Susanne Kitschun

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der teilweise sehr erregten Debatte der letzten Woche und auch Ihrer Rede, Herr Dregger, möchte ich meine Redezeit nutzen, um einiges zurechtzurücken – erstens: Diskriminierung ist Unrecht. Sie widerspricht dem im Grundgesetz festgelegten Gleichbehandlungsgrundsatz.
Zumindest darin sind wir uns hoffentlich alle einig.
Zweitens: Diskriminierung ist keine Randerscheinung, leider. Diskriminierungserfahrungen gehören für viel zu viele Menschen zum Alltag. Mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner hat schon Diskriminierungserfahrungen gemacht; das ist das Ergebnis der Repräsentativbefragung für den Berlin-Monitor aus dem letzten Jahr. Insofern betrifft das Thema Antidiskriminierung die Mehrheit der Menschen in dieser Stadt.
Drittens: Alle Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung diskriminierungsfrei mit ihnen umgeht. Auch das, denke ich, könnte ein gemeinsames Ziel in diesem Hause sein.
Herr Dregger! Sie fragten nach Studien und Grundlagen. – Ich möchte keine Zwischenfragen! – Ich kann Ihnen an dieser Stelle empfehlen, die Studie „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“, zu lesen,
die Ende 2017 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von durchaus namhaften Forscherinnen und Forschern erstellt wurde und im durchaus namhaften Nomos Verlag erschienen ist. Dort findet sich ein großer Bereich zu der Frage, wie es mit der Diskriminierung bei Ämtern und Behörden aussieht; das erstreckt sich auf insgesamt mehr als 300 Seiten. In Deutschland, zu diesem Ergebnis kommen die Forscherinnen und Forscher, erleben mehr als ein Viertel der von Diskriminierung Betroffenen Diskriminierung auch bei Ämtern und Behörden. Die Diskriminierung durch Ämter, Behörden und staatliche Stellen wird von den Betroffenen als besonders drastisch wahrgenommen. Das ist nachvollziehbar, denn diese Diskriminierung geschieht quasi im Namen des Staates. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel einer diskriminierungsfreien Verwaltung zugleich auch ein Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und unserer Demokratie.
Den gesetzgeberischen Handlungsbedarf eines Antidiskriminierungsgesetzes sehen nicht nur wir, den sehen auch die Verfasserinnen und Verfasser der bereits erwähnten Studie.
Ich zitiere: In Bezug auf die Lebensbereiche besteht besonders im Bereich der Ämter und Behörden eine Lücke im Diskriminierungsschutz.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen die Ausweitung des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes auf den staatlichen Bereich, analog der bereits durch das Antidiskriminierungsgesetz des Bundes geschützten Felder und mit Entschädigungsansprüchen für die Betroffenen.
Viertens: Die Koalition weiß, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst tagtäglich unverzichtbare und wichtige Arbeit leisten. Das gilt gerade jetzt angesichts der Herausforderungen während der Pandemie. Deshalb an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Beschäftigten des Landes!
Weil wir das wissen, richtet sich dieses Gesetz natürlich nicht gegen die Beschäftigten der Verwaltung. Niemand wird unter Generalsverdacht gestellt. Das gilt explizit auch für die Polizistinnen und Polizisten, bei denen es richtigerweise aktuell Befürchtungen gibt.
Wir sind gerade beim Thema Diskriminierung. Es kann sein, dass ich nicht so eine laute Stimme habe wie Sie. Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, hier dauernd lauter zu reden als ich.
Ich finde, das ist eine Unverschämtheit. Das ist überhaupt kein Umgang. Das war schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzes der Fall. Ich lasse mir das von Ihnen nicht gefallen, und ich lasse mir von Ihnen nicht das Wort verbieten!
Ich sagte bereits: Wir nehmen die Befürchtungen der Polizistinnen und Polizisten ernst. Wir haben bei den Beratungen des Gesetzentwurfs bewusst darauf geachtet, dass die Polizei in ihrer alltäglichen Arbeit nicht eingeschränkt wird. Innensenator Geisel hat richtigerweise betont, dass die Berliner Polizei heute schon hochprofessionell arbeitet.
Fünftens: Ziel des Antidiskriminierungsgesetzes ist es, Diskriminierung im Verwaltungshandeln zu verhindern. Das kann natürlich nur im Einvernehmen mit den Beschäftigten und durch tätiges Handeln geschehen. Viele der von Betroffenen wahrgenommenen Diskriminierungen durch Ämter und Behörden sind wahrscheinlich – so hat es auch der DGB-Sachverständige im Rechtsausschuss ausgeführt – die Folge von Unwissenheit oder sie resultieren aus diskriminierenden Rechtsvorschriften. Deshalb brauchen wir natürlich gute und umfassende Fort- und Weiterbildungen. Die sieht das Gesetz auch vor. Und wir müssen Formulare und Rechtsvorschriften auf mögliche Diskriminierungen hin überprüfen. Wir unterstützen ausdrücklich – Herr Walter hat das schon gesagt – den Wunsch der Beschäftigten nach einer Rahmendienstvereinbarung zum Landesantidiskriminierungsgesetz.
Die Verunsicherung von Landesbeschäftigten nehmen wir ernst. Bei den Beratungen im Parlament haben wir uns auch intensiv mit den Regelungen zur Beweislasterleichterung in § 7 beschäftigt und den Senatsentwurf an dieser Stelle verändert. Die Beweistatregel, die wir heute beschließen, greift nicht schon bei der puren Äußerung eine Diskriminierungsvorwurfs, vielmehr muss ein behaupteter Vorwurf überwiegend wahrscheinlich sein, das heißt, es müssen tatsächliche Anhaltspunkte für eine Diskriminierung vorliegen. Ganz wichtig, Entschädigungsansprüche Betroffener richten sich gegen das Land Berlin und nicht gegen einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Siebtens: Das Landesantidiskriminierungsgesetz umfasst viel mehr als den Bereich der Polizei. Das ist mir wichtig, hier deutlich zu machen. Mit dem Gesetz schließen wir wichtige Schutzlücken, vor allem auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Bildung in der Schule. Schlechte Noten aufgrund von Diskriminierung oder der verwehrte Zugang zu Bildungseinrichtungen haben für die Betroffenen oft schwerwiegende und lang anhaltende Konsequenzen: schlechtere Schulabschlüsse, geringere Ausbildungs- und Berufschancen.
Dazu kommt der Stress, den Diskriminierung bei den Betroffenen auslöst und der die Lernerfolge zusätzlich verringert. Um Diskriminierung in Schulen abzubauen, passiert in Berlin schon sehr viel. Seit April 2020 gibt es beispielswiese eine extra Mobbingbeauftragte der Senatsverwaltung für Bildung, die mit dem Diskriminierungsbeauftragten zusammenarbeitet.
Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz gehen wir jetzt einen weiteren wichtigen Schritt.
Zuletzt möchte ich noch kurz auf den breiten Katalog von Diskriminierungsmerkmalen eingehen. Dieser geht deutlich über das Bundesantidiskriminierungsgesetz hinaus, und das ist auch richtig. Besondern wichtig ist uns die Aufnahme des Merkmals „sozialer Status“, also zum Beispiel die Diskriminierung von Hartz-IV-Empfangenden oder Obdachlosen.
Damit rückt endlich eine Diskriminierungsebene der sozialen Ungleichheit stärker ins Blickfeld staatlichen Handelns.
