Protocol of the Session on November 2, 2017

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Wer war denn vorher an der Regierung?)

Sehen Sie: Und deshalb ist es wichtig, dass die Erwartungen der Bürger an diese Regierungspolitik zu Recht sind, mehr für den ländlichen Raum zu tun, selbst mehr zu tun, nicht nur dauernd nach dem Bund zu rufen und zu sagen, die müssten jetzt mal, und richtigerweise auch einen Katalog zu formulieren. Das ist aus Thüringer Sicht wichtig für Koalitionsverhandlungen in Berlin. Aber Sie haben die Chance wie keine Landesregierung in diesem Freistaat zuvor angesichts der Milliarden Steuermehreinnahmen, die dieser Landesregierung zur Verfügung stehen, weil es in diesem Land gut läuft, jetzt auch die richtigen Weichenstellungen zu machen und dafür zu sorgen, dass Stadt und Land in Thüringen gleichermaßen eine gute Entwicklung haben. Und es sei angemerkt: Die meisten Thüringer Bürgerinnen und Bürger wohnen im ländlichen Raum. Dazu zählen auch die Kleinstädte, um die müssen Sie sich kümmern, denen müssen Sie sich widmen. Da ist die Antwort eben nicht „Gebietsreform“, da ist die Antwort nicht die Auflösung der Selbstständigkeit von 800 Gemeinden, da ist die Antwort nicht die Kürzung der Hauptansatzstaffel für Gemeinden, die kleiner als 10.000 Einwohner sind, und da ist die Antwort eben nicht, die Hälfte der Landkreise aufzulösen, sondern den Leuten zuzuhören, der kommunalen Familie zuzuhören und mit denen gemeinsam einen Weg zu gehen und nicht über die Köpfe der Menschen hinweg dieses Land umzubauen, nur weil man es in den Koalitionsvertrag geschrieben hat.

(Beifall AfD)

Der Thüringen-Monitor sagt – und ich finde das echt erschütternd –: 45 Prozent der Leute sagen, dass die freie Meinungsäußerung nicht ohne Nachteil möglich ist. Ich finde, das ist eine bittere Pille für die demokratische Politik. Da sind wir uns wahrscheinlich in der Bewertung auch einig.

(Beifall AfD)

Aber ich erinnere mich an die Zeit als Kind, die viele von Ihnen, die älter sind, auch aus eigenem Erleben beschreiben können, dass man in der Familie oft anders gesprochen hat, als wenn man die Haustür verlassen hat, weil man wusste, wenn man in die Schule geht oder die Eltern in ihren Betrieb gehen, dass man da nicht alles sagen konnte, was man zu Hause am Abendbrottisch gemeinsam gesagt hat, weil man das Gefühl hatte oder auch wusste und auch die Geschichten erzählt wurden: Da werden Leute eingesperrt, die werden verhaftet, die werden benachteiligt, verlieren ihre Möglichkeiten im Job und all das.

Und jetzt leben wir in einer freien Gesellschaft, die freie Meinungsäußerung ist ein ganz wichtiges geschütztes Verfassungsgut. Die Leute sind zufrieden mit unserer Demokratie. Das schließt das sozusagen ein. Aber obwohl diese Rahmenbedingungen da sind, obwohl die Einschätzung da ist, sagen trotzdem 45 Prozent der Befragten, dass sie das Gefühl haben, ihre Meinung nicht frei äußern zu dürfen, weil sie sonst benachteiligt werden. Das muss uns gemeinsam erschrecken. Das muss uns als politisch Verantwortliche auch zum Nachdenken anregen. Was ist da los? Warum empfinden das die Leute so, obwohl doch klar ist, dass der Rechtsstaat ihnen die freie Meinungsäußerung garantiert, dass sie ungestraft das sagen dürfen, was sie denken? Da ist keine Sanktion, das gilt von niemandem auf dieser Welt. Wenn einer meint, er will Sanktionen ausüben, dann setzt ihm der Rechtsstaat die Grenzen. Aber die subjektive Wahrnehmung ist entscheidend – Empfängerhorizont, Ausländerhorizont. Bei den Empfängern kommt ein anderes Gefühl an. Das hängt auch mit Meinungskartellen zusammen. Das hängt damit zusammen, dass es Denkverbote gibt, political correctness, dass Bestimmte sagen: Nein, das dürft ihr nicht und wenn ihr das macht, seid ihr plötzlich nicht mehr opportun, dann seid ihr am Rande der Gesellschaft. Immer dann, wenn die Leute das empfinden, dann werden sie hellhörig für Populisten. Unsere ganze Kraftanstrengung muss darum gehen, den Menschen ernsthaft die Hand zu reichen und sie einzuladen, in der Mitte der Gesellschaft zu sein, ihre Meinung zu sagen, in den Diskurs einzutreten, auch Unterschiedlichkeit und Vielfalt auszuhalten. Das macht unser Land stark, das macht unsere Gesellschaft stark. Das ist einer der Befunde aus dem Thüringen-Monitor, wo unsere Aufgaben hier im Thüringer Parlament liegen.

