Protocol of the Session on November 1, 2017

Die kann man nicht noch in Form eines solchen Gesetzentwurfs im Ausschuss beraten.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Gruselig ist Ihre Ausführung hier!)

Ich will darlegen, was Sie formuliert haben. Sie haben geschrieben, die Genderideologie sei verfassungsfeindlich und sie stellt die naturgegebenen Unterschiede zwischen Mann und Frau infrage. Der entsprechende Auszug aus dem Wahlprogramm dazu lautet – ich zitiere, Frau Präsidentin –: „Wir lehnen Bestrebungen auf nationaler wie internatio

(Abg. Herold)

naler Ebene ab, diese Ideologie durch Instrumente wie Gender-Studiens, Quotenregelungen, zum Beispiel für Frauen, Propagandaaktionen wie den ‚Equal Pay Day‘ oder die ‚geschlechterneutrale Sprache‘ umsetzen.“

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was hat das jetzt mit Gewalt zu tun?)

Wir wollen bei diesem Gesetzentwurf, den Sie uns heute hier vorgelegt haben, Folgendes formulieren: Der Gesetzentwurf, werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, ist wie immer ein typischer AfD-Aktionismusgesetzentwurf sowohl in Form als auch im Inhalt, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Keine Ah- nung!)

Da muss ich auf die Aktuelle Stunde von heute Nachmittag eingehen. Sie nehmen sich einer Thematik aus einer Petition an und Sie denken, Sie können hier Ihre Rechtsaußen-Politik, Ihre Ideologie so unter die Leute hier in Thüringen bringen. Nein, sage ich auch im Namen der Koalition. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir werden diesen Gesetzentwurf, der eindeutig frauenfeindlich ist, ablehnen. Ich sagte es bereits.

Um ein paar Zahlen zu nennen für heute in der ersten Lesung, die Sie nicht bemüht haben: Wir haben im Gleichstellungsausschuss gehört, als es genau um diese Thematik ging, dass es in den Jahren 2013 nach dem Gewaltschutzgesetz 3.031 Sachverhalte gab, wovon 810 Sachverhalte explizit Männer waren, die betroffen sind. 2014 waren es 2.983 Sachverhalte, die angezeigt worden sind, und davon waren 636 Fälle, bei denen explizit – so wurde es uns durch die zuständigen Polizeiorgane aufgeschrieben – Männer als Opfer erfasst worden sind. Aber bei den Interventionsstellen, die wir in Thüringen haben, sind im Zeitraum 2013/2014 54 Männer angekommen und haben sich beraten lassen und im Jahr 2014 77 Männer. Diese Zahlen sagen mir also doch genau, der Bedarf ist nicht so groß, wie uns hier heute mal wieder vorgegaukelt worden ist.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was soll uns das sagen?)

Einen nächsten Schritt hat sowohl die Kollegin von der CDU bereits formuliert und Sie haben es mit in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen: Die Koalition hat in den zurückliegenden Monaten Geld in die Hand genommen für ein Modellprojekt „A4“. Wir werden uns – so sind wir auch auseinandergegangen – nach der Evaluation genau dieses Modellprojekt anschauen und werden herausfinden, welche Möglichkeiten oder ob überhaupt Möglichkeiten vonnöten sind, um hier dieser Thematik etwas entgegenzusetzen.

Einen letzten Satz für heute zu dieser Thematik will ich noch einmal äußern: Mir ist vollkommen klar, warum die AfD solche Gesetzentwürfe auf den Weg bringen will. Erstens erkennen sie die Problematik der Frauendiskriminierung nicht wirklich an. Sie ignorieren sie, weil Sie ideologisch gesehen eine Männerpartei sind. Man muss nur mal in die Fraktion hier rechts außen schauen, wie viele Frauen Sie in Ihrer Fraktion haben. Ebenso gilt das für andere, die Fraktion der AfD im Bundestag, aber auch in den Landtagen. Zweitens belegt es natürlich auch, dass Ihre Wählerklientel männlich dominiert ist, also ist der Gesetzentwurf noch mal eine „Aufforderung“ an Ihre Männer, die Sie hier vertreten. Drittens ist für mich eindeutig Ihr rechtsradikaler Ansatz hier in diesem Gesetzentwurf zum Tragen gekommen. Sie wollen ein bewährtes System der Frauenhäuser, aber auch, was noch viel diskriminierender ist, der Frauenzentren zerstören. Mit uns ist dies nicht zu machen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten gibt es keine weiteren Wortmeldungen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Doch, hier!)

Entschuldigung, dann noch mal Abgeordnete Herold.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe auch noch Redezeit, ich nehme keine Quote in Anspruch.

Sehr geehrte Frau Stange, was Sie hier vorgetragen haben, sagt mir eigentlich nur eines: dass Sie nämlich das Gesetz nicht gelesen und das Problem nicht erfasst haben.

