Wieder einmal erfahren Mitarbeiterinnen Details über ihre berufliche Zukunft aus der Presse oder aus der Gerüchtekammer. Wieder einmal stellt sich eine Konzernleitung nicht den Fragen der Belegschaft, sondern lässt sie sprichwörtlich im Regen stehen.
Worüber reden wir heute? Wir sprechen über einen Konzern mit einer Marktkapitalisierung von rund 105 Milliarden Euro. Nur für Sie zum Vergleich: Wir befinden uns gerade in Haushaltsgesprächen. Der Landeshaushalt hat eine Größe von knapp über 10 Milliarden Euro. Es handelt sich also um das Zehnfache des Landeshaushalts des Freistaats Thüringen. Ein Konzern mit einer positiven Börsenentwicklung und Dividenden von rund 4 Prozent in der Vergangenheit und einer Dividendenausschüttung von 2,9 Milliarden Euro für das Jahr 2016. Im Mai 2014 hat Siemens seine Vision 2020 vorgestellt und darin heißt es – und ich möchte daraus einmal kurz zitieren –: „Die Siemens AG wird sich künftig entlang der Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung aufstellen. In diesen Wertschöpfungsketten hat Siemens mehrere Wachstumsfelder identifiziert, in denen der Konzern für sich langfristig die größten Potenziale sieht. Auf diese Wachstumsfelder richtet das Unternehmen seine Ressourcenallokation aus und hat dazu konkrete Maßnahmen angekündigt. [...] In der Elektrifizierung und Automatisierung, in denen Siemens in vielen Märkten schon eine klare Nummer-1-Position hat, gehören zu den Wachstumsfeldern zum Beispiel die Märkte für kleine Gasturbinen sowie OffshoreWindanlagen, die von der steigenden Nachfrage nach sicherer und nachhaltiger Stromversorgung profitieren.“
Das Werk Erfurt stellt nun gerade für das Segment der kleinen Gasturbinen die erforderlichen luftgekühlten Generatoren her. Noch im April 2016 wurde der tausendste Generator ausgeliefert, der Ministerpräsident wurde hierzu zu einer Festveranstaltung eingeladen. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Werks ahnen, dass der bereits beschlossene Strategie
Wieder einmal erleben wir, wie die Falscheinschätzung der Konzernleitung auf dem Rücken von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgetragen werden soll. Siemens hat viel zu lange nicht auf die sich verändernde Entwicklung in der Energiebereitstellung reagiert. Den Einstieg in die erneuerbaren Energien hat die Konzernleitung lediglich durch den Zukauf von Herstellern international abwenden können. Aber auch dort agiert sie bzw. agierte sie nicht sonderlich glücklich.
Siemens ist dabei in der Lage, gerade für die kommenden Jahre die Technologie zur Verfügung zu stellen, die wir benötigen, um einen sukzessiven Abschied aus der fossilen Energiebereitstellung zu bewerkstelligen.
Es sind die modernen kleinen bis mittleren Gaskraftwerke, die über Kraft-Wärme-Kopplung maßgeblich zum Gelingen der Energiewende beitragen können, wenn – und das sage ich hier mit aller Deutlichkeit – die Bundesregierung nicht mit ihrem Gemurkse an dem EEG in der Vergangenheit und dem Buckeln vor der Kohlelobby das wirtschaftliche Betreiben dieser modernen Gaskraftwerke unmöglich gemacht hätte. Somit ist ein zukunftsträchtiger Markt zumindest in der Bundesrepublik zusammengebrochen. Aber auch international wird dieser Markt schwieriger. Fast alle großen Volkswirtschaften haben erkannt, dass die zukünftige Energieversorgung nur noch aus erneuerbaren Energien erfolgreich sein kann.
Doch, sehr geehrte Damen und Herren, mir geht es hier nicht ansatzweise um eine Schuldzuweisung, damit ist Ihnen nicht geholfen, weder am Standort Erfurt noch in Görlitz noch an den anderen Standorten, die von Schließung oder Verkauf betroffen sein könnten. Vielmehr muss es darum gehen, dem Werk hier in Erfurt die erforderliche Zeit zur Neuund Umstrukturierung zu geben, einer Neu- oder Umstrukturierung, die aber nicht außerhalb des Siemens-Konzerns vonstattengehen soll, sondern die innerhalb des Konzerns und innerhalb seiner Strukturen bewerkstelligt werden muss.
Es geht darum, die für Thüringen wichtigen Industriearbeitsplätze dauerhaft zu erhalten, das einzigartige Know-how zu schützen und nicht international zu verkaufen. Wir, Bündnis 90/Die Grünen, begrüßen es daher außerordentlich, dass sich die Landesregierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzt.
Eines möchte ich abschließend dann aber doch noch sagen: Es kann und darf nicht sein, dass ein Konzern versucht, sich aus seiner Verantwortung zu stehlen. Erst wird mit der Belegschaft unter dem Stichwort „Power Generation 2020“ ausgehandelt, dass sich an der Struktur bis 2020 nichts ändern soll und dann wird sich quasi –
ja – über die Hintertür, über den Verkauf, über den möglichen Verkauf aus der Verantwortung gestohlen. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, auch ich darf die Belegschaft von Siemens in Erfurt hier herzlich begrüßen. Sie waren es, ja, ihr wart es, die vor genau einer Woche beim Schweigemarsch ein klares Zeichen des Protests gegen den geplanten Verkauf des Werks gesetzt haben.
