Protocol of the Session on June 20, 2013

Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 72. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich den Herren Kollegen Pröfrock und Röhm erteilt.

Krankgemeldet ist Herr Kollege Paul Nemeth.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nisterpräsident Kretschmann bis ca. 11:30 Uhr, Frau Staatsrä tin Gisela Erler, Herr Minister Stoch und bis 14:00 Uhr Herr Minister Alexander Bonde.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wir haben heute in unserem Krei se ein Geburtstagskind. Ich möchte der lieben Kollegin San dra Boser zu ihrem heutigen Geburtstag herzlich gratulieren und alles Gute wünschen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte – Wettbewerbschancen nutzen statt Kli entelpolitik zu fordern – kein Handelskrieg mit China! – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtrede zeit von 40 Minuten festgelegt. Für die einleitenden Erklärun gen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Auch die Mit glieder der Landesregierung werden gebeten, sich an den vor gegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Schließlich verweise ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsord nung, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die freie Re de erwünscht ist.

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Glück das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Mit gro ßer Sorge haben wir die Nachricht der EU-Kommission, ins besondere des EU-Handelskommissars De Gucht, zur Kennt nis genommen, nun Strafzölle auf chinesische Solarprodukte erheben zu wollen.

„Deutschland hat sein ganzes Gewicht in den Fall geworfen“, heißt es aus Brüsseler Kreisen. Ich stelle mir schon die Fra ge: Wer macht so etwas? Warum wirft jemand sein ganzes Ge wicht hinein? Welche Interessen leiten ihn?

Dies hätte als eine Reaktion der Chinesen unweigerlich die Einführung von Strafzöllen auf deutsche Produkte – z. B. aus der Automobilindustrie – zur Folge. Daher muss ein Export land wie Baden-Württemberg Stellung beziehen.

Lange Zeit war Amerika im Interkontinentalhandel der wich tigste Handelspartner; doch seit 2008 nimmt Asien diesen Platz ein. Im Jahr 2012 erzielten Unternehmen aus BadenWürttemberg 31,8 Milliarden € und damit ein Fünftel ihrer Erlöse durch den Handel mit Asien. Der wichtigste Handels partner in Asien ist China. China hat Japan als wichtigsten Handelspartner 2003 abgelöst.

Der Umsatz im baden-württembergisch-chinesischen Handel hat sich seit 1996 mehr als verzehnfacht. Der Wert von badenwürttembergischen Unternehmen, die in China nachgefragt werden, hat sich übrigens auch verzehnfacht.

Eines wird auf jeden Fall klar: Ein Handelskrieg mit China kann nicht in unserem wirtschaftlichen Interesse und auch nicht in unserem Landesinteresse liegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb muss die Landespolitik die Interessen unseres Lan des schützen und müssen Sie von der Landesregierung klar formulieren, dass wir diese Strafzölle nicht wollen. Genau deshalb, Herr Europaminister Friedrich, bitten wir Sie, nach Brüssel zu gehen und dort vorzutragen: Wir wollen diese Strafzölle nicht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Grund, warum wir diese Debatte beantragt haben, ist, dass wir zu diesem für Baden-Württemberg so wichtigen Punkt eben noch keinen Standpunkt der Landesregierung gehört haben. Insbesondere vonseiten der Grünen ist es da sehr, sehr ruhig.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Wie bitte? – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das stimmt gar nicht, Herr Kollege!)

Gut, dann können Sie ja nachher etwas sagen.

Übrigens dachte ich, auch für die Energiewende hätten wir ein Interesse an preisgünstigen PV-Elementen. Für Strom gilt doch neben der Umweltfreundlichkeit und Versorgungssicher heit – –

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Brüssel will jetzt den Ausbau komplett verbieten!)