Die Schaffung von gleichen Bildungs- und Zukunftschancen und der Abbau von Diskriminierung sind wichtige und auch ursozialdemokratische Themen und wichtige Themen dieser Koalition. Ich bin froh, dass wir heute mit diesem Gesetz einen mutigen Schritt in Richtung weniger Diskriminierung tun. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Juhnke! Ich hatte eigentlich nicht gedacht, dass es möglich wäre, das Debattenniveau, das teilweise im Kulturausschuss herrschte, noch zu unterbieten, aber ich habe etwas dazugelernt.
Erlauben Sie mir hierzu eingangs kurz einen Blick in die überregionale Presse! Als wir das letzte Mal in diesem Haus dieses Thema diskutiert haben, fand es die „Süddeutsche Zeitung“ erstaunlich – Zitat:
[Kurt Wansner (CDU): „Die Süddeutsche“! – Weitere Zurufe von Marc Vallendar (AfD) und Burkard Dregger (CDU) – Lachen von Georg Pazderski (AfD) und Sven Rissmann (CDU)]
wenn man bedenkt, dass in anderen Städten … die Ehrenbürgerschaft.. souverän aufgehoben wurde.
Der Ehrenbürger Paul von Hindenburg ist ein besonderer Fall. Hindenburg war eben nicht nur ein Monarchist an der Spitze der Weimarer Republik, der als ehemaliger Oberbefehlshaber im Ersten Weltkrieg auch für nationalistische Träume stand –
wir sprechen hier über den Mann, der heute vor 87 Jahren Hitler zum Reichkanzler ernannt hat, und der das tat im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
Wir sprechen über den Mann, der 1933 die Notverordnungen unterzeichnete, die die Grundrechte aufhoben. Wir reden über den Mann, der sich zum Beispiel am Tag von Potsdam ganz aktiv in den Dienst der nationalsozia
listischen Propaganda stellte, und wir sprechen über den Mann, der als formales Staatsoberhaupt zusah, als Nazis Bücher verbrannten, auf offener Straße mordeten, und als die ersten KZs errichtet wurden.
Mit seinem Handeln hat Hindenburg die demokratische Staatsordnung der Weimarer Republik ausgehöhlt und die Etablierung der NS-Diktatur befördert. Natürlich können und müssen Ehrenbürger, die zu früheren Zeiten ernannt wurden, nicht all unseren heutigen Wertvorstellungen entsprechen, aber ein solches Handeln ist unvereinbar mit der Berliner Ehrenbürgerschaft.
Noch in seinem politischen Testament pries Hindenburg 1934 Hitler. Ich zitiere:
Mein Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung haben zu dem großen Ziele, das deutsche Volk über alle Standes- und Klassenunterschiede zur inneren Einheit zusammenzuführen, einen entscheidenden Schritt von historischer Tragweite getan. … Ich scheide von meinem deutschen Volk in der letzten Hoffnung, daß das, was ich im Jahre 1919 ersehnte, und was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Erfüllung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird.
Diese massive Befürwortung und Unterstützung des Nationalsozialismus passt nicht zu einem Ehrenbürger von Berlin, und deswegen werden wir ihn heute von dieser Liste streichen.
Noch kurz zu zwei Argumenten der Opposition: Sind Zeitzeugen wirklich die besten Ratgeber? – Richtig ist, Hindenburg wurde zeitgleich mit Hitler an dessen Geburtstag zum Ehrenbürger ernannt und 1948 nicht zeitgleich mit ihm wieder gestrichen. Diese Entscheidung der Zeitzeugen kann und darf aber nicht für uns bindend sein. Unbestritten sind Zeitzeugen wichtige historische Quellen, aber ihre Berichte sind eben immer auch subjektiv, und viele Quellen kannten sie damals noch nicht. Außerdem ist die Bewertung Hindenburgs im Jahr 1948 typisch für die Nachkriegszeit. Gerade im Westen herrschte anfangs oft die Sichtweise, nur eine kleine Clique um Hitler sei für die Gräueltaten der Nazis verantwortlich gewesen, die allermeisten Deutschen hätten damit nichts zu tun gehabt. Wenn aber nicht einmal der Mann, der Hitler zum Reichskanzler ernannte, Verantwortung trug, dann waren eben auch alle Mitläufer und Mittäter raus – eine Sichtweise, die heute glücklicherweise nicht mehr trägt.
(Dr. Robbin Juhnke)
Nein! – Noch ein paar Worte zur Positionierung der SPD:
Bei den ersten Debatten 2002 gab es die Biografie von Pyta noch nicht. 2014, als wir wieder die Ehrenbürgerschaft diskutierten, waren wir in der Koalition mit der CDU. Dass es da aussichtslos war – dazu muss ich wohl nichts sagen.
Drittens, und am wichtigsten: Heute ist die aktuelle – –
Warten Sie! Ich finde es unmöglich, dass Sie permanent dazwischenreden. Jetzt habe ich das Wort. Die Debattenkultur der FDP ist wirklich ausbaufähig.
Die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation ist heute anders als im Jahr 2014. Der Antisemitismus ist in Deutschland wieder stark geworden, und eine Partei sitzt in unseren Parlamenten, die Hitler für – Zitat – einen „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte hält. In dieser Situation sind wir aufgefordert, besonders sensibel und wachsam zu sein. Deshalb ist auch die SPD der Meinung, dass der Mann, der ohne Not Hitler zum Reichskanzler ernannte, nicht mehr länger Ehrenbürger sein kann. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Juhnke! Als Historikerin bin ich etwas überrascht, wenn Sie der Meinung sind, dass das, was die Zeitzeugen 1948 ein Stück weit nach ihrem Gefühl überlegt haben – in einer sicherlich schwierigen Zeit, in ihrer Alltagssituation –, für uns bleibend und bindend sein soll. Wo es doch so ist, dass natürlich seitdem viele Quellen zugänglich geworden sind, die historische Wissenschaft entsprechend ausführliche Biographien vorgelegt hat, die wir uns natürlich gerne noch einmal näher anschauen können in der Ausschussarbeit, die aber, wenn man sie intensiv studiert, einfach zu einer anderen Erkenntnis kommen, als Sie das hier vorgelegt haben.
Vielleicht noch einen Blick auf Ihre Bundesebene: Ihre frühere Verteidigungsministerin, Frau von der Leyen, war da schon weiter als Sie.
Sie hat den Traditionserlass der Bundeswehr überarbeiten lassen. Sie wagte sich an die Umbenennung von Kasernen, auch Kasernen nach Kriegshelden wie Hindenburg.
(Regina Kittler)
Da ist die CDU auf der Bundesebene offensichtlich weiter.
Die Berliner Ehrenbürgerwürde ist zuletzt im letzten Jahr an Inge Deutschkron und Margot Friedländer vergeben worden. Zwei beeindruckende Frauen, die die Shoah überlebten. Beide haben nach dem Krieg einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus geleistet, und beiden gebührt dafür unsere Anerkennung und unser Dank.
Bei Paul von Hindenburg sieht das anders aus. Am 12. Februar 1933, zwei Wochen, nachdem er Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, schrieb er in einem Brief an seine Tochter. Ich zitiere:
Patriotischer Aufschwung, sehr erfreulich. Gott erhalte uns die Einigkeit.
Zitat Ende. – Wir finden, diese Aussage ist eines Berliner Ehrenbürgers unwürdig.
Aber Hindenburg tat noch mehr. Bereits Anfang Februar 1933 ermöglichte er mit der Unterzeichnung einer Notverordnung massive Eingriffe in die Grundrechte, insbesondere Einschränkungen von Presse- und Versammlungsfreiheit. Diese Notverordnung führte drei Wochen vor der Reichstagswahl Anfang März 1933 zu einer massiven Behinderung des Wahlkampfs der Opposition.
Ungestraft und mit staatlicher Rückendeckung verübten Nationalsozialisten ungezählte Übergriffe auf Kommunistinnen und Kommunisten und Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Der Terror richtete sich vorrangig auch gegen Abgeordnete jüdischen Glaubens.
