ägyptischen Diktator al-Sisi ebenso echauffiert hätten; denn da wäre Ihre Empörung angebracht gewesen. Aber da hat man nichts von Ihnen gehört, überhaupt nichts.
Meine Damen und Herren, wir können selbstverliebt und oberlehrerhaft um unsere Werte tanzen. Wir können stur auf unseren Prinzipien herumreiten. Dies wird uns aber nichts nützen, weil wir sie so nicht verteidigen können. Es ist geradezu heuchlerisch, wenn man den Menschen weismachen will, dass man unseren Werten auf diese Weise Geltung verschaffen kann.
Wenn wir die Brücken zu Russland einreißen, die Gespräche verstummen und den Kontakt einfrieren lassen, dann werden wir damit das Gegenteil von dem erreichen, was wir eigentlich wollen.
Werter Herr Kollege Rinderspacher, Sie glauben doch nicht wirklich, dass Sie mit Ihrem politischen Vorgehen die europäische Friedensarchitektur sichern, indem Sie sich trotzig hinsetzen, mit dem Fuß stampfen und sagen: Basta, wir reden nicht mehr mit euch, oder: Wir reden nur mehr unter bestimmten Bedingungen mit euch. Das sagen Sie doch. In der internationalen Politik ist das dilettantisch. In Bayern schafft man es mit einer solchen Haltung, Herr Rinderspacher, nur in die Opposition.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Rinderspacher, eingangs möchte ich Ihnen ganz direkt etwas sagen. Ich finde diese Empörung, die Sie hier und heute zur Schau tragen, erstaunlich und vor allem heuchlerisch.
Sie gerieren sich hier völlig unnötig als letztes Bollwerk einer bedrohten europäischen Demokratie, wo es doch gerade um eine Veranstaltung zu Ehren des demokratischen Freiheitskampfes des ungarischen Volkes geht.
Herr Kollege Rinderspacher, wir haben Sie doch auch reden lassen. Lassen Sie mich doch meine Erklärung abgeben. Sie instrumentalisieren diese Veranstaltung, um das Hohe Haus zu kritisieren.
Gleichzeitig finden Sie kein kritisches Wort – ich habe zumindest keins gehört –, wenn Ihr eigener Vorsitzender, der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Gabriel den ägyptischen Putschdiktator as-Sisi, der die Menschenrechte mit Füßen tritt, einen beeindruckenden Präsidenten nennt.
Herr Rinderspacher, das möchte ich Ihnen gerne in Erinnerung rufen. Wenn Sie sich der demokratischen Idee so sehr verpflichtet fühlen, hätte ich zumindest erwartet, dass Sie sich über diese Aussage Ihres eigenen SPD-Vorsitzenden in gleicher Weise empören.
Darf ich jetzt einmal reden, Frau Präsidentin?
Bei einer einzelnen Veranstaltung, auf deren Inhalt und Gestaltung der Bayerische Landtag überhaupt keinen Einfluss hat,
regen Sie sich auf, aber zu den essenziellen Dingen – siehe Ihr eigener Parteivorsitzender –, wo es wirklich um Demokratie geht, kommt nichts.
Herr Rinderspacher, das zur Vorbemerkung.
Nun zu Ihrem Antrag. Die Veranstaltung am 17. Oktober, über die wir hier sprechen, ist eine Veranstaltung des ungarischen Generalkonsulats
zu Ehren und zur Erinnerung an das 60. Jubiläum der Revolution und des Freiheitskampfes vom 23. Oktober 1956.
Das Ausmaß an Mut und Opferbereitschaft, das das ungarische Volk damals aufgebracht hat, muss alle Demokraten zutiefst beeindrucken.
Sie würdigen dies auch – da sind wir uns einig – zu Recht in den ersten Absätzen Ihres Antrags. Wir werden diesen Antrag aber trotzdem ablehnen,
weil die folgenden Absätze den notwendigen Respekt sowohl vor dem ungarischen Volk als auch vor diesem Hohen Hause vermissen lassen.
Gerade in einer Zeit – darüber sollten Sie vielleicht einmal in europapolitischer Hinsicht etwas nachdenken –, in der wir viele große Probleme europaweit nur unter Einbeziehung aller Mitgliedstaaten lösen können, kann es nicht in unserem Interesse sein, einzelne Staaten zu isolieren oder gar auszugrenzen.
Viktor Orbán ist der demokratisch gewählte Vertreter eines wichtigen EU-Staates und eines NATO-Partners.
Der Respekt vor demokratischen Entscheidungen gebietet es, unseren ungarischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Möglichkeit zu geben, an ein wichtiges Ereignis ihrer Geschichte zu erinnern und dazu auch ihren Ministerpräsidenten einzuladen. Der Bayerische Landtag ist seit jeher ein offenes Haus und soll es auch in Zukunft bleiben.
Daher freuen wir uns nicht nur über die Besuche von Bürgerinnen und Bürgern, die sich über unsere Arbeit informieren, sondern ermöglichen es auch externen Veranstaltern, wie dem ungarischen Generalkonsulat oder auch anderen Konsulaten, die Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen zu nutzen. Dass Sie durch eine solche Veranstaltung gleich die europäische Demokratie in Gefahr sehen, wie Sie es in der Überschrift Ihres Antrags andeuten und auch heute ausgeführt haben, kann ich bei bestem Willen nicht nachvollziehen.
Zum einen blickt der Landtag ganz stolz auf seine lange, demokratische Geschichte zurück. Zum anderen entscheiden wir hier tagtäglich über wichtige Weichenstellungen für die Menschen in Bayern. So viel Einfluss, dass wir mit einer einzigen Veranstaltung gleich ganz Europa ins Wanken bringen, haben wir aber wohl nicht, auch wenn ein derart bestimmender Einfluss Bayerns auf Europa bei der Lösung der zahlreichen aktuellen Probleme manchmal wünschenswert wäre.
Die Einzelheiten über die Vorgeschichte und den Charakter dieser Veranstaltung – Sie haben den Antwortbrief der Landtagspräsidentin ja erhalten – hat Frau
Präsidentin bereits ausführlich klargestellt. Ich brauche das an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Ich glaube, zu diesem Thema ist insoweit alles gesagt. Es steht jedem frei, sich seine Meinung über die ungarische Politik zu bilden. Klar ist aber auch: Der Demokratie schadet es am allermeisten, wenn man nicht miteinander spricht oder andere ausgrenzt oder hier irgendetwas heuchlerisch vorträgt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Legt man unsere heutigen Wertmaßstäbe und moralischen Anschauungen zugrunde, so ist es aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar, dass es in der jungen Bundesrepublik Deutschland einen Straftatbestand gegeben hat, der freiwillige sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte, weswegen bis 1969 Zigtausende von Männern verurteilt wurden. Noch schwerer tun wir uns mit der historischen Tatsache, wenn man sich vor Augen führt, dass der Deutsche Bundestag die diesbezüglichen Urteile vor 1945, also die im Dritten Reich gefällten Urteile, aufgehoben hat, dass aber die nach 1945 gefällten Urteile Bestand haben. Das heißt, die vor 1945 Verurteilten haben damit eine gewisse Rehabilitation erfahren, die nach 1945 Verurteilten gelten bis heute als Straftäter.
