Hans-Georg Lorenz
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nicht zu Wort gemeldet, um Ihnen nach der Entscheidung Vorwürfe zu machen. Ich weiß nicht, ob Sie Recht behalten werden oder ob ich Recht behalten werde. Ich hoffe, dass Sie Recht behalten. Die Berliner Erfahrungen sprechen allerdings eher gegen Ihre Meinung.
Was mich bewegt, zu Ihnen zu sprechen, ist etwas anderes. Wer mit den Bürgern Kontakt hat weiß, dass eine Mehrheit von Wählern nicht hinter dieser Entscheidung steht. Auch die Mitglieder von SPD und PDS, wahrscheinlich auch der CDU, würden bei einer Befragung nicht das Votum ihrer Abgeordneten teilen. In einer repräsentativen Demokratie ist die demokratische Legitimation einer solchen Entscheidung selbstverständlich nicht gefährdet. Dennoch ist es problematisch, wenn die Meinung von Repräsentanten und Repräsentierten, von Abgeordneten und Bürgern so weit auseinandergehen. Häufen sich solche Entscheidungen, entziehen sich die Bürger der Politik.
Wo Demokraten versagen, finden sich sehr schnell andere. Die Anzeichen mehren sich nicht nur im Journalistenverband.
Ideologie ist die Verweigerung der Realität, weil man die Wahrheit zu kennen glaubt. Die Bürger leben mehrheitlich in einer harten Realität, der sie sich gar nicht entziehen können. Nur die, denen es gut geht, können sich der Realität verweigern, sich gegebenenfalls eine eigene kaufen.
Der Mehrheit der Bürger geht es nicht mehr gut, schon lange nicht mehr. In einer Stadt, in der alle großen Privatisierungen schief gegangen sind und für die Menschen andauernde, schmerzhafte Folgen haben, sollte man die Bürger, die daran zweifeln, dass sich ein Geierfonds als Wohltäter des Gemeinwesens erweisen wird, respektieren. Die Menschen haben die Erfahrung auf ihrer Seite, was schwerer wiegt als alle Hoffnungen, die hier wieder entfacht werden. Bei der Gründung der Bankgesellschaft wurden die Gegner als „Miesepeter“ verächtlich gemacht. Die Bankgesellschaft hat die Stadt viele Milliarden gekostet. Und auch die Entscheidung bei den Wasserbetrieben ist nicht billig gewesen.
Zur Daseinsvorsorge gehört in einer Stadt, in der Hunderttausende – Kinder, Erwachsene und Familien – unterhalb der Armutsgrenze leben, bezahlbarer Wohnraum. Durch den Verkauf der GSW reduzieren wir den staatlichen Einfluss auf die Gestaltung der Mietpreise drastisch, denn die Mietpreise steigen auch jetzt schon gewaltig, ganz im Gegensatz zu dem, was der eine oder andere behauptet. Da wird das Geld, das wir für höhere Mieten über Sozialhilfe und Wohngeld sowie durch die Reduzierung der Kaufkraft verlieren, noch der geringste Verlust sein. Schwerer wiegt der Eindruck der Menschen, dass uns ihre Nöte nicht bewegen.
Demokratie kann auf die Dauer nicht überleben, wenn keine Übereinstimmung mehr zwischen Bürgern und Abgeordneten besteht. Sicherstes Zeichen dafür, dass diese Übereinstimmung in Berlin nicht mehr besteht, war die Europawahl, wo sich zwei Drittel der Wähler den kandidierenden Parteien gänzlich verweigert haben.
Ratzmann
Die Entscheidung über den Verkauf der GSW trägt die Züge eines schlechten Geschäfts. Sicher ist, dass die Kluft zwischen den Hunderttausenden und uns vertieft wird, jenen Hunderttausenden, die meinen, dass wir sie nicht mehr verstehen. Aus diesem Grunde habe ich Nein gesagt!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich immer, wenn ich zur Moral reden darf, insbesondere der Moral anderer.
Ich sage nicht, dass ich dazu qualifiziert bin. Aber einige wollen mir diese Rolle unterschieben, und insofern will ich mich vor solchen Stellungnahmen nicht drücken.
Frau Klotz, die Rede hatte mit dem, was in den Anträgen steht, wenig zu tun. Wenn Sie Herrn Momper als ein Problem empfinden – mit dem, was Sie da vorschlagen, werden Sie das Problem nicht lösen.
