Protocol of the Session on March 25, 2015

Ich denke, dass jeder, der nicht vollständig voreingenommen, wie es die beiden Vorredner gezeigt haben, sich diese Briefe anschaut, einen deutlichen Unterschied erkennen wird. Nun stellen Sie sich mal vor, mein Kollege Markov und ich hätten einen gleichlautenden Brief an die Kanzlerin und zugleich Parteivorsitzende der Union und an den Kollegen Kauder in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender gesandt – mal davon abgesehen, dass wir die nicht geduzt hätten. Ich sage Ihnen, auf Ihrer Seite wäre gar nichts passiert, denn das ist alltägliche Praxis. Staatsorgane und politische Parteien tauschen ihre Ansichten über bestehende politische Probleme aus und wirken so am politischen Willensbildungsprozess mit. So verlangt es im Übrigen auch das Grundgesetz. Deshalb entspricht es auch der parlamentarischen Praxis in den Ländern und im Bund, dass sich Minister schriftlich an einzelne Abgeordnete, Fraktionen oder auch an Parteien wenden, um zum Beispiel für politische Ansichten zu werben. Die sogenannten Liebe-Freunde-Briefe von unterschiedlichen Parteien, die im Bund auch durch entsprechende Bundesministerinnen und Bundesminister an die lieben Freunde aus Fraktion und Partei versandt werden, sind insofern eine Praxis, die bisher auch bei der Union keine Kritik gefunden hatte. Ich finde diese parlamentarische Praxis übrigens richtig und kann deshalb die Aufregung hier im Landtag nicht verstehen. Denn ich glaube, dass Sie nicht Herrn Schäuble in Zukunft ebenfalls untersagen wollen, sich an seine Kollegen in der Bundestagsfraktion zu wenden.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Aber Ih- nen!)

Genau, Sie wollen es mir untersagen, aber nicht Herrn Schäuble. Insofern wird hier mit zweierlei Maß gemessen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich bedanke mich für Ihren Zwischenruf, der den Hintergrund dieser Aktuellen Stunde deutlich gemacht hat.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sagen Sie doch mal was zu Ihrem Briefkopf, nicht zu Herrn Schäfers! Zu Ihrem Verhalten!)

Ich verstehe mein Schreiben als eine Form zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung, Herr Kollege Fraktionsvorsitzender – den ich leider nicht hören kann, weil ich gerade das Wort habe, und nicht Sie –, die den durch das Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen gerecht wird. Ich will diese Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts für Sie, auch für Sie, Herr Mohring, noch einmal zusammenfassen:

Erstens: Die Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu halten.

Zweitens: In den Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit fällt, dass Regierung und gesetzgebende Körperschaften – bezogen auf ihre Organtätigkeit – der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern.

Mein Schreiben setzt sich mit der europarechtlichen und bundesrechtlichen Frage der Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland auseinander, erklärt entsprechende Hintergründe und Zusammenhänge, die aus Sicht der Autoren von Bedeutung sind. Mir ist bewusst, dass mein Schreiben vielleicht nicht die Ansicht der CDU-Fraktion widerspiegelt. Das muss aber auch nicht sein, denn die politischen…

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Darum geht es gar nicht! Sie kapieren das nicht!)

Doch, darum geht es!

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein, Sie kapieren das überhaupt nicht, um was es geht! Sie reden irgendwelches Zeug!)

(Unruhe CDU)

Ich darf jetzt um etwas mehr Ruhe bitten, auch Herrn Abgeordneten Mohring.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr Mohring, zuhören und begreifen!)

Es ist hier kein Zwiegespräch, sondern es gibt eine Redemeldung der Landesregierung. Herr Hoff, Sie haben das Wort.

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Ich danke Ihnen, Herr Präsident! Ich empfehle Ihnen, Herr Mohring, das Protokoll dieser Sitzung zu lesen, die Ausführungen Ihres Kollegen Emde zu lesen, dann wird Ihnen deutlich werden, worüber er gesprochen hat; es geht genau um diesen Punkt. Er teilt die Ansicht nicht, die inhaltlich in diesem Brief geäußert wird, und deshalb wird es problematisiert. Und ich rede, weil Sie die Frage gestellt haben: Darf eine politische Position aus der Staatskanzlei, auch wenn sie der CDU nicht gefällt und auch wenn sie der AfD nicht gefällt, durch die Landesregierung geäußert werden? Genau das ist das Thema, das Sie beantragt haben, und darüber rede ich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern, mein lieber Herr Fraktionsvorsitzender, gestatten Sie mir, dass ich weiter ausführe.