Wir haben immer betont, dass diese Situation beschämend ist und unseren heutigen Vorstellungen nicht entspricht. Dies ist auch unsere moralische Sicht der Dinge. Darüber, glaube ich, besteht in diesem Haus Einvernehmen. Allerdings müssen wir uns gerade als Vertreter der Legislative die Frage stellen, ob wir juristische Sachverhalte und Verurteilungen, die vor 60, 70 Jahren geschehen sind, mit der Brille von damals betrachten oder gar abändern können. Wir müssen uns insbesondere auch fragen, ob dies vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung rechtlich zulässig ist.
Die Antwort auf diese Frage haben uns bisher zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1957 festgestellt, dass § 175 des Strafgesetzbuches, alte Fassung, verfassungsgemäß ist und dass die darauf beruhenden Urteile rechtmäßig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2006 entschieden, dass Urteile, die bundesdeutsche Gerichte auf der Grundlage unseres Grundgesetzes nach 1945 gefällt haben, nicht aufgehoben werden können. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ausgeführt, dass nur solche Urteile aufgehoben werden können, die – ich zitiere –
zur Förderung eines Unrechtsregimes gegen die elementaren Grundgedanken der Gerechtigkeit verstoßen … sowie Urteile von Institutionen, die wie der Volksgerichtshof zwar als Gerichte bezeichnet, aber aufgrund ihrer Stellung und Aufgabe keine Organe einer unabhängigen rechtsprechenden Gewalt waren, ….
Würde man mit den Urteilen nach 1945 ebenso verfahren wie mit denjenigen der nationalsozialistischen Justiz, so würde man unterstellen, dass auch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, also unsere Gerichte, bis zur endgültigen Aufhebung des § 175 StGB im Jahre 1994 Teil eines Unrechtsregimes oder zumindest diesem gleichwertig wären. Nach dieser Rechtsansicht, die bisher als vorherrschend bezeichnet werden kann, würde die Aufhebung gerichtlicher Entscheidungen, die in der Bundesrepublik Deutschland gefällt wurden, gegen das Gewaltenteilungsprinzip und gegen die Unabhängigkeit der Gerichte verstoßen. Das neue Gutachten des anerkannten Verfassungsrechtlers Professor Dr. Burgi könnte hier allerdings Möglichkeiten aufzeigen – wie die Kollegen ausgeführt haben –, diese Urteile aufzuheben, ohne gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu verstoßen.
Wir verschließen uns diesen Argumenten nicht, wollen ihnen aber auch nicht blind folgen. Deshalb muss zunächst der allein zuständige Bundesjustizminister, nicht unsere Bayerische Staatsregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Frau Kollegin Stamm hat es ausgeführt. Dazu hat die Justizministerkonferenz Herrn Maas bereits aufgefordert. Das heißt, allein Herr Maas muss tätig werden.
Frau Stamm, die CSU blockiert Herrn Maas nicht. Ich habe noch nie gehört, dass jemand blockiert wird, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Es liegt also an unserem Bundesjustizminister, und der gehört der SPD an.
Wir werden diesen Gesetzentwurf zunächst verfassungsrechtlich gründlich prüfen; ich hoffe, auch Sie. Bei alledem müssen wir aber auch bedenken, dass wir einen Präzedenzfall schaffen würden, wenn wir Urteile aufheben, die nach 1945 von unseren Gerichten gefällt und durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurden. Damit würden wir nämlich die heutigen Wertmaßstäbe an die Vergangenheit anlegen und die Frage aufwerfen, inwieweit wir dies auch in anderen Bereichen tun müssen. Müssen wir dann auch die Menschen rehabilitieren, die früher wegen Kuppelei oder Ehebruch verurteilt wurden? Oder noch problematischer, in die Zukunft gedacht: Was tun wir mit unseren heute gefällten Urteilen, wenn in 10, 20, 30 oder 40 Jahren andere Moral- und Wertvorstellungen gelten? Müssen wir dann in Zukunft diese Urteile ebenfalls aufheben? Wie wird zum Beispiel von der nächsten Generation unsere gesetzliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch beurteilt? – Allein diese Fragen zeigen uns, welches Tor wir damit aufstoßen.
Aus diesen Gründen tat sich bisher auch der Bundestag sehr schwer, zu einer Lösung zu kommen. Er hat keine Patentlösung präsentiert, obwohl er sich fast zwei Jahrzehnte mit dieser Frage intensiv beschäftigt hat. Der Bundestag hat bereits im Jahre 2000 einstimmig einen Beschluss gefasst, in dem die Fortgeltung der betreffenden Tatbestände bedauert und ausdrücklich anerkannt wurde, dass hierdurch homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind. Wie schon erwähnt, hat der Deutsche Bundestag die vor 1945 gefällten Urteile aufgehoben, und zwar im Jahre 2002. Darüber hinaus hat sich das deutsche Parlament immer wieder intensiv mit der Frage der Rehabilitation befasst, und zwar in den Jahren 2008, 2009 und 2012. Im Jahre 2013 fand im Rechtsausschuss sogar eine Sachverständigenanhörung statt. In Bezug auf die Aufhebung von Urteilen ist aber nichts geschehen. Ergebnis war stets, dass keine weiteren Maßnahmen zur Rehabilitierung beschlossen wurden, gerade auch wegen der aufgezeigten begrenzten rechtlichen Möglichkeiten.
Weil in den Oppositionsanträgen das Ergebnis der rechtlichen Prüfung bereits vorweggenommen wird, können wir ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht zustimmen. Dem SPD-Antrag kann zudem nicht zugestimmt werden, weil die Daten seit 1945 nicht gesondert, insbesondere auch nicht elektronisch erfasst wurden. Unser Antrag dagegen übereilt nichts, sondern geht in verantwortungsvoller Weise mit den komplexen Rechtsfragen, die sich hierbei stellen, um.
Meine Damen und Herren, wir werden die Letzten sein, die sich dagegen aussprechen, wenn sich eine Möglichkeit zeigt, in verfassungsgemäßer Weise die alten Urteile zu korrigieren. Wir werden das unterstützen, aber dafür brauchen wir erst den Gesetzentwurf. Da ist jetzt der Bundesjustizminister gefordert. Es liegt also nicht an uns, sondern an Herrn Maas, und ich appelliere an die Kollegen der SPD, ihrem Justizminister ein wenig Feuer unter den Füßen zu machen, damit wir die Sache weiter vorantreiben können. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Aiwanger, ich habe einen Hinweis für Sie, weil Sie wahrscheinlich nur in Bayern unterwegs sind.