Ende Februar 1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, folgte eine weitere von Hindenburg unterzeichnete Notverordnung, die die verfassungsmäßigen Grundrechte außer Kraft setzte. Neueren geschichtswissenschaftlichen Forschungen zufolge war Hindenburg während dieser Zeit im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Ganz bewusst entschied er sich für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und die Machtübertragung an die Nationalsozialisten.
Die Ehrenbürgerwürde ist die höchste Auszeichnung, die diese Stadt vergibt. Geehrt werden Persönlichkeiten, die sich in herausragender Weise um das Wohl der Bürger und das Ansehen der Stadt verdient gemacht haben. Hindenburg erhielt seine Ehrenbürgerwürde bezeichnenderweise am Geburtstags Adolf Hitlers, dem 20. April 1933. Auf Antrag der NSDAP-Fraktion sollten die beiden – ich zitiere – „besten Deutschen“ – Zitat Ende – aufgrund ihrer – Zitat – „Verdienste um die nationale Wiedergeburt Berlins“ – Zitat Ende – zu Ehrenbürgern ernannt werden. Mit einem dreifachen „Sieg Heil“ bekräftigte die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung von NSDAP und DNVP diesen Beschluss.
Hindenburg hat die demokratische Staatsordnung der Weimarer Republik stark geschädigt. Aktiv hat er die Etablierung der totalitären Diktatur befördert, indem er Hitler zum Reichskanzler ernannte, die Notverordnungen unterzeichnete, die Grundrechte aufhob und den Reichstag entmachtete. Mit diesem Tun hat sich Hindenburg weder um das Wohl der Berlinerinnen und Berliner noch um das Ansehen der Stadt verdient gemacht, im Gegenteil. Wir beantragen deshalb als Koalition, Paul von Hindenburg von der Berliner Ehrenbürgerliste zu streichen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Rissmann! Ich würde gern das Niveau der Debatte der Wichtigkeit des Themas entsprechend etwas anheben und es einmal in einen anderen Kontext stellen.
Ich möchte mit einem Zitat aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 beginnen. Dort heißt es im § 2 – ich zitiere:
Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
So beschloss es die Generalversammlung der Vereinten Nationen drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – aus gutem Grund.
In der Tradition dieser Erklärung der Menschenrechte und des darin enthaltenen umfassenden Diskriminierungsverbots sehen wir unsere Arbeit hier im Abgeordnetenhaus. Das ist in keiner Weise ein Nichtthema und in keiner Weise klein, sondern eine grundsätzliche und wichtige Frage unserer Zeit.
Im Jahre 2006 wurde in Deutschland das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zur Umsetzung des europäischen Antidiskriminierungsrechts eingeführt. Das Grundanliegen dieses Gesetzes hat die damalige Bundesjustizministerin, die Sozialdemokratin Brigitte Zypries, bei den Beratungen im Bundestag auf den Punkt gebracht – ich zitiere:
Wir haben eine Gesellschaft, in der möglichst jeder nach seiner Fasson selig werden sollte. Aber … es gibt... Diskriminierung in Deutschland. Insofern ist es richtig, wenn wir uns darauf verständigen, dass der Staat Toleranz zwar nicht verordnen, aber sehr wohl durch seine Rechtsordnung deutlich machen kann, dass er Intoleranz missbilligt und für die Betroffenen Möglichkeiten schafft, sich dagegen zu wehren.
Heute, 13 Jahre später, ist dieses Grundanliegen des Gesetzes – der Schutz vor Diskriminierung – gesellschaftlich breit, auf jeden Fall breiter akzeptiert. Aber zugleich – das hat auch der Justizsenator schon ausgeführt – ist das Thema angesichts polarisierender Tendenzen in der Gesellschaft weiter hochaktuell. Denn Diskriminierung und Alltagsrassismus gehören auch 2019 leider noch zum Alltag vieler Menschen in unserem Land.
Zwei Beispiele dafür: 28 Prozent der Menschen afrikanischer Herkunft erlebten im letzten Jahr in Deutschland Diskriminierung beim Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen. Dieser Wert liegt 13 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Das ist das Ergebnis einer Sondererhebung der EU. – Zweites Beispiel: Fast jeder Vierte machte im Bildungsbereich im letzten Jahr in
(Sven Rissmann)
Deutschland Diskriminierungserfahrungen. Das ist das Ergebnis einer Erhebung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. – Diese Liste lässt sich leider problemlos fortsetzen. Für uns als Koalition ist das inakzeptabel.
Diese Koalition steht für die Vielfalt und den Respekt vor allen Menschen, ganz unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer sexuellen Orientierung und Identität.
Das bundesrechtliche Antidiskriminierungsgesetz deckt viele Lebensbereiche nicht ab. Das gilt insbesondere für das öffentlich-rechtliche Handeln einschließlich des wichtigen staatlichen Bildungsbereichs, für den die Landesebene zuständig ist. Seit 2016 gibt es in Berlin das Amt einer Antidiskriminierungsbeauftragten in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Die engagierte Arbeit der ersten Antidiskriminierungsbeauftragten Frau Saraya Gomis hat gezeigt, wie groß der Bedarf an Beratung und Unterstützung gerade hinsichtlich der Diskriminierung an den staatlichen Schulen ist. Das gilt auch für die Arbeit der Antidiskriminierungsprojekte. – An dieser Stelle deshalb herzlichen Dank für die hier geleistete Arbeit und das Aufzeigen des Handlungsbedarfs!
Wir brauchen landesgesetzliche Regelungen. Deshalb hat sich Rot-Rot-Grün auf die Einführung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes für Berlin als ein wichtiges Vorhaben dieser Koalition verständigt. – Es ist kein grünes Vorhaben, Herr Kollege Rissmann! Es ist ein wichtiges Gesamtanliegen dieser Koalition. Dafür gibt es seit vielen Jahren Beschlüsse von SPD-Parteitagen.
Nach intensiver Beratung hat der Senat den Entwurf eines Landesantidiskriminierungsgesetzes beschlossen. Berlin ist das erste Bundesland, das ein solches Gesetz auf den Weg bringt. Wir hoffen, dass uns andere Bundesländer folgen werden. Der Entwurf schafft den dringend notwendigen Diskriminierungsschutz im Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns, insbesondere im Bildungsbereich und bei den Sicherheitsbehörden. Außerdem – das ist ein weiterer wesentlicher Schritt – wird eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zum Leitbild der Berliner Verwaltung. Das begrüßen wir ausdrücklich.
Den Gesetzentwurf werden wir in den nächsten Monaten intensiv im Abgeordnetenhaus beraten. Dazu gehört eine Anhörung von Expertinnen und Experten im Rechtsausschuss. Dort ist es wichtig, sich die Perspektiven der Betroffenen von Diskriminierung anzuhören, aber auch der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Diskriminierung widerspricht den Grundlagen unserer menschenrechtsbasierten Demokratie und verhindert Chancengleichheit. Deshalb ist ein Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz unverzichtbar. – Vielen Dank!
Herr Kollege! Sie hatten eingangs den Begriff „Erziehungsdiktatur“ verwendet. Ich kann mir darunter nicht so recht etwas vorstellen, vielleicht können Sie das ausführen?
