Protocol of the Session on September 29, 2017

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Schlimm, oder?)

und die setzen Sie mutwillig aufs Spiel, weil Sie glauben, dass Sie hier ernsthafterweise in irgendeiner Art Forschung unterstützen können. Ich kann Ihnen nur zurufen: Sie gefährden den Wissenschaftsstandort Thüringen, den Forschungsstandort. Und dass Sie das an so vielen Stellen tun, zeigt die Zivilklausel nur auf der einen Seite, aber es gibt noch viele andere Beispiele. Ich nenne Ihnen gleich noch zwei, aber vorher möchte der Kollege Schaft eine Frage stellen. Die höre ich natürlich gern.

Herr Kollege Schaft, Ihre Frage ist zugelassen, bitte.

Wenn wir jetzt gerade schon über die Zivilklausel diskutieren, würde ich gern fragen, ob Sie mir nicht zustimmen, dass im Hochschulgesetz auch die Verantwortung der Hochschulen für die Erhaltung des Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens formuliert ist und die Zivilklausel dann nicht die logische Schlussfolgerung daraus ist?

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Also, Sie wissen vielleicht, wie Miss-UniverseWahlen in der Welt gewonnen werden.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, Sie gewinnen sie nicht!)

Definitiv, ich gewinne die nicht, garantiert nicht. Aber ich bin mir sicher, hier im Haus auch niemand – also nur mal so weit.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich wollte es nur mal gesagt haben!)

Die werden immer beantwortet mit: Ja, ich bin übrigens auch für Weltfrieden. – Ja, ich bin auch für Weltfrieden, das ist doch vollkommen in Ordnung.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber die Frage, die Sie stellen, ist: Kann es in so einem Gesetz eine staatlich reglementierte Eingrenzung von Forschung und Autonomie geben? Da widerspreche ich Ihnen. Ich habe Ihnen das Beispiel schon mehrfach gesagt, aber ich wiederhole es gern noch mal. Ich habe selbst für ein Unternehmen in Thüringen gearbeitet, das zur Detektion von biologischen und chemischen Gefahrenstoffen Instrumente entwickelt hat. Warum? Weil sie wollten, dass in Krisengebieten identifiziert werden kann, ob biologische oder chemische Waffen oder Gefahrenstoffe für die Bevölkerung existieren. Das, was Sie aber machen, ist – solche Instrumente können nicht nur als Defensivvariante, sondern natürlich auch andersrum von böswilligen Leuten verwendet werden. Diese Forschung würden Sie mit Ihrer Zivilklausel komplett reglementieren, komplett wegwischen.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Das ist ja Quatsch!)

Und das führt letztlich dazu, dass genau Ihr – das will ich Ihnen sogar unterstellen – positiv motivierter Eingriff letztlich ins Gegenteil verkehrt wird. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen, dass wir gut daran tun, wenn die Politik nicht entscheidet, was sinnvolle oder nicht sinnvolle Forschung ist, sondern wenn wir das in die Hände von verantwortungsvollen Wissenschaftlern legen. Ich glaube, da gehört es letztlich auch hin.

(Beifall CDU)

Ich will gar nicht in Länge und Breite Fragen diskutieren, die damit einhergehen, aber ich glaube, die öffentliche Diskussion und auch all das, was wir in Gutachten und Studien zu dem Thema finden, ist relativ eindeutig. Ich breche es jetzt mal ganz prak