In Berlin gibt es viele Betonbauten. Wenn man auf den Putz haut, fällt überhaupt nichts herunter. Herr Aiwanger, vielleicht muss man andere Maßnahmen ergreifen. Man kann nicht immer nur auf den Putz hauen.
Das wollte ich Ihnen bloß sagen. Wahrscheinlich wissen Sie das nicht, weil Sie in Bayern immer nur auf den Putz hauen.
Vielleicht nimmt Sie der Herr Ministerpräsident einmal mit. Möglicherweise überlegen Sie sich dann noch andere Methoden. Mit Brachialgewalt sollte man an dieses Thema nicht herangehen.
Meine Damen und Herren, das Thema ist sehr komplex. Nur eines ist gewiss: Offenbar hat der Ausgang des Referendums die englische Fußballnationalmannschaft so erschüttert, dass sie den Brexit schon am Montagabend vollzogen hat. – Spaß beiseite.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass die EU in Großbritannien so viele Fans hätte wie der Fußball.
Der Austritt Großbritanniens ist ein historischer Einschnitt für Europa mit voraussichtlich ganz bitteren
Folgen für das Vereinigte Königreich, aber auch für Deutschland und unser Land Bayern. Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union tritt ein ganzer Staat aus, noch dazu die fünftgrößte Wirtschaftsnation der Welt. Selbst der Versuch, die Briten mit Einräumung von Sonderrechten in der Gemeinschaft zu halten, ist gescheitert. Dass der sogenannte Brexit eine Krise der Europäischen Union zur Folge haben wird, bedarf keiner weiteren Erläuterungen.
Entscheidend ist jetzt, wie wir damit umgehen. Wir dürfen diesen Austritt auf keinen Fall als Anfang vom Ende betrachten, sondern müssen ihn als Weckruf betrachten. Wir sollten diese Krise als Chance wahrnehmen zur Neugestaltung, zur Verbesserung der Europäischen Union, zum Nachjustieren der Regeln, die bisher nicht funktionierten, und insbesondere als Chance, das verlorene Vertrauen der Bürger wieder zurückzugewinnen. Eines steht fest: Die meisten Menschen im Vereinigten Königreich haben nicht rational, sondern emotional abgestimmt, weil sie das Vertrauen in diese Europäische Union verloren haben. Diese Tendenz ist leider auch in vielen anderen Mitgliedstaaten erkennbar.
Wie aber hat eine Neugestaltung Europas jetzt auszusehen? Was soll sie zum Ziel haben? – Die einen fordern mehr Europa, die anderen weniger Europa, wieder andere ein Kerneuropa, die SPD mit ihrem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag ein soziales Europa im Sinne einer Sozialunion. Die richtige Antwort lautet jedoch: Wir brauchen ein besseres Europa.
Großbritannien hat gezeigt, dass die Menschen selbst mit Einräumung von Sonderrechten und eigener Währung nicht mehr zufrieden sind mit diesem Europa, obwohl ihnen dieses Europa 70 Jahre Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit gegeben hat. Wir brauchen deshalb ein Europa, das die Bürger akzeptieren und mit dem sie zufrieden sind. Wir müssen ein besseres Europa aus der subjektiven Sicht der Bürger gestalten. Das ist der richtige Ansatz.
Wie die Union diese Krise durchsteht, hängt vor allem davon ab, ob die Gemeinschaft Antworten für ihre Bürger parat hat. Sie hat die Bürger mit Biegen und Brechen der eigenen Regeln und auch der Verträge allzu oft enttäuscht. Sie muss Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit finden, die die Bürger bewegen. Das sind vor allem die Sorgen der Menschen um die Währungsstabilität, die Sorgen der Menschen um die innere Sicherheit und die Sorgen der Menschen wegen der Zuwanderung, insbesondere um ein Scheitern der Integration, was wir fast täglich in Frankreich und Belgien erleben. Die Menschen
sorgen sich außerdem wegen überbordender Bürokratie und nicht nachvollziehbarer Entscheidungen aus Brüssel.
Meine Damen und Herren, dies gilt gerade auch für die Menschen in Bayern. Unsere Bürger wollen eine erfolgreiche Migrations-, Sicherheits- und Währungspolitik, die ein sicheres und wirtschaftlich starkes sowie friedliches Bayern gewährleistet. Sie wollen keine Union, die staatliche Strukturen auflöst, mit denen sie zufrieden sind. Für das Exportland Bayern ist Europa in besonderer Weise ein Wirtschaftsraum mit kurzen Wegen, wirtschaftlicher Kraft und großer Dynamik. Unseren Wohlstand und unsere Zukunftschancen sichern wir in und mit Europa. Für die Stabilität der Währung, für die Sicherung von Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent, für hochwertige Arbeitsplätze, technologische Zukunftsprojekte und für die starke Bedeutung unserer guten Werteordnung – für all das brauchen wir unser Europa.
Das bedeutet in Bezug auf die aktuelle Situation: Wir müssen unsere Vertragsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich konsequent auf eine neue Grundlage stellen mit dem Inhalt, dass Großbritannien in der westlichen Wertegemeinschaft verbleibt. Ein wichtiger Aspekt ist die Kontinuität in der Wirtschaftspolitik. Die Entscheidung der Briten hat große Unsicherheit auf den Märkten im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens bewirkt. Unsicherheit ist Gift für die Konjunktur. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zum Vereinigten Königreich so gestaltet werden, dass für die bayerische Wirtschaft möglichst wenige Nachteile entstehen. Großbritannien ist nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner des Freistaats. Im Jahr 2015 lagen die Exporte bei 15,5 Milliarden Euro. Das sind knapp 9 % der bayerischen Gesamtausfuhren. Vor allem für die Automobilindustrie ist Großbritannien ein bedeutender Produktionsstandort und Absatzmarkt. Insgesamt 460 bayerische Unternehmen sind jenseits des Ärmelkanals aktiv. Die Lebensmittelindustrie, die in Bayern besonders stark ist, ist ebenfalls betroffen.
Jetzt muss ein pragmatischer Reformprozess in der Europäischen Union eingeleitet werden. Strukturelle Schwächen müssen beseitigt werden. Das bedeutet, Europa muss sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und strikt das Subsidiaritätsprinzip anwenden. Dazu brauchen wir überzeugende demokratische Führungsstrukturen unter Anerkennung der Souveränität der Mitgliedstaaten. Im Ergebnis müssen wir bei allen Reformen und Verbesserungen immer im Auge behalten, dass das Vertrauen der Bürger in die Gemeinschaft gestärkt wird. Vertrauen die Bürger der Europäischen Union, ihren Institutionen und ihrer Füh
rung, hat sie auch eine gute Zukunft. Wenn wir das schaffen, schaffen wir auch ein besseres Europa, das weiterhin Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit gewährleistet für uns und unsere Kinder.