(Carsten Schatz)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast drei antisemitische Vorfälle werden in Berlin pro Tag gemeldet. Das sind die aktuellen Zahlen, die die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – kurz: RIAS – für das erste Halbjahr 2018 vorgelegt hat. Die Zahl antisemitischer Vorfälle verbleibt damit in Berlin auf konstant hohem Niveau. Hinzu kommt – das muss man immer mitbedenken – sicherlich noch eine größere Dunkelziffer. Zugleich hat sich die Zahl der gemeldeten antisemitischen Angriffe gegenüber 2017 verdoppelt. Diese traurige Realität auch in unserer Stadt zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns weiterhin gemeinsam gegen jede Form von Antisemitismus einsetzen und die Präventionsarbeit in Berlin weiter ausbauen.
Vor zehn Monaten, am 31. Mai 2018, haben wir hier in diesem Haus einen Grundsatzbeschluss zur Verstärkung und Verbesserung des Kampfs gegen Antisemitismus gefasst. Dieser Antrag – „Gegen jeden Antisemitismus! – Jüdisches Leben in Berlin schützen“; er ist schon erwähnt worden – war das Ergebnis eines mehrere Monate dauernden, konstruktiven Beratungsprozesses zwischen fünf Fraktionen und natürlich auch des intensiven Austauschs mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren der Antisemitismusprävention. Eingebracht wurde der Antrag am Ende gemeinsam von fünf Fraktionen – CDU, FDP, Grüne, LINKE und SPD. Außerordentlich begrüßt – das war etwas Besonderes, wie ich finde –, wurde unser Grundsatzbeschluss auch vom Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, der hier an dieser Stelle bei der Gedenkstunde zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome sogar ganze Passagen aus unserem Antrag verlesen hat.
Ich möchte keine Zwischenfragen, danke!
Diese Würdigung unseres Beschlusses durch die Jüdische Gemeinde gerade an diesem Tag schmerzlichen Gedenkens der Verbrechen der Nationalsozialisten hat sicher nicht nur mich bewegt. Zugleich wurde an diesem Tag offensichtlich, warum es eben so war, dass nur fünf Fraktionen diesen Antrag erarbeitet haben, denn der fraktionslose Kollege Wild und AfD-Politiker – er ist immer noch Mitglied Ihrer Partei – verhöhnte bei der Gedenkstunde die Opfer der Novemberpogrome durch das Tragen eines NS-Symbols, der blauen Kornblume.
Zehn Monate nach dem Beschluss hat der Senat nun den Auftrag des Parlaments erfüllt und ein umfassendes Konzept zur Weiterentwicklung der Präventionsarbeit gegen Antisemitismus vorgelegt. Frau Seibeld! Ich finde, es ist ein guter Aufschlag, es ist ein umfassendes Thema und der Senat hat die Zeit gerade einmal um zwei Wochen überschritten, was bei der Komplexität des Anliegens, denke ich, schon eine gute Leistung ist.
(Cornelia Seibeld)
Nein! – Eingeflossen in die Entwicklung des Konzeptes – und das begrüßen wir ausdrücklich – ist viel Expertise der Zivilgesellschaft, unter anderem aus dem Arbeitskreis „Antisemitismus“ bei der Senatskanzlei. Wir freuen uns auch, dass der Senat viele wichtige Bekenntnisse des Parlaments bekräftigt hat. Ich will hier nur das Existenzrecht und Selbstverteidigungsrecht Israels nennen und die besondere historische Verantwortung Berlins. Berlin ist, und das, denke ich, ist auch etwas, worauf wir stolz sein können, jetzt das erste Land, das eine solche eigenständige Konzeption zur Bekämpfung von Antisemitismus, Juden- und Israelhass hat.
Lassen Sie mich einige zentrale Punkte des Präventionskonzepts hervorheben: Erstens: Wie vom Parlament gefordert, wird die Arbeitsdefinition „Antisemitismus“ der Internationalen Allianz für Holocaust Gedenken in der erweiterten Form zur Grundlage des Verwaltungshandelns in Berlin. Das ermöglicht eine große Breite des Handlungsspektrums. Jede Form von Antisemitismus muss und soll abgewehrt werden, ganz egal, von welchen Personen oder welchen Personengruppen sie ausgeht. Antisemitismus ist eben nicht nur gegen Juden gerichteter Hass und Diskriminierung von Jüdinnen und Juden. Antisemitismus ist immer auch eine antimoderne Weltanschauung, die sich gegen den Humanismus und unsere freiheitliche Demokratie richtet. Deshalb muss Antisemitismus sowohl in seiner spezifischen Besonderheit als auch im Zusammenhang mit anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bearbeitet und bekämpft werden. Diese doppelte Aufgabe ist konzeptionell im Konzept abgesichert.
Zweitens: Pädagoginnen und Pädagogen, Polizistinnen und Polizisten, Justizangestellte sollen noch stärker sensibilisiert und ihre Kompetenz in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus gestärkt werden. Antisemitismus wird deshalb als Querschnittsthema in der Lehrkräfteausbildung verankert. Und es wird mehr und umfassendere Fort- und Weiterbildungsangebote für Pädagoginnen und Pädagogen geben. Das sind wichtige Schritte, damit eine angemessene und konsequente Intervention bei antisemitischen Vorfällen an Schulen gelingt.
Auch in der Aus- und Fortbildung von Justizangestellten und Polizisten und Polizistinnen wird das Thema Antisemitismusprävention ausgebaut. Die Polizei Berlin hat übrigens die erwähnte Arbeitsdefinition „Antisemitismus“ bereits Anfang 2018 als verbindliche Definition
eingeführt. Die Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft, die schon erwähnt wurde, hat bereits gemeinsam mit dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus einen Wissens- und Erfahrungsaustausch mit der Fachabteilung der Staatsanwaltschaft begonnen – auch das eine wichtige Maßnahme.
Drittens: Wirksame Prävention erfordert ein abgestimmtes Handeln. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich die Schaffung eines oder einer hauptamtlichen Ansprechpartner/-in für Antisemitismusprävention. Hauptaufgaben werden die Vernetzungsarbeit und die Koordination der vielfältigen Aktivitäten auf Landes- und Bezirksebene sein – und natürlich die Abstimmung mit dem Bund. Diese Ansprechperson, finde ich, sollte bei der Landesstelle für Antidiskriminierung angesiedelt werden, also genau dort, wo im Senat die Förderung der Arbeit für Demokratie, gegen Diskriminierung und Hassideologien koordiniert wird.
Der nächste Schritt wird nun die praktische Umsetzung des Präventionskonzepts sein, das explizit als lernendes Konzept bezeichnet wird. Da der Kampf gegen Antisemitismus uns als Fraktion sehr am Herzen liegt, werden wir diese Umsetzung und die Weiterentwicklung des Konzepts intensiv begleiten. Gerne arbeiten wir dabei auch weiter in der breiten parlamentarischen Aufstellung zusammen, die auch bereits den Ursprungsantrag eingebracht hat. In einem ersten Schritt werden wir das Konzept im Rahmen einer Anhörung im Rechtsausschuss beraten. Natürlich werden wir bei den Haushaltsberatungen im Herbst schauen, ob für das wichtige Schwerpunktthema Antisemitismus genügend Mittel auch aus Sicht der Parlamentarierinnen und Parlamentarier zur Verfügung gestellt werden. Ich gehe aber davon aus, dass der Senat hier schon einiges an Arbeit leisten wird. Das werden wir dann gemeinsam im Herbst bewerten.
Ein Wunsch – vielleicht auch in Richtung Senat: Es wäre schön, wenn wir noch in dieser Wahlperiode einen ersten Zwischenbericht zur Umsetzung bekämen, damit dieses Parlament, das das angeschoben hat, darüber noch in dieser Zusammensetzung beraten kann.
Schließen möchte ich mit einem Zitat von Lala Süsskind, der Vorsitzenden des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus. Dieser jüdische Verein ist Träger mehrerer Projekte, die durch das Landesprogramm „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ gefördert werden. Ich zitiere Lala Süsskind:
Der Kampf gegen Antisemitismus ist nicht nur wegen oder für die Juden zu führen, sondern für die offene, liberale, tolerante und demokratische Gesellschaft.
