Protocol of the Session on July 7, 2016

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 78. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch einige Glückwünsche aussprechen. Am 1. Juli feierte Herr Staatssekretär Franz Josef Pschierer einen runden und Herr Kollege Karl Straub einen halbrunden Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Am 4. Juli konnte Frau Kollegin Kathrin Sonnenholzner ebenfalls einen runden Geburtstag feiern. Wir wünschen Ihnen im Namen des Hohen Hauses und natürlich persönlich alles erdenklich Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.

(Allgemeiner Beifall – Staatssekretär Franz Josef Pschierer betritt den Sitzungssaal)

Herr Pschierer, ich habe Ihnen schon gratuliert.

(Allgemeine Heiterkeit – Hans Herold (CSU): Wir auch!)

Das hoffe ich doch.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen die heutige Sitzung mit einer fraktionsübergreifenden Erklärung, die ich nun verlesen werde:

Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Inge Aures, Volkmar Halbleib u. a. (SPD), Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU), Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. (FREIE WÄHLER), Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erklärung des Bayerischen Landtags (Drs. 17/12344)

Der Landtag wolle beschließen:

1. Der Bayerische Landtag verurteilt die Morddrohungen, Mordaufrufe, Beleidigungen und Schmähungen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestags wegen ihres Abstimmungsverhaltens im Rahmen der freien Ausübung des Parlamentsmandates bei der Armenien-Resolution am 2. Juni 2016. Der Landtag verurteilt auch die Angriffe des türkischen Staatspräsidenten auf demokra

tisch gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags.

2. Der Bayerische Landtag erklärt sich solidarisch mit allen Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Angriffe dieser Art betreffen den Kern der parlamentarischen Demokratie, den gesamten deutschen Parlamentarismus sowie die Freiheit und Unabhängigkeit des Mandats in Bund und Ländern.

3. Der Bayerische Landtag erwartet von den türkischen Organisationen und Gemeinschaften in Deutschland, eine klare Haltung gegen die Bedrohungen und Beleidigungen von Abgeordneten des Deutschen Bundestags einzunehmen und eindeutig für die Abgeordneten und für die parlamentarische Demokratie Partei zu ergreifen.

Die Fraktionen sind übereingekommen, dass es dazu keine Aussprache gibt. Ich lasse deshalb jetzt unmittelbar über diesen Antrag abstimmen, der auf der Drucksache 17/12344 formuliert ist. Wer diesem Antrag dieser Resolution, zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die CSUFraktion, die SPD-Fraktion, die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Keine Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Antrag, diese Resolution, einstimmig beschlossen. Ich danke Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Leitbild Handlungsfähiger Staat: Personalabbau stoppen, neue Stellen schaffen, Bayern zukunftsfähig machen!"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Hat eine Fraktion das Benennungsrecht für mehrere Rednerinnen bzw. Redner, kann auf Wunsch der jeweiligen Fraktion eine ihrer Rednerinnen bzw. einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit erhalten. Das wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktionen angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen. – Erster Redner ist nun der Kollege Stefan Schuster.

(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegin

nen und Kollegen! Bei der SPD rangiert ein starker Staat vor einem schlanken Staat. Wir wollen deshalb einen starken öffentlichen Dienst in Bayern mit Tarifbeschäftigten und Berufsbeamtentum. Wir begreifen den öffentlichen Dienst in Bayern als einen entscheidenden Standortfaktor. Die Stellenpläne, die Stellen und das berufliche Umfeld müssen entsprechend ausgestaltet sein. Kein zentraler Bereich kann nämlich ohne einen dauerhaft leistungsfähigen öffentlichen Dienst funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt für die innere Sicherheit, die Justiz, die Schulen und die Hochschulen, die staatliche Infrastruktur, den Steuervollzug, die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, alle Fachverwaltungen und die allgemeine innere Verwaltung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Landtagsfraktion ist deshalb gegen die pauschale Sperrung von Stellen im öffentlichen Dienst in Bayern. Daher lehnen wir den längst überholten und gescheiterten Artikel 6b im Haushaltsgesetz ab.