Als Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei bin ich auf Kabinettsbeschluss ordentliches Mitglied des Bundesrats nach Artikel 50 des Grundgesetzes und daher zur Mitwirkung an der Bundespolitik befugt. Für diejenigen, die Artikel 50 des Grundgesetzes vielleicht nicht wörtlich parat haben, will ich gern zitieren: „Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.“ Dass die Frage Griechenland eine Angelegenheit der Europäischen Union ist, dürfte hier im Hause vermutlich unstrittig sein, selbst bei den Fraktionen von AfD und CDU.

Der Mitwirkungsakt als Bundesratsmitglied beschränkt sich dabei nicht nur auf die Stimmabgabe im Bundesrat; vielmehr ermöglicht diese Organkompetenz, sich umfassend zu Bundesthemen zu äußern und am politischen Willensbildungsprozess zu diesen Bundesthemen teilzunehmen. Diese Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess habe ich mit meinem Schreiben bezweckt.

Drittens: Eine verantwortliche Teilhabe des Souveräns an der politischen Willensbildung setzt geradezu voraus, dass der Einzelne genügend weiß, um Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschläge beurteilen, billigen oder verwerfen zu können. Denn Aufgabe staatlicher Öffentlichkeitsarbeit ist es, Zusammenhänge offenzulegen, Verständnis für erforderliche Maßnahmen zu wecken oder um bestimmtes Verhalten zu werben. Das habe ich hier deutlich gemacht. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die Öffentlichkeitsarbeit gegenüber der Bevölkerung oder gegenüber Abgeordneten und Parteimitgliedern erfolgt, denn die politische Willensbildung wird in einer repräsentativen Demokratie nicht

nur durch das Wahlvolk, sondern gerade auch durch die gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter herbeigeführt. Einfach ausgedrückt: Die Maßstäbe, die für eine Unterrichtung des Volkes gelten, müssen erst recht für die Vertreter des Volkes Anwendung finden, wobei den Parteien eine besondere verfassungsrechtliche Stellung zugemessen ist.

Nun will ich nicht noch stärker argumentieren, denn Sie werden mit Sicherheit wissen, dass der Grundgedanke des Artikels 21 eine besondere Mitwirkungspflicht der Parteien am politischen Willensbildungsprozess postuliert. Insofern greift letztlich auch Ihr Vorwurf der Verletzung der Neutralitätspflicht des Staates, den Sie nicht nur implizit, sondern auch explizit ausgeführt haben, nicht, denn das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Neutralitätsgebot erst dann verletzt ist, wenn Staatsorgane als solche Partei ergreifen zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlwerbern in den Wahlkampf einwirken.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist hier erfüllt!)

Hier ist, glaube ich, der von mir zitierte Brief des Ministers Schäfer einschlägig. Deshalb habe ich ihn hier aufgeführt. Eine solche Einwirkung würde gegen das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf verstoßen und die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen verletzen. Ich halte den Brief des Hessischen Ministeriums für Finanzen, wie ich bereits ausgeführt habe, hier für einschlägig.

Ich denke, Sie stimmen mir zu, dass mein Brief diese Tatbestandsvoraussetzung beim besten Willen nicht erfüllen kann. Insofern freue ich mich, dass auch weitere Schreiben und Maßnahmen von mir das Interesse und die Öffentlichkeit erzeugen, die Sie hier mit der Aktuellen Stunde deutlich gemacht haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde schließe.

Ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Thüringen darf beim kommunalen Investitionspaket der Bundesregierung nicht benachteiligt werden.“

Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/396

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Ralf Kalich für die Fraktion Die Linke das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wider besseres Wissen verbreitet offensichtlich als Versuch eines Befreiungsschlags in einer für ihn sehr unangenehmen Situation der Oppositionsführer hier im Haus die Nachricht, die Landesregierung hätte beim kommunalen Investitionspaket der Bundesregierung schlecht verhandelt,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hat Sie!)

und das im Wissen darüber, dass die Länder von der Bundesregierung lediglich über das Vorhaben unterrichtet worden sind. Anstatt hier solchen Unfug zu verbreiten, hätten Sie, Herr Mohring, lieber Kraft und Zeit dafür verwenden sollen,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Pfeife!)

