Protocol of the Session on June 23, 2017

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wo Höckes, Brandners herrschen wollen, werden wir keine Gäste nach Thüringen locken, und schon gar nicht zum Wandern. Kurzum: Ich danke nochmals dem Ministerium für den Bericht, dem wir von Bündnis 90/Die Grünen vollumfänglich zustimmen können, und ich freue mich bereits auf die Beratung im Doppelhaushalt, bei dem die Wanderwegekonzeption mit Sicherheit auch die gebührende finanzielle Unterfütterung erfahren wird. Im Sinne der Naturfreunde wünsche ich allen in den wohlverdienten Sommerferien ein „Berg frei!“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu dem Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen erfüllt ist, oder erhebt sich Widerspruch? Das kann ich nicht erkennen. Es ist keine Ausschussüberweisung des Berichts verlangt worden. Somit stimmen wir jetzt über den Alternativantrag der AfD ab. Dazu ist auch keine Ausschussüberweisung beantragt. Deswegen stimmen wir direkt über den Alternativantrag in Drucksache 6/4128 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganze zwei!)

Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Gentele. Damit ist der Alternativantrag der Fraktion der AfD abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17

Erhalt der Künstlersozialkasse und Aktualisierung der Aufnahmekriterien und Tätigkeitsbereiche Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3934

Wünscht jemand aus den Fraktionen das Wort zur Begründung? Das kann ich nicht erkennen. Dann eröffne ich die Beratung und als erste Rednerin hat Abgeordnete Henfling, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort – ach, sie ist gar nicht anwesend.

(Abg. Müller)

Gut, dann nehmen wir Frau Abgeordnete Mitteldorf, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das war jetzt im Ablauf etwas verwirrend. Wir beschäftigen uns heute im Thüringer Landtag mit einem Thema, was nicht einem Politikfeld allein zuzuordnen ist. Das wird man auch daran sehen – so viel kann ich Ihnen schon mal verraten –, dass sich unterschiedliche Fachsprecherinnen hier vorn dazu äußern werden. Es geht um die Künstlersozialkasse. Nun kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Künstlersozialkasse für viele zwar vom Klang her ein Begriff ist, aber nicht wirklich klar ist, was sich dahinter verbirgt.

Deswegen will ich das eingangs noch mal ganz kurz stichpunktartig erläutern. Die Künstlersozialkasse erhebt die Beiträge für die Künstlersozialversicherung. So weit – so gut. Aus unserer Sicht ist es ein sehr elementares Instrument und ein wichtiger Bestandteil, gerade was die Frage der sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern und Publizistinnen und Publizisten, wobei ich die durchaus immer unter dem Oberbegriff „Künstler“ subsumieren würde, betrifft.

Die Künstlersozialkasse ermöglicht freischaffenden Künstlern und Publizisten Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Es ist natürlich wichtig, wie sich jeder vorstellen kann, auch im selbstständigen Bereich bzw. im Honorarbereich die Möglichkeit zu haben, für das eigene Leben vorzusorgen und das gleichzeitig zu einem Beitrag zu tun, der erschwinglich ist, was natürlich bei Freischaffenden immer wieder das Problem ist. Die Künstlerinnen und Künstler sowie die Publizistinnen und Publizisten zahlen in die Künstlersozialkasse den dem Arbeitnehmeranteil entsprechenden Beitrag. Der Rest wird vom Bund, von der Rentenversicherung und abgabepflichtigen Unternehmen mitfinanziert.

Dieses Konstrukt gibt es schon sehr lange. Fast genauso lange, wie es die Künstlersozialkasse gibt, gibt es die Versuche, diese abzuschaffen. Wir haben erst Ende letzten Jahres wieder einen Vorstoß erlebt, und es sind zumeist Wirtschaftsverbände, die für eine Abschaffung der Künstlersozialkasse sind. Wir als Koalitionsfraktionen haben es für uns als eine wichtige Aufgabe empfunden, zu sagen, dass wir uns klar dagegen positionieren wollen; das haben wir auch in unserem Koalitionsvertrag bereits getan.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das machen wir auch in Umsetzung dieses Koalitionsvertrags mit diesem Antrag jetzt, der die Landesregierung beauftragt und bittet, auf Bundesebene – weil gerade das Rentenrecht und das Sozial

versicherungsrecht Bundessache sind –, sich in den entsprechenden Gremien – wir haben das hier benannt –, Arbeits- und Sozialministerkonferenz, Kultusministerkonferenz und gegebenenfalls auch im Bundesrat, dafür einzusetzen, dass die Künstlersozialkasse langfristig erhalten bleibt.