(Beifall bei der SPD – Bernhard Roos (SPD): Bravo!)

Ursprünglich sollten damit von 2005 bis 2019 insgesamt 9.000 Stellen gestrichen werden. Mit dem Nachtragshaushalt 2016 will die Staatsregierung den Stellenabbau zwar bis zum Jahr 2022 strecken, aber insgesamt weiter erhöhen. Das sieht weniger nach Konzept, sondern vielmehr nach Lust und Laune aus. Stellenstreichungen sollte es nach unserer Meinung nur in Verbindung mit einer Aufgabenanalyse bzw. einer Aufgabenkritik und ohne Qualitätsverlust bei den Leistungen geben.

Leider ist der Ministerpräsident heute nicht da. Er hat auf dem Delegiertentag des Bayerischen Beamtenbundes gesagt, er werde sich bis zur Sommerpause Gedanken machen, eventuell den Artikel 6b zu streichen. Ich hoffe, dass diese Gedanken weit fortgeschritten sind und der Artikel 6b wirklich endgültig gestrichen wird.

(Beifall bei der SPD)

Auch die dreimonatige Wiederbesetzungssperre ist für uns kein geeignetes Instrument der Stellenbewirtschaftung. Wir halten sie insbesondere deshalb für falsch, weil der Ausfall in kleinen Dienststellen nicht kompensiert werden kann und fällige Einstellungen und Beförderungen verzögert werden. Sie gilt unverständlicherweise beispielsweise bei den Finanzämtern. Sie gilt vernünftigerweise nicht bei Lehrkräften an Schulen oder bei der Polizei.

Nichtsdestoweniger ist bei der bayerischen Polizei die Schmerzgrenze erreicht. Bereits im Februar hatten die bayerischen Polizistinnen und Polizisten zwei Millionen Überstunden angehäuft. Auf jeden Polizeibeamten im Freistaat entfallen im Schnitt 62 Überstunden. In manchen Dienststellen ist die Situation aber weitaus dramatischer. In den Grenzgebieten, beispielsweise in Freilassing und Passau, haben die Beamtinnen und Beamten deutlich mehr Arbeitszeit auf dem Konto. Über 200 Überstunden sind dort keine Seltenheit. Als Sofortmaßnahme fordern wir deshalb, zusätzlich Tarifbeschäftigte für Verwaltungsaufgaben einzustellen, um so die Polizei zu entlasten.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ähnlich sieht es in der Steuerverwaltung aus. Im Jahr 2011 sprach der Bayerische Oberste Rechnungshof erstmals von einer prekären Personalsituation und monierte, dass 1.903 Planstellen in bayerischen Finanzämtern nicht besetzt seien. Zum 1. Januar 2016 waren immer noch 1.536 der insgesamt 16.500 Stellen bei den Finanzämtern nicht mit Arbeitskräften besetzt. Ein Grund dafür ist, dass 540 der insgesamt 2.196 Anwärterinnen und Anwärter auf Beamtenstellen ausgebildet werden. Deshalb müssen umgehend zusätzliche Anwärterstellen bei den Finanzämtern geschaffen werden, nicht nur, um die Altersabgänge zu kompensieren, sondern auch, um den Personalkörper insgesamt zu stärken.

Kolleginnen und Kollegen, der mangelhafte Steuervollzug findet mittlerweile schon zum 19. Mal in Folge Erwähnung im Jahresbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs. Das ist zugleich zum fünften Mal, seit Markus Söder im November 2011 Finanzminister wurde. Der Oberste Rechnungshof beklagt wiederum Steuerausfälle in Millionenhöhe und listet Mängel in insgesamt sechs Teilbereichen auf, darunter die Arbeitsrückstände beim Finanzamt München, das über 40 % des Steueraufkommens in Bayern vereinnahmt.

