Ich komme zum Schluss und zu meinem Resümee. Da mittlerweile von allen Akteuren, die in die Vorgänge um das Aktenlager involviert waren, Zeugenaussagen vorliegen, ergibt sich zu den Hintergründen und Abläufen des Falls „Immelborn“ ein ziemlich klares Gesamtbild. Den weiteren Aufklärungsbedarf bei der Ermittlung des Sachverhalts halte ich für überschaubar. Er dürfte größtenteils über die Erhebung von Urkundenbeweisen gedeckt werden können. Wie dargelegt, können lediglich zu einzelnen Maßnahmen und Handlungen und zu deren rechtlichen Einordnung noch keine endgültigen Wertungen vorgenommen werden.
Als Ergebnis der Untersuchungstätigkeit können bisher nur in einzelnen Fällen Versäumnisse festgestellt werden. Zu dem im Raum stehenden Hauptvorwurf der CDU-Fraktion, der Datenschutzbeauftragte habe sein Handeln im Fall „Immelborn“ bewusst zum Schaden des CDU-geführten Innenministeriums ausgerichtet, finden sich aufgrund der bisherigen Erkenntnisse keine größeren Anhaltspunkte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach meinem Eindruck beschränken sich die wesentlichen noch offenen Fragen weitgehend auf zwischen den Fraktionen strittige rechtliche Bewertungen zu einzelnen Handlungen und Maßnahmen des Datenschutzbeauftragten und anderer Behörden. Diese dürften auch in der weiteren Beweiserhebung nicht einvernehmlich auflösbar sein.
Dennoch wünsche ich mir, dass sich die Fraktionen im Ausschuss möglichst bald auf der Grundlage des vorliegenden Zwischenberichts darauf verständigen, wie wir weiter mit dem Untersuchungsgegenstand und dem Untersuchungsausschuss verfahren und wie wir ihn sozusagen auch in abschließende Bahnen lenken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Henfling, für diesen Bericht aus dem Untersuchungsausschuss. Ich eröffne damit die Beratung. Als Erster erhält Abgeordneter Scherer für die CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt in der Aussprache über einen Zwischenbericht zum Untersuchungsausschuss 6/2. Ich hatte eben die Vorstellung, dass wir uns schon mitten in der Aussprache befinden und nicht im Bericht der Vorsitzenden, liebe Frau Henfling.
Gerade in Ihrem vorvorletzten Satz, mit dem Sie gesagt haben, dass die Ermittlungen – Sie haben dann noch die Kurve gekriegt und gesagt, nach dem derzeitigen Stand finde sich kein Anhaltspunkt für irgendein Fehlverhalten des Datenschutzbeauftragten...
Das ist genau das, weshalb wir uns immer gegen diesen Wertungsteil gewendet haben, weil natürlich eine Wertung darin steckt.
Das ist genau das, weshalb wir uns immer gegen diesen Wertungsteil gewehrt haben, weil wir gesagt haben, es werden ja doch – Klammer auf – letztlich dann endgültige – Klammer zu – Wertungen vorgenommen, wenn solche Sätze in die Welt gestellt werden. Das ist genau das.
Wir hatten die Einsetzung des Untersuchungsausschusses im Februar 2015 beantragt, weil wir Anhaltspunkte dafür hatten, dass der Thüringer Datenschutzbeauftragte – ich will es mal juristisch einwandfrei ausdrücken – nicht rechtmäßig gehandelt hat, insbesondere nicht rechtmäßig gehandelt hat, als er gegen das Innenministerium und gegen den Innenminister den Streit um dessen Amtshilfe vom Zaun gebrochen und dies auch noch gleich mit ei
ner Klage gegen den Innenminister durchzusetzen versucht hat. Bereits bei seinem ersten Presseauftritt am Tag der ersten Besichtigung des Aktenlagers hat er mit dem Begriff des datenschutzrechtlichen Fukushima für eine Skandalisierung gesorgt, die in keiner Weise durch die Sache und sein Amt gerechtfertigt war.