bei Ihren zuständigen CDU-Bundesministern, Ihrer Bundeskanzlerin, Ihrem Parteivorsitzenden und Ihren CDU-Bundestagsabgeordneten dafür Sorge zu tragen, dass der Freistaat bei den jetzt angekündigten Programmen nicht so benachteiligt wird, wie wir das jetzt gerade gesehen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, grundsätzlich unterstützen wir den Einstieg in ein solches Hilfsprogramm für die Kommunen, um den sich seit Jahren vergrößernden Investitionsstau in den kommunalen Infrastrukturen abzubauen. Dies zeigt aber umso mehr, dass es ein Miteinander der Bundesländer in Ost und West geben muss und dass seitens der Bundesregierung für einen solidarischen Ausgleich gesorgt werden muss. Durch das Paket sollen gezielt finanzschwache Kommunen unterstützt werden. Zur Ermittlung der Finanzschwäche werden als Kriterien die Einwohnerzahl, die Höhe der Anteile an Kassenkrediten und die Zahl der Arbeitslosen zugrunde gelegt. Damit wird Thüringen insbesondere deshalb benachteiligt, weil die im Bundesvergleich sehr niedrige Steuerkraft der Kommunen im Freistaat keine Berücksichtigung findet. Im Bundesdurchschnitt beträgt diese ein Drittel, in Thüringen derzeit weniger als 25 Prozent. Zudem wissen Sie, dass aufgrund der gesetzlichen Regelungen in Thüringen im Gegensatz zum Beispiel zu Nordrhein-Westfalen Kassenkredite eine untergeordnete Rolle spielen. Nach unserer Auffassung muss die Gesamtverschuldung einschließlich der Zweckverbände und Eigenbetriebe bei der Berechnung berücksichtigt werden. Zudem sollte eine demografische Komponente bei der Verteilung auf

genommen werden, um den Problemen im Zusammenhang mit dem Bevölkerungsrückgang Rechnung zu tragen. Wir unterstützen auch die Forderung des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds, der sich dafür ausspricht, dass die Hilfen zu 100 Prozent den Kommunen zu Hilfe kommen. Wir tun das im Übrigen bereits. Im Gegensatz zur Vorgängerregierung geht die rot-rot-grüne Koalition diesen Schritt mit dem jetzt im Landtag eingebrachten Kommunalpaket für das Jahr 2015, in dem Bundesmittel in Höhe von 47 Millionen Euro eins zu eins an die Kommunen durchgereicht werden.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach den bisher bekannt gewordenen Zahlen erhält Thüringen aus dem Paket lediglich 75,8 Millionen Euro und somit deutlich weniger als erwartet. Und das hängt nicht mit der Gesamtsumme zusammen, die wie bei allen Programmen auch hier viel zu wenig ist, sondern mit dem Verteilerschlüssel. Ob es um die Aufnahme von Flüchtlingen oder die Finanzierung von Infrastruktur geht, immer wird nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verfahren, um Mittel an die Länder auszuzahlen, nur bei dem jetzt in Rede stehenden kommunalen Hilfspaket nicht. Die Bundesregierung will hier lediglich 2,1 Prozent der Gelder nach Thüringen überweisen, obwohl dem Freistaat 2,7 Prozent zustünden. Das sind über 20 Millionen Euro weniger. Das müssen wir beim Bundesministerium der Finanzen klar benennen. Wenn dann Artikel 104 b Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes zugrunde gelegt wird, in dem eine Finanzhilfe zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet vorgesehen ist, sieht man, was es bedeutet, nur 70 Prozent der Wirtschaftskraft der Bundesrepublik hier in Thüringen zu haben. Als Beispiel: Die Verteilung auf die Länder beim Konjunkturpaket II erfolgte nach dem Königsteiner Schlüssel und dem Verteilungsschlüssel aus dem Programm für energetische Sanierung kommunaler Infrastruktur. Der Anteil Thüringens betrug 3,181 Prozent. Das wäre bei 3,5 Milliarden Euro ein Anteil von sogar 111,4 Millionen Euro statt wie bisher 75,8.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir unterstützen unsere Landesregierung ausdrücklich bei den jetzt beginnenden Verhandlungen auf Bundesebene und erwarten, dass auch die CDU im Interesse des Freistaats und seiner Kommunen aktiv wird. Mit den von mir am Anfang genannten Vertretern können Sie gern sprechen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr regiert doch! Macht was Gescheites draus!)

Damit sind Sie sicherlich vollständig ausgelastet, Herr Mohring, und dann können Sie Thüringen einen richtigen Dienst erweisen und reden nicht weiter solchen Unsinn hier.

(Beifall DIE LINKE)

(Präsident Carius)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kalich. Ich möchte Ihre Wortmeldung rügen insoweit, als Sie dem Herrn Abgeordneten Mohring „Unfug zu verbreiten“ vorgeworfen haben. Und Herrn Mohring erteile ich einen Ordnungsruf dafür, dass er den Abgeordneten Kalich eine „Pfeife“ genannt hat.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das war aber richtig, Herr Präsident!)