Darüber hinaus haben wir allerdings, was die Künstlersozialkasse betrifft, natürlich aus unserer Sicht Reformbedarf – nicht nur aus unserer Sicht, sondern das ist auch neulich erst in einem Expertengespräch des Deutschen Bundestags zum Ausdruck gekommen, dass es auf vielen verschiedenen Ebenen Reformbedarf gibt, was die Künstlersozialkasse betrifft. Hierzu möchte ich nur beispielhaft nennen: Es geht schon damit los, wer die Möglichkeit hat, in der Künstlersozialkasse zu sein und wie lange und langwierig der Prozess ist, um in diese Künstlersozialkasse überhaupt zu kommen.

Wir haben im vorherigen Tagesordnungspunkt zum Thema „Wandern“ auch sehr persönliche Bezüge zum Wandern hergestellt. Deswegen möchte ich an dieser Stelle mal einen sehr persönlichen Bezug zur Frage Künstlersozialkasse und zum Hineinkommen in die Künstlersozialkasse geben. Ich bin nämlich mit einem solchen Menschen verheiratet und durfte über einen langen Zeitraum erleben, wie schwierig und bürokratisch aufwendig es ist, in die Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden, und dass der Prozess langwierig ist. Man muss anhand der im dazugehörigen Bundesgesetz festgelegten Berufsgruppen eindeutig nachweisen, dass man zu einem überwiegenden Teil freiberuflich, also selbstständig arbeitend, in einer dieser sehr festgezurrten Berufskategorien tätig ist. Im Fall von meinem Mann hat der Prozess fast zwei Jahre gedauert, bis klar war, dass er in die Künstlersozialversicherung aufgenommen wird. Das war für ihn natürlich auch als Freischaffender und für die vielen anderen, die in der Künstlersozialkasse sind, durchaus ein wichtiger Schritt auch für die eigene soziale Absicherung.

Man ist natürlich freischaffend, sozusagen selbstständig. Das wissen auch wir Abgeordnete, wenn es um die Frage Rentenpunkte usw. geht. Da spielen verschiedene Aspekte eine Rolle, die sehr wichtig sind. Jetzt ist aber das Problem, dass diese Berufsgruppen – ich habe das ja schon angedeutet – ziemlich festgezurrt sind und dass es teilweise Berufsgruppen gibt, die sich auch im Laufe der Jahre erst entwickelt haben, die überhaupt nicht auftauchen, weshalb Menschen von vornherein von der Künstlersozialversicherung ausgeschlossen sind. Das betrifft – das haben wir in dem Antrag auch gesagt – zum einen einen relativ „neuen“ Beruf, der natürlich auch im Zuge von Digitalisierungen und Arbeit 4.0 – wie man das immer alles so schön nennt – entstanden ist: den Clickworker. Es geht aber auch um eigentlich klassische Berufe, wo – glaube ich – jeder von uns auch der Meinung ist,

(Vizepräsidentin Jung)

sie haben einen künstlerisch kulturellen Bezug. Da geht es um Restauratorinnen und Restauratoren usw., wo man – glaube ich oder glauben wir – im Jahre 2017 spätestens mal darüber reden muss, dass man einfach die Berufsgruppierungen und die Berufsbezeichnungen, die ein „Anrecht“ haben, um sich überhaupt bei der Künstlersozialkasse um Aufnahme zu bewerben, dass man diese Kriterien erweitern muss und auch die Berufsgruppen breiter fassen muss.

Das sind natürlich alles Dinge, die wir sehen, die auch in der besagten Anhörung im Deutschen Bundestag dazu noch mal zur Sprache gekommen sind. Das ist so ein bisschen der Punkt oder Grund, warum wir gesagt haben, wir machen diesen Antrag und bitten auch die Landesregierung, da tätig zu werden. Ich glaube, dass wir eigentlich gar nicht weit auseinander sind, was die Frage der Wichtigkeit der Künstlersozialkasse betrifft. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Menschen in diesem Hohen Haus gibt, die infrage stellen, dass es wichtig ist, für Künstlerinnen und Künstler, Freischaffende – da geht es ja auch um die Frage Dozenten, Lektoren –, dass es auch für diese Personen möglich sein muss, in sozial gesicherten Verhältnissen leben zu können und nicht ihren Anteil, um für sich selber vorzusorgen, das im Zweifelsfalle wenige Geld, was sie verdienen, überwiegend in Krankenkassen usw. zu zahlen. Deswegen appelliere ich durchaus noch mal vehement auch an die Kolleginnen der CDU-Fraktion, mit uns gemeinsam ein Zeichen zu setzen und gemeinsam unsere Landesregierung zu bitten, da aktiv zu werden, um auch den Künstlerinnen und Künstlern und den Freischaffenden in unserem Freistaat ein Zeichen zu geben, dass wir an ihrer Seite stehen und uns um ihre Zukunft sorgen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Marx, Fraktion der SPD, das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer oben auf der Tribüne! Ja, die Künstlersozialversicherung gibt es seit dem 01.01.1983 und es ist eine echte sozialdemokratische Errungenschaft, denn es gab zwei Bundestagsabgeordnete damals, Dieter Lattmann und Herbert Ehrenberg,