(Beifall AfD)

Es steht nirgendwo drin, dass wir Frauenhäuser abschaffen wollen. Wenn Sie sich am Montag die Mühe gemacht haben sollten, meine Erwiderung auf Ihre zusammenfantasierte Pressemitteilung gelesen zu haben, konnten Sie der entnehmen, dass wir – im Gegenteil – befürworten, dass das System der Frauenhäuser finanziell und personell aufgestockt wird, denn wir rechnen fest damit, dass auch die eine oder andere Neubürgerin in Thüringen froh sein wird, wenn sie in einem Frauenhaus Schutz und Zuflucht findet vor der häuslichen Gewalt ihres im Patriarchat sozialisierten Ehegatten.

(Beifall AfD)

Frauenzentren mit Strick- und Selbstfindungskursen,

(Abg. Stange)

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Wa- ren Sie schon einmal in einem Frauenzen- trum?)

Yoga und anderen Bespaßungen halten wir für unzeitgemäß und plädieren dafür,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist aber gesund!)

dass diese Vereine den anderen Vereinen rechtlich und finanziell gleichgestellt werden.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen das jetzt noch eine Weile ertragen, ich habe noch ein paar Minuten.

Es ist in der internationalen Literatur zur Familiengewalt seit Jahrzehnten bekannt und wird ausführlich erörtert und erläutert, dass Familien Gewalt enthalten und dass Gewalt in Familien zum Ausbruch kommt, naturgemäß oft aufseiten der Männer, weil die einfach über die physisch besseren Ressourcen zur Ausübung von Gewalt verfügen und ihrer häuslichen Xanthippe gelegentlich schon mal eins überbraten. Das soll vorkommen. Es gibt auch Männer, die völlig anlasslos prügeln. Das gibt es in allen Kulturkreisen.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, genau! Naturgemäß, als könnten Sie das nicht ändern. Na super, Frau Herold!)

Es gibt aber auch sehr viele Männer, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, egal ob das nun männliche Kinder sind, männliche Jugendliche, Söhne, Brüder oder Ehemänner. Es ist bedauerlich, dass sich unsere linksradikal determinierte Frauenpolitik in den letzten Jahrzehnten dieser Probleme nie angenommen hat. Es zeigt mir eines ganz deutlich hier: dass Sie einen ideologischen Tunnelblick haben, wenn es um die Probleme von Familien geht. Mir liegt keinesfalls daran, Frauenhäuser schließen zu lassen, sondern mir geht es darum, Gleichbehandlung für gleiche Opfer von gleicher Gewalt herzustellen – nichts anderes.

(Beifall AfD)

Wenn Sie das nicht begreifen können, ich kann Ihnen gern eine Literaturliste zukommen lassen, da können Sie sich ein bisschen nachbilden. Wenn Sie dann ein halbes Jahr intensiv gelesen haben, unterhalten wir uns an der Stelle noch mal. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächste hat sich Abgeordnete Henfling, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gleiches wie vorher, nach der AfD muss man immer noch mal ganz kurz ein paar Sachen gerade rücken, weil Sie ganz viel Quatsch erzählen, wenn der Tag lang ist.

(Beifall DIE LINKE)

Punkt eins: Niemand in dieser Koalition stellt infrage, dass es häusliche Gewalt gegen Männer gibt und dass wir dagegen etwas tun müssen. Man muss aber für eine Reaktion immer eine Analyse zugrunde legen. Deswegen gab es ganz klar hier auch die Entscheidung, mit einem Modellprojekt reinzugehen und das tatsächlich auch ernsthaft anzugehen. Es ist nämlich nicht damit getan, dass man einfach nur sagt, wir haben 20 Prozent Männer – in der häuslichen Gewalt ist das ja sozusagen die Schätzungszahl; die Thüringer Zahlen, das hat Frau Stange ausgeführt, sagen noch mal ein bisschen was anderes dazu –, sondern man muss sich auch überlegen, in welchem Zusammenhang das passiert, und vor allen Dingen, wie man diese Männer tatsächlich erreicht. Dazu braucht es eine tiefer gehende Analyse. Niemand stellt das hier in Abrede. Die „linksradikalen“ Frauen und Frauenrechtlerinnen und -rechtler, die Sie hier gerade angesprochen haben, haben übrigens in den letzten 50 Jahren dafür gesorgt, dass das Thema „häusliche Gewalt“ überhaupt ein Thema in Deutschland ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine absolute Frechheit, dass Sie sich hier hinstellen und behaupten, dass genau diese Frauen, die dafür gekämpft haben, dass wir häusliche Gewalt in Deutschland thematisieren, das nur getan haben, weil sie der Meinung sind, dass Männer nicht auch Gewalt ausgesetzt sind. Das ist völliger Blödsinn. Wenn Sie sich daran erinnern – ich erinnere immer sehr gern daran –, bis 1997 war die Vergewaltigung in der Ehe legal. Das ist nämlich die Tatsache. Und es ist den „linksradikalen“ Feministinnen und Feministen in diesem Land zu verdanken, dass das überhaupt tatsächlich ein Straftatbestand geworden ist. Das hat sehr, sehr wenig mit Ihrer Politik zu tun, die Sie hier propagieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Hauptproblem an dem, was Sie hier vorschlagen, ist, dass Sie sich nicht dafür einsetzen wollen, dass es tatsächlich darum geht, häusliche Gewalt auch bei Männern tatsächlich zu thematisieren, wenn sie Opfer werden. Es hat etwas damit zu tun, dass Männer in dieser Gesellschaft tatsächlich ein Männlichkeitsmodell vorgelebt bekommen, das ihnen sagt, du darfst nicht schwach sein, du darfst