(Beifall CDU)

Schön ist, dass der Thüringen-Monitor sagt, dass 93 Prozent der Thüringer mit ihrem Lebensstandard zufrieden sind. Sogar 79 Prozent derer – Sie haben es in Ihrer Rede auch angesprochen –, die ihre finanzielle Situation selbst nicht als gut einschätzen, sagen aber: Ich bin trotzdem zufrieden. Das hängt auch viel mit Entbehrungen, Verlusten und Umstellungen zusammen, die die Ostdeutschen schon mehrmals erlebt haben. Wenn man länger zurückblickt, sieht man das: die Enteignungswelle 1972, als die, die selbstständig waren, die in der DDR vermeintlich kleines Bürgertum gewesen sind, schon einmal Verluste hinnehmen mussten. Viele standen nach 1990 vor dem Nichts, sind dann vielleicht sogar jahrzehntelang in Arbeitslosigkeit gewesen und empfinden das zu Recht als dauerhaften Nachteil. Andere, die neu angefangen, die Ärmel hochgekrempelt haben, haben dann trotzdem durch Krisen in der wirtschaftlichen Seite erneut Verluste erlitten und fangen jetzt noch einmal neu

an. Sie haben das Gefühl, es geht ihnen gut. Sie haben trotzdem die Sorge: Vielleicht hält das nicht so. Wir haben das übrigens in einer zweiten Frage auch noch einmal abgefragt. Wir haben gefragt: Wie stehen Sie zu folgender Aussage? Ich mache mir Sorgen, dass ich meinen derzeitigen Lebensstandard nicht halten kann. – Da sagen 59 Prozent: Ich mache mir diese Sorgen nicht. Darauf will ich aber nicht zu sprechen kommen. Ich will darauf zu sprechen kommen, dass 39 Prozent sagen: Ja, ich mache mir Sorgen. Das ist deshalb nicht unentscheidend, weil diese 39 Prozent auch nicht weit weg sind von den von mir am Anfang meiner Rede beschriebenen 40 Prozent – von denen, die 20 Prozent Links und 20 Prozent Rechts wählen. Sie sind damit oft auch die, die Abstiegsängste haben – nicht, weil es darum geht, gut und gern in einem Land zu leben, sondern weil sie Sorge haben, das nicht mehr zu halten. Sie haben schon erlitten, dass es mehrmals schon schwierig war, deshalb sagen sie jetzt: Ich mache mir Sorgen.

Wenn Sie mal mit mir gemeinsam auf die Farben schauen, dann sehen Sie bei den Parteifarben, dass es nicht ganz unerheblich ist. In der Analyse, die wir auch bei Wahlen haben, ist klar, dass 63 Prozent der AfD-Wähler die sind, die sagen: Ich mache mir Sorgen, dass ich meinen Lebensstandard halten kann. Deswegen ist es unsere Aufgabe, eine Perspektive zu formulieren, zu vermitteln und in der Debatte auch die Lösung aufzuzeigen. Immer dann, wenn die Sorge überwiegt, führt sie zu den Handlungsweisen, die wir auch bei Wahlen gesehen haben oder die wir auch in Umfragen abfragen können. Dann wird die Sorge in Enttäuschung manifestiert. Unser Job ist es, dass aus diesen Enttäuschungen nicht Überzeugungen werden, sondern wir uns erneut um diese Leute kümmern und sie einladen und sie nicht alleinlassen.