Meine Damen und Herren, deshalb haben wir diesen Dringlichkeitsantrag gestellt und bitten dazu um Zustimmung. Die Dringlichkeitsanträge der FREIEN WÄHLER, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der SPD werden wir ablehnen. Der Situationsanalyse der GRÜNEN können wir schon grundsätzlich nicht zustimmen, weil sie an der tatsächlichen Sachlage vorbeigeht. Insbesondere die Feststellung, Europa habe kein Bürokratieproblem, kann ich nicht nachvollziehen. Das können auch viele kleine und mittelständische Unternehmer, die tagtäglich damit kämpfen, nicht nachvollziehen. Dem Antrag der FREIEN WÄHLER stimmen wir ebenfalls nicht zu, weil wir keine große EU-Vertragsreform, keinen Konvent, wollen. Den Antrag der SPD lehnen wir ab, da der Schwerpunkt zur Bewältigung der Herausforderungen zurzeit sicher nicht bei einer weitergehenden Sozialunion liegt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sind alle froh, dass Herr Professor Gantzer in den Niederlanden nicht cannabisabhängig wurde. Aber das ist heute nicht der Maßstab. Maßstab ist auch nicht, wie wir im internationalen Vergleich stehen und ob 45 der 50 amerikanischen Bundesstaaten das Verbot aufrechterhalten. Maßstab ist etwas anderes, nämlich das, was wir in Bayern für richtig halten.
Kollege Seidenath hat ja soeben eindrucksvoll geschildert: Cannabis bringt große gesundheitsschädliche Gefahren mit sich, und Cannabis hat ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Deshalb gilt es zu Recht, gerade unsere Jugendlichen vor dieser gefährlichen Einstiegsdroge zu schützen. Unsere Jugendlichen – da sind Sie nicht mehr so dabei, Herr Professor Gantzer – stehen deshalb im Vordergrund unseres Schutzes.
Wir lehnen deshalb – das sage ich ganz klar – das Ansinnen der GRÜNEN – das ist genau Inhalt des Antrags, den Sie gestellt haben – ab, Cannabis bis zu 6 Gramm generell, das heißt ohne Differenzierung und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls, von der Strafe freizustellen und den Konsum zu legalisieren. Es gibt auch nicht den geringsten Grund, die in Bayern seit über 20 Jahren geltende und auf der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beruhende Rechtspraxis abzuändern. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor 20 Jahren haben die drei bayerischen Generalstaatsanwaltschaften ein Rundschreiben verfasst, dass der Besitz unterhalb der 6-Gramm-Grenze des § 31a des Betäubungsmittelgesetzes straffrei bleibt, aber immer unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Diesen Einzelfall wollen wir in Betracht ziehen.
Ich sage noch einmal: Der Unterschied zwischen Bayern und den meisten übrigen Bundesländern besteht
im Wesentlichen darin, dass die 6-Gramm-Grenze beim Eigenverbrauch in der Regel zu Straffreiheit führt, aber nur für Ersttäter und nicht pauschal für alle Täter gilt. Selbst beim ersten Wiederholungsfall sind wir nachsichtig und stellen in der Regel ein. Beim zweiten Wiederholungsfall beginnt in der Regel die strafrechtliche Verfolgung. Deshalb ist auch die Begründung im Antrag der GRÜNEN falsch, in Bayern finde ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 31a des Betäubungsmittelgesetzes nicht statt.
In Bayern gibt es in Wirklichkeit jährlich 5.000 Fälle, in denen § 31a des Betäubungsmittelgesetzes angewendet wird und in denen der Täter straffrei gestellt wird, dabei meistens natürlich der Ersttäter. Außerdem wird – ich habe es schon erwähnt – bei einer großen Anzahl von Zweittätern eingestellt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir wollen in Bayern keine Zustände, bei denen Dealer bewusst kleine Mengen bei sich führen und damit Handel betreiben, weil sie wissen, dass sie auch im xten Wiederholungsfall straffrei ausgehen. Wir wollen keine Zustände wie im Görlitzer Park in Berlin, wo die Stadt Berlin – das ist der größte Umschlagsplatz für Drogen – die Situation nicht mehr in den Griff bekommen kann und eine Null-Toleranz-Grenze festgesetzt hat, obwohl in Berlin die 15-Gramm-Grenze gilt. Wir wollen keine Regelung, die den Einzelfall beiseiteschiebt und nicht danach fragt, ob ein Wiederholungsfall vorliegt, ob eine Fremdgefährdung im Raum steht und ob der Konsument in Wirklichkeit nicht vielleicht Dealer ist. Mit einem Satz: Wir wollen kein Pauschalrecht und keine pauschale Straffreistellung. Was wir wollen, ist eine Beibehaltung unserer seit Jahrzehnten bewährten Rechtspraxis mit einer Prüfung des Einzelfalles in der festen Überzeugung, dass wir damit gerade auch zum Schutz unserer Jugend unserer rechtspolitischen Verantwortung gerecht werden; denn wir meinen, Cannabis ist eine gefährliche Einstiegsdroge.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Legt man unsere heutigen Wertmaßstäbe zugrunde, so ist es aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar, dass es in der jungen Bundesrepublik Deutschland einen Straftatbestand gegeben hat, der freiwillige sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, und deswegen bis 1969 Zigtausende Männer verurteilt wurden.
Noch schwerer tun wir uns mit dieser historischen Tatsache, wenn man sich vor Augen führt, dass der Deutsche Bundestag die diesbezüglichen Urteile aus der Zeit vor 1945 als Ausfluss eines Unrechtsstaates aufgehoben hat, die Urteile aus der Zeit nach 1945 aber Bestand haben. Das heißt, die vor 1945 Verurteilten haben damit eine gewisse Rehabilitation erfahren; die nach 1945 verurteilten Männer bleiben bis heute rechtskräftig festgestellt Straftäter.
Ich brauche nicht besonders zu betonen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, dass diese Situation beschämend ist und unseren heutigen Moralvorstellungen natürlich nicht entspricht. Deswegen hege ich für den Antrag der Fraktion der GRÜNEN eine gewisse Sympathie.
Die entscheidende Frage, meine Damen und Herren, die sich bei der Bewertung dieses Antrags stellt, ist aber eine ganz andere, nämlich die, ob wir, gerade auch als Landesparlament, noch mehr tun können, um zur Rehabilitation der damals verurteilten Männer beizutragen, vor allem noch mehr, als der Bundestag schon getan hat. Insbesondere stellt sich die Frage, ob wir juristische Sachverhalte und Verurteilungen von vor 50, 60 oder 70 Jahren durch die Brille von heute betrachten oder gar abändern können. Rechtlich ist die Antwort auf diese Fragen eindeutig: Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1957 festgestellt, dass der einschlägige § 175 des Strafgesetzbuches alte Fassung verfassungsgemäß ist und die darauf beruhenden Urteile rechtmäßig sind. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2006 entschieden, dass Urteile, die deutsche Gerichte auf der Grundlage unseres Grundgesetzes gefällt haben, nicht aufgehoben werden können. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich aufgeführt, dass nur solche Urteile aufgehoben werden können, die – ich zitiere – "zur Förderung eines Unrechtsregimes gegen die elementaren Grundgedanken der Gerechtigkeit verstoßen … sowie Urteile von Institutionen, die wie der Volksgerichtshof zwar als Gerichte bezeichnet, aber aufgrund ihrer Stellung und Aufgabe keine Organe einer unabhängigen rechtsprechenden Gewalt waren …".
