Gleichwohl nehmen die qualitativen und quantitativen Anforderungen an die Polizei stetig zu und stellen diese permanent vor neue Herausforderungen. Anpassungen der Organisations- und Dienstpostenpläne der Thüringer Polizei sind ein stetiger und dynamischer Prozess. Natürlich müssen und werden wir flexibel auf neue Phänomene oder Verlagerungen der polizeilichen Schwerpunkte reagieren. Diese Reaktionen betreffen vor allem die Aufgabenzuweisungen und Prioritätensetzungen in der polizeilichen Arbeit und schlagen sich häufig in der Fortschreibung des Organisations- und Dienstpostenplans der Thüringer Polizei als Änderungen nieder. Davon zu unterscheiden sind Organisationsbetrachtungen zur Optimierung der Struktur der Polizei, die sich in der Regel durch veränderliche Rahmenbedingungen ergeben und tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen. Die hierzu notwendigen Betrachtungen sind noch nicht abgeschlossen.
Zu Frage 2: Die Vorstellung der Empfehlungen im Kabinett durch den Leiter der Expertenkommission, Herrn Prof. Dr. Baldus, erfolgte am 25. Oktober letzten Jahres. Mit Kabinettsbeschluss vom 13. Dezember 2016 ist der Innenminister gebeten worden, zusammenfassend über wesentliche Schlussfolgerungen aus dem Abschlussbericht zur Evaluierung der Polizeistrukturreform zu berichten. Zur Erfüllung dieses Auftrags wurde im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales unverzüglich eine Arbeitsgruppe unter Leitung des von Ihnen angesprochenen amtierenden Abteilungsleiters Polizei eingerichtet. Der in der Fragestellung Genannte wirkte an den Prüfungen und Bewertungen der Arbeitsgruppe mit. Im Rahmen des Bewertungsprozesses
war uns vor allem die Einbindung und selbstverständlich auch die Kommunikation mit den Bediensteten wichtig. So fanden verschiedene Workshops und Besprechungen mit den Mitarbeitern der Polizei statt. Die Arbeitsgruppe hat nach Abschluss der Überprüfung der Umsetzbarkeit der Empfehlungen einen ersten Berichtsentwurf erstellt. Dieser wird derzeit mit anderen Ressorts abgestimmt. Die Stellungnahmen der anderen Ressorts werden inhaltlich abgewogen und in einem ressortübergreifenden Diskussionsprozess abschließend bearbeitet. Dieser Prozess ist derzeit noch nicht abgeschlossen.
Ja. Herr Staatssekretär, wann ist denn damit zu rechnen, dass die – ich sage mal – zweite Kommission fertig ist und man Ergebnisse hört und sieht?
Vielen Dank. Weiteren Nachfragebedarf sehe ich nicht. Frau Abgeordnete Holbe bringt sich schon am Mikrofon in Stellung. Sie ist die nächste Fragestellerin mit der Drucksache 6/4053.
Das vom Thüringer Verfassungsgerichtshof am 9. Juni 2017 für nichtig erklärte Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen sah für die Neugliederung von Gemeinden in Artikel 1 § 7 die Gewährung von sogenannten Strukturbegleithilfen sowie in Artikel 1 § 8 die Gewährung von sogenannten Fusionsprämien vor. Trotz des Urteils sollen die Gemeinden, die ihre Anträge auf freiwillige Fusionen beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales bereits eingereicht hatten, nach Informationen der Fragestellerin – also von mir – unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl in den Genuss von Begleithilfen und Fusionsprämien gelangen.
1. Wie gedenkt die Landesregierung mit den gegenwärtig im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales vorliegenden Fusionsanträgen nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Juni 2017 weiter zu verfahren?
2. Plant die Landesregierung, fusionswillige Gemeinden, die ihren Antrag bereits eingereicht haben, weiterhin mit Begleithilfen und/oder Fusionsprämien zu unterstützen, und falls ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Holbe beantworte ich für die Landesregierung wie folgt, wobei ich die Fragen 1 und 2 zusammen beantworten möchte:
Um zu den im Innenministerium vorliegenden Anträgen kreisangehöriger Gemeinden auf freiwillige Neugliederung wie auch zu einer finanziellen Unterstützung von Gemeindeneugliederungen eine verfassungsrechtlich korrekte Entscheidung zu treffen, ist zunächst die schriftliche Begründung des Urteils abzuwarten. Danach werden wir unverzüglich die notwendigen Schritte einleiten, um diesen Neugliederungsbegehren zum Erfolg zu verhelfen.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie denn, dass der Innenminister jetzt schon verkündet, ohne dass er die schriftliche Begründung des Urteils kennt, dass das Geld weiterhin gezahlt wird und das weiterhin so gehandhabt wird? Wie beurteilen Sie das? Können Sie mir das erklären als nicht so Sachkundigem wie Staatssekretär und Innenminister?