Gerade der Datenschutzbeauftragte legt größten Wert auf seine Unabhängigkeit. Dazu gehören aber auch, wie zum Beispiel bei einem Richter, Verhaltensweisen, die nicht das Gegenteil von Unabhängigkeit bzw. Unparteilichkeit nahelegen,
dagegen nicht vorschnelle Reaktionen oder – schlimmer noch – durch solche vorschnellen Reaktionen verursachte rechtswidrige Anordnungen und Maßnahmen. Darauf komme ich nachher noch mal zurück.
Da hier Anhaltspunkte bestanden, hatten wir die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragt. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht bedeutet, dass er sich in einem kontrollfreien Raum bewegen kann. Auch ein unabhängiger Richter unterliegt in der Sache dem Kontrollmechanismus der Rechtsmittelverfahren. Zumindest einer parlamentarischen Kontrolle kann sich der Datenschutzbeauftragte nicht entziehen. Und worin sollte die Kontrolle bestehen, wenn nicht in der Kontrolle der Rechtmäßigkeit seines Handelns?
Deshalb ist es Aufgabe des Untersuchungsausschusses, herauszuarbeiten, wie der Zustand des Aktenlagers wirklich war, ob sich der Datenschutzbeauftragte bei seinem Vorgehen an die für ihn im Speziellen geltenden gesetzlichen Regeln und die Regeln des allgemeinen Verwaltungsrechts gehalten hat oder ob er weit über seine Kompetenzen hinausgegriffen hat. Ein rechtswidriges Verhalten ist der eine Untersuchungsgegenstand, aber es gibt noch einen – quasi moralischen – Untersuchungsgegenstand, den wir von Anfang an benannt haben. Das ist der Vorgang, dass der Datenschutzbeauftragte über ein Jahr hinweg der Öffentlichkeit weisgemacht hat, man müsse Hunderttausende von Leitz Ordnern einzeln in die Hand nehmen, um überhaupt feststellen zu können, um was es sich beim Inhalt handele, wem sie zuzuordnen und an wen sie zurückzugeben seien. Und dann, nach der letzten Landtagswahl: nichts mehr von alledem. Plötzlich können die Akten unbesehen binnen drei Wochen vernichtet werden. Ich habe das vor zwei Jahren – wohlwollend formuliert – als „Heißluftballon“ bezeichnet. Aber es steht dem Amt des Datenschutzbeauftragten nicht zu, einen solchen „Heißluftballon“ für die Öffentlichkeit zu starten. Es ist nicht seine Aufgabe, sich und sein Amt durch nicht gerechtfertigte Skandalisierung hervorzuheben.
All dies ist Gegenstand des Untersuchungsausschusses, von dem der Landtag mit der Koalitionsmehrheit einen Zwischenbericht gefordert hat. Wir haben gegen den Antrag auf Erstattung eines Zwischenberichts gestimmt, und das aus guten Gründen, die sich nun auch bewahrheiten. Der jetzt mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen im Untersuchungsausschuss beschlossene Zwischenbericht ist zum einen eine Fleißarbeit der Mitarbeiter der Landtagsverwaltung gewesen, denen ein besonderer Dank auszusprechen ist. Ich weiß nicht, ob alle Kollegen diese dicke Schwarte mal gesehen haben, also das war wirklich eine Fleißarbeit. Dazu von meiner Seite auch ein Dankeschön.
Zum anderen ist es aber auch der untaugliche Versuch, das Handeln des Datenschutzbeauftragten zu verharmlosen und von wesentlichen Punkten der Rechtswidrigkeit seines Handelns abzulenken.
Soweit es die Fleißarbeit der Teile A bis C betrifft, die den Gang des Verfahrens und die erhobenen Beweise beinhalten, ist dies eine unschädliche teilweise Vorwegnahme eines Schlussberichts. Allerdings werden diese Teile für den Schlussbericht noch einmal zu überarbeiten sein. Wenn überhaupt ein Zwischenbericht, hätte dieser sich darauf beschränken können, die erhobenen Beweise zu benennen, ohne sie im Einzelnen darzustellen. Aber es ist ja Absicht der Regierungskoalition, den Zwischenbericht quasi als Reinwaschung zu verwenden.