Jetzt warten Sie doch einmal ab. Aber vom Prinzip her sind wir uns doch darüber einig, Herr Kollege Poreski, dass wir in

Zeiten der Energiewende, in denen Strom auch preisgünstig sein muss, ein Interesse an preisgünstigen PV-Elementen ha ben müssten. Können Sie diese Aussage mit mir teilen, ja oder nein?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Welche Aussage? – Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Dass wir günstige PV-Elemente brauchen. Ich sage ganz ehrlich: Es fällt mir einfach schwer, zu verstehen, dass man in dieser Zeit günstige PV-Elemente mit Strafzöllen belegen möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht so, dass das der Energiewende helfen würde, im Gegenteil. Wir haben einen Wirtschaftszweig – die deutsche Fotovoltaikindustrie –, der über die vergangenen Jahre hinweg enorm von Subventi onen profitiert hat. Was geschieht, ist doch völlig klar – das hat auch der Vorstandsvorsitzende von Bosch, Herr Fehren bach, gesagt –: Die Dauersubventionen mit dem EEG haben die Regeln eines ganzen Marktes zunichtegemacht. Die Sub ventionen haben dazu geführt, dass die Fotovoltaikindustrie in Deutschland Mann und Maus in der Produktion und der In stallation eingesetzt hat. Was leider zu kurz kam, war die In novation.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was? Das ist doch dum mes Zeug!)

Es ist doch ein ganz normaler Vorgang für einen Wirtschafts standort wie Baden-Württemberg – da können Sie ABS, Air bag oder sonst etwas nehmen – – Herr Schmiedel, dass Sie von Wirtschaft keine Ahnung haben, wissen wir. Hören Sie deswegen einfach einmal zu.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Alte Plaudertasche!)

Es ist doch ein völlig normales Vorgehen, dass man in BadenWürttemberg Innovationen hat, die Produktion erst einmal fünf oder zehn Jahre lang hierbleibt und dann irgendwann ein mal ins Ausland geht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Ich lasse zu diesem Zeitpunkt keine Fragen zu.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aha! Angsthase!)

Bis dahin ist es eben wichtig, dass man den nächsten Pfeil im Köcher hat. Das wurde von der Fotovoltaikindustrie leider verpasst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht mir nicht da rum, die deutsche Fotovoltaikindustrie zu schädigen. Aber es geht mir darum, die Unternehmen zu schützen, die über die vergangenen Jahre hinweg nicht von Subventionen gelebt ha ben. Das ist die Mehrzahl der Unternehmen in Baden-Würt temberg. Mir geht es darum, diese Unternehmen zu schützen.

Ich möchte heute das Bekenntnis der Landesregierung haben, dass wir uns gegen Strafzölle auf chinesische Solarprodukte aussprechen. Da bitte ich um eine ganz deutliche Position. Lassen Sie Herrn Minister Friedrich dieses Interesse in Brüs

sel vortragen. Ich fordere Sie auf: Seien Sie aktiv, und schüt zen Sie dadurch das Interesse des Landes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Paal.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! „Wettbewerbschancen nutzen statt Klientelpolitik zu fordern – kein Handelskrieg mit China!“ Man könnte meinen, das ist eigentlich ein europäi sches und kein landespolitisches Thema. Weit gefehlt! Die Auswirkungen für unsere Wirtschaft – gerade für uns hier in Baden-Württemberg – können erheblich sein, und zwar nicht nur für die Solarbranche. Denn ein Handelskrieg könnte, wenn er nun angezettelt würde, zu einem Flächenbrand werden.

Deshalb ganz herzlichen Dank an die Fraktion der FDP/DVP dafür, dass sie dieses Thema einmal zur Sprache gebracht hat und dass wir hier nun über Wirtschaftspolitik reden können.

Ich nenne ebenfalls zunächst ein paar Zahlen in Bezug auf das Handelsvolumen mit China – man muss sich diese eindrück lichen Zahlen einfach einmal vor Augen halten; Kollege Glück hatte auch schon einige dieser Zahlen erwähnt –: China ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht dieser Welt. 2012 betrug das Gesamtvolumen des Warenaustauschs zwischen China und Europa über 400 Milliarden €. Ein Drittel davon entfällt auf Deutschland. Etwa eine Million Arbeitsplätze hängen in Deutschland vom Warenexport nach China ab. Für uns, für die baden-württembergische Wirtschaft, ist China das Export land Nummer 4. In den letzten zehn Jahren – Kollege Glück hat von der Zeit seit 1995 gesprochen – hat sich der Export auf 13 Milliarden € verfünffacht.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen zeigen: China braucht uns, und wir brauchen China. Deshalb sage ich, auch im Interesse dieses Landes, ganz klar: Strafzölle gegen China sind heute der falsche Weg, wenn es um Fotovoltaik geht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was macht eigentlich die Bundes regierung in Europa?)

Wir geben das weiter. Die Bundeskanzlerin hat sich übri gens klar geäußert.