Nein, damit werden Sie es nicht lösen. Die Abwahl von Herrn Momper müsste dann so vonstatten gehen, dass sich eine Mehrheit findet, die sich auf eine Abwahl einigt, und sodann müsste es eine Zweidrittelmehrheit geben, die das dann auch tatsächlich tut. – Wir sind der Meinung, dass dieses Gesetz gut wäre und dass auch die Verfassungsänderung gut wäre.
Es ist richtig, dass ein Präsident abgewählt werden kann, wenn er zu einer ernsthaften Gefährdung des Ansehens des Parlamentes geworden ist – solche Fälle sind denkbar. Das ist eine vernünftige Lösung,
und darüber werden wir reden, und dann werden wir dies auch positiv abstimmen. Ich schätze, wir kommen da schnell auf einen gemeinsamen Nenner.
Auch hinsichtlich der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses werden wir Einigung erzielen. Ich finde sogar, dass jeder Abgeordnete sagen sollte, welche Nebenverpflichtungen er hat und in welche Strukturen er eingebunden ist. Nicht, damit er diese Aufgaben dann nicht mehr weiter wahrnehmen kann, sondern weil ich gern wissen will, mit wen ich rede und welchen Interessen dieser unterliegt.
Das ist eine sehr vernünftige Lösung, und wir werden uns dieser Lösung nicht verschließen. Insofern habe ich mit
diesen Anträgen, Frau Klotz, überhaupt keine Schwierigkeiten.
Wer aber wirklich konsequent sein will, und ein Parlament von zwar nicht Heiligen, doch ganz reinen Geistern und Seelen haben will, – –
Wir haben uns hier entschlossen, das jemand einen Beruf ausüben kann. Und das hat auch seine Vorteile, weil diejenigen, die aus der Berufswelt kommen, auch Erfahrungen einbringen. Herr Ratzmann, wir beide wissen, wovon wir reden.
Herr Steffel, Sie haben doch zu Recht gesagt, Sie wüssten, was in der Wirtschaft los ist. Das ist doch in Ordnung.
Ja, natürlich, ganz viel! Fast so viel wie bei Ihnen! Da gibt es keine Frage.
Lassen Sie uns also bitte konkret über wirkliche Verstöße diskutieren. Dagegen habe ich nichts.
Da kann sich derjenige auch verteidigen. Aber lassen Sie uns bitte nicht abgleiten auf eine Verdächtigungsdiskussion, die ein Niveau hat, das man bei einer Verfassungsdiskussion nicht haben sollte. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Gegen Herrn Strieder würde ich nie eine Kurzintervention machen.
Witze, die man erklären muss, sind schlecht.
Ich wollte nur Folgendes sagen: Herr Braun, ich fand Ihre Rede im letzten Teil auch sehr nachdenklich, fand sie gut. Aber das, was Sie über Herrn Momper und die Reaktion der SPD gesagt haben, veranlasst mich, kurz zu erwidern.
Erstens, zu den Haushaltsgesetzen, die Herr Momper unterzeichnet hat: Ich habe das Urteil des Berliner Verfassungsgerichts zum wiederholten Mal gelesen und analysiert. Ich bin sicher, dass die Haushalte der letzten zehn Jahre alle verfassungswidrig waren und dem Darlegungsgebot der Verfassung nicht entsprochen haben,
Zu der Frage der Sensibilität: Ich bestreite nicht, dass es in allen Parteien eine gewachsene Sensibilität bezüg
lich der Verquickung von politischer und beruflicher Tätigkeit gibt. Ich finde es aber komisch, dass Sie sagen, das sei alles kein Problem. Andere in Ihrer Partei sehen das offensichtlich anders. Wenn man als Partei meint, man habe sich verändert, man habe heute eine höhere Sensibilität, dann wäre es die Aufgabe Ihrer Fraktion, den Präsidenten zurückzuziehen. Das ist problemlos möglich. Reden Sie mit Herrn Momper. Sagen Sie ihm, welche Sensibilität in Ihrer Fraktion vorherrscht und warum er möglicherweise sein Amt zurückgeben muss.