Im Nachtragshaushalt 2016 gab es aus gegebenem Anlass zusätzliche Stellen für nahezu alle Ressorts, und dies teilweise in beachtlichem Ausmaß, nur in einem Bereich nahezu nicht: bei den Finanzämtern. Dort gab es gerade einmal 15 neue Planstellen im Nachtragshaushalt 2016 für die Sonderkommission "Schwerer Steuerbetrug". 1.536 Steuerbeamte fehlen. Die Reaktion darauf: 15 neue Stellen. Das ist umso verwunderlicher, als jeder Steuerbeamte wesentlich mehr bringt, als er kostet. Das durchschnittliche Ergebnis eines Steuerprüfers sind eine Million Steuermehreinnahmen.

Herr Kollege, beachten Sie bitte die Uhr!

(Vom Redner nicht autori- siert) Ja. – Weil wir zu wenige Steuerprüfer haben, werden Großbetriebe in Bayern nur alle fünf Jahre, mittelgroße Betriebe nur alle 22 Jahre und Kleinbetriebe nur alle 47 Jahre geprüft. Das muss sich ändern. Wir wollen einen handlungsfähigen Staat. Deshalb muss mehr Personal eingestellt werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Fackler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr gerne nimmt die CSU-Fraktion heute den Ball auf, den uns die SPD mit der von ihr beantragten Aktuellen Stunde zuspielt.

(Florian von Brunn (SPD): Ihre Krawatte sitzt schief!)

Das macht nichts.

Herr Kollege Schuster, ich war, ehrlich gesagt, schon gespannt, wie Sie heute starten wollen, wie Sie heute mit dem Thema umgehen wollen, wie Sie sich das vorstellen können. Ich habe es befürchtet: Sie fordern pauschal überall mehr Personal, wünschen sich einen Staat, der sich weiter ausbreitet, getragen von dem Gedanken eines allmächtigen Staates mit noch mehr Aufgaben und Ausgaben und noch mehr Personal. Wo Probleme auftreten, müssen diese mit dem Geld anderer Leute gelöst werden, so wie immer.

(Reinhold Strobl (SPD): Das ist auch unser Geld, Herr Kollege! – Weitere Zurufe von der SPD)

Steuergeld. Das ist für Sie immer das Gleiche. Ich habe es Ihnen in der letzten Aktuellen Stunde gesagt: Sie kommen immer mit dem Ruf nach mehr Steuerbeamten daher, Sie wenden jedes Mal diesen Dreisatz an. Ich sage es Ihnen noch einmal: Der Dreisatz gilt hier schlicht und ergreifend nicht.

(Markus Rinderspacher (SPD): Da ist der Oberste Rechnungshof aber anderer Auffassung! – Weitere Zurufe von der SPD)

Vielmehr gilt das Gesetz vom sinkenden Grenzertrag. Aber das wollen Sie ja nicht verstehen, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Wir stellen uns immer die Frage: Was verträgt unser Staat? Beim Thema Steuern gilt für uns der Grundsatz: Vertrauen – Kontrolle – Ahndung. Wir haben eine funktionierende Finanzverwaltung, und – ich sage es Ihnen an dieser Stelle noch einmal, damit Sie das auch wissen – Großbetriebe werden anschlussgeprüft.

Die Gleichung, die Sie aufstellen, ist aus meiner Sicht zu banal, vor allem, wenn Sie glauben, damit ein Bekenntnis für einen handlungsfähigen Staat und für die Zukunftsfähigkeit Bayerns abgeben zu können – womit ich dann auch beim Thema der Aktuellen Stunde angelangt wäre.

Ich sage Ihnen: Bayern und insbesondere seine Verwaltung sind seit Langem handlungsfähig, und Bayern ist auch zukunftsfähig.