Ich will mit aller Deutlichkeit sagen: Heute senden wir, die demokratischen Fraktionen dieses Hauses, an die Belegschaft von Siemens ein deutliches Signal unserer Solidarität
und an die Konzernspitze auch die deutliche Botschaft, meine Damen und Herren: So geht es nicht. Damit sind wir politisch nicht einverstanden.
Es wurde ja schon erwähnt: Das Erfurter Generatorenwerk ist hochproduktiv. Es ist flexibel und, wie wir uns im Rahmen eines kurzen Betriebsrundgangs überzeugen konnten, auch im digitalen Bereich auf einem hohen Niveau. Die Belegschaft ist hoch motiviert bei ihrer Arbeit und deshalb ist es natürlich umso verständlicher, dass sie auch hoch motiviert ist beim Kampf um den Erhalt des Erfurter Standorts innerhalb der Reihen des Siemens-Konzerns, und dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es sehr viele gute Gründe. Einer ist allerdings auch, das will ich mit Deutlichkeit sagen,
dass Siemens in dieser Stadt ein Traditionsunternehmen ist, und gerade so was ist nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus politischen Gründen unwahrscheinlich wichtig für unser Land hier in Thüringen, für diese Stadt Erfurt. Und ich will das mal so deutlich sagen: Das hier zu erhalten und diese Arbeitsplätze nicht zu gefährden, ist die Verantwortung gegenüber den Menschen in diesem Land, die wir auch zu vertreten haben und wo wir gemeinsam deutlich sagen müssen, was unsere Intention in dieser Frage ist.
Und wir tun das ja auch gemeinsam. Aber es gibt natürlich auch viele andere unternehmerische und sozusagen technologische Gründe, die uns warnen lassen vor einem solchen Weg, den die Konzernspitze etwa einschlagen würde. Denn was wäre denn die Konsequenz aus einem Verkauf? Es ist doch allgemein bekannt, dass es spürbare Überkapazitäten im Bereich der großen Generatoren auf dem Weltmarkt gibt, und dann wäre es natürlich mit Sicherheit so, dass vor einem Verkauf vor allen Dingen wesentliche Patente dort rausgezogen würden aus dem Unternehmen. Das würde kurz- und mittelfristig in jedem Fall einen Arbeitsabbau bedeuten und es würde natürlich auch die hohe Innovationskraft und Kreativität des Erfurter Unternehmens untergraben und sie schließlich verloren gehen lassen. Das gilt es mit allen Mitteln, meine Damen und Herren, zu verhindern und dafür gibt es auch gute Möglichkeiten. Denn es macht auch für Siemens wenig Sinn, dass ausgerechnet die Werke verkauft werden sollen, die dezentrale Lösungen für den Energiemarkt anbieten. Übrigens ist das bei Siemens in Erfurt schon seit 1997 der Fall, als die Konzernspitze von Siemens das noch lange nicht erkannt hatte. Also es fragt sich, wer hier auf der Höhe der Aufgaben ist
Ich möchte auch aus diesen Gründen dem Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister für ihr schnelles Engagement in dieser Frage danken. Ja, Sie haben einen gewissen politischen Druck über politische Erwartungen aufgebaut. Das ist in diesem Sinne auch gut so und es wird deutlich von uns unterstützt. Diesen Druck wollen auch wir hier als Fraktionen und insbesondere auch die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag deutlich mittragen. Es ist zu Recht daran erinnert worden, was Verlässlichkeit betrifft: Die Frage des 2020-Programms mit dem Erhalt aller Standorte, da ist Siemens im Wort und wir fordern dieses Wort von dieser Bühne aus, meine Damen und Herren, deutlich ein. Ich will das noch ein Stück weiterführen. Es ist ja hier vom Kollegen Müller sehr zu Recht über die Kapitalver
hältnisse im Unternehmen des Siemens-Konzerns gesprochen worden. Da will ich mal ganz deutlich sagen: Wir haben an den Siemens-Konzern die Anforderung, dass sie nicht nur – aber selbst die zählen ja nicht, wie ich gerade kurz erwähnt hatte – wirtschaftliche Erwägungen zum Ausgangspunkt ihrer Entscheidungen machen. Sie sind insgesamt Eigentümer über die Aktionäre. Es ist völlig klar, dass sie damit aber auch eine gesellschaftliche und in der Bundesrepublik Deutschland sogar eine verfassungsmäßige Verantwortung
für Gesamtverhältnisse tragen und sich nicht nur schmalspurmäßig entscheiden können. In diesem Sinne sage ich ganz deutlich: Es geht vordergründig um die Arbeitsplätze, um die Arbeitsplätze im Bereich der Zulieferung, um die Familien – die haben wir natürlich zuallererst im Blick –, aber es geht bei solchen Entscheidungen, die hier der SiemensVorstand offensichtlich anpeilt, letzten Endes auch darum, dass eine starke Wirtschaft und eine gute wirtschaftliche Entwicklung sich mit einer demokratischen Entwicklung, ihrer Stärkung und mit den demokratischen Institutionen in diesem Land verbinden müssen und dass sie dem nicht entgegenstehen dürfen. Das ist politische Verantwortung, die wir wahrgenommen sehen wollen auch durch den Vorstand von Siemens, was das Werk in Erfurt betrifft. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und sehr geehrte Mitarbeiter des Siemens-Werks in Erfurt, nicht zum ersten Mal in diesem Jahr stehen wir hier und sind besorgt über den Verlust vieler Arbeitsplätze in Thüringen. Zuerst war es Opel, dieses Mal ist es Siemens. Alle Fraktionen haben vermutlich die Hoffnung, dass Arbeitsplätze erhalten werden können und kein Arbeitnehmer sich neu orientieren muss. Das hoffen auch wir.