Ein Stück weit bestätigt das übrigens auch der Thüringen-Monitor bei der Frage „Wird es der nächsten Generation einmal besser gehen?“: 26 Prozent sagen Ja, aber 56 Prozent sagen: Nein, es wird der nächsten Generation nicht besser gehen. Wenn man diesen alten Satz unserer Eltern und noch viel mehr unserer Großeltern kennt – Dir soll es einmal besser gehen –, stirbt da ein Stück Zukunftshoffnung. Das ist alarmierend. Das deckt sich sowohl mit unserer Umfrage als auch den Werten des Thüringen-Monitors, dass die Sorge überwiegt, was in der Zukunft passiert, und es gar nicht die Frage der Analyse des Status quo ist: Arbeitslosigkeit sinkt, Industriebeschäftigung ist hoch, Jugendarbeitslosigkeit ist niedrig, Langzeitarbeitslosigkeit geht zurück, Wirtschafts-BIP wächst, Steuereinnahmen wachsen. Wir können uns Programme leisten, an die wir vorher nicht denken konnten, weil das Geld dafür nicht da war. Alles richtig, alles Status quo! Aber die Sorge der Menschen ist nicht unbegründet, dass sie sagen: Halten wir das? Und wenn wir

das nicht halten: Werde ich Opfer dieses Verlustes? Und das ist das, was die Leute sorgt, davor haben sie Angst. Und es kann ihnen derzeit niemand nehmen, dass sie die Betroffenen dieser Sorge und Angst sind – die sie nur fühlen, die natürlich nicht harter Fakt ist. Aber alleine, wenn das Subjektive als Gefühl überwiegt, dann ist das sozusagen das, wo sich auch Wahlverhalten dokumentiert. Deswegen ist dieser Thüringen-Monitor jenseits seiner 342 Seiten in dieser Einzelanalyse so spannend, um daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Deswegen habe ich auch am Anfang gemeint, dass ich mir gewünscht hätte, nicht so viele Bogen zu schlagen, sondern mehr nach dem Diskurs zu suchen, darauf einzugehen.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“, sondern so ist es!)

Deswegen habe ich mich auch zum Glück an Bodo Ramelow gewandt und nicht an Sie, Frau HennigWellsow. Bei ihm habe ich das Gefühl, dass er wenigstens zuhört, wenn ich mit ihm rede. Sie pöbeln nur dazwischen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Ich höre die ganze Zeit zu!)

Wissen Sie, auch das muss man lernen, dass auch das Miteinander ein Stück dazugehört, wenn man versucht, eine Brücke zu schlagen – was sollte man reden, was ist wichtig –, weil wir Verantwortung tragen für dieses Land, dass es da nicht mit einem Zwischenruf getan ist, sondern es ein bisschen mehr verantwortliche Politik braucht. Aber sei es drum!

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mich ja auch zu ihm hingewendet, das war schon richtig so. Wissen Sie, wenn man in den Thüringen-Monitor weiter hineinschaut, was die Bürger wirklich sorgt, da will ich einfach noch mal die Aufmerksamkeit auf ein paar wichtige Zahlen lenken, die man auf sich wirken lassen muss. Da will ich Ihnen mal sagen – große Sorgen/eher große Sorgen immer addiert: Terroranschläge – 80 Prozent machen sich Sorgen; Gewalt und Kriminalität – 75 Prozent; Kriegsfurcht – 72 Prozent; Alterssicherungssorgen – 71 Prozent; gesellschaftlicher Zusammenhalt – 67 Prozent; zu viel Migration – 58 Prozent. Ja und natürlich sind das bundesgesetzliche Regelungen. Aber es hat doch der Thüringen-Monitor in Thüringen abgefragt und es ist doch unsere Aufgabe, darüber zu debattieren und nicht Verantwortlichkeiten hin und her zu schieben, sondern sich der politischen Debatte zu stellen und

(Beifall CDU)

nicht zu sagen: Die sind schuld und die sind verantwortlich. Nein, auch wir haben eine eigene Verant

wortung, wenn wir Politik in Thüringen machen. Menschenskinder! Sie machen es sich zu einfach bei Rot-Rot-Grün, den Status quo zu beschreiben, und wenn was nicht läuft, sind die anderen schuld oder es waren die Vorgänger. Das ist zu wenig, das ist zu dünn. Aber so läuft Ihr Regierungsstil.

(Beifall CDU)

Genau so ist es, genau so läuft Ihre Regierungspolitik.