Würde man nun mit den Urteilen nach 1945 ebenso verfahren wie mit denen von vor 1945, so würde man unterstellen, dass auch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland bis zur endgültigen Aufhebung des § 175 des Strafgesetzbuches im Jahr 1994 Teil eines Unrechtsregimes waren.
Nein. Ich möchte zu Ende reden. – Mit der Aufhebung gerichtlicher Entscheidungen, die in der Bundesrepublik gefällt wurden, würde der Gesetzgeber also nicht nur gegen das Gewaltenteilungsprinzip und die Unabhängigkeit unserer Gerichte verstoßen; er würde auch die Rechtssicherheit gefährden und durch die Verstöße einen Präzedenzfall schaffen. Würde man dies tun, meine Damen und Herren, und die heutigen Wertmaßstäbe an die Vergangenheit anlegen, würde sich die Frage stellen, inwieweit wir dies auch in anderen Bereichen tun müssten. Müssten wir dann auch Menschen rehabilitieren, die früher wegen Kuppelei oder Ehebruch verurteilt wurden? Noch problematischer eine Frage in die Zukunft gerichtet: Was tun wir mit heutigen Urteilen, wenn sich unsere heutigen Moralvorstellungen und Wertvorstellungen in 10, 20, 30 oder 40 Jahren ändern? Müssen wir auch all diese Urteile aufheben, oder wie wird unsere gesetzliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch von der nächsten Generation beurteilt?
Allein diese Fragen zeigen uns, dass uns nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich die Hände gebunden sind, alte Urteile zu ändern, und dass wir das akzeptieren sollten. Genau aus diesen Gründen konnte auch der Deutsche Bundestag bisher unabhängig davon, wie er sich zusammensetzte, nicht mehr zur Rehabilitierung beitragen, als er ohnehin schon getan hat. Der Deutsche Bundestag – die Frau Kollegin hat es schon erwähnt – hat bereits im Jahr 2000 einstimmig einen Beschluss gefasst, in dem die Fortgeltung der betreffenden Straftatbestände bedauert und ausdrücklich anerkannt wurde, dass hierdurch homosexuelle Menschen und Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind.
Ebenso hat der Deutsche Bundestag, wie bereits erwähnt, schon im Jahr 2002 die Urteile aus der Zeit vor 1945 aufgehoben. Darüber hinaus hat sich der Deutsche Bundestag auch in den Jahren 2008, 2009 und 2012 immer wieder intensiv und nachhaltig mit Fragen der Rehabilitation beschäftigt und im Jahr 2013 sogar im Rechtsausschuss eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Ergebnis war immer, dass – auch und gerade wegen der begrenzten rechtlichen Möglichkei
ten – keine weiteren Maßnahmen zur Rehabilitation beschlossen wurden.
Im Ergebnis, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, können wir hier das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Anderenfalls würden wir ein Fass aufmachen, das unser Rechts- und Justizsystem infrage stellen würde. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag, auch wenn es schwerfällt – das gestehe ich zu –, abzulehnen.
Sehr verehrte Kollegin, es ist doch schon schön, wenn ich Ihnen Sympathie entgegenbringe. Das haben Sie ja gesagt.
Zur Sache selbst. Zum Ersten haben wir im Rechtsausschuss einem Berichtsantrag zugestimmt, nach dem die Sache sozusagen historisch aufgearbeitet werden soll. In den wissenschaftlichen Instituten ist ja auch schon etwas im Gange.
Es geht hier – ich habe das nicht erwähnt, weil ich nicht zu tief einsteigen wollte – um eine gesamtdeutsche Problematik. Betroffen ist nicht nur die ehemalige Bundesrepublik, sondern auch die ehemalige DDR. Dort haben wir die gleiche Problematik. Einzelne Länder haben schon lange Anträge gestellt, und
auch im Bundesrat ist nichts herausgekommen. Das habe ich nicht erwähnt.
Wir sind, so nützlich Ihr Anliegen vielleicht ist – das gestehen wir ja zu –, der Ansicht, dass das auf Bundesebene geregelt werden sollte. Denn es handelt sich um eine gesamtdeutsche Angelegenheit, und es nützt nichts, wenn Länder, welcher politischen Couleur auch immer, Anträge stellen und dann nichts herauskommt.
Das Problem muss auf Bundesebene gelöst werden. Der Bundestag müht sich – ich habe Ihnen das ja vorgetragen – schon die letzten eineinhalb Jahrzehnte an diesem Problem ab. Er hat es aber immer wieder, auch das letzte Mal, vertagt. Deshalb sollte die Angelegenheit auch auf Bundesebene bleiben. Ich habe ja am Anfang gesagt, gerade wir als Landesparlament sollten hier nicht weiter einsteigen. Im Rechtsausschuss haben wir ausführlich diskutiert und damit alles uns Mögliche getan. Wir haben den Antrag angenommen, dass einmal berichtet werden soll, wie das Problem historisch und wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Der Bericht kommt. Dem haben wir zugestimmt, aber diesen Antrag lehnen wir aus den Gründen ab, die ich vorher vorgetragen und die ich jetzt genannt habe. Ich glaube, wir sollten das Problem auf Bundesebene belassen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! So bedauerlich dieser Fall sowohl im Ablauf als auch im Ergebnis ist, zumindest bisher, ist es umso wichtiger, ihn mit der gebotenen Sorgfalt und Objektivität zu betrachten. Tut man dies, so stellt man erstens fest, dass die Korrektur- und Kontrollmechanismen der bayerischen Justiz, der bayerischen Gerichte funktioniert haben. Nachdem neue Beweismittel vorlagen – Kollege Arnold hat es schon ausgeführt –, insbesondere nachdem sich zu einer wesentlichen Tatsache herausstellte, dass ein Mitinsasse des Verurteilten vorsätzlich falsch ausgesagt hatte,
hat das Landgericht Bayreuth ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt, die Verurteilung des Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe aufgehoben und den Verurteilten freigesprochen. Von der lebenslang verhängten Freiheitsstrafe war übrigens bis dahin und ist bis heute noch nichts vollstreckt, weil sich nämlich der Verurteilte wegen anderer Taten in einem psychiatrischen Krankenhaus befand.