Herr Abgeordneter Fiedler, Sie sind doch selbstverständlich sehr sachkundig und Sie wissen, dass bestimmte grundlegende Entscheidungen diesem Hohen Haus vorbehalten sind, insbesondere die Frage der Finanzierung einer Gemeindegebietsreform. Ich glaube, der Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof gebietet es, dass jetzt, wie ich bereits ausgeführt habe, die schriftliche Urteilsbegründung abge
wartet wird. Darum hat der Verfassungsgerichtshof auch in der letzten mündlichen Verhandlung ausdrücklich gebeten. Wir werden das tun und danach die entsprechenden Schritte, wie die Erarbeitung gesetzlicher Regelungen, wenn sie notwendig sind, um so viel Geld auszureichen, Ihnen zur Entscheidung vorlegen. Ich hoffe, dass Sie diesen Prozess dann konstruktiv mit unterstützen, denn ich habe jetzt herausgehört, dass auch Sie ein Interesse daran haben, den freiwilligen Gemeindefusionen hier zum Erfolg zu verhelfen.
Danke, Herr Staatssekretär. Es gibt einen weiteren Nachfragewunsch des Abgeordneten Kuschel, Fraktion Die Linke.
Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, gibt es irgendwelche Reaktionen von den Antragstellern auf freiwillige Neugliederungen, die jetzt im Ergebnis oder in der Folge dieses Urteilsspruchs des Verfassungsgerichts vorliegen, also dass Gemeinden möglicherweise Anträge wieder zurückgezogen haben? Gibt es solche Erkenntnisse?
Die Rücknahme von Anträgen ist mir persönlich nicht bekannt. Auch gehe ich davon aus, dass die Gemeinden das tun, was wir auch tun – man wartet jetzt die schriftliche Urteilsbegründung ab. Dann werden wir auch aktiv auf die Gemeinden zugehen, um den weiteren Prozess mit den Gemeinden zu klären und Ihnen dann die notwendigen gesetzlichen Regelungen hier zur Entscheidung vorzulegen.
Meine Nachfrage bezieht sich jetzt auch noch mal auf die zeitlichen Abläufe. Um diese Rechtsgrundlage zu schaffen, bedarf es auch einiger Zeit im parlamentarischen Lauf. Auf der anderen Seite habe ich den Vertrauensschutz derer, die auf Grundlage des damalig geltenden Vorschaltgesetzes eingereicht haben. Sehen Sie ein zeitliches Problem in den Abläufen, das dieses Jahr noch hinzubekommen?
Das setzt voraus, dass das Gericht, wie angekündigt, uns in den nächsten Wochen seine Urteilsbegründung zur Verfügung stellen wird. Ich gehe davon aus, dass das geschieht. Auf dieser Grundlage sehe ich keine Probleme, diese freiwilligen Neugliederungen in diesem Jahr noch erfolgreich umzusetzen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zur nächsten Anfrage. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Walk, Fraktion der CDU, mit der Drucksache 6/4062.
Medienberichten zufolge konnte die Kriminalpolizei Eisenach kürzlich einen Ermittlungserfolg im Bereich der politisch motivierten Kriminalität verbuchen. So seien drei Personen, die dem Spektrum der „Jungen Nationalen“ zuzuordnen sind, dringend tatverdächtig, in den letzten zweieinhalb Jahren an die 70 politisch motivierte Taten im Raum Eisenach begangen zu haben. Der Verfassungsschutzbericht des Freistaats Thüringen 2014/2015 führt die „Jungen Nationaldemokraten“ für das Jahr 2015 als „inaktiv“.
1. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Landesregierung zur Zugehörigkeit der Tatverdächtigen zu rechtsextremen Parteien, Gruppierungen oder sonstigen Organisationen?