Ich habe gesagt, dass für uns alle die gleichen Maßstäbe gelten. Ich habe darauf hingewiesen, dass Sie gesagt haben, die Fakten seien so nicht bekannt. Ich sagte daraufhin: Offensichtlich nicht bei Ihnen, aber bei Ihren Kollegen, die sich dazu geäußert haben. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Braun, wenn wir gewusst hätten, dass Sie so fürsorglich sind, dann hätten wir Ihrem Antrag natürlich ganz anders diskutiert. Das war eine rührende Rede. Ganz überzeugt hat sie mich allerdings nicht. In den letzten Monaten werden wir mit Vorschlägen überschüttet, wie man der Korruption und dem Berliner Sumpf zu Leibe rücken kann. Diejenigen, die dieses Geschäft schon früher betrieben haben, freuen sich darüber. Allerdings habe ich zunehmend den Eindruck, dass es sich um Aktionismus handelt und dass hier nicht nur nach Möglichkeiten gesucht wird, die Berliner Situation zu verbessern, sondern versucht wird, die Politiker aus dem jeweils anderen Lager zu treffen und so den Eindruck zu erwecken, als verbessere man die Situation tatsächlich.
Ich gebe Ihnen einen guten Rat, den ich selbst beherzige: Prüfen Sie alles, was Sie tun, unter dem Blickwinkel, ob es das verhindert hätte, was dieses Land tatsächlich ins Unglück gestürzt hat.
Die Tatsache, dass wir uns in Zukunft sehr viel kritischer auseinander setzen werden mit Privatisierungen, ist eine Folge von Analysen, die wir hier vorgenommen haben und wo wir sagen: Wir werden uns das in Zukunft ganz genau überlegen. Wir werden es eben nicht so unbedenklich privatisieren, wie wir es früher gemacht haben. Das, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion – wobei ich wirklich glaube, dass Sie dabei mitmachen –, sind die Wege, wie wir an diese Dinge herankommen. Ich bitte Sie, konzentrieren Sie sich darauf und verwässern Sie nicht unser gemeinsames Bemühen, der Bürgerschaft klar zu machen, dass mit uns eine solche Korruption, wie sie stattgefunden hat und woran Ihre Partei ebenso wie meine beteiligt gewesen ist – gleichmäßig möchte ich fast sagen –, nicht wieder zugelassen wird. In den nächsten Tagen erscheint ein Buch, das das nachweist. Wir haben alle Veranlassung, uns viel Mühe zu geben und nicht nur fragmentarische Gesetze zu machen, die in Wahrheit nichts bessern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Klotz! Ich möchte nicht sagen, welche Empfehlungen mir einige ehemalige Freunde und Freundinnen von Ihnen gegeben haben, falls Sie reden sollten. Ich werde diese nicht zitieren.
Ich zähle diese Frage nicht zu den Gewissenskonfliktfragen, und da ich in dieser Sache damals keine Verantwortung hatte, habe ich dazu auch nicht geredet. Dessen ungeachtet gestatte ich mir eine eigene Meinung. Sie wissen, dass ich die gern äußere, und ich werde das auch in Zukunft tun. Wenn Sie unbedingt eine Broschüre dazu haben wollen und brauchen, dann können Sie sie gerne bekommen. Ich kann darüber gern etwas machen.
Den vorliegenden Antrag möchte ich so nehmen, wie er gegeben ist, nämlich als Antrag. Bei Anträgen unterstellen wir, dass sie ein Ziel, einen Zweck und einen Sinn haben. Ich gehe davon aus, dass der Zweck des vor
liegenden Antrags nicht darin liegt, irgend jemand eventuell diffamieren zu können. So schätze ich Sie nicht ein. Also muss dieser Zweck woanders liegen, und ich meine, er könnte darin liegen, dass man die Demokratie schützen möchte. Das ist, glaube ich, der Sinn einer solchen Maßnahme.
Dieses Haus hat also auf vielen Gebieten Grund, darüber nachzudenken, aber eine Gefahr institutioneller Art gibt es nun wahrlich nicht mehr: Die ehemalige Stasi wird unsere Demokratie nicht bedrohen. Das ist eine glückliche Feststellung 13 Jahre nach deren Auflösung, die wir mit Sicherheit treffen können.
Kommen wir dann also, da es eine institutionelle Gefährdung nicht gibt, zu einer individuellen Gefährdung. Da haben Sie nun das Glück, in mir jemanden zu finden, der auf diesem Gebiet mehr Erfahrung hat als jeder andere in diesem Raum.