(Abg. Herold)

nicht Opfer werden, du darfst das auch artikulieren vor der Polizei. Das ist tatsächlich ein Problem. Aber wissen Sie, was dagegen hilft? Dagegen hilft nur Feminismus und dagegen hilft keine AfD. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten gibt es jetzt keine weitere Wortmeldung. Dann Ministerin Werner, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, für die Landesregierung möchte ich zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD wie folgt Stellung nehmen: Die Thüringer Interventionsstellen bieten seit 2008 allen Opfern häuslicher Gewalt eine schnelle, kurzzeitige psychosoziale und rechtliche Beratung, verbunden mit einer individuellen Schutz- und Sicherheitsplanung. Grundlage dafür sind die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes. Die Erfahrungen der Interventionsstellen zeigen, dass eine Vermittlung der männlichen Betroffenen in eine längerfristige Beratung und Begleitung zur Stabilisierung, zur Aufarbeitung der Gewalterfahrungen und zur Sicherung der existenziellen Grundlage thüringenweit schwierig ist. Auf diese Einschätzung haben wir als Landesregierung reagiert; auch dank einer guten Fachdebatte durch Kleine Anfragen und in den Ausschüssen. Hier setzt das neue Projekt „A4“ an – „A4 – Anrufen, Ankommen, Anhören, Aktiv werden“, auf das auch in der vorliegenden Drucksache Bezug genommen wird. Aus der Fachdiskussion ist klar, dass es nicht einfach ist, die Zielgruppe der männlichen Gewaltopfer zu erreichen. Das wurde hier schon angedeutet. Das wird oft tabuisiert, weil es oft zum Widerspruch zum gängigen Männlichkeitsideal steht. Es sind andere Hilfebedarfe, die diese Männer haben. Wir wissen aus verschiedenen Erfahrungen, unter anderem aus der zeitweise bestehenden Gewaltschutzwohnung in Gera, dass diese eben nicht von den Männern angenommen wird. Es gab nur zwei Bewohner über die ganze Zeit in dieser Gewaltschutzwohnung. Deshalb brauchen wir eine gute Analyse und haben das Projekt „A4“ aufs Gleis gestellt. Es gilt, im Rahmen einer Bedarfsanalyse herauszufinden, welche spezifischen Bedarfe Männer haben, sowohl inhaltlich als auch zahlenmäßig, an Beratung, an Unterstützung in Fällen häuslicher Gewalt, in denen Männer Opfer sind. Zusätzlich können bei diesem Projekt Männer Beratung in Anspruch nehmen, um einem möglichen Bedarf, den es braucht, gerecht zu werden. Auch hier wird es notwendig sein und streben wir an, die

Erfahrungen, die die Männer, die beraten werden, aber auch die beratenden Männer gemacht haben, in unsere Analyse mit einfließen zu lassen. Das Projekt „A4“ befasst sich mit Fragen und einer Untersuchung zur Evaluierung im Leistungsangebot hinsichtlich der speziellen Beratungsangebote für Männer mit Gewalterfahrungen in engen sozialen oder in familiären Beziehungen. Es werden Fragen gestellt werden, ob es Lücken gibt im Hilfesystem, wenn ja, wie diese geschlossen werden müssen. Was sind die Bedürfnisse der Zielgruppe? Wie können die Zugänge sinnvoll gestaltet werden? Sind die vorhandenen Beratungsstrukturen sinnvoll und nutzbar oder braucht es spezialisierte Angebote? Die Ergebnisse dazu werden im nächsten Jahr vorliegen. Wir werden diese natürlich gemeinsam mit den tangierten Ressorts der Thüringer Landesregierung auswerten. Im Anschluss an diese Auswertung lässt sich feststellen, ob und welche Rechtsgrundlagen in Thüringen der Änderung bedürfen.