tisch auf die Realität der Thüringer Hochschullandschaft herunter. Wenn ich mir die Zahlen von 2009 bis 2014 in der Frage angucke, wie sich die Landesmittel für Forschung eigentlich entwickelt haben, dann muss man eben sagen, dass wir, auch gerade wenn wir auf die Drittmittelforschung schauen, in Thüringen massiven Nachholbedarf haben. Der hat sich übrigens unter Rot-Rot-Grün auch nicht verändert. Und wenn wir uns anschauen, dass die gewerbliche Drittmittelfinanzierung um 5,6 Prozentpunkte gesunken ist, dann gibt es offensichtlich ein Problem, wie wir es schaffen, Unternehmen auch an unsere Hochschulen zu bringen, um so etwas zu intensivieren. Sie haben ja noch nicht einmal etwas über Open Access usw. hier drin, aber die Debatten haben wir auch geführt. Sie merken einfach, dass es an so vielen Punkten bei Ihnen Eingriffe in die Forschungsfreiheit gibt, was hoch problematisch ist. Ich nehme nur das praktische Beispiel, was heute auch noch mal in der Zeitung stand, aber auch durch eine kleine Anfrage von mir sichtbar geworden ist. Wissen Sie, in Thüringen gibt es Forschung, die sich mit Krebsmedikamenten, die sich mit Stammzellenforschung und vielen anderen Dingen beschäftigt. Dafür sind unter anderem auch in sehr engen ethischen Grenzen Tierversuche nötig. Und in dieser Landesregierung gibt es teilweise Anträge, die über ein Jahr nicht bewilligt und beantwortet worden sind. Das führt dazu, dass wir teilweise exzellente Forschung gerade in der Krebstherapie in Thüringen nicht mehr machen können, obwohl es einen ganz klaren Prozessablauf gibt, dass solche Anträge innerhalb von 40 Tagen beantwortet werden müssen, und man vielleicht dann noch 15 Tage on top geben kann. Aber wir haben teilweise Anträge, die über 360 Tage keine Reaktion bei den Wissenschaftlern ergeben haben. Mittlerweile gibt es Wissenschaftler, die deswegen aus Thüringen weggehen. All das ist rot-rot-grüne Forschungslandschaft. Wenn Sie jetzt auch noch hier den Eingriff wagen, dann kann ich Ihnen sagen, dann zerstören Sie jetzt nicht nur in dem Hochschulgesetz vieles, sondern Sie sorgen auch dafür, dass praktische Wissenschaft in Thüringen viel, viel schwieriger wird, und das ist falsch.

(Beifall CDU)

Wie stark das offensichtlich ideologiegetrieben ist, sieht man an einem vierten Punkt, den ich deutlich machen will. Ich finde es vollkommen richtig, dass wir an allen Thüringer Hochschulen Gleichstellungsbeauftragte haben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber?)

Aber jetzt kommt man auch noch auf den schmalen Fuß, zusätzlich noch einen Diversitätsbeauftragten dazu zu packen. Worin die sich unterscheiden, kann ich offen gestanden nicht so hundertprozentig nachvollziehen. Ich will es Ihnen ganz klar sagen:

(Abg. Schaft)

Wenn Sie einen Digitalisierungsbeauftragten genommen hätten, da hätten Sie von uns Applaus bekommen, aber noch ein Diversitätsbeauftragter neben einem Gleichstellungsbeauftragten, das ist für mich nicht eingängig. Das zeigt, dass wir auch hier wieder ideologiebetriebene Politik machen, aber bitte schön keine, die unseren Hochschulen nur einen Jota voranbringt.

(Beifall CDU)

Ich könnte noch viele andere Punkte aufführen; die Frage, wie Kanzler in Ihrem Hochschulgesetz letztlich limitiert werden, ich könnte auch noch andere Fragen dazupacken. Ich lasse es, weil ich Ihnen eines sagen kann: Die Debatte zu diesem Hochschulgesetz beginnt erst, denn so wertvoll der Dialogprozess vorneweg gewesen ist, so müßig sind solche Beteiligungsformen, wenn sie am Ende nicht dazu führen, dass diejenigen, die angehört worden sind, auch tatsächlich in ihrer Meinung gehört werden. Deswegen werden wir dafür Sorge tragen, dass wir den Anhörungsprozess so breit wie möglich mit allen Betroffenen führen, und da wird deutlich werden, wie schwach und schlecht Ihr Hochschulgesetz nicht nur im Thüringer Maßstab, sondern vor allen Dingen auch im bundesweiten Maßstab eigentlich ist. Das ist etwas, wo wir als CDUFraktion ganz klar sagen: Wir lehnen Ihr Hochschulgesetz ab. Wir glauben, dass es nicht zu einer Stärkung der Thüringer Hochschullandschaft führt. Und wir können Ihnen ganz klar ins Stammbuch schreiben, neben den positiven Dingen, die Sie aus unserem Eckpunktepapier im Januar übernommen haben, also zum Beispiel Bauherreneigenschaft –

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Halt, das war meine Idee! Ideenklau! Wer hat es erfunden?)