Ja, das wusste ich, Herr Cramer, dass Sie einen Zwischenruf dieser Art machen wollen. Ich bekenne mich aber immer dazu, dass ich 3 Jahre lang im Auftrag des Senators für Inneres die Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst geprüft habe. Und ich kann Ihnen auch sagen, dass das, was man dabei erfährt, eine sehr unsichere Erkenntnis, eine sehr zweifelhafte Erkenntnis ist. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich bin relativ sicher, dass Wolfgang Wieland, wenn er zu bestimmten Zeiten vor meine Kommission gekommen wäre, nicht viel Chancen gehabt hätte.
Ich sage aber heute in aller Deutlichkeit, dass es in diesem Hause niemanden gibt, dem ich den sozialen, demokratischen Rechtsstaat eher überantworten würde als ihm. Ich
Die CDU-Fraktion jedenfalls unterstützt grundsätzlich die Intention des Antrags der Grünen. Das haben wir auch in der Ausschussberatung sehr deutlich gemacht. Wir finden es vor allen Dingen auch richtig, 13 Jahre nach der Wende darüber eine Beurteilung, eine Transparenz für den Bürger herzustellen, ob und inwieweit sich Abgeordnete in einer früheren Tätigkeit verstrickt haben, ob sie für das MfS gearbeitet haben oder nicht. Und wir haben ja leider auch feststellen müssen, dass die bisherige Regelung – völlig zu Recht heißt es so in dem Antrag der Grünen – unzulänglich gewesen ist, weil einige sich strikt und einfach geweigert haben. Andererseits haben wir eben auch erlebt, dass Leute, die überprüft wurden und wo auch Verstrickungen bekannt wurden, in ihren Wahlkreisen zum Teil mit Ergebnissen wiedergewählt wurden, die einen – mich jedenfalls – nur erschrecken können. Aber das ist die Wahlentscheidung der Bürger. Wenn sie jemand wählen wollen, der sich verstrickt hat, dann sollen sie es tun.
warne also davor zu glauben, dass man mit derartigen Erkenntnissen wirklich etwas gewinnt.
Und ich darf Ihnen auch noch etwas anderes sagen aus dieser Kenntnis. Wir haben keine Erkenntnis verwertet, die älter als 5 Jahre war, wenn sie nicht Fortsetzung fand. Und das ist der Ausfluss eines Verfassungsbildes gewesen, auf das ich stolz bin, dass wir nämlich das Bild des Grundgesetzes haben, das sagt, der selbstbestimmte Mensch kann sich ändern, kann seine Überzeugungen verändern, kann durch Erfahrungen lernen. Und ich finde, nach 13 Jahren ist da eine Grenze erreicht. Und ich habe das auch gesagt, und ich werde es auch weiter sagen, dass ich den Erkenntniswert derartiger Untersuchungen stark in Zweifel ziehe, nicht etwa abstrakt, sondern aus eigener, wirklich positiver bzw. negativer Erfahrung. Ich glaube, es wäre nicht schlecht, wenn Sie davon etwas lernen würden.
Das Einzige, was man aus einer solchen Erkenntnis über die Stasi-Zugehörigkeit nach meiner Einschätzung erkennen könnte, wäre, dass es sich hierbei um Menschen gehandelt hat, die zumindest zum damaligen Zeitpunkt die Karriere über Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit gestellt haben. Denn in der DDR gab es sehr viele Menschen, bei denen die Stasi nie angeklopft hat, bei der weit überwiegenden Mehrheit. Und bei denen, bei denen sie angeklopft hat, haben immer noch bei weitem die meisten solch eine Zusammenarbeit abgelehnt. Insofern, finde ich, gibt eine Erkenntnis, dass man es mit einem ehemaligen Stasi-Mitarbeiter zu tun hat, schon etwas her. Er kann ein Überzeugungstäter gewesen sein, aber im Wesentlichen glaube ich, dass es ein deutliches Zeichen ist, dass er bestimmte charakterliche Mängel zumindest zum damaligen Zeitpunkt gehabt hat.