(Beifall CDU)

Ich finde, wenn die Grundfragen unseres staatlichen Seins betroffen sind, dann kommt es nicht mehr darauf an, welche staatliche Ebene verantwortlich ist – erst recht nicht aus Sicht des Bürgers, denn dem Bürger ist es vollkommen egal, wer verantwortlich ist. Der sagt: Die da oben sind verantwortlich. Und der will von denen da oben eine Antwort haben, dass die es lösen, weil er sie auf Zeit in Verantwortung wählt. Und da nützt es nichts, wenn die da oben sagen: Nein, die noch weiter oben sind schuld und die sind verantwortlich, ich bin ja unschuldig, ich würde es ja besser machen. Sie haben die Mehrheit, Sie können eine ganze Menge in diesem Land besser machen. Und das fordern die Bürger und wir zu Recht von Ihnen ein.

(Beifall CDU)

Ich will das mal am Beispiel der Inneren Sicherheit sagen. Es ist erfreulich, dass es einen Spitzenwert beim Institutionsvertrauen in die Polizei gibt, einen Rekordwert: 72 Prozent. Und ich will das gleich vorwegschieben: Danke all den Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag ihren Dienst für unsere Sicherheit tun. Die machen sich den Rücken krumm, werden von Linkschaoten und Rechtschaoten auch verprügelt. Danke, dass Sie den Dienst ausüben, damit wir in Freiheit und Sicherheit leben können!

(Beifall CDU, AfD)

Und jetzt kann man sagen: Okay, wir nehmen den Wert hin, schön, es läuft. Oder man kann schauen, dass man die richtigen Weichen stellt. Wir haben dazu eine Menge parlamentarische Initiativen ergriffen. Ich will das nur mal sagen: Wir haben vorgeschlagen, dass es eine neue Ausbildungshundertschaft gibt. Mehr Ausbildung bei der Polizei sichert auch die Polizeikräfte, die wir in der Zukunft brauchen. Sie haben das abgelehnt. Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass es mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen gibt, weil die Leute sich in der Mehrheit Sorgen darüber machen. Sie haben das abgelehnt. Wir haben den Vorschlag für mehr Entlastung von vollzugsfremden Aufgaben bei der Polizei gemacht. Wir haben das vorgeschlagen – Sie haben das abgelehnt. Das, was bei Ihnen immer haften bleibt – ich wiederhole es gern noch mal –, ist die Aktion Ihrer drei Fraktionschefs, von einem linken Mitarbeiter initiiert: Lieber die Polizis

ten als Bastarde beleidigen, als sich vor die Polizei zu stellen.

(Beifall CDU)

Das ist Ihr Regierungshandeln, das bleibt von Ihnen in dieser Wahlperiode hängen. Das ist zu wenig.

Es geht noch weiter: Bei dem Teilbereich „gesellschaftlicher Zusammenhalt und Migration“ – einer der Bereiche, der auch im Thüringen-Monitor abgefragt wurde – ist es auch nicht unwichtig zu schauen, was da die Leute auf der kulturellen Seite sagen. 74 Prozent der Befragten in Thüringen wollen, dass Deutschland sich wieder stärker auf seine Traditionen besinnt, und 64 Prozent der Männer und 58 Prozent der Frauen wollen mehr Mut zu einem starken Nationalgefühl. Ich finde, das zeigt, es gibt eine Sehnsucht nach Identität – und es ist aus Sicht des Bürgers eine legitime Forderung. Jetzt kann man darauf reagieren, indem man sagt: Mein Gott, es gibt einen Rechtsruck. Oder man kann die legitime Forderung nach mehr Identität auch positiv begleiten, indem man den Bürgern auch das Gefühl gibt, sie liegen richtig, wenn sie sagen, ich bin gern in Thüringen, ich bin gern in Deutschland, ich bin gern in Europa und ich bin auch noch stolz darauf. Das kann man unterstützen oder man kann die Leute in die Ecke stellen. Genau da macht sich die Weichenstellung fest: Abgrenzung oder Brückenbauen – und wir sind für das Brückenbauen.