(Beifall DIE LINKE)

die sich mit großem persönlichen Engagement schon in den Siebzigerjahren dafür eingesetzt haben, den unregelmäßigen Auftragslagen, schwankenden Honoraren und schlechter sozialer Absiche

rung ausgesetzten Kreativfreiberuflern eine gesetzlich garantierte Kranken- und Rentenversicherung anzubieten. Das Modell der Künstlersozialkasse basiert auf einer Mischfinanzierung, ähnlich den gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen für Arbeitnehmer. 50 Prozent des Beitrags werden durch die Versicherten aufgebracht, der restliche Teil durch die Künstlersozialabgabe der Verwerter bzw. Auftraggeber – circa 30 Prozent – und dann noch Bundeszuschüsse – circa 20 Prozent. Diese Einbindung der wirtschaftlichen Nutznießer von Dienstleistungen in die Altersvorsorgefinanzierung der rechtlich selbstständigen Leistungserbringer durch die Künstlersozialabgabe ist eine Besonderheit, die in Deutschland außerhalb der Erbringung künstlerischer und publizistischer Leistungen ohne Parallelen geblieben ist.

Es fragt sich natürlich: Warum ist so eine Ausnahmeregelung nötig und ist sie noch zeitgemäß? Die Begründung für diese Ausnahmeregelung ist einfach. Wie die Künstlersozialkasse auf ihrer Webseite selbst zu Recht feststellt, fördert der Staat mit der Künstlersozialversicherung selbstständige Künstler und Publizisten. Und – so heißt es – da diese Berufsgruppe sozial meist deutlich schlechter abgesichert ist als andere Selbstständige,

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Ja, so ist das!)

ist es nicht nur eine sozialpolitische, sondern auch eine kulturpolitische Errungenschaft, denn mit der Einrichtung der Künstlersozialkasse wird die schöpferische Aufgabe von Künstlern und Publizisten als wichtig für die Gesellschaft anerkannt.

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Sehr richtig!)

(Beifall DIE LINKE)

Die pauschal auf eine Abschaffung der Künstlersozialversicherung zielende Kritik von Wirtschaftsverbänden ist daher unangemessen. Das Jahreseinkommen der über die Künstlersozialkasse Versicherten hat 2016 bei durchschnittlich nur 15.945 Euro gelegen, das sind monatlich 1.328,75 Euro. Sogar sogenannte Solo-Selbstständige stehen mit einem Jahreseinkommen von durchschnittlich 18.600 Euro besser da als selbstständige Künstler und Publizisten. Die Selbstständigkeit im Künstler- und Kulturbereich ist also in besonderem Maße prekär, und es trifft nicht zu – so die Argumentation der Wirtschaftslobby –, dass durch die Existenz der Künstlersozialversicherung Selbstständigkeit mit zweierlei Maß gemessen würde.

Viele selbstständige Künstler und Publizisten können sich eine eigenständige soziale Sicherung im Gegensatz zu den allermeisten übrigen Selbstständigen schlicht nicht leisten. Sie sind daher erheblich schutzbedürftiger als andere Selbstständige. Nach

(Abg. Mitteldorf)

vollziehbar ist aber die Kritik von Wirtschaftsverbänden daran, dass im Künstlersozialversicherungsgesetz der Kreis der versicherten Personen zu pauschal definiert ist. Dort heißt es bisher in § 1: „Selbständige Künstler und Publizisten werden in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.“ Und § 2 ergänzt: „Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.“

1983 – ich sagte es schon; es ist ja schon eine Weile her, als die Künstlersozialversicherung ins Leben gerufen wurde – waren die aus dem Gesetz zitierten Regelungen sicherlich völlig ausreichend. In der sich rasch wandelnden Arbeits- und Berufswelt der letzten Jahre haben diese Pauschaldefinitionen jedoch zu wachsenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen versicherungspflichtigen und nicht von der Künstlersozialversicherung erfassten Tätigkeiten geführt. So sind Webdesigner beispielsweise selbstständige Künstler im Sinne der Künstlersozialversicherung, Webmaster und Programmierer jedoch nicht. Eine selbstständige Visagistin ist versicherungspflichtig, eine selbstständige Kosmetikerin, die ab und an im Theater- oder Filmbereich tätig ist, wird dagegen nicht von der Versicherung erfasst.