Nun sage ich Ihnen noch etwas. Was die Öffentlichkeit von Politikern glaubt, ist, dass sie ihre Karriere über ihre persönliche Überzeugung stellen. Nun gibt es ja Tests, in denen man feststellen kann, wie jemand charakterlich beschaffen ist, beispielsweise ob er tatsächlich über seiner Karriere alles andere vergisst, was er an Werten hat. Nun bin ich gespannt, wann der erste Antrag und aus welcher Fraktion kommt, solche Tests für Abgeordnete zu machen, um die Glaubwürdigkeit der Politik zu erhöhen. Ich wäre übrigens dazu bereit, mich diesem Test zu unterziehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte es eigentlich ganz kurz machen und nur sagen: Wenn die Union ihren gesamten Sachverstand ballt und dann auch noch anerkennt, was Sachkundige an Verbesserungen einbringen und selbst als Änderungsantrag vorlegen, dann ist selbstverständlich die SPD die Partei, die wie immer der Vernunft Recht gibt.
Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, auch weiterhin vernünftige Vorschläge zu machen, auf die wir eingehen. Herr Braun, ich kann Ihnen versprechen: Was den Rechtsausschuss angeht – und die Rechtsausschussfraktion kenne ich inzwischen auch ganz gut –, so wird das in Zukunft alles noch sehr viel schneller gehen. Also: Mehr Mut zu Vernunft!
Freilich muss ich auch noch Folgendes sagen: Mir würde es gefallen, wenn die Transparenz in der Presse noch sehr viel größer würde. Manchmal weiß man ja, warum die Presse so und so reagiert, und das sind manchmal sehr subtile Vorgänge. Die werden wir sicherlich nicht immer aufdecken können. Aber wenn es uns allen wirklich angelegen ist, den Menschen zu sagen, weshalb sie eine Information so oder so eingefärbt bekommen, wenn wir unseren Auftrag ernst nehmen, nämlich politische Aufklärung zu schaffen, und uns daran beteiligen, dann würden wir sehr viel mehr für die Demokratie tun, als wir durch unsere Streitigkeiten erreichen, die manchmal etwas formalisiert sind. – Herr Dr. Lindner, Sie fallen mir gerade in die Augen!
Wir sollten diese Streitigkeiten etwas zurückdrängen zugunsten einer sachlichen Auseinandersetzung um die Wahrheit. – In diesem Sinne ein erster Schritt, Herr Dr. Braun oder Herr Braun! – Mir kommt es auf den Doktortitel nicht an. Sie wissen ja: Bei Dr. Lindner ist er auch nicht so wichtig.
Ich glaube jedenfalls, dass es ein guter Anfang ist und dass wir gemeinsam fortschreiten können. In diesem Sinne: Voran!
Ich möchte nur, weil das bisher nicht gesagt worden ist – ich hatte gehofft, dass Herr Wolf das sagt –, deutlich machen, dass hier eine Entscheidung ansteht, die jeden Einzelnen ganz persönlich tangiert. Ich glaube, das ist die wichtigste Entscheidung in dieser Legislaturperiode. An der Ernsthaftigkeit der Diskussion will ich nicht zweifeln.
Aber ich möchte hier vorweg sagen, dass dieses Gesetz geeignet ist, wenn es in dieser Form verabschiedet wird, das Land nicht nur für diejenigen Schulden haftbar zu machen, für die
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es haften muss, sondern dass durch diesen Beschluss das Land Berlin auch für solche Geschäfte haftet, die jetzt noch nicht der Haftung des Landes Berlin unterfallen. Und so sehr es richtig ist, dass wir die Bankgesellschaft nicht allein lassen dürfen, dass sie auch nicht Pleite gehen darf, weil das in eine Situation führen würde, die das Land Berlin noch mehr belasten würde als die jetzige, ich kann einem Gesetz jedenfalls dann nicht zustimmen, wenn es das Land Berlin mit neuen Haftungen belastet.
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, das klar zu sagen.
Wir geben hier rund 4 Milliarden § in eine Bank, die damit zunächst einmal auch Schulden bezahlen und Haftungsrisiken abschirmen kann, für die das Land Berlin nicht einzutreten hätte. Dann kann man sie sich natürlich auch leichter verkaufen. Aber diejenigen Schulden, die darüber hinausgehen, für die wir tatsächlich auch zu haften haben, die kommen eines nahen Tages noch dazu.
Das ist so, wie wenn ein missratener Sohn zu seinem Vater geht und sagt: Du haftest ja sowieso für mich, ich brauche 50 000 Mark. – Und dann bezahlt er all die Schulden, für die der Vater nicht haften würde. Und wenn dann die wirklichen Gläubiger kommen, die Gläubiger der Schulden, für die der Vater tatsächlich zu haften hätte, dann wird der Vater noch einmal zur Kasse gebeten.