Eine ausführliche Darstellung der Zeugenaussagen haben die Koalitionsparteien deshalb für notwendig gehalten, weil es ja noch Schlussfolgerungen in einem Teil D des Zwischenberichts, dem Bewertungsteil, geben sollte.
Damit bin ich beim Thema, weshalb die Mehrheit dieses Landtags unbedingt einen Zwischenbericht haben will: Damit Sie in dem von Ihnen mehrheitlich abgesegneten Wertungsteil schon jetzt eine Beweiswürdigung vornehmen können, mit der Sie versuchen, dem Leser zu suggerieren, die Beweisaufnahme sei eigentlich schon abgeschlossen und an den Vorwürfen sei nichts dran. Genau den Satz, an den Vorwürfen sei nichts dran, habe ich vorhin so auch gehört.
Natürlich werden Sie mir jetzt vorwerfen, dass Sie doch an zahlreichen Stellen – Sie haben es vorhin gesagt – betont hätten, dass die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen sei. Das haben Sie in der Tat, an zahlreichen Stellen steht das drin. An vielen anderen Stellen liest sich die Beweiswürdigung al
lerdings anders, nämlich als feststehendes Beweisergebnis. Nicht ohne Grund sind wir mit unserem Antrag vom Mai 2017 einem solchen Wertungsteil entgegengetreten. Sie haben unseren Antrag abgelehnt. Leider hat das Verfassungsgericht für unsere Fraktion keine rechtliche Möglichkeit gesehen, die Unzulässigkeit eines Wertungsteils gerichtlich geltend zu machen. Einer der Verfassungsrichter hat aus meiner Sicht allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beschränkung des Rechts einer Fraktion auf die Einsetzungsveranlassung eines Untersuchungsausschusses nicht ausreichend ist, den Minderheitenschutz auch im Ablauf des Untersuchungsausschusses zu gewährleisten.
Aber sei es drum. Jetzt haben wir ein Ergebnis vorliegen und damit müssen wir uns auseinandersetzen. Wir halten an unserer Rechtsauffassung fest, wonach Bewertungen zu bislang nicht abgeschlossenen Untersuchungskomplexen in einem Zwischenbericht unzulässig sind. Wir wollen das vorliegende Sondervotum deshalb auch ausdrücklich nicht als eigenständigen Wertungsteil verstanden wissen, sondern als eine exemplarische Auflistung von offenkundigen Fehlfeststellungen sowie unrichtigen Rechtsauffassungen, die in dem von der Ausschussmehrheit beschlossenen Bewertungsteil des Zwischenberichts enthalten sind. Nach unserer Auffassung enthält der Wertungsteil zum einen unzulässige Bewertungen, obwohl die Beweisaufnahme nicht abgeschlossen ist, und zum Zweiten zugleich aber den Nachweis, dass es ein Märchen ist, wenn behauptet wird – und die Behauptung ist öfter aufgestellt worden –, die CDU verzögere das Untersuchungsverfahren, es sei praktisch schon alles untersucht, was möglich sei. Ich will das mit einigen Beispielen zu beiden Punkten untermauern, ohne noch einmal gesondert auf den Inhalt unseres Sondervotums einzugehen, in dem die unzutreffenden Wertungen im Einzelnen mit den jeweiligen Randnummern versehen aufgeführt sind. Ich will zunächst Beispiele anführen, die abschließende Wertungen enthalten, auch wenn dann an anderer Stelle darauf hingewiesen wird, dass die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen sei.