In diesem Sinn: Tun wir gemeinsam etwas für unsere Demokratie und eine menschliche, demokratische Stadtgesellschaft! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Menschen afrikanischer Herkunft gehören zu Berlin, und das schon seit vielen Generationen. Dennoch sind diese Menschen bis heute besonders häufig Diskriminierungen und Rassismus ausgesetzt. Wir setzen uns als Koalition dafür ein, dass sich das ändert.
Die Perspektive und die Erfahrungen von schwarzen Menschen müssen mehr Beachtung finden, und ihr Schutz vor Diskriminierung muss nachhaltig verbessert werden. Heute bekräftigen wir mit diesem Antrag, dass Berlin sich engagiert an der Umsetzung der Internationalen UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft beteiligt. Zentral sind dabei das Sichtbarmachen und die Erfassung von antischwarzem Rassismus und die Entwicklung von Gegenmaßnahmen. In die Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung – Frau Seibeld – haben wir als Koalition großes Vertrauen und wissen, dass hier gute und wichtige Arbeit geleistet wird. Und in der Tat: Die Landesstelle hat bereits einen breiten Konsultationsprozess begonnen, dessen Ergebnisse wir hier im Haus beraten werden.
Unabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen aller Aktivitäten zur UN-Dekade sind die Mitwirkung und Einbeziehung von Selbstorganisationen und Akteurinnen und Akteuren der Community. Das ist deshalb wichtig, weil viel zu lange über diese Menschen geredet worden ist. Darum gilt, jetzt sichtbar zu machen, welche Sichten es gibt. Es geht um Multiperspektivität, und es geht darum, dass sichtbar und beachtet wird, wie Geschichte, Diskriminierung auf Menschen wirkt und sie selbst empowert werden, sich hier aktiv einzubringen.
(Sebastian Walter)
Zur Umsetzung der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft gehört auch die weitere Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Berlins als Hauptstadt des Deutschen Reiches. Vor knapp 100 Jahren musste Deutschland gemäß dem Versailler Vertrag seine Kolonien abtreten. Die demokratisch gewählte Weimarer Nationalversammlung legte im März 1919 gegen diese Abtretung Protest ein, mit großer Mehrheit bei nur sieben Gegenstimmen. Aus heutiger Perspektive ist das schwer vorstellbar.
Nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Prozess werden in Berlin-Mitte, im sog. Afrikanischen Viertel, nun endlich drei Straßen umbenannt werden. Es ist gut, dass dort künftig nicht mehr an ehemalige Kolonialherren, sondern an Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen Kolonialismus, Rassismus und Apartheid erinnert werden wird.
Ohne das unermüdliche Engagement der afrikanischschwarzen Community und zivilgesellschaftlichen Initiativen wären wir mit Sicherheit noch nicht so weit. Dafür an dieser Stelle unsere Anerkennung und unseren Dank!
Die Spuren der Kolonialgeschichte in unserer Stadt müssen sichtbar gemacht und kommentiert werden. Wir brauchen einen Lern- und Erinnerungsort zur deutschen Kolonialgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Bund. Die Perspektiven der Menschen aus den Ländern, die damals von Deutschland, vom Deutschen Reich, kolonialisiert wurden, und ihrer Nachkommen sind dabei einzubeziehen.
Menschenrechtsbasierte Demokratieförderung und der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus sind dieser Koalition ein wichtiges Anliegen. Im Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden wichtige Projekte gegen Rassismus gefördert. Stellvertretend möchte ich hier das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ erwähnen, das Schülerinnen und Schüler sensibilisiert und befähigt, gegen Rassismus aufzustehen.
Nein, danke! – Gefördert werden im Landesprogramm auch Projekte zur Erfassung von rassistischen Übergriffen und zur Opferberatung. Ein wichtiger nächster Schritt ist das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz. Nutzen wir die Chancen und Impulse der Internationalen UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung,
damit es in Berlin mehr gleichberechtigte Teilhabe und weniger antischwarzen Rassismus gibt!
Schließen möchte ich mit einem Gedicht der Dichterin und Mitbegründerin der afrodeutschen Bewegung May Ayim. Seit 2010 ist in Kreuzberg eine Straße nach ihr benannt. Auch sie erinnerte vorher an einen Kolonialpionier, Gröben. Ich zitiere:
meine heimat ist heute der raum zwischen gestern und morgen die stille vor und hinter den worten das leben zwischen den stühlen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fast 1 000 antisemitische Vorfälle, darunter 18 Angriffe, 23 Bedrohungen erfasste die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – kurz: RIAS – für das letzte Jahr in Berlin. Eine erschütternde Zahl, die deutlich
macht, wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam aufstehen – gegen jede Form von Antisemitismus.
Aufrüttelnd sind auch die Ergebnisse einer quantitativen Befragung von Jüdinnen und Juden zur ihrem persönlichen Erleben von Antisemitismus, die die unabhängige Expertenkommission Antisemitismus des Bundestags in Auftrag gegeben hat. Danach haben fast zwei Drittel der befragten Jüdinnen und Juden im letzten Jahr versteckte antisemitische Andeutungen erleben müssen, ein Drittel sogar Beleidigungen und Belästigungen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die hohe Bedeutung des Kampfs gegen Antisemitismus vor Kurzem trefflich beschrieben:
Antisemitismus zerstört am Ende Heimat für alle, und deshalb sind öffentliche Einrichtungen, auch die Polizei und die Justiz, dazu aufgerufen, Antisemitismus zu bekämpfen. Aber wir dürfen es als Gesellschaft nicht nur den öffentlichen Einrichtungen überlassen, sondern wir müssen auch den Mut und die Courage im Alltag selbst zeigen.
Schon bei den letzten beiden Plenarsitzungen haben wir uns aufgrund aktueller antisemitischer Vorfälle und des bevorstehenden al-Quds-Tages mit dem Thema Antisemitismus in unserer Stadt beschäftigt. Heute beraten wir einen Grundsatzbeschluss zur Verbesserung und Verstärkung des Kampfs gegen Antisemitismus in unserer Stadt. Der vorliegende Antrag – Gegen jeden Antisemitismus! – Jüdisches Leben in Berlin schützen! – ist das Ergebnis eines langen, mehrere Monate dauernden Beratungsprozesses zwischen den Fraktionen. Außerdem, und das ist mir wichtig, ist in den Antrag viel Expertise von zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Stadt im Bereich Antisemitismusprävention eingeflossen. Die Konzentration auf das gemeinsame Ziel und die Kompromissbereitschaft im Kleinen haben es ermöglicht, dass heute fünf Fraktionen dieses Hauses den Antrag gemeinsam einbringen. Für die gute Zusammenarbeit möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!
Der Antrag umfasst wichtige Bekenntnisse wie die Übernahme historischer Verantwortung für den Holocaust, für eine demokratische Erinnerungskultur sowie zum Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels. Außerdem erteilen wir antisemitischen Boykottaufrufen eine klare Absage. Das gilt auch für die Boykottkampagne BDS – Boycott, Divestment and Sanctions –, also Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Diese Kampagne orga
(Katrin Schmidberger)
nisierte selbst am 9. November des letzten Jahres, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, eine Israel-Boykottaktion. Solche antisemitischen, den Staat Israel als Ganzes dämonisierenden Organisationen sollen in Berlin keine Räume, Zuwendungen oder Zuschüsse des Landes erhalten.