Ich sage das so einfach: Ganz so einfach ist das alles nicht. Aber ich glaube, der Vorgang muss verständlich gemacht werden, vielleicht auch für diejenigen, die sich nicht 14 Tage einschließen wollen, um das zu sichten, was da an Akten rumliegt. Ich weiß auch nicht, ob das tatsächlich eine echte Möglichkeit ist, sich wirklich zu informieren.
Ich glaube jedenfalls, dass es sehr, sehr wichtig sein wird, dass wir uns alle der entscheidungserheblichen Tatsachen bewusst werden, damit es nicht hier eines Tages ein so gruseliges Erwachen gibt, wie nach der Entscheidung 1993, die jetzt auf uns zurückwirkt. Damals hat man nämlich auch, ohne groß nachzudenken, darüber entschieden.
Das passiert mir nicht noch einmal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass ich mich rechtfertigen muss, die Verfassung nicht ernst zu nehmen und verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht besonders intensiv zu beobachten. Das liegt daran, dass ich mich schon vor 25 Jahren damit beschäftigt habe – weil ich es als Beamter des Senators für Inneres musste –, Verfassungsfeinden den Weg in den öffentlichen Dienst zu verbauen. Die unrühmliche Vergangenheit, wie Sie sagen, ist eine, zu der ich trotz alledem stehe. Im Gegensatz zu Ihnen stehe ich auch dazu, dass ich noch jetzt der Meinung bin, dass diese Verfassung gegen ihre Feinde zu verteidigen ist.
Ich meine auch, dass die gegenwärtige gesellschaftliche Situation Anlass genug böte, sich ernsthaft mit diesem Problem zu beschäftigen. Sich ernsthaft mit diesem Problem zu beschäftigen bedeutet aber gerade nicht, hier eine Kampagne mit rein tagespolitischen Zielsetzungen zu führen. Das tun Sie leider, Herr Wegner! Es ist eine juristische Frage, ob die Verfassungsfeindlichkeit bei einer Partei anzunehmen ist oder nicht, und keine politische Frage.
Sie müssen bei einer solchen Entscheidung immer beachten, ob eine Partei gegenwärtig in ihren Zielsetzungen und Äußerungen verfassungsfeindlich ist – und nicht, ob sie es vor 10 Jahren war. Sie müssen bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass bestimmte Formen der Kritik mit dieser Verfassung vereinbar sind.
Man muss nicht dem Kapitalismus anhängen und ist auch dann kein Verfassungsfeind, wenn man es nicht tut.
Man kann Sozialist auch innerhalb der Verfassungsordnung sein. Man muss nicht pragmatisch sein. Man darf sogar idealistisch sein in dieser Verfassungsordnung. Man muss nicht hinter der Polizei stehen, um ein Verfassungsfreund zu sein.
Da kann man doch nur lachen, wenn Sie das ernsthaft behaupten. Sie nehmen die Sache schon wieder nicht ernst.
Nein! Sie sind draußen. Sie sind draußen aus diesem Thema. Sie nehmen es nicht ernst. Wenn Sie es ernst nähmen, hätte die FDP diese Anfrage nicht in dieser Form gestellt. Wie kann man als Abgeordneter der Exekutive zubilligen wollen, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz angewendet wird oder nicht? Wir sind der Gesetzgeber. Wenn Sie nicht mehr wollen und akzeptieren, dass ein Gesetz, das Sie gemacht haben – vielleicht nicht Sie als Person, aber das Abgeordnetenhaus als Institution –, nicht mehr angewendet wird und unter das Belieben eines sozialdemokrati
schen Senators gestellt wird, dann sind Sie sehr viel näher an der Verfassungsfeindlichkeit, als Sie denken, weil Sie die Gewaltenteilung nicht akzeptieren.
Die Gewaltenteilung ist das einzige untrügliche Kriterium, das es tatsächlich gibt, wenn man die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei beurteilen will. Es gibt keine Diktatur, die sich ihre Gewalt teilen lässt.
Deshalb rate ich Ihnen, sich selbst ein bisschen ernster zu nehmen. Nehmen Sie auch die kritische gesellschaftliche Situation sehr viel ernster, als Sie es hier getan haben. Diskutieren Sie wirklich einmal über diese Fragen und machen Sie sie nicht fest an einer Diffamierungskampagne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um ein Denkmal – nun, dann wollen wir mal denken.