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Frau Mühlbauer, ich will mich jetzt nicht auf den Vergleich mit Ihnen einlassen, aber Sie machen erst seit dieser Legislaturperiode Hochschulpolitik. Das respektiere ich, aber die Debatte zur Bauherreneigenschaft haben wir ein bisschen länger als seit dieser Legislaturperiode!

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hätten Sie es mal gemacht!)

(Zwischenruf Hoppe, Staatssekretär: Aber nichts erreicht!)

Ich könnte die ganze Debatte jetzt hier vorn wiederholen. Das kann ich gern machen, aber ich kann Ihnen schon sagen, dass wir diesen Vorschlag im parlamentarischen Gang zuerst eingebracht haben. Ich finde, das können Sie auch nicht wegdiskutieren und so tun, als ob das anders wäre. Und – das wissen Sie, ich mache das von diesem Podium aus häufiger und auch öffentlich – Dinge, die gut sind, die muss man auch so benennen. Das ist etwas,

was im Gesetz gut ist. Auch die Frage der Gewinnung von qualifiziertem in- und ausländischem wissenschaftlichen Nachwuchs durch Berufungs- und Karrierekonzepte halten wir für sinnvoll, auch die Frage der Stärkung von kooperativen Promotionen. Das sind alles Punkte, die konsensual sind. Das sind auch Sachen, die wir im Januar in unserem Eckpunktepapier schon so benannt haben. Aber das wiegt bei Weitem nicht auf, was Sie an massiven Eingriffen in die Thüringer Hochschullandschaft vornehmen, die Veränderungsprozesse, die diese für die Thüringer Hochschulen mit sich bringen. Ich kann es nur noch einmal sagen: Sie organisieren mit diesem Hochschulgesetz Chaos an den Thüringer Hochschulen. Sie limitieren Forschung und Wissenschaft und Sie sorgen für eines, Sie sorgen dafür, dass der Wissenschaftsstandort Thüringen deutlich unattraktiver wird. Und das ist offen gestanden nicht nur schmerzhaft, sondern es ist für die Zukunft unseres Freistaats ziemlich gefährlich. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Professor Dr. Voigt. Als Nächster hat sich Minister Tiefensee zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich wollte ganz bewusst zunächst einmal den sehr geschätzten Prof. Dr. Voigt zu Wort kommen lassen, der in seiner Rede mit sehr starken Worten aufgetreten ist – Chaos, Zerstörung, Rückfall in die 70er-Jahre, vermutlich des 20. Jahrhunderts –, um dann unmittelbar darauf reagieren zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegenteil, ich bin der Meinung, dass wir heute einen Gesetzentwurf beraten, der die Hochschulen, die Forschungseinrichtungen auf den Weg ins 21. Jahrhundert bringt. Wir legen ein modernes Hochschulgesetz vor, das die Stärkung unserer Hochschullandschaft ermöglichen soll, das auf den hervorragenden Einrichtungen aufsetzt, die wir haben. Und – weil ich den Chef der Landesrektorenkonferenz Peter Scharff oben sitzen sehe –

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ich möchte ausdrücklich dafür danken, was an den Hochschulen in den letzten Jahren geleistet wurde. Das ist ein ganz solides Fundament, das nicht zuletzt auch den Ruf Thüringens stärkt und die Wirtschaftskraft und damit die Lebensqualität. Ganz herzlichen Dank an die Einrichtungen!

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir legten im Kabinett einen Gesetzentwurf vor, erste Lesung im September vergangenen Jahres, der erstens durch den Koalitionsvertrag initiiert wurde, in dem eindeutig steht, wir sollen uns um mehr Transparenz, um mehr Demokratie an den Hochschulen kümmern. Zum Zweiten gibt es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur medizinischen Hochschule in Hannover. Diese Entscheidung hat nicht nur etwas mit Niedersachsen zu tun, sondern hat Auswirkungen auf die Hochschulen in der Bundesrepublik insgesamt. Und schließlich hat der Bund das Wissenschaftszeitvertragsgesetz angepasst und wir sind, gerade was die Frage der Befristungen anbetrifft, alles andere als zufrieden damit und bilden unsere Meinung in diesem Bereich im Hochschulgesetz ab.