Kernstück des Antrags ist ein umfassendes Konzept zur Weiterentwicklung der Präventionsarbeit gegen Antisemitismus in Berlin. Dieses Konzept soll der Senat bis Ende Februar 2019 erarbeiten. Zivilgesellschaftliche Expertise und jüdische Organisationen sind dabei einzubeziehen. Zentral in diesem Konzept ist einmal die Stärkung der Präventionsarbeit an Schulen und in der Jugendsozialarbeit. Zentral ist auch die Schaffung einer koordinierenden Stelle des Landes zur Abstimmung zwischen Bund, Land und Bezirken. Wichtig ist die detaillierte Erfassung antisemitischer Vorfälle, sind Studien zu antisemischen Akteuren und Akteurinnen und natürlich die Evaluation und Verstetigung von Präventionsarbeit.
Kurz zum Änderungsantrag der AfD: Schon in der letzten Plenarsitzung habe ich darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, sich auf muslimischen Antisemitismus zu fokussieren. Wir müssen gegen alle Formen von Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit vorgehen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, unseren Antrag noch einmal genauer lesen, stellen Sie fest, dass unter Punkt 7 konkret gesagt wird, dass Antisemitismus auch die verstärkenden Faktoren einer Einwanderungsgesellschaft berücksichtigen muss.
Jüdisches Leben und jüdische Kultur gehören zu Berlin. Wir werden sie fördern und unterstützen. Wir wollen, dass Jüdinnen und Juden sich in dieser Stadt sicher fühlen können. Wir stehen auf der Seite derjenigen, die gegen Hass und Antisemitismus aktiv sind.
Seit heute wird im Jüdischen Museum die Kippa des jungen Israeli gezeigt, der vor wenigen Wochen in Prenzlauer Berg einen brutalen antisemitischen Übergriff erleiden musste. Sie wird dort unter „Kippa des Anstoßes“ gezeigt und soll zu einem Dialog gegen Intoleranz anregen. Es ist ein schönes Zusammentreffen, dass wir am selben Tag hier in diesem Haus ein wichtiges und umfassendes Präventionskonzept gegen Antisemitismus auf den Weg bringen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der al-Quds-Marsch ist antisemitisch und schwer erträglich. Schwer erträglich ist aber auch die Instrumentalisierung dieses wichtigen Themas durch die AfD-Fraktion.
Wir wenden uns – und das ist der entscheidende Unterschied – entschieden gegen alle Formen von Antisemitismus, namentlich auch gegen israelbezogenen Antisemitismus. Schon seit vielen Jahren unterstützt die Berliner SPD gemeinsam mit vielen jüdischen und gesellschaftlichen Organisationen und anderen Fraktionen in diesem Haus die Demonstration gegen den al-QudsMarsch. Auch in diesem Jahr werden wir wieder breit zur Gegenkundgebung aufrufen. Ein präventives Verbot dieses antisemitischen Marsches, wie es immer wieder gefordert wird, war bisher rechtlich nicht möglich. Das hat seinen Grund darin, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in unserer Geschichte hart erkämpft wurden und grundgesetzlich geschützt sind. Die Hürden für ein Präventivverbot einer Versammlung sind deshalb aus gutem Grund hoch.
Es trifft aber keineswegs zu, dass diese Versammlung völlig ungestört, wie Sie es behauptet haben, stattfindet, sondern für den al-Quds-Marsch wird es in diesem Jahr wie auch in den letzten Jahren starke Auflagen durch die
(Dr. Hugh Bronson)
Polizei geben. Untersagt wird das Werben für die Hisbollah und ihr nahestehende Organisationen, das Zeigen ihrer Kennzeichen, Symbole oder Embleme. Untersagt sind menschenfeindliche, antisemitische Parolen, diffamierende Äußerungen. Verboten ist das Verbrennen von Gegenständen wie Fahnen oder Puppen.
Die AfD-Fraktion hat die Sofortabstimmung dieses Antrags beantragt. Diese Notwendigkeit sehen wir nicht. Der al-Quds-Marsch findet erst in dreieinhalb Wochen statt und – anders, als Sie es in Ihrem Antrag schreiben – wohl auch erst am Samstag, dem 9. Juni. Wir werden den Antrag – das ist unser Vorschlag – deshalb an den Innenausschuss überweisen und dort, wie es üblich ist, sozusagen retrospektiv über den konkreten Verlauf der diesjährigen Demonstration und die Wirksamkeit der erteilten Auflagen beraten.
Muslimischer Antisemitismus, wie er sich zum Beispiel beim al-Quds-Marsch zeigt, ist besorgniserregend. Aber es ist nicht die einzige Form von Antisemitismus. Wichtig ist deshalb, wie ich es eingangs betont habe, dass wir uns allen Formen von Antisemitismus entgegenstellen. Dazu gehören selbstverständlich auch der deutschvölkische Antisemitismus und der Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, ein glaubwürdiger Partner beim Kampf gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit sein wollen, dann müssen Sie hier nacharbeiten! Es reicht nicht, sich auf muslimischen Antisemitismus zu beschränken.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Beim nächsten Mal bei meiner Rede zuhören! – Torsten Schneider (SPD): Das zu hören, tut wohl weh, Herr Pazderski!]
Ich habe das Wort! – Mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine da. Ich zitiere aus dem Beitrag „Die AfD und der Antisemitismus“ des Politikwissenschaftlers Prof. Armin Pfahl-Traughber – Zitat –:
Dabei wird deutlich, dass die Partei einen instrumentellen Bezug zum Thema hat: Antisemitismus wird primär bei Flüchtlingen und Muslimen gesehen. Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft und in der eigenen Partei hingegen nimmt man kaum zur Kenntnis. Dies wäre aber durchaus notwendig …
Der Politikwissenschaftler Pfahl-Traughber kommt zu folgendem Ergebnis: Die AfD ist – ich zitiere – „eine
Partei mit einem Antisemitismus-Problem“ – Zitat Ende. Dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Ihrer Frage: Das Versammlungsrecht – das habe ich schon dargestellt – hat einen hohen Verfassungsrang. Das ist auch gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ein wichtiger Punkt. Deshalb ist an dieser Stelle der Weg mit den Auflagen, der hier gegangen wird, der richtige Weg.
Wie die Zwischenrufe ja schon deutlich machen, sollten Sie jetzt wahrscheinlich in Ihrer Fraktion wirklich noch mal klären, was das Ziel ist.
Ich möchte noch mal deutlich machen, dass alle anderen Fraktionen in der Vergangenheit und auch sicherlich in diesem Jahr breit mit gesellschaftlichen Organisationen zu der Gegendemonstration aufrufen. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern Abend waren zahlreiche Mitglieder dieses Hauses, darunter der Regierende Bürgermeister und andere Mitglieder des Senats, bei der Solidaritätsaktion „Berlin trägt Kippa“ der Jüdischen Gemeinde Berlin. Ich fand,
das war eine bewegende Kundgebung. Mehr als 2 500 Berlinerinnen und Berlin sind in die Fasanenstraße gekommen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam Gesicht zeigen – Gesicht zeigen gegen Antisemitismus, gegen Intoleranz, für Menschenwürde und Religionsfreiheit in unserer Stadt.
Die Aktualität des Themas wurde gestern Abend auf beschämende Weise deutlich, und zwar parallel zur Kundgebung. Zeitgleich musste eine privat angemeldete Solidaritätsaktion gegen Antisemitismus auf dem Hermannplatz abgebrochen werden. Nur wenige Minuten nach Beginn gab es antisemitische Beleidigungen, und die israelische Fahne wurde entwendet. Im Ergebnis fühlten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht mehr sicher. Die Aktion wurde beendet. Für uns gilt: Jeder Angriff auf Jüdinnen und Juden ist ein Angriff auf uns alle und unsere pluralistische Gesellschaft. So hat es Michael Müller gestern Abend bei der Kundgebung in der Fasanenstraße richtig formuliert.