Zweitens belegen die beiden Urteile, dass die Staatsanwaltschaft, natürlich unter Zugrundelegung der jeweils vorhandenen Beweismittel, richtig und einwandfrei gearbeitet hat. Die Strafgerichte sprechen nämlich nicht nur Recht gegenüber dem und über den Angeklagten; sie üben auch eine Kontrollfunktion über die Ermittlungsbehörden aus, und zwar in doppelter Hinsicht: nämlich bei der Entscheidung und Prüfung der Zulassung der Anklage und in der Hauptverhandlung. In beiden Strafverfahren gab es keine Beanstandun
gen der Ermittlungstätigkeit durch die Gerichte. Im Gegenteil: Die Anklage im ursprünglichen Verfahren wurde zugelassen, der von der Staatsanwaltschaft vorgegebene Sachverhalt wurde – was nicht immer der Fall ist – vom Gericht übernommen.
Wollte man die staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit nochmals durch eine Expertenkommission überprüfen, also durch Dritte, würde das die Unabhängigkeit unserer Gerichte und damit das Gewaltenteilungsprinzip tangieren.
Herr Kollege Arnold, wir würden damit, wenn auch nur indirekt, die dritte Gewalt überprüfen, wozu wir nicht legitimiert sind.
Dieser Fall zeigt aber auch, dass insbesondere die Kontrolle und Selbstkontrolle der Staatsanwaltschaft funktionieren und auch die Kontrolle der Staatsanwaltschaft über die Polizei. Genau das haben Sie nicht erwähnt, Herr Kollege. Auf zwei Anfragen der FREIEN WÄHLER hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Februar dieses Jahres umfassend und detailliert Auskunft gegeben, auch über die weiteren Konsequenzen vonseiten der Staatsanwaltschaft in diesem Fall. Ich will darauf ausdrücklich hinweisen: Die Staatsanwaltschaft hat nach Wiederaufnahme des Verfahrens weitere Ermittlungen in jeder Richtung angestellt, unter anderem wegen des Verdachts der Aussageerpressung in Richtung der Polizei. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass es eben nicht die geringsten Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Polizei gibt.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass die Staatsregierung mit diesen Auskünften größtmögliche Transparenz gewährleistet hat. Das zeigt, dass die parlamentarische Kontrolle und das parlamentarische Kontrollsystem funktionieren.
Unter Berücksichtigung der gegebenen Sachlage ist eine Expertenkommission nicht notwendig. Die Aufarbeitung des Komplexes "Peggy" erfolgt bzw. erfolgte durch das Wiederaufnahmeverfahren sowie durch die umfassenden weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Erkenntnisse von grundsätzlicher Bedeutung werden der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis mitgeteilt. Selbstverständlich werden etwaige über diesen Sachverhalt hinausgehende Kritikpunkte ebenfalls geprüft. Wir werden diesen Antrag deshalb ablehnen, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Arnold, ich kenne diese Äußerungen des Leitenden Oberstaatsanwalts nicht und weiß auch nicht, ob Sie einzelne oder aus dem Zusammenhang gerissene Sätze angeführt haben. Doch ich möchte Ihnen das Folgende verdeutlichen: Wir haben es hier mit dem Fall eines Mädchens zu tun, das seit 13 Jahren verschwunden ist. Es geht um einen unaufgeklärten Sexualmord an einem Kind, der allerlei Spekulationen ins Kraut schießen lässt. Darüber wurde, wie man sagen muss, nur ein Indizienprozess geführt, und wir verfügen auch weiterhin nur über Indizien. Es gibt Ermittlungen und weitere Verdächtige. Solch ein Fall eignet sich weder für eine Emotionalisierung noch für eine Politisierung.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter, und der Fall ist immer noch ungeklärt. In vielen solchen Fällen wird es viele ungeklärte Tatsachen geben; das wissen Sie aufgrund Ihrer Erfahrung als Richter selbst. Sie for
dern eine Prüfung durch eine unabhängige Expertenkommission. Ich weiß nicht, um wen es sich bei diesen Experten handeln soll; denn Richter können der Kommission nicht angehören, weil sie befangen wären. Wollen Sie Universitätsprofessoren die Prüfung vornehmen lassen? – Wenn Sie dies weiter durchdenken, müssten Sie in Zukunft jeden unaufgeklärten Mordfall von einer unabhängigen Expertenkommission prüfen lassen, bloß weil es irgendwelche Ungereimtheiten gibt. Sie wissen selbst genau, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in dem seit 13 Jahren noch nicht einmal die Leiche des Opfers gefunden wurde, eine Menge offener Fragen gibt. Ich muss betonen: Die CSU ist aus Prinzip dagegen, einen solchen Fall zum Präzedenzfall zu machen, zumal die Staatsregierung umfassend Auskunft gegeben und die Staatsanwaltschaft umfassend weiterermittelt hat, auch gegenüber der Polizei. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag auf eine unabhängige Expertenkommission ab, wie auch immer sie zusammengesetzt sein soll.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union hat in den gut fünfeinhalb Jahrzehnten ihrer Existenz viel erreicht. Sie ist zweifelsohne eine der großen Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts, das mit zwei Weltkriegen unsägliches Leid und Zerstörung über unseren Kontinent gebracht hat. Die europäische Einigung ist das größte Friedenswerk der Nachkriegsgeschichte und hat viel zu Wohlstand und Erfolg auch in Bayern beigetragen.
Das führt uns auch und gerade das historische Jahr 2014 vor Augen, das Jahr, in dem sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jährt, das Jahr, in dem sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal jährt und das Jahr, in dem der Fall der Berliner Mauer genau 25 Jahre her ist. Allein diese drei Ereignisse sind uns Mahnung und Ansporn zugleich. Meine Damen und Herren, deshalb steht auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung: "Das europäische Einigungswerk bleibt die wichtigste Aufgabe Deutschlands." Diese Aufgabe hatten wir als CSU genauso wie die Bayerische Staatsregierung seit jeher im Blick. Wir haben die europäische Einigung seit Bestehen der EU konstruktiv und positiv mitgestaltet und werden dies auch weiterhin tun.
Die Einheit Europas ist aber heute nicht mehr nur eine Frage von Krieg und Frieden. Wir dürfen die Europäische Union heute nicht mehr allein historisch, sondern müssen sie auch mit der Zukunft begründen. Vom europäischen Staatenbund wird erwartet, dass er in der Lage ist, den Herausforderungen der Zukunft, vor allem und gerade auch der Globalisierung zu begegnen. Deshalb geht es bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union in den nächsten Jahren darum, das hohe Wohlstandsniveau Europas auf sozialem, ökologischem und kulturellem Gebiet durch gemeinsames Wirtschaften, Forschen sowie durch eine starke Währungs- und Handelsunion zu sichern.