Wir haben einen Beteiligungsprozess gestartet, der die Handschrift unseres Hauses und die Handschrift dieser Regierung zeigen soll und der sich im Übrigen dann letztlich auch in den Paragrafen des Hochschulgesetzes widerspiegelt. Ich bin dezidiert der Auffassung – und das auch mit Blick auf den 24. September dieses Jahres –: Wir müssen Bürgerinnen, Bürger und Betroffene zeitiger und intensiver in den Entscheidungsprozess einbringen.

(Beifall DIE LINKE)

Aus diesem Grund haben wir einen ganz ungewöhnlichen Weg gewählt und, Herr Prof. Voigt, nicht erst darauf gewartet, dass es Anhörungen zwischen dem ersten und zweiten Kabinettsdurchgang und jetzt auch hier im Landtag gibt, sondern wir haben einen Prozess vorgeschaltet, an sieben Standorten Hochschuldialoge organisiert, 700 Menschen – und zwar nicht nur die, die unmittelbar mit Hochschule zu tun haben – beteiligt. Es gab einen Livestream. Man konnte sich im Internet dazu äußern. Dieser Dialog war fruchtbar. Dieser Dialog hat uns gezeigt: Was sind die Problemstellungen? Wo sind die Ideen? Selbstverständlich haben wir gemerkt – wie übrigens auch bei den Anhörungen zwischen dem ersten und zweiten Kabinettsdurchgang, hier haben wir noch einmal 80 Institutionen befragt, die sich gemeldet haben –, dass wir kontroverse Standpunkte haben. Deshalb kann es in vielen Bereichen keinen Konsens geben, aber, wie wir finden, einen sehr guten und ausgewogenen Kompromiss. Das Beteiligungsverfahren, die Mitwirkung an Entscheidungen und deren Vorbereitung, ist das Markenzeichen von Rot-Rot-Grün und das findet sich letztlich auch in den Paragrafen des neuen Hochschulgesetzes wieder.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Erste ist, wir wollen die Autonomie der Hochschulen stärken.

Herr Prof. Voigt, alles, was man hier am Pult oder auch in der Zeitung oder im Internet verbreitet, muss man auch vor dem Hintergrund bedenken, was für ein Signal man gibt. Ich kann die Opposition verstehen, die mit dem groben Hammer auf ein solches Gesetz, auf die dahinter stehende Haltung, schlägt. Aber wir müssen genau bedenken: Wie kann man denn nach außen signalisieren, wir würden die Autonomie schwächen, wo wir sie doch gerade stärken?

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ja, sagen Sie mal!)

Wo stärken wir Sie? Lieber Herr Prof. Voigt, indem wir Globalbudgets vorsehen. Wo gibt es das, dass eine Landesregierung, dass ein Landtag die Autonomie an Hochschulen so weit gewähren lässt, dass man innerhalb dieses Budgets individuell nach der Profilierung der Hochschule mit Geld umgehen kann? Wo gibt es das, dass wir die Forschungsund Praxissemester völlig neu gestalten und in die Freiheit der Hochschulen entlassen, nach Leistung, nach Bedarf, mit weniger Voraussetzungen ermöglichen? Wo gibt es das, dass die Professoren eben nicht nur ausgewählt, sondern auch ernannt werden? Wo gibt es das – und wer den Vorschlag gemacht hat, sei mir jetzt mal egal –, dass wir die Bauherrenaufgaben, also die Verantwortung für Bauvorhaben, in die Hände der Hochschulen legen, entweder indem sie Teilaufgaben übernehmen, indem sie Projekte selbst gestalten können oder – wie bei der Friedrich-Schiller-Universität – sogar die Gesamtverantwortung für alle Bauaufgaben übernehmen?

Das, meine Damen und Herren, ist gelebte Autonomie, die ausgehend vom Grundgesetz die Freiheit von Forschung und Lehre und die individuelle, auf die Hochschule bezogene Profilierung ermöglicht. Herr Prof. Voigt, wenn man diesen Weg geht, ist doch wohl klar, dass man natürlich auch – weil es sich um Steuergeld handelt – genau schauen muss, wohin das Geld fließt, was die strategische Ausrichtung ist.