Es geht um ein Denkmal für Rosa Luxemburg. Man kann jetzt fragen, wofür dieses Denkmal seht, wie es gestaltet werden soll, welches Denken es anregen soll. Wer ernsthaft mit diesem Denkmal umgeht, der weiß, dass es auch des Streits unter den Demokraten bedarf.
Dass Rosa Luxemburg eine sehr kritisch zu sehende Frau ist, eine widersprüchliche, schillernde, wird niemand ernsthaft bestreiten. Wer sie wörtlich zitiert und meint, damit ihren Geist zu erfassen, der kann auch zu negativen Ergebnissen kommen.
Von diesen Zitaten haben wir heute einige gehört. Ich glaube nicht, dass Sie sie in einen geschichtlichen Kontext gestellt haben. Das bedauere ich, aber wir können diese Diskussion, die in fünf Minuten nicht erledigt ist, später nachholen.
(A) (C)
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Die FDP hat diese Diskussion erweitert, als sie zu Rosa Luxemburg eine Alternative anbot, nämlich Gustav Noske. Dieser Vorschlag ist seitens der FDP sicherlich nicht ernst gemeint. Man könnte ihn als scherzhaft abtun. Ich tue das deshalb nicht, weil ich damit den Eindruck erwecken würde, als wäre der Vorschlag, eines Sozialdemokaten zu gedenken, ein Witz. Das kann es nicht sein.
Deswegen gehe ich ernsthaft auf Ihren nicht ernsthaft gemeinten Vorschlag ein.
Die FDP hat – tun wir mal so, als handele sie ernsthaft – Gustav Noske darauf reduziert, dass er kommunistische Aufstände niederschlug. Gustav Noske hat diese Reduzierung nicht verdient. Diese Reduzierung diffamiert ihn. Noske hat es für erforderlich gehalten, diese Aufständler niederzuschlagen. Ob diese Entscheidung richtig war, ist umstritten. Wir müssen hier auch nicht entscheiden, ob das richtig oder falsch war. Das ist eine geschichtliche Bewertung, über die man ernsthaft reden kann. Eines wird man sagen können, nämlich das Noske das, was er tat, persönlich als notwendig erkannt hat beziehungsweise als notwendig begriffen hat. Das ist die eine Seite. Ich glaube aber nicht, dass er darauf stolz gewesen ist. Ich glaube nicht, dass ein Sozialdemokrat stolz darauf sein kann, auf Arbeiter schießen zu lassen – noch dazu durch eine Reichswehr, durch Freischärler. Es ist nicht richtig, sich dessen zu rühmen, dies für rememorabel, eines Denkmals für würdig zu halten. Das glaube ich von einem Sozialdemokraten nicht. Daher kann man über Noske reden, man kann seine Haltung und Handlung würdigen und sagen, er habe das Richtige getan. Aber dass man ihm jetzt unterstellt, er habe das in einem Denkmal verewigt wissen wollen, damit tun Sie ihm und insbesondere der Sozialdemokratie bitteres Unrecht.
Ich frage Sie ernsthaft, ob Sie mit diesem Antrag nicht vielleicht ein Selbsttor geschossen haben. Wenn ich Sie ernst nehme, geht es Ihnen darum, jemanden zu ehren, der sich um die Weimarer Republik verdient gemacht hat. So lautete Ihre Begründung. Es ist bedenklich, dass Ihnen da nur Gustav Noske einfällt. Mir fallen dazu viele Sozialdemokraten ein – aber auch Politiker der Mitte und Liberale: Rathenau, Stresemann und andere. Die fallen mir ein.
Wenn Ihnen bei der Rettung der Demokratie nur der Einsatz von Militär einfällt, dann – das sage ich in allem Ernst – müssen wir Sozialdemokraten wissen, dass wir, falls diese Demokratie einmal in Gefahr gerät, wieder allein sein werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Welche Maßnahmen haben die Organe der Bankgesellschaft und deren Tochtergesellschaften unternommen, um die ungeschmälerte Auszahlung und Fortzahlung von Bezügen, Pensionen oder Abfindungen an im Jahr 2001 ausgeschiedene Vorstandsmitglieder zu verhindern, und wie ist der Stand der Verfahren?
2. Welche Maßnahmen wurden und werden ergriffen, um Ersatz für den von diesen Vorstandsmitgliedern zu verantwortenden immensen Schaden zu erlangen?