Bayern befindet sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und spätestens seit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union im Jahre 2004 im Herzen Europas und ist zur Drehscheibe Europas geworden. Die bayerischen Außenhandelsdaten zei
gen, dass der Handel mit den EU-Staaten mehr als die Hälfte, letztes Jahr 55 %, des gesamten bayerischen Handelsvolumens ausmacht. Unter den zehn wichtigsten bayerischen Handelspartnern in Europa sind drei Länder aus dem früheren Ostblock, die erst seit 2004 dabei sind und für Bayern ganz neue Märkte eröffnen – das sind die Tschechische Republik, Polen und Ungarn. Mit den zehn Staaten, die 2004 beigetreten sind, hat sich das Handelsvolumen in den letzten zehn Jahren von 22 Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro erhöht und damit fast verdoppelt. Wir wollen und brauchen daher die europäische Integration.
Wir wollen aber ein Europa der Regionen und keinen europäischen Zentralstaat. Nationen und Regionen gehören zur Identität Europas und müssen in einem Europa der Zukunft einen festen Platz haben. Das Europa der Zukunft braucht starke und eigenständige Regionen. Nur so wird Europa wieder zu einem echten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger.
Damit Europa und seine Regionen stark bleiben, meine Damen und Herren, lehnen wir eine Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien strikt und nachdrücklich ab. Europa darf keine Schuldenunion werden,
sondern muss seinen Weg in Richtung einer Stabilitätsunion fortsetzen.
Nur so sichern wir die Chancen und das Wachstum auch für unsere zukünftigen Generationen. Wir wollen ein Europa, das wirtschaftliche Stärke befördert, Arbeitsplätze schützt und Zukunftstechnologien gemeinsam voranbringt. Die Sanierung der Staatshaushalte in den Schuldenstaaten hat oberste Priorität. Krisenstaaten dürfen auch künftig nur Hilfe bekommen, wenn sie im Gegenzug dazu Reformen durchführen und ihre Schulden abbauen.
Jedes Mitglied der Euro-Zone muss Haushaltsdisziplin zeigen und die Staatsverschuldung nachhaltig reduzieren, und vor allem müssen die bestehenden Stabilitätsregeln, die ja vorhanden sind, unangetastet bleiben. Die vorhandenen Instrumente vor allem des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie des Fiskalpaktes müssen von der EU-Kommission und dem Rat konsequent angewendet werden. Eurobonds und eine Vergemeinschaftung der Staatsschul
den, meine Damen und Herren, sind strikt abzulehnen und gibt es mit uns nicht.
Auch die Europäische Zentralbank muss sich künftig wieder allein dem Ziel der Geldwertstabilität widmen. Eine Finanzierung der Krisenstaaten über die Notenpresse lehnen wir strikt ab. Deutsche Sparer und deutsche Banken dürfen auch nicht zur Haftung für andere europäische Banken herangezogen werden.
Bayern ist eine der attraktivsten Wirtschaftsregionen Europas und bestrebt, als erstes Land in Europa schuldenfrei zu sein und damit ein Vorbild für die Überwindung der Schuldenkrise zu geben. Deutschland und insbesondere Bayern haben frühzeitig und mit aller Schärfe darauf gedrängt, dass Europa keine Schuldenunion werden darf. Meine Damen und Herren, seitdem hat es merkliche Fortschritte im Kampf gegen die Verschuldung in Europa gegeben. Diese Politik muss uneingeschränkt weitergeführt werden. Das oberste Ziel einer gemeinsamen Währungspolitik muss die Stabilität unserer Währung, die Stabilität des Euro sein. Eine Aufweichung der Stabilitätsregeln ist der falsche Weg.
Die deutsche und insbesondere die bayerische Wirtschaft ist eine der wettbewerbsfähigsten und innovativsten der Welt, die global bestehen muss. Die Antwort Europas kann nicht sein, Deutschland dafür zu kritisieren oder Deutschland deswegen sogar zu bremsen – die Antwort muss vielmehr sein, dass sich unsere europäischen Nachbarländer anstrengen und selbst wettbewerbsfähiger werden. Auch in Europa gilt: Man hilft den Schwachen nicht, indem man die Starken schwächt.
Meine Damen und Herren, neben einem wirtschaftlich gesunden und starken Europa brauchen wir aber darüber hinaus auch ein Europa der Bürger. Wir brauchen das gerade deshalb, weil Europa bisher oft als Projekt der Eliten empfunden wurde. Europa muss aber ein Projekt der Bevölkerung werden. Es muss die Menschen nicht nur mitnehmen, sondern direkt einbinden. Deshalb ist es uns als CSU auch ein unglaublich wichtiges Anliegen, das Volk direkt mitstimmen zu lassen. Wir wollen Volksabstimmungen bei wichtigen europäischen Fragen.
Genauso wichtig für eine größere Akzeptanz der EU ist auch das Bekenntnis zu unseren christlichen Wer
ten, zu unserer abendländischen Kultur sowie zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt.
Dazu gehört vor allem auch die häufigere und konsequentere Verwendung der deutschen Sprache in den EU-Institutionen.
Meine Damen und Herren, ein gelebtes Europa, ein Europa der Bürger kann man nicht allein durch Verträge oder Regulierungen schaffen. Ein Europa der Bürger muss in den Herzen der Menschen entstehen und wachsen. Dafür stehen wir als CSU. Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern ein besseres Europa, das heißt, ein transparenteres und bürgernahes Europa. Das ist unser Ziel. Dann wird Europa auch weiterhin das großartige Friedenswerk sein, zu dem es in den letzten Jahrzehnten geworden ist. Das vereinte Europa wird vor allem auch eines sein: nämlich stets im Dienst und zum Wohle der Menschen auf unserem Kontinent. Das wollen wir alle.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Kaum ein Thema bewegt europapolitisch in letzter Zeit so sehr wie das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Gegner dieses Projekts haben in kurzer Zeit mehrere hunderttausend Unterschriften dagegen gesammelt. Diese Bedenken nehmen wir sehr ernst. Deshalb hat sich auch der Europaausschuss in den letzten Monaten sehr intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Sowohl Vertreter der EU-Kommission als auch der amerikanischen Verhandlungsdelegation haben im Ausschuss über ihre jeweilige Verhandlungsposition berichtet. Um sicherzustellen, dass das Freihandelsabkommen nicht zu einer Absenkung europäischer Schutzniveaus führt, haben wir heute diesen Dringlichkeitsantrag gestellt. Wir wollen damit deutlich machen, dass dieses Abkommen viele Chancen bietet, aber auch mit
Risiken behaftet ist, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirksam ausgeschlossen werden müssen.
Für Bayern sind die USA nicht nur der wichtigste Exportmarkt, sondern zugleich auch der wichtigste Investitionsstandort. Die Beseitigung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen verbessert gerade auch für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen die Chancen im internationalen Wettbewerb. So fallen zum Beispiel für die Einführung von Schuhen immer noch 56 % an Zöllen an die USA an. Die deutsche Automobilwirtschaft zahlt für ihre Exporte in die USA jährlich über eine Milliarde Euro an Zöllen.