Heute wollen wir hier im Parlament ein weiteres Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Intoleranz setzen, und ich freue mich sehr, dass es uns trotz der Kurzfristigkeit in vielen Gesprächen gelungen ist, dass fünf Fraktionen aus diesem Haus den Entschließungsantrag jetzt gemeinsam einbringen.
947 antisemitische Vorfälle gab es im letzten Jahr in Berlin – eine bedrückende Zahl! Sie stammt aus dem Bericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – RIAS – für das letzte Jahr, den das Projekt letzte Woche öffentlich vorgestellt hat. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2016. Ob das auf einen wirklichen Anstieg der Vorfälle oder darauf zurückzuführen ist, dass das Meldenetzwerk noch recht jung ist, ist nicht ganz abschließend zu klären. Klar ist aber, dass fast 1 000 antisemitische Vorfälle im letzten Jahr deutlich machen, wie wichtig und notwendig unsere Arbeit gegen alle Formen von Antisemitismus ist.
Deshalb fördern wir in Berlin insbesondere im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eine Vielzahl von Projekten gegen Antisemitismus, darunter die bereits erwähnte Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – RIAS –, das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus und viele mehr. Und wir fördern Antisemitismusprävention an Schulen, selbstverständlich auch Projekte zur Antisemitismusprävention, die insbesondere die Zielgruppe muslimisch sozialisierter Jugendlicher im
Blick haben, und auch Projekte, die sich direkt an junge Geflüchtete wenden. Deswegen sage ich mit Blick auf den Änderungsantrag der AfD, dass wir diesen ablehnen werden.
Im letzten Doppelhaushalt haben wir den Bereich Antisemitismusprävention insgesamt ausgebaut. Aber das ist uns noch nicht genug. Wir wollen, politisch breit aufgestellt, die Antisemitismusprävention weiter stärken und optimieren. Voraussichtlich schon im Mai werden wir das Thema deshalb hier in diesem Haus wieder aufrufen.
Die Zahl der Menschen in dieser Stadt, die Opfer von Intoleranz, Hass und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit werden, wächst. Das dürfen und werden wir nicht hinnehmen. Wir verurteilen die Aufrufe zur Gewalt gegen Frau Seyran Ateş und die anderen Mitglieder der IbnRushd-Goethe-Moschee. Ebenso verurteilen wir die Anschläge auf Moscheen wie den Brandanschlag auf die Koca-Sinan-Moschee-Gemeinde. Jeder und jeder hat in unserer Gesellschaft das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, jede und jeder hat das Recht, seine religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen ohne Angst vor Verfolgung und Gewalt zu leben,
und zwar immer, solange das Recht anderer Menschen nicht verletzt wird. Toleranz und Religionsfreiheit haben in unserer Stadt eine jahrhundertealte Tradition. Tun wir unseren Teil dazu, für ein menschenrechtsbasiertes, friedliches Zusammenleben in unserer Stadt der Vielfalt! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich mit drei Richtigstellungen. Erstens: Diese Koalition duldet keinen Linksextremismus.
Das zu behaupten ist eine Unverschämtheit, und wir weisen das klar zurück.
Zweitens: Diese Koalition steht außerdem für eine gewaltfreie politische Auseinandersetzung. Das Gegenteil zu behaupten, ist eine Unterstellung, diese weisen wir zurück.
Drittens: Diese Koalition finanziert auch keinen Linksextremismus. Auch diese Behauptung weisen wir zurück.
In der Bekämpfung von Linksextremismus sind wir in Berlin gut aufgestellt.
Für Beobachtung und Aufklärung stehen die notwendigen Mittel zur Verfügung – und bei Ihnen fehlt es offensichtlich am notwendigen Ernst für das Thema, das Sie selbst beantragt haben.
In den beiden nächsten Jahren gibt es außerdem zusätzliche Stellen beim polizeilichen Staatsschutz, beim
Landeskriminalamt und beim Verfassungsschutz. Unser Innensenator wird diesen Punkt nachher weiter ausführen.
Wenn man sich die Rede des Kollegen Gläser von der AfD zum Thema Linksextremismus anhört, ist es schon überraschend, dass die AfD-Fraktion in den Haushaltsberatungen bisher keinen einzigen Antrag zum Thema Linksextremismus gestellt hat. Es gibt keinen Änderungsantrag der AfD-Fraktion für mehr Mittel zur Bekämpfung des Linksextremismus, keinen Änderungsantrag für mehr Stellen zur Beobachtung und Aufklärung von Straftaten in diesem Bereich, keinen Änderungsantrag für ein Landesprogramm gegen Linksextremismus. Im Innenausschuss gab es einen einzigen Änderungsantrag Ihrer Fraktion: Die Mittel für Abschiebungen sollten erhöht werden. Auch im Verfassungsschutzausschuss, im Rechtsausschuss hat die AfD-Fraktion in den Haushaltsberatungen keine Änderungsanträge hierzu eingebracht.
Nein!
Grundsätzlich nein!
Ist diese ganze Aktuelle Stunde am Ende nur heiße Luft, oder haben Sie den Sinn der parlamentarischen Haushaltsberatungen noch nicht verstanden?
Oder geht es Ihnen am Ende um etwas ganz anderes? Was die AfD-Fraktion politisch will, wird deutlich, wenn man sich ihre tatsächlich gestellten Änderungsanträge anschaut. Gestern Abend im Rechtsausschuss beantragte die AfD-Fraktion die Kürzung des Landesprogramms „Demokratie, Vielfalt, Respekt – gegen Rechtsextremis
mus, Rassismus und Antisemitismus“ um ein Drittel bzw. 1,7 Millionen Euro.
Eben sind Sie quasi noch weiter gegangen und wollten alles streichen, was dieses Programm betrifft, selbst die Arbeit des Anne-Frank-Zentrums. Aber wir bleiben jetzt mal bei den Anträgen, die Sie tatsächlich gestellt haben, denn das ist ja das, wozu Sie sich offensichtlich vereinbaren konnten.
Streichen wollen Sie die gesamte Förderung der beiden mobilen Beratungsteams MBR und MBT Berlin,
zwei wichtige Leitprojekte der Berliner Landeskonzeption für Demokratie, die lokale Akteure und Initiativen beraten. Was würde das konkret bedeuten? – Konkret berät und unterstützt das mobile Beratungsteam MBR zum Beispiel die vom rechten Terror in Neukölln Betroffenen. Das sind Menschen, die sich für unsere Demokratie, für die plurale Gesellschaft engagieren und die genau wegen dieses Engagements bedroht werden, deren Autos angezündet werden und deren Familien Angst haben. Und Sie, meine Herren und Damen von der AfDFraktion, möchten die Beratung dieser Menschen also offensichtlich nicht mehr finanzieren.
Sie möchten, dass dieses ein Privatproblem dieser Menschen ist.
Das ist mit uns nicht zu machen. Wir stehen hier klar auf der Seite der Betroffenen.
Streichen möchte die AfD-Fraktion auch die Förderung der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Das ist immerhin deutlich.
Auch dies ein anerkannter Träger, dessen Projektarbeit für Menschenrechte und demokratische Kultur
seit vielen Jahren die von verschiedenen – –
Danke, Herr Präsident! – Die Amadeu-Antonio-Stiftung ist ein anerkannter Träger, dessen Projektarbeit von verschiedenen Koalitionen auf Bundes- und Landesebene seit Jahren gefördert wird. Was hieße diese Streichung konkret? – Finanziert wird mit der Landesförderung u. a. eine Kofinanzierung für ein Bundesmodellprojekt im Rahmen des Programms „Demokratie leben“.