Für den Einzelnen stellt der Verlust der Arbeitsstelle eine schreckliche Erfahrung dar. Insofern möchte ich zum Ausdruck bringen, dass auch wir sehr hoffen, dass sich das Blatt wendet und es doch noch eine Hoffnung für Siemens und die Beschäftigten dort gibt.
Dennoch muss ich darauf hinweisen: Was ist die Aufgabe der Politik im Bereich der Wirtschaft? Wir als Gesetzgeber sind verantwortlich für die Rahmenbedingungen, unter denen Wirtschaft in Thüringen stattfindet. Oft genug haben wir zum Ausdruck gebracht, dass wir mit den Rahmenbedingungen, die unter einer rot-rot-grünen Landesregierung entstanden sind, nicht einverstanden sind.
Als Beispiel nenne ich das Bildungsfreistellungsgesetz. Wir als Haushaltsgesetzgeber sind verantwortlich dafür, Haushaltsmittel für Förderprogramme bereitzustellen. Aber das war es auch. Alle anderen Maßnahmen sind doch eher symbolischer Natur. Natürlich kann der Wirtschaftsminister fordern, dass das Werk erhalten bleibt. Natürlich kann er fordern, dass die Umstrukturierungen nicht zulasten der Mitarbeiter gehen, aber letztlich handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, wenn Siemens bis zu 11 der weltweit 23 Standorte von Power and Gas schließen und verkaufen wird. 12.000 Beschäftigte wären deutschlandweit von einer solchen Umstrukturierung betroffen, davon allein 700 in Erfurt plus noch circa 700 Mitarbeiter der Zulieferindustrie in Ostdeutschland. Das ist eine unternehmerische Entscheidung.
Wir können aber fragen, was überhaupt dazu führt, dass Siemens eine solche weitreichende Entscheidung trifft. Fakt ist, dass die Kraftwerksparte, speziell im Bereich großer Turbinen, nicht erst seit gestern unter einer stark rückläufigen Nachfrage leidet. Der Weltmarkt ist in den vergangenen drei Jahren fast um ein Drittel eingebrochen. Die Bestellungen bei Siemens sind in den vergangenen Monaten im Vergleich zu den Vorjahresquartalen teilweise bis zu 40 Prozent rückläufig gewesen. Grund für diese Entwicklung ist die sogenannte Energiewende, die durch die Altparteien ordentlich befeuert wird.
Der Markt für große Gas- und Kohlekraftwerke und die entsprechenden Turbinen ist damit zusammengebrochen. Die Nachfrage nach solchen Anlagen ist stark gesunken. Hinzu kommt, dass durch die Russland-Sanktionen ein wichtiger Exportmarkt weggefallen ist.
Wie unsäglich die Russland-Sanktionen sind und welche gravierenden Auswirkungen sie auf die Wirtschaft haben, haben wir an dieser Stelle schon mehrfach thematisiert. Man braucht sich nur dieses Theater mit den vier Gasturbinen auf der Krim vor Augen zu führen. Die Krim könnte sehr viele Gasturbinen gebrauchen. Wir müssen sie nur dorthin liefern.
Die Umstrukturierung bei Siemens ist das Ergebnis dessen. Wie ich schon erwähnte, ist die Politik dafür verantwortlich, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen. Im Fall der erneuerbaren Energien hat die Politik dies getan. Nun beschwert sie sich darüber, dass ihre Politik Früchte trägt und natürlich auch dazu führt, dass Arbeitsplätze wegfallen. Wer A sagt, soll oder muss auch B sagen. Daher seien Sie doch bitte so ehrlich und vergessen Sie nicht, bei Ihren Gesprächen mit Betriebsräten und Unternehmervertretern sowie bei den Teilnehmern an Kundgebungen zu sagen, dass es die Politik der Altparteien ist, die dafür gesorgt hat, dass es zur heute sichtbaren Situation gekommen ist.
Als AfD-Fraktion fordern wir vehement das Ende des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein. Damit tun wir mehr für die Mitarbeiter der Siemens-Werke als Sie mit Ihren symbolpolitischen Aktionen alle zusammen. Vielen Dank.