(Beifall CDU)

Deshalb ist natürlich auch da eine breite gesellschaftliche und politische Debatte erforderlich. Ich finde, das war immer unser Ansatz – bei Bernhard Vogel, bei Dieter Althaus, bei Christine Lieberknecht. Ich habe es ja extra auch zu Ihnen persönlich gesagt: Ich wünsche es auch bei Ihnen, dass wir diese parlamentarischen Debatten nutzen, die vom Thüringen-Monitor ausgehen und darüber hinaus fortsetzen und nicht sofort in die alten einfachen Denkmuster verfallen und sagen: Ja, das war doch klar, das ist Opposition, wir regieren, der ist falsch, wir sind richtig. Klar kann man das machen. Aber ich finde, der Thüringen-Monitor muss uns mehr ermutigen, auch in die Debatte einzutreten. Die Leute verlangen das zu Recht von uns. Wer soll denn in der Demokratie politische Debatten führen, wenn nicht zuallererst Politiker? Aber wenn wir uns der Debatte und dem Diskurs entziehen, dann sind wir doch gar nicht Vorbild für die Bürger, die wir zu Demokratie und zu Parlamentarismus ermutigen wollen. Es muss doch unser Job sein, auf die Gesellschaft so zu wirken, dass sie sehen: Es gibt ein Für und Wider und es gibt auch eine Mehrheit und eine Minderheit. Ja, das ist so. Es gibt auch eine Abstimmung am Ende und nicht alle Meinungen können durchdringen. Aber dass wir zulassen, dass es eine Debatte gibt, und dass wir nicht gleich unterstellen, der eine meint es böse, nur weil er eine andere Meinung hat, das macht doch die Chancen

unserer Demokratie aus. Ich bin dafür, dass wir diese Chancen nutzen, darum geht es.

(Beifall CDU)

Die Bürger sehen gemäß Thüringen-Monitor nicht, dass der Sozialstaat ein offenes System sein sollte. Das ist nicht ganz unspannend, weil natürlich viele denken, man kann mit Sozialpolitik alle Probleme dieses Landes lösen und dann kann man einen Deckmantel darüber legen und alle sind zufrieden und es ist in Ordnung. Nach dem Thüringen-Monitor ist es nicht so, sondern es gibt einen Zusammenhang zwischen Beitragenden und Nutznießern. Das ist für die Versicherungsgemeinschaft und die Solidarsysteme auch nicht weiter begründungsbedürftig. Ich glaube, das ist auch klar, das weiß auch jeder. Aber die Frage, die der Thüringen-Monitor aufwirft, nämlich die Frage der „Ethnisierung der sozialen Frage“ oder des Sozialstaatsnationalismus zu qualifizieren, ist nicht völlig falsch, aber erschöpft sich nicht nur in diesen Klassifizierungen. Aber dass es die gibt und dass sie da beim Thüringen-Monitor auch auf einen Resonanzboden stößt, das finde ich schon ganz spannend. Deswegen will ich Ihnen auch sagen, weil die Bürger eben auch nicht nur dieses linke Konzept von „No Nations, No Borders“ wollen, sondern schon auch wissen wollen, es gibt auch eine Begrenzung oder wie es Joachim Gauck als Bundespräsident gesagt hat: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt“ – aus dem folgt auch eine politische Handlungsweisung.

Wir haben das für uns als CDU versucht zu formulieren, indem wir uns jetzt in Sondershausen zusammengesetzt und gesagt haben: Ja, wir brauchen ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, ganz klar, wir brauchen Fachkräfte, wir brauchen die Ausgebildeten aus Europa und natürlich darüber hinaus auf dieser Welt, die wir mit klaren Bedingungen, orientiert an den Interessen unserer Volkswirtschaft einladen, bei uns in Deutschland auf den Arbeitsmarkt einzusteigen und da zu sein. Es ist Zeit für ein Fachkräftezuwanderungsgesetz in Deutschland.

(Beifall CDU, SPD)

Wir sagen auch ganz klar: Wir wollen für Thüringen ein eigenes Landesintegrationsgesetz, damit klar ist, dass es auch Anforderungen gibt von unserer Gesellschaft an die Integration von Zuwanderern, die wir erwarten. Aber ein Landesintegrationsgesetz muss auch regeln, was wir erfüllen müssen, damit Integration andererseits auch gelingt. Das ist doch ganz klar. Wir erwarten auch, dass ein Landesintegrationsgesetz das Verhältnis, wer für was zuständig ist und wer was bezahlt, regelt. Da muss eben auch klar sein, wenn ich eine Aufgabe nach unten an die Kostenträger bei den Landkreisen und bei den kreisfreien Städten gebe, dann diese Aufgabe auch vollständig finanziert kriegen muss, da

mit Integration auch vor Ort gelingt. Und wir wollen ein eigenes Landesintegrationsgesetz, das nicht nur die großen kulturellen Grundlinien des Landes zur Debatte stellt, sondern auch die klaren Regelungen formuliert. Das wollen wir gern einbringen, wir machen dazu in diesem Jahr einen eigenen Vorschlag.