2. Welche Entwicklung ist seit dem Jahr 2016 bei den „Jungen Nationaldemokraten“, die im Jahr 2015 noch als „inaktiv“ eingestuft worden waren, thüringenweit festzustellen?
3. Welche anderen rechtsextremen Parteien, Gruppierungen oder sonstigen Organisationen, die im Verfassungsschutzbericht des Freistaats Thüringen 2014/2015 nicht genannt wurden, sind seit dem Jahr 2016 in Thüringen in welcher Form aktiv?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Die Antwort zu Frage 1: Die Personen werden der neonazistisch geprägten Eisenacher Jugendszene und den dort in den vergangenen zwei Jahren unter der Gruppenbezeichnung Nationale Jugend Eisenach-Wartburgkreis, Jugendoffensive Wartburgkreis – abgekürzt WAK – bzw. der aktuell als Nationaler Aufbau Eisenach in Erscheinung tretenden Gruppierung zugerechnet.
Die Antwort zu Frage 2: Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten – abgekürzt JN – besitzt in Thüringen weiterhin keine Strukturen. Öffentliche Betätigungen der JN, auch solche im Internet, blieben im angefragten Zeitraum aus.
Die Antwort zu Frage 3: Zunächst wäre anzumerken: Die Verfassungsschutzberichte enthalten keine komplette Übersicht über alle im jeweiligen Beobachtungsjahr in Thüringen aufgetretenen rechtsextremistischen Bestrebungen, sondern konzentrieren sich auf Beobachtungsschwerpunkte. In ihnen sind deshalb nicht alle aktiven unter Beobachtung stehenden rechtsextremistischen Gruppierungen benannt. Die rechtsextremistische Szene unterliegt einer hohen Dynamik. In den letzten Jahren veränderte sie sich unter anderem durch die Schwäche der NPD, die Gründung weiterer Parteien sowie Umstrukturierungen oder Umbenennungen im parteiungebundenen Spektrum der sogenannten Freien Kräfte. Hierzu verweise ich auf meine bereits erfolgten Ausführungen zu Frage 1. Beispiele für neu hinzugekommene Gruppierungen in Thüringen sind die Identitäre Bewegung Thüringen und die neonazistische Gruppierung „Kollektiv 56“, „Turonen“ bzw. „Garde 20“. Die 2015 von Rechtsextremisten iniziierte Bewegung „Thüringen gegen die Islamisierung des Abendlandes“ erweiterte sich seitdem durch die Gründung als Verein „THÜGIDA/Wir lieben Sachsen e. V“. Diese Gruppierungen traten neben der Teilnahme und Organisation von demonstrativen Aktionen sowie rechtsextremistischen Musikveranstaltungen mit Veröffentlichungen mit ausländerfeindlichem, geschichtsrevisionistischem, teilweise auch antisemitischem Inhalt im sozialen Netzwerk Facebook, durch Anbringen entsprechender Schriftzüge und Transparente und dem Verteilen von Flugblättern an verschiedenen Orten in Thüringen in Erscheinung.
Die Antwort zu Frage 4: In Thüringen geht weiterhin die größte Gefahr für unser Gemeinwesen vom Rechtsextremismus aus. Eine dominierende Gruppe innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums existiert in Thüringen aktuell nicht. Während die rechtsextremistische Szene in Thüringen lange Zeit
unter dem Einfluss der NPD stand, konnten sich mit den Parteien „DIE RECHTE“ und „DER DRITTE WEG“ zwei weitere rechtsextremistische Parteien etablieren. Ebenso entstanden im Neonazi-Spektrum neue Gruppierungen. Die dynamische Entwicklung innerhalb der rechtsextremistischen Szene wird überdies an der Bewegung „Thügida“ deutlich. Während die Gruppierung 2015 und zum Jahresbeginn 2016 durch die damalige Flüchtlingskrise schnell an Bedeutung gewann und Mobilisierungserfolge erlangte, verringerte sich ihr Einfluss inzwischen deutlich.
Die Landesregierung begegnet rechtsextremistischen Entwicklungen repressiv und präventiv mit allen ihr zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln.
Herr Staatssekretär, Sie hatten ausgeführt, dass sich die neonazistisch geprägte Gruppe mehrfach umbenannt hat. Meine Frage dazu: Ist die Führungsstruktur jeweils gleich geblieben, auch unter der neuen Gruppenbezeichnung, oder hat sich die Führungsstruktur geändert?