Der Verfasser von Betriebs- und Bedienungsanleitungen ist für die Künstlersozialkasse ein selbstständiger Publizist, der Übersetzer von Betriebsund Bedienungsanleitungen nur dann, wenn er bei der Übersetzung einen gewissen Gestaltungsspielraum besitzt. Genauso verhält es sich beim Werbefotografen in Abgrenzung zum normalen, selbstständigen Fotografen, da Letzterer laut Künstlersozialkasse bei seiner Tätigkeit keine kreative Eigenleistung aufbringt. Und als Highlight: Teemeisterinnen, die die traditionelle japanische Teezeremonie ausführen, üben keine versicherungspflichtige Kunst aus, sondern betreiben lediglich eine nicht von der Künstlersozialversicherung umfasste Brauchtumspflege.

Die Künstlersozialkasse, die die Einschätzung vornimmt, ob ein Tätigkeitsfeld von der Versicherungspflicht erfasst ist oder nicht, führt inzwischen eine Liste von über hundert Berufen, die als selbstständige Künstler bzw. Publizisten gemäß Künstlersozialversicherungsgesetz gelten. Zweifelsfälle müs

sen immer wieder sozialgerichtlich geklärt werden. Beides spricht dafür, dass die §§ 1 und 2 des Gesetzes, wie in unserem Koalitionsantrag gefordert, klarer definiert werden müssen, um mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen und für die abgabenpflichtigen Unternehmen zu schaffen. Zudem müssen auch neue Tätigkeitsfelder, wie sie durch die rasante Entwicklung des Internets entstanden sind, in die Künstlersozialversicherung mit einbezogen werden.

Immer mehr Unternehmen gehen nämlich inzwischen zum sogenannten Crowdsourcing über, das heißt, sie lagern Unternehmensaufgaben und -strukturen aus, aber nicht nur Outsourcing, sondern an die Masse der Internetbenutzer, also in die Crowd. Dabei werden komplexe Aufgabenstellungen in eine Fülle von Kleinstaufträgen verwandelt, wie zum Beispiel ein Testen von Apps, die Überprüfung von Texten auf Fehler, die Übersetzung von Produktbeschreibungen, die Entwicklung von Logos oder Produktdesigns, die Pflege von Datenbanken oder die Verschlagwortung von Dokumenten und Bildern. Die Honorare für dieses Crowdworking sind oftmals sehr niedrig. Selbstständige, hauptberufliche Crowdworker oder – anderer Begriff – Clickworker, der auch in unserem Antrag steht, kommen Studien zufolge daher bestenfalls auf ein monatliches Einkommen von 1.500 Euro, das aber bei Arbeitszeiten von bis zu 80 Stunden in der Woche. In Deutschland soll es nach Schätzungen bereits mehrere 100.000 Crowd- oder Clickworker geben. Es droht also hier eine Art digitales Prekariat zu entstehen. Da viele Clickworker Dienstleistungen erbringen, die einer künstlerischen bzw. publizistischen Tätigkeit im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes gleich oder zumindest doch sehr nahe kommen, sollte ihnen die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung ermöglicht werden.

Fazit: Wir setzen uns dafür ein, dass die Künstlersozialkasse wegen der geschilderten Besonderheiten langfristig erhalten bleibt. Sie ist auch mehr als drei Jahrzehnte nach ihrer Einrichtung nach wie vor die richtige Antwort auf die unverändert prekäre Lage vieler selbstständiger Künstlerinnen und Künstler. Uns ist aber auch klar, dass das Künstlersozialversicherungsgesetz nicht länger auf dem Stand von 1983 verbleiben kann. Die raschen, umfassenden und anhaltenden Veränderungen der Arbeitsund Berufswelt müssen sich dort niederschlagen. Der Kreis der Versicherungspflichtigen muss zeitgemäß definiert und regelmäßig angepasst werden. Wir brauchen vor allem die soziale Absicherung selbstständiger Clickworker, wenn wir sie nicht ins digitale Prekariat abrutschen lassen wollen. Für diese Vorhaben soll sich unsere Landesregierung auf Bundesebene einsetzen. Das ist der Wunsch der Koalitionsfraktionen. Daher bitte auch ich herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Brandner das Wort.