Unterschiedliche Produktstandards führen dazu, dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen nicht den Schritt über den Atlantik wagen. Eine Harmonisierung dieser Standards kann ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Ob ein amerikanisches Auto rote Blinker hat oder ein europäisches Auto gelbe Blinker, macht für die Verkehrssicherheit keinen Unterschied. Für den Im- und Export bedeutet das aber ein großes Hindernis.
Meine Damen und Herren, ganz anders ist die Situation bei der kommunalen Daseinsvorsorge und den hohen EU-Schutzstandards, insbesondere beim Verbraucherschutz und in der Landwirtschaft. Diese dürfen auf keinen Fall abgesenkt werden. Wir wollen keine genmanipulierten Lebensmittel, kein Klonfleisch, keine Gen-Tomaten und keine Chlor-Hühnchen auf unseren Tellern haben.
Auch unsere Trinkwasserversorgung gehört nicht in die Hand ausländischer Investoren, sondern sie muss in der Hand unserer Kommunen bleiben. Das ist nicht verhandelbar.
Wir sehen auch keinen Verhandlungsspielraum in der Frage von Schiedsgerichten für Klagen von Investoren gegen Vertragsstaaten. Eine solche missbrauchsanfällige, mit demokratischen Grundwerten unvereinbare Paralleljustiz lehnen wir grundsätzlich und entschieden ab.
Sowohl die EU als auch die USA haben hoch entwickelte und gut funktionierende Rechtssysteme. Wir brauchen daneben keine Schiedsgerichte, meine Damen und Herren.
Der bisherige, von Intransparenz geprägte Ablauf der Verhandlungen hat bei vielen Menschen berechtigtes Misstrauen ausgelöst. Es ist deshalb erfreulich, dass die EU-Kommission mit der öffentlichen Konsultationsphase beim Investitionsschutz jetzt einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat. Weitere solcher Schritte müssen folgen.
Ein Abbruch der Verhandlungen, wie ihn die GRÜNEN mit ihrem Dringlichkeitsantrag heute fordern, ist aber der falsche Weg. Damit würden wir die Vorteile, die ein Freihandelsabkommen mit den USA bietet, frühzeitig verspielen. Die inhaltlichen Verhandlungen haben erst begonnen. Wir sollten abwarten, welche Ergebnisse gefunden werden. Dann haben sowohl das EU-Parlament als auch die nationalen Parlamente die Möglichkeit, den Text der Vereinbarung ausführlich zu prüfen. Erst wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, kann eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Deswegen ist auch der Antrag der FREIEN WÄHLER verfrüht, den wir ebenso ablehnen werden wie den Antrag der SPD.
Mit dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag greift unsere Fraktion die derzeit bestehenden Befürchtungen der Bevölkerung auf. Gleichzeitig machen wir deutlich, welche Chancen ein Freihandelsabkommen nicht nur für unsere heimische Wirtschaft, sondern auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Lande bietet. Ich bitte Sie daher im Namen unserer Fraktion um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Kollege Herz, ich habe in meiner Rede gesagt, die Verhandlungen müssten transparenter werden. Andererseits können Sie bei derartigen Verhandlungen – das gilt bei allen rechtlichen Fragen – nicht jeden, der mittelbar betroffen ist, beteiligen. Sie müssen einen Mittelweg finden. Deswegen sind auch wir für bessere Transparenz. Die Transparenz hat aber Grenzen. Dies zum ersten Teil der Frage.
Zum zweiten Teil der Frage: Wir haben als bayerischer Europaausschuss – im Übrigen als erster Ausschuss vor dem Bundestag – in Bayern Anhörungen durchgeführt und alle Seiten gehört. Wir haben sogar in Brüssel die EU-Kommission zu dieser Thematik gehört. Wir bekamen überall zur Auskunft – ich will das hier betonen -, dass die roten Linien, die die SPD heute in ihrem Antrag zeichnet, ohne dass ich das Wort so gebraucht habe, in Bezug auf den Verbraucherschutz und den Lebensmittelstandard nicht verhandelbar sind und gehalten werden. Das haben uns sogar die Verhandlungsführer in München nochmals zugesichert. Sie werden auch Verständnis dafür haben: Es handelt sich nur um die zurzeit bestehende Verhandlungsposition. Es geht weiter, und wir sind mitten in Verhandlungen. Es handelt sich also nur um eine Zwischeninformation. Die Verhandlungen laufen seit Herbst letzten Jahres und sind jetzt in der vierten Runde. Sie müssen jedem Verhandlungspartner die Chance geben, die Regelungen einigermaßen auszuhandeln und dann darüber zu urteilen, zumal die nationalen Parlamente und das EU-Parlament noch darüber entscheiden müssen.
Das Wichtigste ist: Ich habe aus diesen Anhörungen – Sie waren ebenso wie die SPD da – vertrauenswürdig mitgenommen, dass sowohl unsere Trinkwasserversorgung als auch unsere Lebensmittelschutzstandards in Hinblick auf gentechnische Vorgaben, die wir in der EU haben, wonach keine genmanipulierten amerikanischen Lebensmittel eingeführt werden können, beibehalten werden können. Dieses Vertrauen sollte auch Ihre Fraktion mitnehmen und den Verhandlungsführern die Gelegenheit geben, dieses Abkommen fertig auszuverhandeln, den Gremien vorzulegen und dann zu entscheiden. Man sollte die Sache aber nicht von vornherein verteufeln, wie es die FREIEN WÄHLER machen. Ich habe auch die Chancen genannt, die gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Bayern in Bezug auf den Export haben. Dies betrifft die Zollschranken, die fallen und irgendwann fallen müssen. Das betrifft auch Arbeitsplätze. Die Chance – wir sind in der Regierungsverantwortung – wollen und müssen wir wahrnehmen. Ich appelliere an Sie, dass auch Ihre Fraktion, die SPD und die GRÜNEN diese Verantwortung wahrnehmen.
Das ist eine Frage, die ich an den Herrn Ministerpräsidenten oder an die Frau Europaministerin weiterreichen müsste. Ich beantworte sie stellvertretend. Ich nehme an, die Europaministerin wird es richtigstellen, wenn es nicht stimmt. Die Bayerische Staatsregierung wird alles tun, auch kraft ihres Einflusses in der Regierung in Berlin, um Einfluss darauf zu nehmen, dass die Investitionsschutzklauseln so gestaltet werden, dass wir nicht auf intransparente Schiedsgerichte angewiesen sind. Kann ich das einmal so sagen? Es ist auch gut, dass der Gleichklang zwischen der bayerischen Landespolitik und der Bundespolitik gegeben ist. Über diesen Gleichklang sind wir intern sehr froh, und deswegen werden wir auf Bundesebene in diesem Sinne alles tun.