Ein paar Beispiele: In der Randnummer 999 wird zu den Kompetenzen des TLfDI Folgendes festgestellt: „Es handelt sich bei den in Immelborn gelagerten Akten um personenbezogene Daten aus nicht automatisierten Dateien gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BDSG. Auch Aktensammlungen und Karteien sind hierunter zu fassen.“ Das ist mitnichten so festgestellt. Akten fallen nur dann in den Anwendungsbereich des § 3, wenn sie besonders strukturiert sind, das heißt, die Voraussetzungen einer Datensammlung mit gleichartigem Aufbau zur leichten Erschließung der Datensammlung erfüllen. Wir haben dies im Einzelnen ausgeführt. An keiner Stelle hat
der Datenschutzbeauftragte eine solche Strukturierung festgestellt. Sie ist auch sonst nicht ersichtlich. Es bleibt die schlichte Behauptung, es seien dem Datenschutzrecht unterfallende Daten und deshalb sei die Kompetenz des Datenschutzbeauftragten eröffnet. So geht das weiter.
Nächstes Beispiel unter derselben Randnummer, da steht: „Der erste Bescheid gegen die Aktenmanagement & Beratungs GmbH hatte die Anordnung zur Duldung einer datenschutzrechtlichen Kontrolle zum [...] Gegenstand. [...] Dies begegnet nach vorläufiger Prüfung durch den Ausschuss keinen rechtlichen Bedenken.“ Ein gutes Stück weiter wird allerdings dann ausgeführt – ich zitiere –: „Der Duldungsbescheid ist bislang nicht Bestandteil der Beweisaufnahme gewesen und konnte daher nicht in die Bewertung einbezogen werden. Gegebenenfalls kann sich hierdurch die getroffene Bewertung noch im Einzelfall verändern.“ Dieses System des Wertungsteils findet sich an mehreren Stellen. Es wird zuerst eine vom Wortlaut her abschließende Wertung vorgenommen und erst am Ende einer weiteren Darstellung wird dann darauf hingewiesen, dass noch Zweifel bestünden, die im Rahmen der weiteren Beweisaufnahme noch zu klären seien. Für mich ist das kein redliches Vorgehen.
Schon zwei Seiten weiter steht das nächste Beispiel. Ich bin bei der Rundnummer 1002, beim Anordnungsbescheid. Zitat: „Ein dergestalt gefasster Anordnungsbescheid begegnet keinerlei rechtlichen Bedenken.“ Am Ende des Absatzes heißt es dann: „Ob der Bescheid im Weiteren den materiellen Voraussetzungen genügt, ist aufgrund der bislang nicht erfolgten Verlesung im Rahmen der Beweisaufnahme noch nicht Gegenstand dieser Wertung.“ Genau dasselbe System: Am Anfang wird eine Behauptung gesetzt, es ist alles nicht so schlimm. Dann wird ein paar Seiten weiter gesagt: Aber ob das wirklich so ist, wissen wir noch nicht, das muss noch durch die Beweisaufnahme festgestellt werden. So kann man einen Wertungsteil natürlich auch benutzen.
Auch der Satz „Die Zustellung der Anordnung wurde rechtswirksam bewirkt.“ täuscht dadurch, dass er am Anfang der Darlegung steht, darüber hinweg, dass dies höchst umstritten ist. Ich komme später noch einmal darauf zurück.
Noch mal zum Thema „Amtshilfe“ – das war vorher auch erwähnt –, Randnummer 1.029, da steht: „Die Beweisaufnahme zum Komplex der Amtshilfe bei der Sichtung und Beräumung des Aktenlagers [...] ist noch nicht abgeschlossen. Insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Thüringer Innenministerium [...] und dem TLfDI im Vorfeld der Klageerhebung wurde die Beweisaufnahme bislang nur zu Einzelfragen durchgeführt.“ Dann steht allerdings auf der nächsten Seite: „Weder an der Statthaftigkeit des Amtshilfeersu
chens und der rechtlichen Zulässigkeit der begehrten Amtshilfe noch an der Statthaftigkeit der Klage bestehen ernstliche rechtliche Zweifel.“
Ein paar Seiten weiter wird ausgeführt: „Da die Klageschrift selbst bislang nicht Bestandteil der Beweisaufnahme war, kann zum konkreten Inhalt nicht abschließend Stellung genommen werden.“ Ein paar Zeilen weiter steht: „Die Klageerhebung erscheint aus Sicht des Ausschusses nachvollziehbar und nicht von sachfremden Erwägungen geleitet.“ Das ist genau das Gegenteil.