Meine Damen und Herren, wir haben auch geregelt, dass wir sagen, für uns ist klar: Wir wollen denen helfen, die subsidiär Schutz brauchen, weil sie aus einem Gebiet kommen, wo ihr Leben nicht mehr sicher ist, und wir gehen davon aus, dass sie zurückgehen, wenn die Sicherheit wieder gewährleistet ist. Dann ist auch klar, dass aus diesem Grundsatz heraus logisch ist, dass subsidiärer Schutz nicht in der Integration als Ziel endet, sondern in der Rückkehr in die Heimat. Wenn das klar ist, ist auch klar, dass Familiennachzug für diese Gruppe der subsidiär Schutzbedürftigen begrenzt bleiben muss – auch über die bestehenden Regelungen in Deutschland hinaus. Wir haben das für uns klar formuliert.

(Beifall CDU)

Aber ich sage auch dazu: Für Asyl nach dem Grundgesetz – damit das gar nicht in den falschen Hals kommt – gibt es keine Grenze, weil dieser Anspruch nach dem Grundgesetz immer gilt. Aber natürlich muss man auch fragen: An welcher Stelle entscheidet man das? Wo orientiert man die Leute darauf? Wer hat die Möglichkeit, einen Antrag auf Asyl zu stellen? Wer hat aber gar keine Möglichkeiten, weil er keinen subsidiären Schutz genießt, sondern vielleicht nur nach einem besseren Leben sucht – was ein berechtigtes Interesse ist, aber noch lange keinen dauerhaften Aufenthalt in einem anderen Land begründet? Wenn man das klar regelt, dafür auch die Orte findet, wo man das definieren kann, dann erspart man sich eine Menge Debatten hinterher. Deswegen ist es nicht ganz unwichtig, diese Fragen nicht einfach beiseite zu wischen oder in Rechts-Links-Kategorien einzuordnen, sondern darauf zu achten, dass die Menschen Sorge haben, dass diese Frage ungesteuert bleibt, dass sie ungeregelt bleibt. Man kann das doch sehen – bei den Zahlen, die bei der Frage des Familiennachzugs debattiert wurden. Ja, es kommen doch gar nicht so viele. Schaut: Letztes Jahr gab es nur 70.000 Antragsteller. Das kann man ganz einfach auflösen. Vor einem Jahr noch gab es beim Bundesamt für Flüchtlinge und Migration – beim BAMF – 600.000 unbearbeitete Anträge. Die sind bis auf 100.000 abgearbeitet worden. Das heißt, 500.000 dieser Anträge sind im letzten Jahr abschließend bearbeitet worden. Aber die Anträge auf Familiennachzug wurden noch von der Gruppe gestellt, die vor den 600.000 bearbeiteten Anträgen schon einen Anspruch auf Familiennachzug hatten. Dabei ist doch klar: Ich kann doch erst dann den Antrag auf Familiennachzug stellen, wenn mein ei

gener Antrag bearbeitet ist. Daraus folgt – und dafür haben Sie jetzt zwei Jahre Zeit – die weitere Begrenzung des Familiennachzugs, weil sonst aus der Gruppe der mittlerweile bearbeiteten Fälle von 500.000 die Antragsstellungsquote viel höher ist. Die Leute haben Sorge davor, dass es mehrere Hunderttausend Leute erfassen könnte, die neu in das Land kommen. Da könnte die Grenze der Leistungsbereitschaft erreicht sein, von der Joachim Gauck als Bundespräsident gesprochen hat. Deswegen muss klar sein: Asyl nach dem Grundgesetz ja, subsidiärer Schutz ja – für die, die Schutz bedürfen, Fachkräftezuwanderung ja, aber kein unbegrenzter Familiennachzug für die Gruppe derer, von denen wir erwarten, dass sie zurückgehen und nicht auf Dauer bei uns bleiben.

(Beifall CDU)