Meine Damen und Herren – herzlich willkommen auch auf der Tribüne! –, jetzt haben wir ein paar Mal das Gleiche gehört. Es wird Sie nicht wundern – erst einmal die Hose hochziehen, Frau Henfling –, dass wir eine etwas andere Sicht der Dinge haben als der linksdemokratische Block.

Meine Damen und Herren, auch unter freischaffenden Künstlern und Publizisten – ich nenne die jetzt einfachheitshalber in den nachfolgenden 20 Minuten Künstler, weil der Begriff sonst zu lang ist –, auch in diesen Personengruppen befinden sich Menschen mit geringem Einkommen und unsicheren beruflichen Perspektiven. Im Bereich der künstlerischen Berufe ist der Anteil von Personen, die unter wirtschaftlich prekären Bedingungen leben, nicht gering. Frau Marx hatte darauf hingewiesen. Zweifellos muss der Sozialstaat die betroffenen Künstler im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen; aber genauso wie bei allen anderen, die der staatlichen Hilfe bedürfen, muss das geschehen. In Deutschland wurde dazu gegen Ende der sozialliberalen Koalition, also gegen Ende der 70er-Jahre – umgesetzt wurde es dann Anfang der 80er-Jahre – mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz und der Künstlersozialkasse ein ganz eigenwilliger Weg eingeschlagen. Für Künstler wurde ein eigener Versicherungszweig geschaffen, dessen Beiträge zur Hälfte von den Versicherten getragen werden und zu 30 Prozent von den Verwertern, also den Kunden, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, und 20 Prozent sind ein Bundeszuschuss. Mit anderen Worten: Das zahlen also wir Steuerzahler. Problematisch dabei ist unter anderem, dass für die Verwerter oft nicht klar erkennbar ist, ob überhaupt Gebühren und – wenn ja – in welcher Höhe diese anfallen oder diese Versicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Seit ihrem Bestehen ist die Geschichte der Künstlersozialkasse nicht zuletzt auch eine Geschichte der Kritik und der Krise. Auch darauf hatten die Vorredner hingewiesen. Kritik gab es beispielsweise im August des vergangenen Jahres durch ein Positionspapier der Vereinigung hessischer Unternehmensverbände. Davon hat nun nach etwa neun Monaten auch unsere deutsche demokratische Ramelow-Koalition Kenntnis erhalten und wahrscheinlich deshalb den Antrag hier ins Plenum gebracht. Natürlich fragt man sich auch, warum es genau dieser Zeitpunkt sein muss, warum das gerade heute geschieht. Ich kann Ihnen das beantworten. Die Linkskoalition greift das heute

auf, weil wir uns bereits im Bundestagswahlkampf befinden und weil Rot-Grün die eigene Wohltätigkeit durch Wahlkampfgetöse bei ihrer Klientel unterstreichen will. Warum sollten wir uns sonst mit einem Gesetz befassen, das mit dem Thüringer Landtag nichts zu tun hat und originäre Bundeszuständigkeit ist? Sei es drum! Angesichts der anhaltenden Krise nicht nur des Systems der Künstlerversicherungen, sondern des deutschen Sozialversicherungssystems überhaupt ist es tatsächlich an der Zeit, Alternativen zu diskutieren. Deshalb ist es schön, dass dieses Thema hier in dieses gefüllte Plenum eingebracht wurde. Einer solchen Debatte – Sie werden es ahnen, meine Damen und Herren – stellt sich die AfD gern.

Meine Damen und Herren, die kreative Klasse, wie sie in Anlehnung an einen Buchtitel gern genannt wird, geht ihren Tätigkeiten sicherlich nicht umsonst nach, also wie der Franzose sagt: nicht „L‘art pour l’art“. – Französisch muss auch mal sein, Frau Henfling. – Wir leben in einer Wirtschaftsgesellschaft und Künstler und Autoren sind die treibenden Kräfte für die Kreativwirtschaft, die sich in den vergangenen Jahren zu einem dynamischen Wirtschaftszweig in Deutschland entwickelt hat – mit einem Jahresumsatz von etwa 150 Milliarden Euro. Viele derjenigen, die hieran beteiligt sind, sind Selbstständige mit oft geringem Einkommen. Die Künstlersozialkasse gibt aktuell als durchschnittlichen Jahresverdienst der Versicherten knapp 16.000 Euro an. – Da krankt Ihr Antrag so ein bisschen: also nicht 15.000 Euro, wie es in Ihrem Antrag steht, sondern knapp 16.000 Euro. – Und 16.000 Euro – das kann man unterstreichen – sind mehr oder weniger prekäre, also angespannte finanzielle Verhältnisse.