Hier geht es um Jugendarbeit, Antisemitismusprävention, Rassismusprävention.
Melden Sie sich doch danach!
Danke schön! – Es zeigt ja offensichtlich, dass das einen wunden Nerv trifft.
Eine Bundesförderung in Höhe von 150 000 Euro wäre durch diese Streichung gefährdet.
Bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stehen wir – genau wie beim Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten – in einer historischen Verpflichtung. Dazu gehören für uns auch die Förderung von Menschenrechts- und Demokratiebildung und der Schutz unserer Grundwerte.
Genau in dieser Tradition steht das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Es ist ein Förderprogramm für demokratiefördernde Arbeit. Hauptziele sind die Förderung einer demokratischen politischen Kultur, die Förderung einer Kultur der Anerkennung, des Respekts und der Menschenwürde.
Dieses Förderprogramm gibt es seit 15 Jahren. Es genießt, offensichtlich abgesehen von Ihnen, eine breite gesellschaftliche und politische Unterstützung. Das Programm ist in dieser Zeit von verschiedenen Koalitionen weiterentwickelt und ausgebaut worden. Auch wir als rotrot-grüne Koalition werden dieses Programm entsprechend den aktuellen Herausforderungen weiter ausbauen.
Vielleicht ist das Thema dieser Aktuellen Stunde aber auch deshalb Linksextremismus, durch Sie angemeldet, weil Sie als AfD-Fraktion wirklich vermuten, dass der Kampf gegen rechts von Linksextremistinnen und Linksextremisten geführt wird. Ein bisschen klang es vorhin so, wenn Herr Gläser sagt: Linksextremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft. – Dazu passt auch, dass Sie eine vermeintliche Zusammenarbeit zwischen Projekten, die im Rahmen des Landesprogramms gefördert werden, und linksextremistischen Organisationen durch Mitglieder Ihrer Fraktion systematisch abgefragt haben. Selbst Gewerkschaften wird eine Unterstützung linksextremistischer Aktivitäten unterstellt.
Um das zu veranschaulichen, möchte ich kurz aus einer Kleinen Anfrage des Kollegen Weiß mit dem schönen Titel „Linksextremistische Netzwerke“ aus diesem Sommer zitieren – ich zitiere:
Kam es seit 2010 zu Fällen von öffentlicher Unterstützung linksextremistischer Organisationen, Personen, Veranstaltungen oder Aktionen durch zum jeweiligen Zeitpunkt aktive ehemalige oder spätere Mitglieder der Gewerkschaft Verdi?
Oder auch sehr schön – ich zitiere weiter:
Kam es seit 2010 zu Fällen von öffentlicher Unterstützung linksextremistischer Organisationen,
Personen, Veranstaltungen oder Aktionen durch zum jeweiligen Zeitpunkt aktive, ehemalige oder spätere Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes?
Diese Diffamierung von Menschen, die sich für Menschenrechte und Demokratie starkmachen, weisen wir entschieden zurück.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus, für eine demokratische und plurale Gesellschaft wird in dieser Stadt glücklicherweise von einer breiten Mehrheit getragen. Als Koalition ist es uns ein Herzensanliegen, die Engagierten zu unterstützen und bürgerschaftliches Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt überall in dieser Stadt zu stärken, diesen Weg werden wir weitergehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Welche Informationen hat der Senat zum aktuellen Fall eines Berliner Schülers, der nach antisemitischen Beleidigungen und einem Angriff durch Mitschüler seine Schule verlassen hat, und wie bewertet der Senat diesen Vorfall?
Herzlichen Dank für diese Ausführungen! – Mich würde noch interessieren, welche Angebote es insgesamt in Berlin in diesem Bereich für betroffene Schülerinnen und Schüler und für Schulen gibt, die präventiv gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit arbeiten wollen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Das Vergessen … ist Teil der Vernichtung selbst“, so hat es sehr treffend der französische Philosoph Jean Baudrillard formuliert. Morgen vor 72 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das größte deutsche Vernichtungslager, das KZ Auschwitz, von den Truppen der Roten Armee befreit. Mit dem Antrag möchten wir einen Beitrag leisten, einen Beitrag gegen das Vergessen, einen Beitrag für das Wachhalten der Erinnerung. Wir gedenken der Opfer, der barbarischen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus beinhaltet für uns aber auch, wie Wolfgang Thierse es richtig formuliert hat, eine nachdrückliche Forderung zur Wachsamkeit, eine Wachsamkeit gegenüber allen möglichen Gefahren für unsere Demokratie und für die unteilbaren Menschenrechte.
Menschenverachtende Hetze, Antisemitismus und Rassismus treten wir entschieden entgegen. Ebenso entschieden weisen wir jeden Versuch zurück, nachträglich die ungeheuerlichen Verbrechen der barbarischen Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten zu relativieren.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD! Sie haben heute hier die Chance, sich in der Debatte klar zu distanzieren von den unerträglichen Äußerungen Ihres Parteikollegen Björn Höcke. Bisher scheint es hier leider keine einheitliche Linie zu geben. Bitte nutzen Sie die Chance, stellen Sie das heute hier klar!
Das Berliner Abgeordnetenhaus veranstaltet seit 14 Jahren das Jugendforum „denk!mal“ zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und gegen Rechtsextremismus. Dieses Mal waren 50 Projekte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen dabei. Mich hat besonders das Projekt „Gedenken gestalten“ der Helmuth-James-vonMoltke-Grundschule aus Charlottenburg beeindruckt. An einem goldenen Band der Erinnerung haben die Schülerinnen und Schüler ihre Wünsche und Gedanken festgehalten. Dort steht, in noch kindlicher Handschrift: „Ich hoffe, dass die Menschen aus der Vergangenheit lernen.“ – Dieser Wunsch sollte unser aller Ansporn sein. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Pazderski! Ich finde es schade, dass Sie hier die Verfahrensfragen diskutiert haben. Dazu gibt es geeignetere Orte. Ich finde es auch schade, dass Sie die Gelegenheit nicht genutzt haben, sich hier klar und namentlich von den Äußerungen von Björn Höcke zu distanzieren. Das sollten Sie tun!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Torsten Schneider (SPD): Dafür hat er keine Mehrheit in seiner Fraktion! – Frank-Christian Hansel (AfD): In der Fraktion hat er dabei gar kein Problem! – Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hat schon oft seine Ablehnung politisch motivierter Gewalt bekräftigt. Dazu braucht es keine Initiative der AfD-Fraktion.
Herr Weiß! Ihr Beitrag war leider ein Paradebeispiel für das, was wir in der politischen Debatte erleben, eine Verrohung in der verbalen politischen Auseinandersetzung.
Demokratische Institutionen werden diffamiert. Es wird keine ernsthafte Debatte geführt. Bevölkerungsgruppen werden pauschal abgewertet. Dagegen müssen wir uns als Parlament wenden.
Es ist eine wichtige Ergänzung eines solchen Antrags, dass wir ein klares politisches Bekenntnis gegen Diffamierungen hineinschreiben.
Denn mit dieser Art von Diffamierungen wird die Saat gelegt für politisch motivierte Hasskriminalität,
(Thorsten Weiß)
gegen die wir uns wenden. Gut finde ich an dem Ersetzungsantrag, den die FDP hier eingebracht hat, dass wir zugleich sagen, wie wichtig das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist, und zugleich beschreiben, in welchem Kontext sie steht. Sie steht im Kontext unserer Rechtsordnung. All dieses sollten wir gemeinsam in Ruhe, und anders als hier von Ihnen begonnen, beraten, und zwar in den Ausschüssen. – Herzlichen Dank!